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Erstmaliger Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – Gründe

Berufungsbegründungsfrist: Sorgfalt und Begründungspflicht

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) Az.: VIII ZB 31/23 vom 09.01.2024 befasst sich mit der Zurückweisung der Rechtsbeschwerde eines Klägers, dessen Berufung aufgrund nicht fristgerecht eingereichter Begründung als unzulässig verworfen wurde. Der Kläger hatte versäumt, rechtzeitig gegen ein Versäumnisurteil Einspruch einzulegen und beantragte erfolglos die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist. Der BGH bestätigte, dass die Fristversäumnis dem Kläger zuzurechnen sei, da der Antrag auf Fristverlängerung ohne Angabe erheblicher Gründe erfolgte und somit das Vertrauen auf eine Fristverlängerung unbegründet war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: VIII ZB 31/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  • Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz wird als unzulässig verworfen.
  • Die Berufungsbegründungsfrist wurde mangels fristgerechter Einreichung einer Begründung nicht gewahrt.
  • Ein Wiedereinsetzungsantrag hatte keinen Erfolg, da die Fristversäumnis dem Kläger zurechenbar ist.
  • Die Anforderungen an die Darlegung eines erheblichen Grundes für eine Fristverlängerung sind nicht erfüllt.
  • Eine konkludente Darlegung erheblicher Gründe für die Fristverlängerung wurde nicht angenommen.
  • Die Entscheidung beruht auf einer sorgfältigen Auslegung der zivilprozessualen Normen.
  • Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Kläger.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der Fristwahrung im Berufungsverfahren.

Fristverlängerung bei Berufungsbegründung: Anforderungen und rechtliche Rahmenbedingungen

Rückabwicklung Neuwagenkauf
(Symbolfoto: R Photography Background /Shutterstock.com)

Im deutschen Rechtssystem ist die Möglichkeit einer erstmaligen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ein wichtiges Thema für Anwälte und Mandanten. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die Anforderungen an einen solchen Antrag nicht überzogen sein dürfen, jedoch müssen erhebliche Gründe für die Verlängerung dargelegt werden.

Im Zentrum des Falles steht ein Kläger, der gegen ein Versäumnisurteil Berufung einlegte und hierfür eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragte. Die zentrale Frage dreht sich um die Zulässigkeit dieses Antrags und die rechtlichen Grenzen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei versäumten Fristen.

Der Weg zur Berufung und die Bitte um mehr Zeit

Der Kläger sah sich nach einer ersten juristischen Niederlage gezwungen, gegen das Urteil des Landgerichts vorzugehen. Sein Ziel: die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen. Doch der erste Schritt zur Revision des Falls stolperte über die Hürde der Berufungsbegründungsfrist. Mit der Behauptung, nicht in der Lage zu sein, die Berufung fristgerecht zu begründen, suchte der Kläger nach mehr Zeit – eine Anfrage, die der Vorsitzende des Berufungssenats ablehnte. Der Kern des Problems: Der Antrag enthielt keine erheblichen Gründe, die eine Verlängerung der Frist rechtfertigen würden.

Die rechtliche Herausforderung: Vertrauen gegen Vorschrift

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung der Fristwahrung im juristischen Prozess und die Anforderungen an die Begründung für eine Fristverlängerung. Während der Kläger sein Vertrauen in eine vermeintlich gerechtfertigte Fristverlängerung setzte, stand dem die klare Regelung des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gegenüber, die eine explizite Darlegung erheblicher Gründe für solch eine Verlängerung erfordert. Der Bundesgerichtshof unterstrich in seinem Urteil, dass weder eine bloße Behauptung der Unfähigkeit zur fristgerechten Begründung noch eine konkludente Darlegung ohne Angabe konkreter Gründe ausreicht.

Rechtsprechung des BGH: Ein Fall von klaren Regeln und Erwartungen

Der BGH bekräftigte, dass das Rechtssystem klare Regeln für den Ablauf juristischer Verfahren setzt. Für die Gewährung einer Fristverlängerung müssen stichhaltige Gründe vorliegen. Das Gericht machte deutlich, dass ein Antragsteller nicht automatisch davon ausgehen kann, dass sein Anliegen ohne die erforderliche Substanz Erfolg hat. Besonders hervorgehoben wurde, dass selbst bei einem ersten Antrag auf Fristverlängerung konkrete und erhebliche Gründe genannt werden müssen, um eine ernsthafte Prüfung und mögliche Zustimmung zu ermöglichen.

