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Kündigung Geschäftsführer-Dienstvertrag – wichtiger Grund


OLG Celle

Az.: 9 U 203/03

Urteil vom 04.02.2004

Vorinstanz: Landgericht H – Az.: 10 O 70/03


Leitsatz:

1. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für die Kündigung eines Geschäftsführer-Dienstvertrages liegt vor, wenn sich der Geschäftsführer durch eine zwar wirksame, aber als unberechtigt zu qualifizierende Amtsniederlegung der Möglichkeit begibt, die Geschäftsführeraufgaben gerade im Außenverhältnis für die Gesellschaft wahrzunehmen und damit deren rechtsgeschäftlichen Handlungsbereich in für diese unzumutbarer Weise verengt. Eine solche Amtsniederlegung ist auch dann als unberechtigt zu qualifizieren, wenn der Geschäftsführer infolge der Umsetzung an ihn gerichteter Weisungen der Gesellschafterversammlung eine für die Gesellschaft negative Entwicklung befürchtet und sogar mit einem drohenden Zusammenbruch des Unternehmens rechnet; auch in solchen Fällen bleibt der Geschäftsführer seiner Aufgabe verpflichtet, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns alles zu tun, was die Interessen der Gesellschaft erfordern, und zugleich die an sein Amt geknüpften öffentlichrechtlichen Pflichten zu erfüllen.

2. Die außerordentliche Kündigung des Dienstvertrages mit dem Geschäftsführer ist auch dann berechtigt, wenn dieser durch seine Weigerung, einen ihn bindenden Beschluss der Gesellschafterversammlung umzusetzen, zum Ausdruck bringt, dass er mit deren Geschäftspolitik nicht mehr übereinstimmt und damit letztlich die Vollziehung des ihm übergeordneten Willens der Gesellschafterversammlung blockiert, sodass die Gesellschaft davon ausgehen muss, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer in verantwortlicher Position nicht mehr möglich sein wird. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft die von ihr in Aussicht genommenen Maßnahmen durch andere Organe durchsetzen kann, weil sie aufgrund des Verhaltens des Geschäftsführers damit rechnen muss, dass dieser die Vorstellungen der Gesellschafterversammlung nur „halbherzig“ – möglicherweise auch nur nach entsprechender konkreter Weisung im Einzelfall – umsetzten wird; der Gesellschaft ist es nicht zumutbar, dieses Risiko ständig vor Augen zu haben, da sie auf die Loyalität ihres Geschäftsführers vertrauen können muss.


In dem Rechtsstreit hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2004 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. September 2003 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts H####### wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

G r ü n d e

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufung macht der Kläger geltend, sein Verhalten könne nicht als Pflichtverletzung des Anstellungsvertrages aufgefasst werden; er habe nämlich ausdrücklich erklärt, seine Dienste der Beklagten weiter zur Verfügung zu stellen. Er habe auch nicht das Ziel angestrebt, die Durchführung der Gesellschafterbeschlüsse zu verhindern; der verbleibende Geschäftsführer L####### habe die Verträge abschließen können, sodass die Beklagte im Außenverhältnis weiterhin voll handlungsfähig geblieben sei.

Zudem sei der Kläger entgegen der Auffassung des Landgerichts als Arbeitnehmer zu qualifizieren; dies ergebe sich aus den im „Innenverhältnis“ zur Beklagten bestehenden Beschränkungen, die der Anstellungsvertrag sowie die Authority Limitations vorsähen.

Die Entscheidung des Klägers zur Amtsniederlegung sei im übrigen nicht spontan erfolgt, sondern vielmehr das Ergebnis monatelanger Gespräche und Differenzen zwischen dem Kläger und der Beklagten gewesen. Insofern habe es das Landgericht unterlassen aufzuklären, ob der von der Alleingesellschafterin zu zahlende Kaufpreis als gleichwertiges Äquivalent für die Übertragung der immateriellen Wirtschaftsgüter zu qualifizieren gewesen sei. Die Beklagte sei schließlich verpflichtet gewesen, den Kläger abzumahnen, bevor sie eine fristlose Kündigung aussprach.

