BUNDESGERICHTSHOF
Az.: IX ZR 39/02
Verkündet am: 23.01.2003
Vorinstanzen: OLG Brandenburg, LG Frankfurt (Oder)
Leitsatz:
Die Gehaltsansprüche des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der nicht zugleich Gesellschafter ist, können bevorrechtigte Forderungen sein.
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 2003 für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. Januar 2002 wird auf Kosten des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß Nummer 3 des Urteilsausspruchs des Berufungsurteils wie folgt neu gefaßt wird:
Die Gehaltsansprüche des Klägers für die Monate Juni, Juli, August und September 1996 in Höhe von jeweils 6.340 DM brutto werden zur Tabelle gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO festgestellt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger war von April 1991 bis zu seiner Abberufung im Mai 1996 Geschäftsführer der G. GmbH (fortan: Gesellschaft), die von politischen Gemeinden gegründet worden war. Er selbst war kein Gesellschafter. Im Juli 1993 schloß die Gesellschaft mit dem Kläger einen „Geschäftsführervertrag“, nach dessen § 4 dem Geschäftsführer als Vergütung für seine (vollzeitliche) Tätigkeit für die Gesellschaft „ein monatliches Gehalt nach dem gültigen Tarifvertrag Gruppe VI des Arbeitgeberverbandes der Wohnungswirtschaft“ versprochen wurde. Ende Mai 1996 kündigte die Gesellschaft den Vertrag fristlos und stellte die Gehaltszahlungen ein.
Am 1. April 1997 wurde über das Vermögen der Gesellschaft die Gesamtvollstreckung eröffnet und der Beklagte zum Verwalter bestellt. Er schloß mit dem Kläger vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) – Kammer für Handelssachen – einen gerichtlichen Vergleich, nach dem der Anstellungsvertrag einverständlich zum 31. März 1997 aufgehoben wurde.
Für die Monate Januar bis März 1997 erhielt der Kläger Konkursausfallgeld.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger den Beklagten für die Monate Oktober bis Dezember 1996 auf Zahlung seines letzten monatlichen Bruttogehalts in Höhe von je 6.340 DM nebst Zinsen sowie Erteilung einer geänderten Lohnbescheinigung in Anspruch genommen. Für den vorausgehenden Zeitraum von Juni bis September 1996 hat er die Anerkennung der nicht gezahlten Gehälter zur Tabelle als vorrangige Forderung gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO begehrt. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Vergütungsansprüche des Klägers aus § 4 des Geschäftsführervertrages für die Monate Oktober bis Dezember 1996 könnten außerhalb des Gesamtvollstreckungsverfahrens im Wege der Leistungsklage gegen den beklagten Gesamtvollstreckungsverwalter geltend gemacht werden. Der Anspruch ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 3 a GesO, weil der Kläger Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung sei. Die Arbeitnehmereigenschaft bestimme sich in Anlehnung an den sozialrechtlichen Arbeitnehmerbegriff. Im Hinblick auf die übereinstimmende Zielsetzung sei eine einheitliche Inhaltsbestimmung der in §§ 141 a, 141 b AFG (Konkursausfallgeld) und in § 13 GesO (§ 59 KO) enthaltenen Begriffe „Arbeitnehmer“ und „Arbeitsentgelt“ erforderlich. Der Geschäftsführer einer GmbH könne danach Entgeltansprüche geltend machen, wenn er allenfalls eine unwesentliche Beteilung am Gesellschaftsvermögen innehabe und nach der vertraglichen Ausgestaltung der Verhältnisse nicht als Unternehmer gelte. Dies sei hier nach dem Regelungsgehalt des Geschäftsführervertrages der Fall. Danach sei der Kläger wegen des vorausgegangenen Zeitraums auch als „Gehaltsforderungsinhaber“ im Sinne des § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO anzusehen.
II.
