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Grundeigentümeranspruch – Umschreibung des Grundbuchs nach Löschung einer Zwangseintragung

Kein Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchs nach Zwangseintragungslöschung

Das Urteil des BGH (Az.: V ZB 17/22 vom 21.09.2023) befasst sich mit der Frage, ob ein Grundeigentümer nach Löschung einer Zwangseintragung im Grundbuch einen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchs hat. Das Gericht entschied, dass kein Anspruch auf Umschreibung besteht, weder auf Grundlage des § 28 GBV noch aufgrund verfassungsrechtlicher Überlegungen. Es hob hervor, dass das öffentliche Interesse an einem zuverlässigen und vollständigen Grundbuch das Interesse des Eigentümers an der Nichtsichtbarkeit gelöschter Eintragungen überwiegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: V ZB 17/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Umschreibungsanspruch des Grundeigentümers nach Löschung einer Zwangseintragung wird abgelehnt.
  2. Öffentliches Interesse überwiegt das Interesse des Einzelnen an der Geheimhaltung der gelöschten Eintragungen.
  3. § 28 GBV bietet keine Grundlage für einen Umschreibungsanspruch in diesem Kontext.
  4. Auch verfassungsrechtliche Erwägungen (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) führen zu keinem anderen Ergebnis.
  5. Die Publizitätsfunktion des Grundbuchs ist für die Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr von zentraler Bedeutung.
  6. Eine Umschreibung würde den Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig erhöhen.
  7. Gelöschte Eintragungen bleiben im Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit sichtbar.
  8. Die Entscheidung stärkt das Vertrauen in die Integrität und Zuverlässigkeit des Grundbuchsystems.

Löschung von Zwangseintragungen im Grundbuch: Keine automatische Umschreibung

Die Löschung einer rechtmäßigen Zwangseintragung im Grundbuch führt nicht automatisch zu einer Umschreibung des Grundbuchblatts. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Urteil klargestellt. Die Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen für Eigentümer, die nach einer Zwangseintragung eine vollständige Bereinigung ihrer Grundbucheinträge anstreben.

Das Grundbuch ist ein zentrales Register, das die rechtlichen Zustände von Grundstücken dokumentiert. Zwangseintragungen werden vorgenommen, um bestimmte Rechte oder Ansprüche an einem Grundstück zu sichern. Nach Löschung einer solchen Eintragung bleibt sie jedoch weiterhin im Grundbuch sichtbar, auch wenn sie nicht mehr aktuell ist.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, wo es um die Löschung von Zwangseintragungen im Grundbuch geht, zögern Sie nicht und fordern noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Zentrum eines rechtlichen Streits stand der Antrag einer Grundeigentümerin auf die Neuanlegung von Wohnungsgrundbuchblättern, um frühere Zwangseintragungen unsichtbar zu machen. Der Fall, der bis zum Bundesgerichtshof (BGH) gelangte, wirft ein Schlaglicht auf das Spannungsfeld zwischen dem öffentlichen Informationsinteresse und dem individuellen Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Der Anlass des Rechtsstreits: Zwangseintragungen und deren Folgen

Die Antragstellerin, seit den 1990er Jahren Eigentümerin dreier Wohnungseigentumseinheiten, sah sich über Jahre hinweg mit verschiedenen Zwangseintragungen im Grundbuch konfrontiert. Diese reichten von Vermerken über die Anordnung der Zwangsversteigerung bis hin zu Sicherungshypotheken. Nachdem diese Eintragungen zwischen 2004 und 2021 gelöscht wurden, beantragte sie die Anlegung neuer Grundbuchblätter, um die gelöschten Eintragungen vollständig zu entfernen. Die Begründung: Die sichtbaren Löschungsvermerke würden weiterhin diskriminierende und kreditschädigende Wirkungen entfalten.

Rechtliche Hürden und die Position des Beschwerdegerichts

Das Grundbuchamt wies den Antrag zurück, ein Schritt, den das Beschwerdegericht bestätigte. Die Richter argumentierten, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Umschreibung gemäß § 28 GBV nicht vorlägen und auch eine analoge Anwendung der Norm ausscheide. Zudem verneinte das Gericht einen Anspruch aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, indem es das Allgemeininteresse an einem aussagekräftigen und vollständigen Grundbuch höher gewichtete.