Der Kläger beantragt,

1. unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts H####### den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hildesheim zurück zu verweisen;

2. im Falle einer eigenen Sachentscheidung des Oberlandesgerichts, das Urteil des Landgerichts abzuändern und

a) festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Dezember 2002, dem Kläger am 19. Dezember 2002
zugegangen, beendet worden ist, sondern unverändert fort
besteht,

hilfsweise,

festzustellen, dass das Dienstverhältnis zwischen den
Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Dezember 2002, dem Kläger am 19. Dezember 2002
zugegangen, beendet worden ist;

b) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 EUR brutto nebst 5 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26. Januar 2003 zu zahlen;

c) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 EUR brutto nebst 5 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26. Februar 2003 zu zahlen;

d) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 EUR brutto nebst 5 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26. März 2003 zu zahlen;

e) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 EUR brutto nebst 8 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26. April 2003 zu zahlen;

f) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 EUR brutto nebst 8 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26. Mai 2003 zu zahlen sowie

g) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.373,68 EUR brutto nebst 8 % des über dem jeweiligen Basiszins liegenden Zinssatzes seit dem 26. Juni 2003 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Vorbringen.

II.

Die Berufung ist unbegründet, da der Anstellungsvertrag zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Dezember 2002 beendet worden ist; der Feststellungsantrag ist daher ebenso unbegründet wie der Leistungsantrag, mit dem die Gehaltsansprüche des Klägers für die Zeit von Januar 2003 bis Juni 2003 geltend gemacht werden.

Die Beklagte hat das Dienstverhältnis zum Kläger gemäß § 626 Abs. 1 BGB „aus wichtigem Grund“ gekündigt, sodass das Vertragsverhältnis mit Zugang der Kündigung am 19.12.2002 beendet worden ist.

1. Die Klage ist allerdings nicht schon von vornherein deshalb unbegründet, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien bereits aufgrund einer Erklärung des Klägers selbst beendet worden wäre. Denn zum Zeitpunkt der Kündigung seitens der Beklagten vom 13. Dezember 2002 bestand der Anstellungsvertrag zwischen den Parteien noch. Zwar hat der Kläger mit am 12.12.2002 der Alleingesellschafterin der Beklagten zugegangenen Schreiben vom 10.12.2002 erklärt, er lege seine „Funktion und Tätigkeit als Geschäftsführer der SM GmbH“ nieder. Wie sich indes aus dem weiteren Inhalt des Schreibens ergibt, insbesondere der Bitte um Anmeldung zum Handelsregister und dem Angebot der Dienstleistung seitens des Klägers, bezog sich diese Erklärung lediglich auf seine Organstellung, also die Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer. Das Organverhältnis ist jedoch grundsätzlich unabhängig von dem zugrunde liegenden Anstellungsvertrag. Der Geschäftsführer kann sein Amt niederlegen, ohne zugleich das Anstellungsverhältnis fristlos kündigen zu müssen (vgl. BGH WM 1978, 319, allerdings noch im Hinblick auf einen von der Gesellschaft zu vertretenden Grund zur Amtsniederlegung seitens des Geschäftsführers), wenn sich auch möglicherweise Haftungsfolgen wegen der Verletzung des Anstellungsvertrages ergeben (vgl. BGH GmbHR 1980, S. 270); die – unberechtigte – Amtsniederlegung seitens des Geschäftsführers kann allerdings auch eine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft rechtfertigen (vgl. OLG Celle GmbHR 1995, 728 – Urteil vom 31. August 1994, 9 U 118/93 ). Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Anstellungsvertrag selbst; in diesem ist keine gleichsam zwingende Verknüpfung zwischen Aufgabe der Organstellung und Beendigung des Anstellungsvertrages für den Fall einer Amtsniederlegung seitens des Geschäftsführers vorgesehen.

2. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung war zunächst ohne Einhaltung besonderer arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften – etwa Anhörung des Betriebsrats, § 102 BetrVG, – wirksam, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien als „freier Dienstvertrag“ und nicht als Arbeitsvertrag zu qualifizieren ist.