Die gegen diese Erwägungen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch. Der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung, die Gehaltsansprüche des Klägers als dem ehemaligen Fremdgeschäftsführer der Gesellschaft seien nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 a und § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO bevorrechtigt, ist zuzustimmen.
1. Mit Recht hat es das Berufungsgericht nicht als entscheidend angesehen, daß die im Streit befindlichen Gehaltsansprüche in einem Zeitraum erdient worden sind, in welchem der Kläger seine Stellung als Geschäftsführer der Gesellschaft bereits verloren hatte, weil er in der Gesellschafterversammlung vom 22. Mai 1996 als Geschäftsführer abberufen worden (vgl. § 38 GmbHG) und mit der Erklärung der Abberufung das Bestellungsverhältnis beendet war.
a) Hinsichtlich der rechtlichen Stellung der Mitglieder der Vertretungsorgane juristischer Personen ist nach allgemein vertretener Auffassung zwischen dem Organisationsakt, nämlich der Bestellung und Abberufung dieser Organe, und dem der Bestellung zugrundeliegenden Vertrag zu unterscheiden. Die Bestellung zum Organ und die Beendigung der Organstellung haben für sich allein keinen Einfluß auf den Bestand dieses Vertrags. Der rechtliche Charakter des Anstellungsverhältnisses eines Organvertreters ändert sich deshalb nicht schon dadurch, daß der Organvertreter abberufen wird. Durch den Abberufungsakt wird das Anstellungsverhältnis grundsätzlich nicht zum Arbeitsverhältnis (BGH, Urt. v. 10. Januar 2000 – II ZR 251/98, NJW 2000, 1864, 1865; BAG NJW 1995, 675, 676; 1998, 260, 261; 1999, 3069; RGZ 150, 99, 100 f.; Jaeger/Lent, KO 8. Aufl. § 61 Rdn. 14 b; Jaeger NZA 1998, 961, 965).
b) Anhaltspunkte dafür, daß die Gesellschaft und der Kläger das Anstellungsverhältnis im Zuge der Abberufung in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt hätten (vgl. RGZ 150, 99, 101; BAG NJW 1995, 675, 676; 1999, 3069, 3070; BGH aaO) oder ein aus der Zeit vor Abschluß des Anstellungsvertrags bestehendes ruhendes Arbeitsverhältnis wieder aufgelebt wäre (vgl. BAG NJW 1995, 675, 676; Jaeger NZA 1998, 961, 965), sind nicht ersichtlich.
2. Mit Recht hat es deshalb das Berufungsgericht für entscheidend gehalten, ob der Kläger trotz seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft (§ 35 Abs. 1 GmbHG) als Arbeitnehmer anzusehen ist, der in dem Unternehmen des Schuldners (Gesellschaft) beschäftigt war (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 a, § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO).
a) Entgegen der Auffassung der Revision kann diese Frage im Anwendungsbereich beider Vorschriften nur einheitlich entschieden werden, und zwar in Anlehnung an den Arbeitnehmerbegriff, der den Bestimmungen der Konkursordnung (§ 59 Abs. 1 Nr. 3 a, § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO) zugrunde liegt. Die knappe Formulierung in § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO, die schlicht von „Lohn- oder Gehaltsforderungen“ spricht und welche die in den anderen Bestimmungen ergänzend aufgeführten Merkmale wie die Beschäftigung „von Arbeitnehmern“ „im Unternehmen des Schuldners“ nicht enthält, rechtfertigt es nicht, den persönlichen Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Nr. 3 a GesO enger zu ziehen als in § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO.
aa) Die verkürzte Umschreibung der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen in § 17 GesO erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Gesamtvollstreckungsverordnung vom 18. Dezember 1975 (GBl. DDR I 1976 Nr. 1 S. 5) und ihrer Anpassung an die Bedürfnisse der Abwicklung von Unternehmensinsolvenzen im Zusammenhang mit der Schaffung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. Der besondere Charakter der Gesamtvollstreckungsordnung und die dem Wortlaut des § 13 Nr. 3 entsprechenden Formulierungen in § 59 Abs. 1 Nr. 3 a und § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO (Ansprüche bzw. Forderungen „der Arbeitnehmer auf die Bezüge aus einem Arbeitsverhältnis mit dem Gemeinschuldner“) lassen darauf schließen, daß der konkursrechtliche Arbeitnehmerbegriff sowohl in § 13 als auch in § 17 GesO Anwendung finden sollte.
