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Geschwindigkeitsüberschreitung – Beweisfoto zur Identifizierung des Fahrers

OLG Rostock, Az.: 2 Ss (OWi) 282/02 I 166/02, Beschluss vom 24.03.2003

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Pasewalk zurückverwiesen.

Gründe

II.

1. Das statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG) Rechtsmittel ist frist- und formgerecht eingelegt und auch begründet worden, mithin zulässig.

2. Es hat auch in der Sache einen – vorläufigen – Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Das Urteil war auf die Sachrüge hin aufzuheben, da der Tatrichter im angefochtenen Urteil die Grundlagen seiner Überzeugungsbildung hinsichtlich der Täterschaft des Betroffenen nicht in nachprüfbarer Weise dargelegt hat.

a) Hat der Tatrichter seine Überzeugung von der Identität zwischen dem Betroffenen und der abgebildeten Person anhand eines anlässlich einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos erlangt, so gilt für die Darstellung in den Urteilsgründen nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung (vgl. dazu BGHSt 41, 376 = NZV 1996, 157; OLG Rostock Beschl. v. 2.10.00 – 2 Ss (OWi) 161/00 I 86/00 – , OLG Hamm NZV 1997, 89; 2001, 89; BayObLG DAR 1998, 147; KG NZV 1998, 123; OLG Dresden DAR 2000, 279) folgendes:

Wird im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG auf ein zur Identifizierung generell geeignetes Foto verwiesen, bedarf es im Regelfall keiner näheren Ausführungen. Die Bezugnahme muss dabei im Urteil deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck kommen (BGH a.a.O.; OLG Celle OLGSt § 267 StPO Nr. 7; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 267 Rdnr. 8). Die Verwendung des Gesetzestextes wird dem in der Regel gerecht (OLG Düsseldorf VRS 81, 375). Dagegen genügt der bloße Hinweis, das Foto sei in der Hauptverhandlung „in Augenschein genommen“ worden, nicht (Senatsbeschluss vom 28.01.1999 – 2 Ss [OWi] 226/98 I 148/98 -; BayObLG NZV 1997, 52; OLG Dresden a.a.O.; OLG Brandenburg DAR 1998, 112; OLG Hamm NStZ-RR 1998, 238; KG OLGSt § 267 StPO Nr. 9; Meyer-Goßner a.a.O.).

Ist im Falle einer ordnungsgemäß erfolgten Bezugnahme das Foto – etwa aufgrund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts – zur Identifizierung eines Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind um so höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die – auf dem Foto erkennbaren – charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben (BGH a.a.O.).

b) Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.

Zur Begründung seiner Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen führt der Tatrichter aus:

„Der Betroffene war auch der Fahrer des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges. Aus dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Meßfoto Bl. 2 der Akte, auf das Bezug genommen und das zum Gegenstand der Urteilsgründe gemacht wird, ergibt sich, dass der Betroffene Fahrer des Fahrzeuges war. Das Meßfoto weist mit dem in der Hauptverhandlung persönlich anwesenden Betroffenen eine solch große Ähnlichkeit auf, dass es als ausgeschlossen erscheint, eine andere Person sei Führer des Fahrzeuges gewesen. Zwar ist auf dem Meßfoto die Partie des rechten Auges und ein Teil der rechten Stirnseite durch den Innenspiegel verdeckt. Der weit überwiegende Teil der Gesichtspartie des Fahrzeugführers ist jedoch deutlich erkennbar. Insbesondere die Form des Gesichtes, der Haaransatz, Augen, Nase und Mundpartie des erkennbaren Fahrzeugführers weisen eine solch hohe Ähnlichkeit mit dem Betroffenen auf, dass dieser als Führer des Kraftfahrzeuges feststeht. Es bedurfte daher auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.“

(1) Dem kann zunächst eine – an den oben genannten Voraussetzungen gemessene – Bezugnahme (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) auf die durch das Amtsgericht in Augenschein genommenen Lichtbilder entnommen werden, mit der Folge, dass die Lichtbilder Inhalt der Urteilsurkunde geworden sind und dem Senat deshalb als Augenscheinsobjekt zur Verfügung standen.