BGH-Urteil: Abwägung von öffentlichem Interesse und Persönlichkeitsrecht

Der BGH schloss sich dieser Auffassung an und wies die Rechtsbeschwerde zurück. Die Richter bekräftigten, dass weder eine analoge Anwendung des § 28 GBV noch verfassungsrechtliche Überlegungen einen Anspruch auf Umschreibung begründen können. Insbesondere betonten sie, dass die Aufgaben und die Funktionsfähigkeit des Grundbuchs ein erhebliches öffentliches Interesse darstellen, das den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigt. Die bestehenden Regelungen gewährleisten nach Ansicht des Gerichts eine angemessene Balance zwischen dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und dem öffentlichen Informationsinteresse.

Einblicke in das Grundbuchrecht und die Rolle der Rechtsprechung

Der Fall verdeutlicht die komplexe Natur des Grundbuchrechts und die Herausforderungen, die sich aus dem Zusammenspiel von Grundrechten und öffentlichem Interesse ergeben. Die Entscheidung des BGH unterstreicht die Bedeutung der Publizitätsfunktion des Grundbuchs, die nicht nur der Rechtssicherheit dient, sondern auch den Schutz des Rechtsverkehrs sicherstellt. Die Urteilsbegründung macht deutlich, dass eine Änderung der bestehenden Rechtslage, insbesondere hinsichtlich der Sichtbarkeit gelöschter Eintragungen, eine Angelegenheit des Gesetzgebers und nicht der Gerichte ist.

Der Bundesgerichtshof bestätigt, dass kein Anspruch auf die Umschreibung des Grundbuchs nach der Löschung von Zwangseintragungen besteht, wobei das öffentliche Interesse an einem transparenten und zuverlässigen Grundbuchsystem Vorrang hat.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter der Umschreibung des Grundbuchs?

Welche Rolle spielt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Kontext der Grundbuchumschreibung?

Kann jederzeit eine Löschung von Eintragungen im Grundbuch beantragt werden?

Wie wird öffentliches Interesse gegenüber dem Einzelinteresse bei Grundbuchangelegenheiten gewichtet?

Warum sind gelöschte Zwangseintragungen im Grundbuch noch erkennbar?

Inwiefern beeinflusst die Entscheidung des BGH die Praxis der Grundbuchführung?


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: V ZB 17/22 – Beschluss vom 21.09.2023

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2023 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Kammergerichts – 1. Zivilsenat – vom 5. April 2022 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 EUR.

Gründe:

A.

Die Beteiligte ist seit Anfang der 1990er Jahre Eigentümerin der drei im Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten Wohnungseigentumseinheiten. In dem Zeitraum von 2003 bis 2014 wurden in Abteilung II der Wohnungsgrundbücher jeweils ein Vermerk über die Anordnung der Zwangsversteigerung, ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO sowie ein Vermerk über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten und in Abteilung III jeweils eine Arresthypothek und eine Sicherungshypothek eingetragen. Diese Eintragungen wurden in den Jahren 2004 bis 2021 durch Eintragung eines Löschungsvermerks wieder gelöscht. Die Beteiligte beantragt, neue Wohnungsgrundbuchblätter anzulegen, aus denen die gelöschten Eintragungen nicht mehr ersichtlich sind. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihren Umschreibungsantrag weiter.

B.

Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in ZfIR 2022, 328 veröffentlicht ist, meint, die Beteiligte habe keinen Anspruch auf Umschreibung der Grundbuchblätter. Die Voraussetzungen für eine Umschreibung nach § 28 GBV lägen nicht vor. Die Norm könne mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht entsprechend angewendet werden. Insbesondere das Grundrecht der Beteiligten auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG begründe keinen Umschreibungsanspruch. Das Allgemeininteresse an einem Grundbuch, das über gegenwärtige und vergangene Rechtsverhältnisse an dem Grundstück zuverlässig Auskunft gebe, überwiege das Interesse der Beteiligten an der Geheimhaltung der gelöschten Eintragungen. Denn auch mit einem neuen Grundbuchblatt könnten die behaupteten diskriminierenden und kreditschädigenden Wirkungen der gelöschten Eintragungen nur unvollständig beseitigt werden. Bei Umschreibung des Grundbuchblattes sei nach § 30 Abs. 1 b) GBV in der Aufschrift des neuen Blattes auf das bisherige Blatt zu verweisen. Ein umsichtiger und erfahrener Kreditgeber werde dies erkennen und sich allein mit der Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszugs nicht begnügen. Schließlich sei eine Umschreibung nach jeder Löschung einer Zwangseintragung wegen des damit verbundenen erheblichen Aufwands auch nicht praktikabel.

C.

Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Umschreibung der Wohnungsgrundbuchblätter zu Recht zurückgewiesen.

I.