Das Urteil: Eine klare Botschaft an Rechtsuchende und ihre Vertreter

Der Bundesgerichtshof entschied schlussendlich, dass die Rechtsbeschwerde des Klägers unzulässig sei. Dies begründete das Gericht damit, dass der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter die notwendigen Anforderungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt hatten. Die Entscheidung sendet eine klare Botschaft über die Bedeutung der Einhaltung prozessualer Fristen und die Notwendigkeit, begründete Anträge zu stellen.

Der Fall VIII ZB 31/23 verdeutlicht die strikten Anforderungen des deutschen Rechtssystems an die fristgerechte Einreichung von Berufungsbegründungen und die hohen Hürden für die Gewährung von Fristverlängerungen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist erfüllt sein?

Für eine erfolgreiche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Voraussetzungen variieren je nachdem, ob es sich um den ersten oder einen weiteren Antrag auf Fristverlängerung handelt.

Erste Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Der Antragsteller muss lediglich darlegen, dass er überlastet ist, sich noch einmal mit seiner Mandantschaft abstimmen muss oder ähnliche Hindernisse bestehen. Es ist nicht erforderlich, die Gründe weiter zu substanziieren. Eine zusätzliche Bedingung, dass die Arbeitsüberlastung unvorhergesehen sein müsse, engt die Rechtsprechung unzulässig ein.

Mehrfacher Antrag auf Fristverlängerung

Ohne Zustimmung des Gegners kann die Berufungsbegründungsfrist nur bis zu einem Monat verlängert werden, auch wenn mehrere Anträge innerhalb dieses Zeitraums gestellt werden. Die Zustimmung des Gegners ermöglicht eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus.

Anforderungen an die Darlegung

Die Gründe für eine Verlängerung müssen glaubhaft gemacht werden. Dies kann auch im Wege der anwaltlichen Versicherung erfolgen. Liegt eine Einwilligung des Berufungsgegners zur Fristverlängerung vor, bedarf es keiner weiteren Gründe für die Bewilligung der Fristverlängerung.

Keine grundlose Verlängerung

Ein Verlängerungsantrag muss zwingend mit einer Begründung gestellt werden. Es genügt nicht, ohne Angabe von Gründen pauschal eine Fristverlängerung zu beantragen. Ohne ausreichende Begründung hilft auch ein Wiedereinsetzungsantrag nicht.

Erhebliche Gründe für die Verlängerung

Der Rechtsmittelführer darf die Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung nur dann erwarten, wenn es sich um den ersten Verlängerungsantrag handelt und er erhebliche Gründe für die beantragte Verlängerung darlegt.

Zusammengefasst müssen für eine erfolgreiche Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist folgende Punkte beachtet werden:

  • Bei einem ersten Antrag sind die Anforderungen an die Begründung nicht hoch, und es genügt die Darlegung von Überlastung oder ähnlichen Hindernissen.
  • Ohne Zustimmung des Gegners ist nur eine einmalige Verlängerung um bis zu einem Monat möglich.
  • Die Gründe für eine Verlängerung müssen glaubhaft gemacht werden, wobei die Einwilligung des Gegners eine Verlängerung über den Monat hinaus ermöglicht.
  • Ein Verlängerungsantrag muss immer begründet werden; eine pauschale Anfrage ohne Gründe ist unzureichend.

Wie wirkt sich die Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten auf die Begründung eines Verlängerungsantrags aus?

Die Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten kann einen erheblichen Grund für die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darstellen. Dies gilt insbesondere bei einem ersten Antrag auf Fristverlängerung. Die Rechtsprechung erkennt an, dass eine starke Arbeitsbelastung des Prozessbevollmächtigten regelmäßig einen erheblichen Grund für eine solche Verlängerung bildet. Dabei dürfen an den erstmaligen Antrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Es ist ausreichend, wenn der Anwalt darlegt, dass er überlastet ist, sich noch einmal mit seiner Mandantschaft abstimmen muss oder ähnliche Hindernisse bestehen. Eine weitergehende Substanziierung der Gründe ist nicht erforderlich.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat klargestellt, dass bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen an die Begründung gestellt werden sollten. Ein Rechtsanwalt darf daher grundsätzlich erwarten, dass seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn er sich auf Arbeitsüberlastung beruft.