Der Text der Gesamtvollstreckungsordnung ist bewußt knapp gefaßt und weist eine Vielzahl von Lücken auf. Diese sind häufig durch einen Rückgriff auf Vorschriften der Konkursordnung oder – soweit diese als reformbedürftig erkannt wurden – durch die Heranziehung der Insolvenzrechtsreform, gegebenenfalls auch von Rechtsprinzipien, die Konkursordnung und Insolvenzordnung gemeinsam zugrunde legen, systemgerecht zu schließen (vgl. BGHZ 143, 332, 334 f; BGH, Urt. v. 10. Januar 2002 – IX ZR 61/99, WM 2002, 394, 395).
bb) Anhaltspunkte für eine gewollte inhaltliche Abweichung von dem in § 59 Abs. 1 Nr. 3 a und in § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO übereinstimmend gefaßten Arbeitnehmerbegriff sind nicht erkennbar und werden von der Revision auch nicht geltend gemacht. Die Äußerungen der an der Neufassung der Gesamtvollstreckungsordnung maßgeblich beteiligten Ministerialbeamten lassen im Gegenteil darauf schließen, daß § 13 Abs. 1 Nr. 3 a GesO – soweit hier von Interesse – der Regelung des § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO nachgebildet ist (vgl. Lübchen/Landfermann ZIP 1990, 829, 835) und der persönliche Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 Nr. 1 a GesO mit dem des § 61 Abs. 1 Nr. 1 a KO übereinstimmt (vgl. Lübchen/Landfermann aaO S. 837; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 4. Aufl. § 17 Rdn. 101).
b) Die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH ohne Kapitalbeteiligung insolvenzrechtlich als Arbeitnehmer behandelt werden kann, hat der Bundesgerichtshof bislang noch nicht entschieden. Sie ist zu bejahen.
aa) (1) Der Bundesgerichtshof hat in einer zum fehlerhaften Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft ergangenen Entscheidung ausgeführt, daß die Erstreckung der zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis entwickelten Grundsätze auf den fehlerhaften Anstellungsvertrag nicht damit begründet werden könne, sonst würde dem Vorstandsmitglied unter anderem das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO genommen werden. Denn ein Vorstandsmitglied genieße diese Rechte nicht (BGHZ 41, 282, 288). In späteren, nicht zu Gehaltsansprüchen, sondern zu rückständigen Versorgungsleistungen nach § 7 Abs. 1 BetrAVG ergangenen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof betont, die Vergünstigungen der § 59 Abs. 1 Nr. 3d und § 61 Abs. 1 Nr. 1d KO sollten grundsätzlich auch den (pensionierten) Mitgliedern des Vertretungsorgans einer juristischen Person zukommen, soweit diese nach der Rechtsprechung (BGHZ 77, 94 und 233) nicht als Unternehmer zu betrachten seien (BGHZ 78, 73, 79). In den in Bezug genommenen Entscheidungen wird nur dem geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter, nicht jedoch dem Geschäftsführer mit Minderheitsbeteiligung der Insolvenzschutz abgesprochen (BGHZ 77, 94, 102 f; 77, 234, 236; siehe ferner BGHZ 108, 330, 333).