Das Beschwerdegericht geht zutreffend davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Umschreibung der Grundbuchblätter nach der Vorschrift des § 28 GBV, die gemäß § 1 WGV entsprechend für Wohnungsgrundbücher gilt, nicht vorliegen. Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts sind die Wohnungsgrundbuchblätter weder unübersichtlich geworden (§ 28 Satz 1 GBV) noch würden sie durch Umschreibung wesentlich vereinfacht (§ 28 Satz 2 GBV).

II.

Die Annahme des Beschwerdegerichts, dass auch kein Umschreibungsanspruch entsprechend § 28 Satz 1 GBV besteht, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Ob der von einer gelöschten Zwangseintragung Betroffene aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Anspruch auf Entfernung der Eintragung durch Umschreibung des Grundbuchblattes entsprechend § 28 Satz 1 GBV hat, wird allerdings unterschiedlich beurteilt.

a) Nach verbreiteter Meinung in Rechtsprechung und Literatur kann eine Umschreibung des Grundbuchblattes über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus als Folgenbeseitigung jedenfalls dann entsprechend § 28 GBV verlangt werden, wenn die Zwangseintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften zustande gekommen ist und dadurch schutzwürdige Interessen des von der Eintragung Betroffenen beeinträchtigt werden. Bei einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) oder des Eigentumsrechts (Art. 14 Abs. 1 GG) sei es unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Grundrechtsschutzes verfassungsrechtlich geboten, dem Betroffenen ein Recht auf Umschreibung des Grundbuchblattes zuzubilligen (vgl. OLG Jena, NJOZ 2013, 922, 923; OLG Düsseldorf, FGPrax 1997, 83; OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 23; OLG Frankfurt, NJW 1988, 976 f.; Bauer/Schaub/Maaß, GBO, 5. Aufl., § 12 Rn. 7; BeckOK GBO/Holzer 1.8.2023, § 3 Rn. 8; Demharter, GBO, 33. Aufl., § 3 Rn. 12.1; KEHE/Keller, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 28 GBV Rn. 3; Lemke/Schneider, GBO, 3. Aufl., § 12 Rn. 21; Meikel/Schneider, GBV, 11. Aufl., § 28 Rn. 10; Kübler/Prütting/Bork/ Holzer, InsO [9/2023], § 32 Rn. 48; Stein/Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl., § 868 Rn. 9; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 613a; Böhringer, Rpfleger 1989, 309, 313; BWNotZ 1989, 1, 5; Böttcher, ZfIR 2022, 328, 331; Wilsch, FGPrax 2017, 100, 102; offengelassen von OLG Köln, FGPrax 2015, 249, 250). Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Umschreibung in entsprechender Anwendung von § 28 GBV jedenfalls dann vorzunehmen, wenn ein Offenbarungsverbot nach einer Änderung der Vornamen des Eigentümers auf der Grundlage des Transsexuellengesetzes besteht (§ 5 TSG; vgl. Senat, Beschluss vom 7. März 2019 – V ZB 53/18, NJW 2019, 2541 Rn. 14 ff.). Gleiches gilt bei einem Verstoß gegen das gesetzliche Offenbarungsverbot des § 1758 Abs. 1 BGB im Fall der Eintragung einer Namensänderung in das Grundbuch unter Hinweis auf eine Adoption (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 23). Hier sind die Zwangseintragungen nach den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Beschwerdegerichts allerdings weder unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften zustande gekommen noch besteht ein gesetzliches Offenbarungsverbot im Hinblick auf persönliche Verhältnisse der Beteiligten.