Dies gilt nicht nur dann, wenn man der generalisierenden Betrachtung des BGH folgt, nach der Geschäftsführer schon begrifflich nicht als Arbeitnehmer qualifiziert werden können (BGH NJW 1981, 1270 = BGHZ 79, 291), sondern auch, wenn man mit dem BAG annehmen will, dass in bestimmten (Ausnahme)Fällen auch mit dem GmbHGeschäftsführer ein Arbeitsverhältnis bestehen kann (AP Nr. 10 zu § 35 GmbHG), wonach es also in besonderen Ausnahmefällen angemessen sein kann, den in hohem Maße weisungs und wirtschaftlich abhängigen Geschäftsführer auf Grund einer gegebenen sozialen Schutzbedürftigkeit dem Anwendungsbereich speziell arbeitsrechtlicher Vorschriften, etwa den §§ 1 ff. KSchG oder §§ 12 ff. SchwerbehindertenG, zu unterstellen (vgl. etwa die Nachweise bei
Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 15. Aufl., Anh. § 6 Rdnr. 47).

Die Bindungen, denen der Kläger bei seiner Tätigkeit für die Beklagte unterlag, sind indessen nicht als so gravierend anzusehen, dass seine Gleichstellung etwa mit einem leitenden Angestellten gerechtfertigt wäre. Der Kläger war zunächst mit Wirkung zum 23. März 1998 zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt worden;

zum 1. Juli 2000 wurde ein neuer Anstellungsvertrag abgeschlossen, nach dem – § 1 Nr. 2 des Vertrages – der Kläger seine Tätigkeit nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Geschäftsordnung und eines Geschäftsverteilungsplanes ausüben sollte. Danach waren – im Innenverhältnis – die Kompetenzen des Klägers zwar insbesondere durch die Geschäftsordnung und den Geschäftsverteilungsplan begrenzt, was für die Regelung des Tätigkeitsbereichs
eines Geschäftsführers jedoch nichts Ungewöhnliches ist. Der Umfang der Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis nach § 37 Abs. 1 GmbHG soll im Übrigen selbst nach Auffassung des BAG (a. a. O.) kein Kriterium zur Abgrenzung sein. Zudem fixiert § 1 Nr. 6 des Anstellungsvertrages, dass der Kläger nicht wie ein in allen Bereichen weisungsabhängiger und zu bestimmten Anwesenheitszeiten verpflichteter abhängiger Arbeitnehmer zu behandeln war; an konkret festgelegte Arbeitszeiten sollte der Kläger nach dem Vertrag nicht gebunden sein. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Regelung in § 1 Nr. 5 des Vertrages, nach der der jeweilige Sitz der Gesellschaft der „Dienstort“ sein sollte. Diese Vorschrift im Anstellungsvertrag fixiert insofern lediglich eine Selbstverständlichkeit, nämlich die, dass der Kläger seine Tätigkeit am Gesellschaftssitz zu erbringen hatte. Im Übrigen war gerade keine generelle, ins Detail gehende Weisungsbefugnis der Beklagten – also der Alleingesellschafterin – vorgesehen; der Kläger war im Rahmen der Authority Limitation vom 16. August 2001 in seinen Entscheidungen grundsätzlich frei, auch wenn jeweils – was wiederum nichts Ungewöhnliches ist – bei bestimmten Geschäften (die insbesondere ein konkretes Volumen überschreiten würden) die Zustimmung der Alleingesellschafterin erforderlich war.

Auch die weiteren Voraussetzungen, nach denen möglicherweise das Kündigungsschutzgesetz – als besondere Regelung zugunsten „abhängig“ beschäftigter Arbeitnehmer – auf Mitglieder der Vertretungsorgane von juristischen Personen anwendbar sein könnte (vgl. dazu Scholz/Uwe H. Schneider, GmbHG, 8. Aufl., § 35 Rdn. 228 ff.) liegen nicht vor: Im vorliegenden Fall ist weder die Umwandlung des Anstellungsvertrages – nach Verlust der Organstellung durch den Geschäftsführer – in ein Arbeitsverhältnis erfolgt, die Geschäftsführertätigkeit des Klägers stellt auch nicht lediglich eine unbedeutende Annextätigkeit zu einem weiter bestehenden Arbeitsverhältnis dar, und es besteht ebenfalls keine eindeutig begrenzbare Doppelstellung des Klägers als Arbeitnehmer und zugleich Organvertreter.