(2) Dieser differenzierende Ansatz ist von der obergerichtlichen Rechtsprechung zustimmend aufgenommen worden (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1988, 1339, 1340; OLG Jena ZIP 1996, 241, 242). Er entspricht auch dem Standpunkt des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hat zum persönlichen Anwendungsbereich der §§ 1, 7 BetrAVG wiederholt entschieden, daß zu den in § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG genannten Personen die Organmitglieder einer juristischen Person zählten, sofern sie nicht selbst Unternehmer seien. Unternehmer sei der Geschäftsführer nur, wenn er zugleich Gesellschafter sei und über mehr als 50 % der Geschäftsanteile der GmbH verfüge (BAGE 66, 1, 5; BAG GmbHR 1998, 84, 86).
(3) Im gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Schrifttum hat sich mit unterschiedlichen Begründungen ebenfalls der Standpunkt durchgesetzt, daß jedenfalls dem Geschäftsführer, der an der Gesellschaft nicht beteiligt ist, im Gegensatz zum Unternehmer-Geschäftsführer die Bevorrechtigung nach § 59 Abs. 1 Nr. 3a, § 61 Abs. 1 Nr. 1a KO zustehe (vgl. Hachenburg/Mertens, GmbHG 7. Aufl. § 35 Rdn. 125; Hachenburg/Stein, GmbHG 8. Aufl. § 35 Rdn. 214; Kilger/Karsten Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 59 KO Anm. 3c cc; Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 59 Rdn. 15l; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 14. Aufl. Anh. § 6 Rdn. 67; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 4. Aufl. § 35 Rdn. 104; Scholz/Schneider, GmbHG 9. Aufl. § 35 Rdn. 255; Smid/Rattunde, GesO 3. Aufl. § 13 Rdn. 54; Groß BB 1984, 1447, 1454; Timm ZIP 1981, 10, 13). Dies gilt auch für das zum Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ergangene Schrifttum (vgl. Goette ZIP 1997, 1317, 1319; Höfer, BetrAVG Loseblattausgabe Stand: August 2001 § 17 Rdn. 3733, 3742 ff; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. Anh. § 6 Rdn. 37; Hommelhoff/Timm KTS 1981, 1, 14).
(4) Im Anwendungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (§ 141b Abs. 1 AFG; seit 1. Januar 1999: § 183 Abs. 1 SGB III) wird die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers einer GmbH als Voraussetzung für einen Anspruch auf Konkursausfallgeld (jetzt: Insolvenzgeld) vom Bundessozialgericht mit Zustimmung des Schrifttums ebenfalls nach seinem Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft beurteilt (vgl. BSG ZIP 1983, 103 f; 1987, 924, 925; NZS 1997, 432; siehe ferner Gagel/Peters-Lange, AFG Bd. II § 141a Rdn. 6; Lohre/Mayer/Stevens-Bartol, Arbeitsförderungsrecht 3. Aufl. § 183 SGB III Rdn. 9; Schönefelder/Braun, AFG 2. Aufl. § 141b Rdn. 18), wobei eine erhebliche Kapitalbeteiligung vielfach als Indiz für die Selbständigkeit des gesetzlichen Vertreters herangezogen wird. An diese Rechtsprechung knüpfen die Durchführungsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit zu den §§ 141a bis n AFG an, nach denen der Geschäftsführer einer GmbH nur dann nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist, wenn er einen so maßgebenden Einfluß auf die Entscheidungen der GmbH hat, daß er Gesellschafterbeschlüsse verhindern kann. Dies sei z.B. der Fall, wenn er mindestens 50 v.H. des Gesellschaftskapitals besitze und Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt würden (vgl. RdErl. 279/76 v. 5. Oktober 1976, zuletzt geändert durch RdErl. 192/79 v. 17. Juli 1979, abgedruckt ZIP 1980, 137, 140). In Anwendung dieser Verwaltungspraxis sind dem Kläger offenbar auch im Streitfall die Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsrecht zugesprochen worden.
bb) Die Revision meint unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. April 1987 (ZIP 1987, 924), das dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft den Anspruch auf Konkursausfallgeld versagt hat, weil er kein Arbeitnehmer nach § 141a AFG sei, die dort entwickelten Abgrenzungsmerkmale wie das Direktionsrecht und die Weisungsfreiheit träfen im Kern auch auf den Kläger zu. Dies schließe seine Arbeitnehmereigenschaft schon generell aus. Hiermit kann sie nicht durchdringen.