b) Weitergehend wird im Schrifttum zum Teil die Auffassung vertreten, dass der von einer Zwangseintragung Betroffene nach Löschung der Eintragung eine Umschreibung des Grundbuchblattes aus verfassungsrechtlichen Gründen auch dann verlangen könne, wenn die Zwangseintragung rechtmäßig erfolgt sei. Zumeist sprechen sich die Vertreter dieser Auffassung dabei in Anlehnung an gesetzlich geregelte Löschungsfristen (§ 802k Abs. 1 Satz 4, § 882e Abs. 1 ZPO, §§ 915, 915a ZPO aF) für einen Umschreibungsanspruch erst nach Ablauf einer bestimmten Frist nach Löschung der Eintragung aus (vgl. Bauer/Schaub/Maaß, GBO, 5. Aufl., § 12 Rn. 7; BeckOK GBO/Holzer [1.8.2023], § 3 Rn. 8; ders., ZRI 2022, 497, 502 ff.; Böhringer, Rpfleger 1989, 309, 312 f.; BWNotZ 1989, 1, 4 ff.; Böttcher, ZVG, 7. Aufl., § 19 Rn. 14; ders., ZfIR 2022, 328, 330 f.). Der Schutz der Grundrechte verlange eine entsprechende Ausgestaltung des Grundbuchverfahrens. Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sei verletzt, wenn gelöschte Zwangseintragungen für eine unbestimmte Zeit im Grundbuch sichtbar blieben und infolgedessen die Kreditwürdigkeit des Betroffenen herabgesetzt werde. Demgegenüber sei die Entfernung der gelöschten Zwangseintragungen für den Rechtsverkehr nur mit sehr geringen Beeinträchtigungen verbunden und daher hinzunehmen. Auch die Ungleichbehandlung mit Schuldnern in der Mobiliarvollstreckung, zu deren Gunsten es gesetzliche Löschfristen für Vermögensverzeichnisse oder Eintragungen in dem Schuldnerverzeichnis gebe, sei nicht gerechtfertigt. Schließlich werde ohne Grundbuchumschreibung auch das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) beeinträchtigt, da das Grundstück wegen der weiterhin ersichtlichen Zwangseintragungen als Sicherungsmittel für Darlehen durch einen staatlichen Eingriff entwertet werde.

c) Nach der Gegenauffassung, der auch das Beschwerdegericht folgt, besteht in diesen Fällen kein Umschreibungsanspruch des von der Eintragung Betroffenen (vgl. BayObLGZ 1992, 127, 129 f.; OLG Düsseldorf, FGPrax 2017, 100, 101 f.; FGPrax 1997, 83; NJW 1988, 975 f.; OLG Köln, FGPrax 2015, 249, 250; OLG München, NJOZ 2014, 687; OLG Naumburg, FGPrax 2014, 54 f.; OLG Celle, NJOZ 2013, 764; BeckOK GBO/Zeiser [1.8.2023], GBV Rn. 28b; BeckOK GBO/Wilsch [1.8.2023], § 12 Rn. 102; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 3 Rn. 12; Lemke/Schneider, GBO, 3. Aufl., § 12 Rn. 20; Meikel/Schneider, GBV, 11. Aufl., § 28 Rn. 11 ff.; Depré/Cranshaw, ZVG, 2. Aufl., § 19 Rn. 2; Hintzen in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 16. Aufl., § 19 Rn. 3; Stein/ Jonas/Bartels, ZPO, 23. Aufl., § 868 Rn. 9; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 613a; Wilhelm, Sachenrecht, 7. Aufl., Rn. 563; Wilsch, FGPrax 2017, 100, 102; Heinze, ZfIR 2013, 375, 376). Ein solcher könne insbesondere nicht aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet werden. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Rechtsverkehrs an einem Grundbuch, das über alle gegenwärtigen und vergangenen Rechtsverhältnisse an dem Grundstück Auskunft gebe, und dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen falle zugunsten des Allgemeininteresses aus. Art. 3 Abs. 1 GG gebiete keine Gleichbehandlung mit dem Schuldner, der die Vermögensauskunft abgegeben habe oder in dem Schuldnerverzeichnis eingetragen sei.

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2. Die zuletzt genannte Ansicht verdient den Vorzug. Der von einer rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragung in dem Grundbuch Betroffene hat nach deren Löschung keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes; ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 GBV oder aus Art. 17 DS-GVO noch unmittelbar aus den Grundrechten.

a) Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 28 GBV kommt weder im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der Norm in Betracht noch mittels analoger Anwendung.

aa) Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung einer Norm endet dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch träte. Andernfalls könnten die Gerichte der rechtspolitischen Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers vorgreifen oder diese unterlaufen. Das Ergebnis einer verfassungskonformen Auslegung muss demnach nicht nur von dem Wortlaut des Gesetzes gedeckt sein, sondern auch die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahren. Das gesetzgeberische Ziel darf nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht werden (vgl. zum Ganzen BVerfGE 138, 64 Rn. 86). Diese Vorgaben gelten uneingeschränkt auch dann, wenn sich ein Fachgericht mit der Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung bei Prüfung der Voraussetzungen eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG auseinandersetzen muss (BVerfGE 138, 64 Rn. 87). Nach diesen Maßstäben scheidet eine verfassungskonforme Auslegung von § 28 GBV von vornherein aus. Denn die Regelung enthält nach ihrem eindeutigen Wortlaut keine Verpflichtung zu der Umschreibung eines Grundbuchblattes nach Löschung einer Zwangseintragung. Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Die Frage der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit der Einräumung eines Anspruchs auf Umschreibung des Grundbuchblattes wird im Fall von rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung seit inzwischen mehr als 20 Jahren einhellig abgelehnt, ohne dass der Gesetzgeber hierauf durch Einführung eines entsprechenden Umschreibungstatbestandes reagiert hat. Insbesondere im Zusammenhang mit den zahlreichen Änderungen der Grundbuchverfügung (GBV) durch das Gesetz zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3719) hätte ein weiterer Umschreibungstatbestand geschaffen werden können. Da § 28 GBV jedoch bis heute unverändert geblieben ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber einen über die obergerichtliche Rechtsprechung hinausgehenden Schutz des von der Eintragung Betroffenen nicht für geboten hält (vgl. OLG Düsseldorf, FGPrax 2017, 100, 102; Meikel/Schneider, GBV, 11. Aufl., § 28 Rn. 13).