3. Auch die weiteren formellen Voraussetzungen einer wirksamen Kündigung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers liegen vor. Die Gesellschafterversammlung der Beklagten hat am 13. Dezember 2002 beschlossen, die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages mit dem Kläger zu erklären. Nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten sind die Umstände, auf Grund derer die Beklagte die Kündigung des Anstellungsvertrages ausgesprochen hat, nämlich die Weigerung des Klägers im Schreiben vom 10. Dezember 2002, den Kaufvertrag über die immateriellen Wirtschaftsgüter sowie den Lizenzvertrag abzuschließen, der Alleingesellschafterin der Beklagten am 12. Februar 2002 bekannt geworden, sodass die in § 626 Abs. 2 BGB fixierte Frist von zwei Wochen auf Grund der dem Kläger am 19. Dezember 2002 zugegangenen Kündigungserklärung der Beklagten gewahrt war. Die Kündigungserklärung ist zudem schriftlich erfolgt, sodass dem Formerfordernis gem. § 11 Abs. 4 des Anstellungsvertrages Rechnung getragen worden ist.

4. Ein wichtiger Grund für die Kündigung seitens der Beklagten liegt vor. Ein solcher ist gegeben, wenn der kündigenden Gesellschaft wegen bestimmter Tatsachen die Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses nicht zugemutet werden kann, und zwar auch unter Berücksichtigung des verbleibenden Zeitraumes bis zum Ablauf einer vertraglich vorgesehenen Befristung (vgl. Lutter/Hommelhoff, a. a. O., Anh § 6 Rdnr. 57). Auf die Frage der Wirksamkeit der Amtsniederlegung – diese Frage kann sinnvoll gestellt werden nur für die Beendigung der Organstellung – kommt es in diesem Zusammenhang nicht an; in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hat der BGH mit Urteil vom 8. Februar 1993 (BGHZ 121, 257 ff.) entschieden, dass die Amtsniederlegung eines Geschäftsführers grundsätzlich auch dann sofort wirksam ist, wenn sie nicht auf einen angeblich wichtigen Grund gestützt ist, weil es anderenfalls über einen möglicherweise langen Zeitraum Unklarheiten darüber gäbe, ob die Niederlegungserklärung wirksam war und durch wen die Gesellschaft in dieser Zeit vertreten worden ist (BGHZ 121, 257, 261), sodass die Amtsniederlegung sogar dann sofort wirksam wird, wenn sie mit keiner Begründung versehen wird, wobei Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer, die sich wegen einer ohne ausreichenden wichtigen Grund erklärten Niederlegung aus dem Anstellungsverhältnis ergeben können, unberührt bleiben (BGHZ 121, 257, 262).