(1) Der differenzierenden Betrachtungsweise bei der Anwendung der genannten arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen auf Geschäftsführer einer GmbH liegt die Einschätzung zugrunde, daß der Geschäftsführer sich typischerweise in einer Doppelrolle befinde (Timm aaO S. 13; Kuhn/Uhlenbruck aaO § 59 Rdn. 15 l) und es maßgeblich von dem Umfang seiner Beteiligung an dem Unternehmen, der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sowie dem Inhalt des Anstellungsvertrages abhänge, ob seine Rolle als „konkreter Prinzipal“ (vgl. RGZ 120, 300, 303) oder als arbeitnehmerähnliche Person im Vordergrund stehe. Dieser Abgrenzung stimmt der Senat zu. Sie gilt für den Insolvenzschutz sowohl in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis (Insolvenzgeld) als auch in dem vorausgegangenen Zeitraum. Einen sachlich rechtfertigenden Grund, einem arbeitnehmerähnlichen Geschäftsführer Insolvenzgeld zu gewähren, seine Arbeitnehmereigenschaft für den vorausgegangenen Zeitraum aber abzulehnen, zeigt die Revision nicht auf; er ist auch nicht ersichtlich.
Die Rechtsstellung des Geschäftsführers einer GmbH unterscheidet sich grundsätzlich von der des Vorstands einer Aktiengesellschaft, der als Verfassungsorgan der Gesellschaft diese unter eigener Verantwortung zu leiten hat (§ 76 Abs. 1 AktG). Dem Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds kommt im Hinblick auf die umfassende Regelung der Bestellung und Abberufung des Vorstands in § 84 AktG keine eigenständige Bedeutung zu. Vor allem durch diese, aber auch durch weitere Vorschriften des Aktiengesetzes (§§ 78, 82, 88 ff AktG) ist die Organstellung des Vorstandsmitglieds von Aktiengesellschaften nicht arbeitnehmer-, sondern arbeitgeberähnlich ausgestaltet. Entsprechendes gilt für die Bezüge der Vorstandsmitglieder, die nicht nach arbeitsrechtlichen, sondern nach besonderen aktienrechtlichen Grundsätzen (§ 87 AktG) bestimmt werden. Schließlich schränken auch die Vorschriften über die Stellung des Aufsichtsrates im Verhältnis zum Vorstand (§§ 111, 112 AktG) die Arbeitgeberfunktion der Vorstandsmitglieder nicht ein (BSG ZIP 1987, 924, 925). Demgegenüber erlaubt § 45 Abs. 1 GmbHG einen direkten Einfluß der Gesellschafter auf die Geschäftsführung (vgl. Lutter/Hommelhoff aaO § 45 Rdn. 4). Die von der Revision angesprochenen Bestimmungen des GmbH-Gesetzes über die Einberufung der Gesellschafterversammlung (§ 49 Abs. 1 GmbHG), die Insolvenzantragspflicht (§ 64 GmbHG), die Aufstellung und Vorlage des Jahresabschlusses (§ 42a GmbHG) und die persönliche Haftung des Geschäftsführers (§ 43 GmbHG) ändern daran nichts.