bb) Das Beschwerdegericht verneint ferner zutreffend die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 28 Satz 1 GBV auf Grundbuchblätter, die ordnungsgemäß zustande gekommene, aber gelöschte Zwangseintragungen enthalten. Nach den obigen Ausführungen fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke (vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie, Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 – V ZB 102/06, NJW 2007, 3124 Rn. 11).

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde begründet auch Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO keinen Umschreibungsanspruch. Denn die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Grundbuch ist nach der Gesetzesbegründung gemäß dem Ausschlusstatbestand des Art. 17 Abs. 3 b) DSGVO zu der Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erforderlich und geht dem Geheimhaltungsinteresse des von der Grundbucheintragung Betroffenen vor. Eine endgültige Entfernung von Altdaten aus dem Grundbuch würde einer in dem öffentlichen Interesse liegenden funktionierenden und verlässlichen Registerführung zuwiderlaufen; Publizität und Richtigkeitsgewähr wären eingeschränkt (vgl. BR-Drucks. 433/18 S. 101, 103; BeckOK GBO/Wilsch [1.8.2023], § 12d Rn. 20). Die gelöschten Eintragungen müssen einschränkungslos, also auch nach Wegfall des Anlasses für die Vornahme der Zwangseintragung und dem Ablauf einer bestimmten – ohnehin nicht allgemein festlegbaren – Frist, aus dem Grundbuch erkennbar sein. Die von der Betroffenen begehrte Umschreibung der Grundbuchblätter sieht die Norm als Rechtsfolge ohnehin nicht vor.

c) Schließlich folgt auch nicht unmittelbar aus den Grundrechten ein Anspruch auf Umschreibung der Grundbuchblätter. Es kann dahinstehen, ob sich in Ermangelung einer einfachgesetzlichen Regelung aus Grundrechten überhaupt ein verfassungsunmittelbarer Umschreibungsanspruch ergeben könnte. Denn die Beteiligte ist jedenfalls durch die angefochtene Entscheidung nicht in ihren Grundrechten verletzt.

aa) Aus dem aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleiteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung folgt kein solcher Anspruch.

(1) Allerdings greifen die Vorschriften über die Löschung von Zwangseintragungen im Zusammenspiel mit dem Grundbucheinsichtsrecht (§ 12 Abs. 1 GBO) in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ein.

(a) Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen zu können (vgl. BVerfGE 65, 1, 42 f.).

(b) Nach diesen Grundsätzen greift das Verfahren der Löschung von Zwangseintragungen im Grundbuch nach § 46 Abs. 1 GBO im Zusammenspiel mit dem Einsichtsrecht in das Grundbuch nach § 12 Abs. 1 GBO in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des von der Eintragung Betroffenen ein. Bei der Änderung einer Eintragung wird die vorangegangene, nicht mehr gültige Eintragung nicht aus dem Grundbuch entfernt, sondern bleibt weiter sichtbar.

Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 GBV darf in dem Grundbuch nichts radiert und unleserlich gemacht werden. Löschungen nach § 46 Abs. 1 GBO werden – neben der Eintragung eines Löschungsvermerks – grundbuchtechnisch dadurch gekennzeichnet, dass die bisherigen Eintragungen „gerötet“, das heißt rot unterstrichen bzw. mit roten (Quer-)Strichen versehen werden (vgl. §§ 16, 17, 17a GBV). Beim maschinell geführten Grundbuch können die Kennzeichnungen schwarz dargestellt werden (§ 91 Satz 2 GBV). Eine Pflicht zur Umschreibung des Grundbuchblatts nach Löschung einer Zwangseintragung aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sieht das Gesetz in § 28 GBV nicht vor. Gelöschte Zwangseintragungen sind daher weiterhin aus dem Grundbuch ersichtlich und unterliegen nach § 12 Abs. 1 GBO bei Darlegung eines berechtigten Interesses grundsätzlich dem Recht auf Einsichtnahme durch Dritte. Das Grundbuch und die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 GBO, § 46 Abs. 1 GBV von dem Einsichtsrecht umfassten Grundakten enthalten eine Fülle von personenbezogenen Daten aus dem persönlichen, familiären, sozialen und wirtschaftlichen Bereich. Wenn Dritten Grundbucheinsicht gewährt wird, liegt darin ein Eingriff in das auf diese Daten bezogene, durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte, zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörende Recht der durch die Grundbucheinsicht Betroffenen – in erster Linie des Eigentümers (vgl. BVerfG, NJW 2001, 503, 505; Senat, Beschluss vom 9. Januar 2020 – V ZB 98/19, NJW 2020, 1511 Rn. 17; Beschluss vom 17. August 2011 – V ZB 47/11, NJW-RR 2011, 1651 Rn. 7).

(2) Dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Insbesondere entspricht er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

(a) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne hat nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über „seine“ Daten. Auch personenbezogene Informationen stellen ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Grundsätzlich muss daher der Einzelne nach Art. 2 Abs. 1 GG Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse, auf gesetzlicher Grundlage und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit hinnehmen (vgl. BVerfG, NJW 1988, 3009; BVerfGE 65, 1, 43 f.). Diesen Anforderungen werden die Normen über das Grundbuchverfahren gerecht.

(b) Das Grundbuchverfahrensrecht genügt dem Gebot der Normenklarheit. Der Betroffene kann erkennen, dass Zwangseintragungen gelöscht werden, indem ein Löschungsvermerk eingetragen wird (§ 46 Abs. 1 GBO) und die bisherigen Eintragungen gerötet (vgl. §§ 16, 17, 17a GBV) bzw. beim maschinell geführten Grundbuch die Kennzeichnungen schwarz dargestellt werden (§ 91 Satz 2 GBV), so dass gelöschte Eintragungen für Dritte bei Einsichtnahme zu erkennen sind. Ferner ist bestimmt, dass die Einsicht des Grundbuchs und der Grundakten jedem gestattet ist, der ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 12 Abs. 1 GBO).

(c) Die gesetzliche Regelung entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss eine Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zweckes geeignet und erforderlich sein; der mit ihr verbundene Eingriff darf seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Bürger hinzunehmenden Einbußen stehen (st. Rspr., vgl. nur BVerfGE 65, 1, 54 mwN).

(aa) Das Grundbuch hat die Aufgabe, über die das Grundstück betreffenden Rechtsverhältnisse möglichst erschöpfend und zuverlässig Auskunft zu geben (Senat, Beschluss vom 6. März 1981 – V ZB 18/80, BGHZ 80, 126, 127). Die Dokumentation auch nicht mehr aktueller Eintragungen ist der Publizitätsfunktion des Grundbuchs geschuldet. Deshalb wird das Grundbuch fortgeschrieben und im Grundsatz nur unter den engen Voraussetzungen von § 28 GBV geschlossen. Gelöschte Eintragungen werden mit der Umschreibung nicht endgültig aus dem Grundbuch entfernt, sondern können dem bisherigen Grundbuchblatt weiterhin entnommen werden (vgl. § 30 Abs. 1 b GBV). Dritte können das geschlossene Grundbuchblatt gemäß § 12 Abs. 1 GBO bei einem berechtigten Interesse einsehen. Durch das Einsichtsrecht wird die sog. formelle Publizität des Grundbuchs hergestellt, die Grundlage des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs und den damit verbundenen Vermutungs- und Gutglaubensregeln (vgl. §§ 891, 892, 893 und 899a BGB), der sog. materiellen Publizität, ist. Auf diese Weise wird den am Rechtsverkehr mit Grundstücken teilnehmenden Personen, die im Vertrauen auf den Grundbuchinhalt rechtlich erhebliche Handlungen beabsichtigen, die Möglichkeit gegeben, sich Gewissheit über die von dem öffentlichen Glauben erfassten Eintragungsvorgänge zu verschaffen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Januar 2020 – V ZB 98/19, NJW 2020, 1511 Rn. 9 mwN). Die Publizitätsfunktion des Grundbuchs dient damit der Erfüllung legitimer Staatsaufgaben.