a) Die außerordentliche Kündigung war berechtigt, weil der Kläger durch die Amtsniederlegung vom 10. Dezember 2002 gegen wesentliche Geschäftsführerpflichten verstoßen hat. Er hat sich nämlich der Möglichkeit begeben, die Geschäftsführeraufgaben gerade im Außenverhältnis für die Gesellschaft wahrzunehmen und damit den rechtsgeschäftlichen Handlungsbereich der Gesellschaft in für diese unzumutbarer Weise verengt, wenn die Gesellschaft auch – wegen des zweiten Geschäftsführers D – nicht gänzlich handlungsunfähig geworden ist. Die Amtsniederlegung des Klägers war zwar wirksam (s. oben), jedoch – im Hinblick auf die Pflichten, die aus dem Dienstvertrag resultieren – „unberechtigt“ (zu einer solchen Qualifizierung der Amtsniederlegung als „unberechtigt“ in diesem – schuldrechtlichen – Sinn etwa OLG Koblenz, GmbHR 1995, S. 730). Zwar hat sich der Kläger zur Begründung der Amtsniederlegung auf die seiner Einschätzung nach zu erwartende negative Entwicklung der Gesellschaft – in Folge des abzuschließenden Kauf bzw. Lizenzvertrages – berufen. Einerseits war indes eine solche Krise noch nicht eingetreten, sondern wurde vom Kläger lediglich prognostiziert. Andererseits wäre bereits eine eingetretene wirtschaftliche Krise kein Grund für den Kläger als Geschäftsführer gewesen, sein Amt niederzulegen. Auch bei drohendem Zusammenbruch des Gesellschaftsunternehmens bleibt der Geschäftsführer seiner Aufgabe verpflichtet, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns alles zu tun, was die Interessen der Gesellschaft erfordern, und zugleich die an sein Amt geknüpften öffentlichrechtlichen Pflichten zu erfüllen (OLG Koblenz GmbHR 1995, ). Im Falle einer eintretenden] 84 f.[ S. 730 im Anschluss an BGH 78, 82 Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung wäre also der Geschäftsführer – sollten sich die Erwartungen der Alleingesellschafterin an die positiven Konsequenzen des Kauf und Lizenzvertrages nicht erfüllt haben – verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen und – in der
Übergangszeit (jedenfalls bis zur Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters) – die Geschäfte fortzuführen. Eine Haftung nach § 64 GmbHG ist deshalb nicht erkennbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sich der Kläger nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftbar machen könnte, da er aufgrund einer bestimmten Weisung der Alleingesellschafterin handeln sollte.

Es ist weiter nicht nachvollziehbar, inwiefern der Kläger die Inanspruchnahme im Wege der „Durchgriffshaftung“ befürchtete. Der Kläger hat insofern Bezug genommen auf die Entscheidung „Bremer Vulkan“ des BGH (S. 6 des Schriftsatzes vom 28. Juli 2003). Mit diesem Urteil 17. September 2001 (BGHZ 149, 10 ff.) hatte der BGH indes eine Abkehr von der Konzernhaftung eingeleitet, um später auszuführen, er habe die Rechtsprechung zur Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern aufgegeben (BGHZ 150, 61, 68 – „KBV“ ). In der Entscheidung Bremer Vulkan selbst hat er allerdings ausgeführt, das die Anwendung des aktienrechtlichen Konzernrechts Ansprüche nur gegen das herrschende Unternehmen, nicht gegen dessen Vorstand begründen könne (BGHZ 149, 10, 16 f. unter Hinweis auf BGHZ 122, 123 ff. ) und sodann den Schutz einer abhängigen GmbH gegenüber Eingriffen ihres Alleingesellschafters näher umrissen. Eine solche Konstellation liegt hier indes ersichtlich nicht vor: Der Kläger war zwar Geschäftsführer, nicht aber Gesellschafter der Beklagten, so dass es nicht um die Frage geht, welche Ansprüche sich ergeben, wenn ein die Gesellschaft beherrschender Gesellschafter seine Leitungsmacht missbraucht.

Auch für eine deliktsrechtliche Haftung – wobei allerdings unklar bleibt, wem gegenüber eine solche Haftung entstehen sollte – ist schließlich kein Raum. Eine Haftung könnte keinesfalls aus der Vereinbarung eines vermeintlich zu geringen Kaufpreises für die immateriellen Wirtschaftsgüter der Beklagten entstehen. Denn die von der Beklagten beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, die im Übrigen nicht Abschlussprüferin der Beklagten war, hat ein Gutachten zur Wertermittlung erstellt, das Grundlage des von der Alleingesellschafterin in Aussicht genommenen Vertrages war. Anhaltspunkte für eine mögliche Pflichtverletzung des Klägers in diesem Zusammenhang bestehen deshalb von vornherein nicht. Im Hinblick darauf, dass der Kläger sogar Einwände gegen die Wertberechnung vorgenommen hat, kann zudem nicht angenommen werden, dass den Kläger irgend ein Verschulden träfe.