(2) Dafür, daß Nichtarbeitnehmer, insbesondere Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer, nur mit ihren Ruhegehaltsbezügen, nicht aber mit ihren aktiven Dienstbezügen nach §§ 59, 61 KO bevorrechtigt sein sollten, könnte sprechen, daß auch der nicht mehrheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer typischerweise maßgebenden Einfluß auf die geschäftspolitischen Entscheidungen der Gesellschaft ausüben kann und viel eher als der pensionierte (Gesellschafter-)Geschäftsführer in der Lage sein wird, auf die insolvenzauslösenden oder -fördernden Faktoren Einfluß zu nehmen (vgl. Groß DB 1984, 1447, 1451). Der Senat braucht diese Frage nicht zu entscheiden, weil der Kläger nicht einmal Minderheitsgesellschafter war. Für den Fall der Fremdgeschäftsführung gelangt auch die einschränkende Auffassung zu dem Ergebnis, daß die Nähe zu der Geschäftspolitik der Gesellschaft für sich allein nicht ausreicht, um die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers zu verneinen (vgl. Groß aaO S. 1455).
cc) Von diesem Ausgangspunkt aus hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, daß der Kläger sich trotz seiner Stellung als Geschäftsführer in persönlicher Abhängigkeit von der Gesellschaft befunden hat. Bei der vom Berufungsgericht gewürdigten vertraglichen Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses durch den Geschäftsführervertrag vom 19. Juli 1993 sowie des dort in Bezug genommenen Gesellschaftervertrages handelt es sich um die Auslegung von Willenserklärungen individueller Art, die grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz ist. Eine Überprüfung durch das Revisionsgericht ist nur beschränkt möglich. Rechtlich einwandfrei hat das Berufungsgericht als Umstände, die für die vielgestaltige Abhängigkeit des Klägers von der Gesellschaft sprechen, die Weisungsgebundenheit in Grundstücks- und Kreditgeschäften sowie Personalangelegenheiten (§ 3 Abs. 3 des Anstellungsvertrages), die Verpflichtung des Geschäftsführers, seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen (§ 3 Abs. 4 des Anstellungsvertrages), was eine anderweitige Einkommenserzielung ausschließt (vgl. BSG ZIP 1983, 103), sowie die Vergütungs- und die Urlaubsregelung (§§ 4, 5 des Anstellungsvertrages) hervorgehoben, die auf Tarifverträge Bezug nimmt und auch im übrigen wie in Arbeitsverträgen üblich ausgestaltet ist (Verfall des Urlaubs im folgenden Kalenderjahr; Festlegung der Urlaubszeit durch die Gesellschaft). Schließlich hat das Berufungsgericht die Höhe des Bruttoeinkommens, das sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts – bezogen auf die neuen Bundesländer – im Bereich des Gehalts leitender Angestellter bewegt, sowie die Erstattungsregelung der Reisekosten nach „lohnsteuerlichen Sätzen“ (§ 6 des Anstellungsvertrages) angeführt.
Hiergegen wendet sich die Revision nicht. Sie meint lediglich, die Gesellschafterversammlung habe dem Kläger beispielsweise nicht die Einhaltung bestimmter Dienststunden vorschreiben dürfen, weil zu einer entsprechenden Geschäftsanweisung nichts festgestellt sei; dies zeige, daß die Selbstverantwortlichkeit des Klägers im Vordergrund gestanden habe. Mit dieser Rüge setzt die Revision ihre eigene Würdigung an die des Berufungsgerichts. Auch ohne eine in § 8 Nr. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages genannte „Geschäftsanweisung“, zu der die Parteien in den Tatsacheninstanzen nichts vorgetragen haben, ist die Würdigung des Berufungsgerichts möglich, daß der Kläger als Fremdgeschäftsführer unter Berücksichtigung seines Anstellungsvertrages als Arbeitnehmer im insolvenzrechtlichen Sinn anzusehen ist.
III.
Damit erweist sich die Revision als insgesamt unbegründet. Jedoch ist das zuerkannte Begehren des Klägers zu Nummer 3 des Urteilsausspruchs des Berufungsgerichts als Feststellungsantrag gemäß § 11 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 3 Nr. 1 GesO auszulegen. Zur Klarstellung hat der Senat den Urteilsausspruch insoweit neu gefaßt.