(bb) Das Zusammenspiel von Grundbuchverfahrensrecht und Einsichtsrecht durch die in § 46 Abs. 1, § 12 Abs. 1 GBO, §§ 16, 17, 17a, 91 GBV getroffenen Regelungen ist geeignet, das grundbuchrechtliche Publizitätsprinzip durchzusetzen. Die verfahrensrechtlichen Normen stellen die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Einsichtnahme in das Grundbuch bereit (vgl. Lemke/Schneider, GBO, 3. Aufl., § 12 Rn. 1).

(cc) Die verfahrensrechtlichen Normen sind zu der Erfüllung der Aufgaben des Grundbuchs schließlich erforderlich und erweisen sich auch im engeren Sinne als verhältnismäßig. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ergibt sich kein Anspruch auf Umschreibung eines Grundbuchblattes nach Löschung der in dem Grundbuch enthaltenen Zwangseintragungen. Eine aus Sicht des Betroffenen weniger einschneidend beeinträchtigende, aber zu der Erfüllung der Aufgaben des Grundbuchs gleichermaßen geeignete Ausgestaltung des Grundbuchverfahrens ist nicht ersichtlich. Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit des Grundbuchs. Damit die Publizitätsfunktion des Grundbuchs erfüllt werden kann, muss das Grundbuch zuverlässig Auskunft über die gegenwärtigen und vergangenen Rechtsverhältnisse an dem Grundstück geben. Das bedingt, dass das Grundbuchamt in angemessener Zeit Eintragungen vornehmen muss, sobald die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 17). Es wäre nicht praktikabel, wenn bei jeder gelöschten Zwangseintragung auf Antrag des Betroffenen ein neues Grundbuchblatt angelegt und das alte Grundbuchblatt geschlossen werden müsste. Der damit verbundene Arbeitsaufwand führte bei der Vielzahl derartiger Löschungsvorgänge zu einer empfindlichen Störung der Funktionsfähigkeit der Grundbuchämter, die wiederum Voraussetzung für die Gewährleistung der Publizität des Grundbuchs ist. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, ist der Aufwand besonders hoch, wenn – wie hier – Wohnungsgrundbücher betroffen sind, weil dann die Umschreibung zusätzlich in den Bestandsverzeichnissen sämtlicher Sondereigentumseigenheiten zu vermerken ist (§ 3 Abs. 1 c, Abs. 5 WGV). Dem mit einer Umschreibung verbundenen erheblichen zusätzlichen Arbeits- und Verwaltungsaufwand für die Grundbuchämter stünde kein erheblicher Nutzen für den von einer Zwangseintragung Betroffenen gegenüber (vgl. BayObLGZ 1992, 127, 130 f.; OLG Düsseldorf, FGPrax 2017, 100, 102; FGPrax 1997, 83; NJW 1988, 975, 976; OLG Köln, FGPrax 2015, 249, 250; OLG München, NJOZ 2014, 687; OLG Naumburg, FGPrax 2014, 54 f.). Gelöschte Eintragungen werden mit der Umschreibung nicht endgültig aus dem Grundbuch entfernt, sondern können dem bisherigen Grundbuchblatt weiterhin entnommen werden. Das umgeschriebene Blatt ist zu schließen; im Schließungsvermerk ist die Bezeichnung des neuen Blattes anzugeben (§ 30 Abs. 2 GBV). In der Aufschrift des neuen Blattes ist auf das bisherige Blatt zu verweisen (§ 30 Abs. 1 b GBV). Dritte könnten bei Darlegung eines berechtigten Interesses gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO Einsicht auch in das geschlossene Grundbuchblatt nehmen, auf dessen Existenz sie gemäß § 30 Abs. 1 b GBV in der Aufschrift des neuen Blattes hingewiesen würden. Dass ausgerechnet Kreditgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen und sich mit der Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszuges begnügen würden, ist nicht zu erwarten.

Im Übrigen trägt § 12 GBO, gegen dessen Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken bestehen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 503, 504, BVerfGE 64, 229, 238), den schutzwürdigen Interessen Eingetragener Rechnung, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren (vgl. Senat, Beschluss vom 6. März 1981 – V ZB 18/80, BGHZ 80, 126, 128). Danach ist die Einsicht in das Grundbuch jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dieses berechtigte Interesse, von dessen Darlegung nur die in § 43 GBV genannten Behörden und Personen befreit sind, muss nicht nur an der Einsicht in das Grundbuch überhaupt bestehen, sondern an den Teilen, in die Einsicht genommen werden soll. Soweit es hieran fehlt, muss das Grundbuchamt unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die Einsicht auf Teile des Grundbuchs (z.B. einzelne Abteilungen) oder aber auch auf das aktuelle Grundbuchblatt beschränken (vgl. Senat, Beschluss vom 7. März 2019 – V ZB 53/18, NJW 2019, 2541 Rn. 18 mwN). Ob und in welchem Umfang ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 12 Abs. 1 GBO an der Einsicht dargelegt ist, lässt sich zwar nicht allgemein beantworten, sondern ist von dem Grundbuchamt jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Senat, Beschluss vom 7. März 2019 – V ZB 53/18, NJW 2019, 2541 Rn. 18). Im Regelfall werden Kreditgeber allerdings ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch insgesamt haben, wenn das Grundstück als Kreditsicherheit dienen soll.