b) Die außerordentliche Kündigung war auch deshalb berechtigt, weil der Geschäftsführer durch die Amtsniederlegung, die gleichsam die Manifestation seines Willens darstellte, den Kauf bzw. Lizenzvertrag nicht unterschreiben zu wollen, zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit der Geschäftspolitik der Alleingesellschafterin nicht mehr übereinstimmte. Einer ihn bindenden Weisung der Alleingesellschafterin ist der Kläger also nicht nachgekommen; er hat damit die Umsetzung des ihm übergeordneten Willens der Gesellschafterversammlung „blockiert“ (vgl. dazu OLG Frankfurt, GmbHR 1997, 346, 349). Seine eigenen Vorstellungen hat der Kläger also über die Geschäftspolitik der Gesellschafterversammlung gestellt, sodass die Beklagte davon ausgehen musste, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger in verantwortlicher Position nicht mehr möglich sein würde. Dies rechtfertigte eine außerordentliche Kündigung (vgl. zur Bedeutung des Umstandes, dass der Alleingesellschafter der GmbH keine Basis mehr für die weitere Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer sieht: BGH BB 2000, 844, 845 oben.)

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass der von der Gesellschaft in Aussicht genommene Vertrag dann nicht durch den Kläger, sondern durch den (Mit)Geschäftsführer L####### abgeschlossen werden konnte. Denn da der Kläger sich vehement gegen den Vertrag als Ganzen gewandt hatte, musste die Beklagte annehmen, dass der Kläger als Geschäftsführer die Umsetzung gerade dieser Verträge allenfalls „halbherzig“ – und auch nur nach entsprechender Weisung im Einzelfall – in Angriff nehmen würde. Dieses Risiko ständig vor Augen zu haben ist der Gesellschaft nicht zumutbar, da die Gesellschaft auf die Loyalität ihres Geschäftsführers vertrauen können muss. Nur dieses Verständnis entspricht auch dem in § 1 Abs. 6 des Anstellungsvertrages fixierten Pflichtenprogramm. Dabei ist es nicht entscheidend, ob das Verhalten des Geschäftsführers unter diesem Gesichtspunkt – unterschiedliche Beurteilung der Geschäftspolitik – als pflichtwidrig bzw. gar schuldhaft eingeordnet werden muss (vgl. dazu Lutter/Hommelhoff, a. a. O., Anh § 6 Rdnr. 59). Insbesondere der Widerspruch gegen Gesellschaftervorgaben zur Geschäftspolitik stellt einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung seitens der Gesellschaft dar (s. a. OLG Koblenz ZIP 1986, S. 1120 f.).

Die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Klägers ergibt sich auch vor dem Hintergrund, dass der mit ihm geschlossene Anstellungsvertrag gem. § 11 Abs. 1 des Vertrages – erst – zum 31. März 2004 enden sollte. Gerade weil die Gesellschaft durch den Vollzug eines um die Jahreswende 2002/2003 abzuschließenden Vertrages eine bestimmte Art der Sanierung anstrebte, konnte ihr nicht zugemutet werden, den Kläger weitere 15 Monate zu beschäftigen und damit das Risiko einzugehen, dass der Kläger die von der Alleingesellschafterin in Aussicht genommene nachhaltige Sicherung ihres Überlebens durch Umsetzung eines bestimmten unternehmerischen Konzepts nicht nur nicht unterstützen, sondern möglicherweise noch behindern würde. Angesichts der – durchaus gereiften und wohl überlegten – Ablehnung der Planungen der Gesellschaft durch den Kläger würde diese also wenigstens dazu genötigt sein, die Tätigkeit des Klägers engmaschig zu überwachen und möglicherweise – erneut – bestimmte Weisungen zu erteilen, um die Durchsetzung ihrer generellen Entscheidung zu realisieren; dies ist nicht hinnehmbar, zumal da die Beklagte damit rechnen musste, dass der Kläger erneut ihm erteilte Weisungen nicht befolgte.