(2) Allerdings wird die in den schriftlichen Urteilsgründen enthaltene Beschreibung den o.g. Anforderungen nicht gerecht. Diese Beschreibung ist aber erforderlich, da die Lichtbilder – wegen der nicht allzu hohen Bildschärfe und der in den Urteilsgründen benannten Teilabdeckung des Gesichtes – nicht uneingeschränkt als Grundlage für eine Identifizierung geeignet sind.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 20.11.2002 ausgeführt:

„So hat der Bußgeldrichter diejenigen Teile des Kopfes der abgebildeten Person, die er für charakteristisch gehalten hat, lediglich aufgezählt. Beschreibungen dieser aufgezählten Kopfteile der abgebildeten Person oder ihrer charakteristischen Gesichtszüge fehlen demgegenüber. Damit lassen die Urteilsgründe nicht erkennen, auf Grund welcher individuellen Merkmale der Bußgeldrichter zu der Überzeugung gelangt ist, dass der in der Hauptverhandlung erschiene Betroffene und die auf dem Foto abgebildete Person identisch sind.“

Dem tritt der Senat mit der Folge bei, dass das Urteil bereits auf die erhobene Sachrüge hin aufzuheben war. Eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedurfte es daher nicht mehr.

III.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:

1. Sofern das Amtsgericht erneut zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene die auf den in Bezug genommen Lichtbildern abgebildete Person ist, wird es die charakteristischen übereinstimmenden Merkmale zwischen dem Betroffenen und der abgebildeten Person in ihren – wesentlichen – Einzelheiten zu beschreiben haben, wobei sich diese Merkmalsbeschreibungen nicht auf die Gesichtszüge beschränken müssen. So erscheint bei Betrachtung der Lichtbilder der Fahrzeugführer als eine relativ breitschultrige Person, die überdies eine Brille trägt. Im übrigen ist zu bemerken, dass bei alledem die sonstige Beweissituation nicht außer Betracht bleiben darf. Insbesondere kann eine Gesamtwürdigung aller Umstände – der sich aus dem Foto ergebenden Anhaltspunkte sowie weiterer Indizien, etwa der Haltereigenschaft, der Fahrtstrecke oder -zeit – u. U. auch dann zur Bildung einer Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ausreichen, wenn der Vergleich des Fotos mit dem Betroffenen für sich allein diesen Schluss nicht rechtfertigen kann. Die Entscheidung, ob dann noch die Einholung eines – vom Betroffenen ggf. erneut beantragten – Sachverständigengutachtens erforderlich ist, wird erst nach Vornahme dieser – vorläufigen – Gesamtwürdigung zu treffen sein.

 

Randnummer 17

2. Auch wird das Gericht die Frage fahrlässiger oder vorsätzlicher Begehungsweise neu zu prüfen haben. Zwar kann allein aus der Höhe der gemessenen Geschwindigkeit jedenfalls dann noch nicht zwingend auf eine vorsätzlich begangene Geschwindigkeitsüberschreitung geschlossen werden, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der betroffene Verkehrsteilnehmer ein die Geschwindigkeit begrenzendes Verkehrszeichen übersehen haben könnte. Vorliegend wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass der Betroffene den Geschwindigkeitsverstoß „in der Ortsdurchfahrt P.“ begangen haben soll. Mit einer denkbaren Einlassung, dass er das die Geschwindigkeit auf 50 km/h begrenzende Ortsschild – im Sinne eines Augenblicksversagens – nicht wahrgenommen habe, könnte der Betroffenen nur dann gehört werden, wenn am Meßpunkt durch die (fehlende) Bebauung der Eindruck hätte vermittelt werden können, dass er sich nicht in einer geschlossenen Ortschaft befindet. Wäre dies nicht der Fall, wäre die Annahme einer lediglich fahrlässigen Überschreitung der innerorts generell zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um immerhin 84 % nahezu ausgeschlossen. Umstände, dass dem Betroffenen die tatsächlich von ihm gefahrene Geschwindigkeit aufgrund optischer und sensorischer Wahrnehmungen verborgen geblieben sein könnte, sind in den schriftlichen Urteilsgründen jedenfalls nicht vorhanden.

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