bb) Art. 14 Abs. 1 GG gebietet (entgegen Holzer, ZRI 2022, 497, 502 f.) ebenfalls keinen Anspruch auf die Umschreibung von Grundbuchblättern nach der Löschung einer Zwangseintragung. Der Gesetzgeber hat den ihm bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, indem er einerseits dem Allgemeininteresse an einem zuverlässigen und vollständigen Inhalt des Grundbuchs den Vorrang vor dem Geheimhaltungsinteresse des von der Grundbucheintragung Betroffenen eingeräumt hat, andererseits jedoch ein Einsichtsrecht nach § 12 Abs. 1 GBO an das Vorliegen eines berechtigten Interesses geknüpft hat. Die Regelungen erweisen sich insbesondere als verhältnismäßig. Insoweit wird Bezug genommen auf die vorstehenden Ausführungen (vgl. Rn. 23 ff.).

cc) Ein Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes folgt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde schließlich nicht zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Hieraus folgt das Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfGE 138, 136 Rn. 121 mwN).

(2) Nach diesen Grundsätzen erfordert Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung der von Zwangseintragungen im Grundbuch Betroffenen und Schuldnern, die die Vermögensauskunft abgegeben haben bzw. im Schuldnerverzeichnis eingetragen sind. Zwar ist ein Vermögensverzeichnis gemäß § 802k Abs. 1 Satz 4 ZPO u.a. nach Ablauf von zwei Jahren seit Abgabe der Auskunft zu löschen. Eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis wird gemäß § 882e Abs. 1 ZPO nach Ablauf von drei Jahren seit dem Tag der Eintragungsanordnung von dem zentralen Vollstreckungsgericht gelöscht. Grundbucheintragungen dienen jedoch anderen Zwecken als Eintragungen im Schuldner- und im Vermögensverzeichnis. Während das Grundbuch keine Offenlegung und Auskunft über Vermögensverhältnisse des eingetragenen Eigentümers bezweckt, sondern Auskunft über alle gegenwärtigen und vergangenen Rechtsverhältnisse an dem Grundstück gibt, soll anhand des Schuldnerverzeichnisses die Kreditwürdigkeit eines Schuldners beurteilt werden können (vgl. BayObLGZ 1992, 127, 131; OLG Naumburg, FGPrax 2014, 54, 55; Wilsch, FGPrax 2017, 100, 102). Das Vermögensverzeichnis soll dem Gläubiger zu Beginn des Vollstreckungsverfahrens einen Überblick über die vorhandenen Vermögenswerte des Schuldners verschaffen, um ihm ein zielgerichtetes Vorgehen bei der Vollstreckung zu ermöglichen (vgl. MüKoZPO/Forbriger, 6. Aufl., § 802c Rn. 2). Zudem sind die Rechtsbeziehungen im Liegenschaftsrecht – anders als bei der Mobiliarvollstreckung – typischerweise langfristig angelegt (vgl. Meikel/Schneider, GBV, 11. Aufl., § 28 Rn. 12). Schließlich sollen mit der Beleihung von Grundbesitz regelmäßig erheblich höhere Risiken abgesichert werden als bei der Einräumung persönlicher Kredite (vgl. OLG Düsseldorf, FGPrax 2017, 100, 101 f.; NJW 1988, 975, 976; Böhringer, BWNotZ 1989, 1, 3). Vor diesem Hintergrund ist es nicht gleichheitswidrig, dass im Grundbuchrecht – anders als bei dem Vermögensverzeichnis und bei dem Schuldnerverzeichnis – keine gesetzlichen Löschungsfristen (bzw. Umschreibungsfristen) vorgesehen sind.

D.

Die Kostenfolge aus der Zurückweisung des Rechtsmittels ergibt sich – ohne dass es einer Entscheidung bedarf – aus KV 14520 der Tabelle B zu § 34 Abs. 1 GNotKG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 i. V.m. § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

 

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