5. Einer besonderen Abmahnung des Klägers bedurfte es nicht.

a) Dieses im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter im Arbeitsrecht entwickelte Institut kann bei Leitungsorganen von Kapitalgesellschaften nicht ausschlaggebend sein, weil diese sich regelmäßig über die ihnen obliegenden Pflichten und die Tagweite etwaiger Pflichtverletzungen auch ohne besondere Hinweise und Ermahnungen im Klaren sind (BGH NJW 2000, 1638 = BB 2000, 844, 845). Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Geschäftsführers setzt also nicht stets eine Abmahnung voraus; vielmehr wird man dies nur bei leichteren Pflichtverletzungen annehmen können (Hachenburg/Stein, GmbHG, § 38 Rn. 59; BGH NJW 1993, 463, 464 [zu einem Fall, in dem der Geschäftsführer aufgrund vorangegangenen Verhaltens möglicherweise mit der Akzeptanz seiner Handlungen rechnen konnte, so dass der beklagten Gesellschaft die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach einer Abmahnung zumutbar war]). Insbesondere bei schweren Verfehlungen ist eine Abmahnung auch bei einem einmaligen Vorfall entbehrlich (Hachenburg/Stein, aaO; OLG München BB 1994, 735, 736: vorsätzliches Vorenthalten von Informationen; Kündigungsgrund ohne Abmahnung, da sich die Gesellschaft nicht mehr auf die Loyalität des Geschäftsführers verlassen kann). Davon muss man auch hier ausgehen: Wie aus den überreichten Unterlagen und der vom Kläger selbst geschilderten Entwicklung offenkundig ist, handelt es sich um den Endpunkt einer seit geraumer Zeit schwelenden Auseinandersetzung über die Linie der Unternehmensführung zwischen der Alleingesellschafterin und dem Kläger als Geschäftsführer. Der Kläger hat sogar nach einer ihm eingeräumten Überlegungszeit eine eindeutige Stellungnahme zu der Geschäftspolitik insgesamt abgegeben. Er selbst wollte gleichsam vollendete Verhältnisse schaffen, indem er darauf gedrängt hat, dass seine Amtsniederlegung zum Handelsregister eingetragen wird, sodass nicht erkennbar ist,
inwiefern der Kläger auf eine Abmahnung anders reagiert hätte. Nach dem
gesamten Geschehensablauf durfte die Beklagte durchaus annehmen, dass der Kläger nicht bereit war, seine Weigerung, die Verträge zu unterzeichnen, zurückzunehmen. Eine Abmahnung war demnach erkennbar überflüssig.

b) Nichts anderes ergibt sich vor dem Hintergrund, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 10. Dezember 2002 weiterhin seine Arbeitskraft angeboten hat. Gegenstand seiner Verpflichtung nach dem mit der Beklagten abgeschlossenen Anstellungsvertrag ist die Leitung der Gesellschaft, die insbesondere – als Grundlage – erfordert, dass er sich mit seiner ganzen Arbeitskraft (§ 1 Abs. 6 des Vertrages) bemüht, die Geschäftspolitik der Beklagten umzusetzen und die Gesellschaft – gerade also im „Außenverhältnis“ – zu repräsentieren. Eine weitere Beschäftigung – als Angestellter unterhalb der Geschäftsführungsebene – war für die Beklagte unzumutbar, da sie auch insofern nicht damit rechnen konnte, dass der Kläger engagiert an der Umsetzung der von der Gesellschafterversammlung in Aussicht genommenen Verträge mitwirkt.

c) Schließlich ist nicht ersichtlich, welche Verhaltensänderung des Klägers durch eine von der Beklagten auszusprechende Abmahnung hätte bewirkt werden sollen. Der Kläger hatte bereits die Niederlegung seines Amts als Geschäftsführer erklärt. Er konnte also kaum von der Beklagten im Wege der Abmahnung dazu aufgefordert werden, gerade dieses Verhalten in Zukunft zu verlassen. Auch eine „Rücknahme“ war insofern nicht möglich. Vielmehr hatte der Kläger die Niederlegung erklärt, sodass es einer erneuten Bestellung als Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung bedurft hätte.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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