Es ist jedoch wichtig, dass der Antrag auf Fristverlängerung immer mit einer Begründung versehen wird. Ein pauschaler Antrag ohne Angabe von Gründen ist unzureichend und wird nicht zum Erfolg führen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Arbeitsüberlastung als Grund für eine Fristverlängerung glaubhaft gemacht werden muss. Dies kann beispielsweise durch eine anwaltliche Versicherung geschehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten durchaus einen validen Grund für die Beantragung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist darstellen kann, insbesondere wenn es sich um den ersten Antrag handelt. Die Darlegung muss glaubhaft sein, und der Antrag muss begründet werden, wobei die Anforderungen an die Begründung beim ersten Antrag nicht überzogen sein dürfen.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: VIII ZB 31/23 – Beschluss vom 09.01.2024

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2024 beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. März 2023 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf

74.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Neuwagen. Seine auf die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 74.500 Euro nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, gerichtete Klage ist in erster Instanz durch ein Versäumnisurteil abgewiesen worden. Hiergegen hat der Kläger nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Landgericht hat den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist zurückgewiesen und dessen Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 beantragt, die am 16. Januar 2023 (Montag) ablaufende Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern, da er „nicht in der Lage“ sei, die Berufung fristgerecht zu begründen. Diesen Antrag hat der Vorsitzende des Berufungssenats mit Verfügung vom 13. Januar 2023 abgelehnt und den Kläger anschließend – nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung mangels (fristgerechten) Eingangs einer Berufungsbegründung als unzulässig zu verwerfen. Daraufhin hat der Kläger, gestützt auf ein seiner Ansicht nach berechtigtes Vertrauen in die Gewährung der beantragten Fristverlängerung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufungsbegründung eingereicht.

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Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:

Die Berufung des Klägers sei mangels fristgerechter Einreichung einer Begründung unzulässig. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag habe in der Sache keinen Erfolg, da der Kläger die Frist zur Begründung der Berufung nicht ohne – ihm zurechenbares (§ 85 Abs. 2 ZPO) – Verschulden seines Prozessbevollmächtigten versäumt habe. In einem Wiedereinsetzungsverfahren könne sich der Berufungsführer nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Gewährung der von ihm nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO beantragten Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit habe erwartet werden können. Dies sei bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt werde. An die Darlegung eines solchen erheblichen Grundes dürften keine hohen Anforderungen gestellt werden. Auch eine lediglich konkludente Darlegung könne ausreichend sein. Dagegen sei ein Antrag ohne Begründung oder ein Antrag, dem nicht zu entnehmen sei, aus welchen Gründen eine Fristverlängerung begehrt werde, nicht ausreichend. Insbesondere sei eine Arbeitsüberlastung eines Prozessbevollmächtigten, der einen nicht begründeten Verlängerungsantrag stelle, nicht ohne weiteres als Grund des Antrags zu vermuten.

Hiervon ausgehend habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seiner Ausführung, wonach er „nicht in der Lage“ gewesen sei, die Berufung fristgerecht zu begründen, einen erheblichen Grund im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht dargelegt. Es werde lediglich mitgeteilt, dass die Frist nicht eingehalten werden könne, ohne hierfür überhaupt einen sachlichen Grund anzugeben. Eine Schlussfolgerung auf einen erheblichen Grund wäre eine reine Spekulation. Daher könne auch nicht angenommen werden, der Verlängerungsantrag werde auf eine Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten des Klägers gestützt, zumal nicht lediglich eine kurze, sondern eine Fristverlängerung um einen Monat begehrt worden sei. Somit habe der Kläger nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Berufungsbegründungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit verlängert werde, und diese daher schuldhaft versäumt.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Wiedereinsetzung ablehnenden und die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (siehe nur Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21, NJW 2023, 1812 Rn. 14; vom 21. März 2023 – VIII ZB 80/22, Rn. 13; vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 60/22, Rn. 17; jeweils mwN), sind nicht erfüllt. Denn die Rechtssache wirft weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf noch erfordert sie eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

1. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, verletzt die angefochtene Entscheidung nicht die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip).

a) Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21, aaO Rn. 16; vom 21. März 2023 – VIII ZB 80/22, aaO Rn. 16; vom 10. Oktober 2023 – VIII ZB 60/22, aaO Rn. 18; jeweils mwN).

b) Gemessen hieran verletzen die Versagung einer Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und die Verwerfung der Berufung als unzulässig den Kläger in seinen vorgenannten Verfahrensgrundrechten nicht, da die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem dem Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht. Denn dieser durfte mangels Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht auf die Gewährung der von ihm beantragten Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung vertrauen.

aa) Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten. Erkennt er, dass er eine Frist zur Rechtsmittelbegründung nicht einhalten kann, muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch gar nicht erst notwendig wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 31. Januar 2018 – XII ZB 565/16, NJW 2018, 1400 Rn. 18; vom 16. November 2021 – VIII ZB 70/20, NJW-RR 2022, 201 Rn. 15; vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21, aaO Rn. 22; jeweils mwN).

Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungskläger grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Ohne Verschulden im Sinne von § 233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn (und soweit) er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, das heißt, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2009 – VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8; vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 11; vom 14. September 2021 – VI ZB 58/19, Rn. 11; vom 7. Februar 2023 – VIII ZB 55/21, aaO Rn. 23; vom 10. Oktober 2023 – XI ZB 1/23, NJW 2023, 3799 Rn. 11; jeweils mwN).

Dies ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, aaO Rn. 12; vom 20. Februar 2018 – VI ZB 47/17, NJW-RR 2018, 569 Rn. 8; vom 16. November 2021 – VIII ZB 70/20, aaO Rn. 16; vom 21. Juni 2023 – V ZB 15/22, NJW 2023, 2883 Rn. 15). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden (BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2010 – V ZB 42/10, NJW-RR 2011, 285 Rn. 8; vom 8. Mai 2013 – XII ZB 396/12, NJW 2013, 2035 Rn. 11; vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, aaO Rn. 11 f.; vom 14. September 2021 – VI ZB 58/19, aaO Rn. 12). Insoweit reicht der bloße Hinweis auf einen als erheblich anerkannten Grund aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, aaO Rn. 13 und 17 f.; vom 22. Juni 2021 – VIII ZB 56/20, NJW 2022, 400 Rn. 23; vom 16. November 2021 – VIII ZB 70/20, aaO).

Wird der Antrag auf Fristverlängerung nicht in diesem Sinne begründet, muss der Rechtsmittelführer hingegen damit rechnen, dass der Vorsitzende in einem solchen Antrag eine Verzögerung des Rechtsstreits sehen und das Gesuch deshalb ablehnen werde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. August 2019 – X ZB 13/18, NJW-RR 2019, 1392 Rn. 12; vom 16. November 2021 – VIII ZB 70/20, aaO Rn. 18; jeweils mwN).

bb) So liegt der Fall hier. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat – wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist – in seinem Antrag einen erheblichen Grund für die Gewährung der von ihm begehrten Fristverlängerung nicht genannt.

Er hat lediglich darauf verwiesen, dass er „nicht in der Lage“ sei, die Berufung fristgerecht zu begründen, was das Berufungsgericht zu Recht als bloße Mitteilung der Nichteinhaltung der Frist angesehen hat. Ein Grund, warum der Prozessbevollmächtigte des Klägers hierzu „nicht in der Lage“ gewesen sei, wird nicht genannt. Somit genügt der Fristverlängerungsantrag selbst den geringen Anforderungen nicht, welche die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO stellt.

cc) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kann die Erklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht dahingehend ausgelegt werden, er habe sich konkludent darauf berufen, aufgrund einer Arbeitsüberlastung „nicht in der Lage“ gewesen zu sein, die Berufung fristgerecht zu begründen.

Zwar kann unter Umständen auch eine konkludente Darlegung der für eine Fristverlängerung erforderlichen Voraussetzungen genügen (BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 15; vom 20. August 2019 – X ZB 13/18, aaO) und zählt zu den erheblichen Gründen im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, aaO Rn. 11 ff.; vom 26. Januar 2017 – IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 10; vom 20. Februar 2018 – VI ZB 47/17, NJW-RR 2018, 569 Rn. 7 ff.; vom 22. Juni 2021 – VIII ZB 56/20, NJW 2022, 400 Rn. 23; jeweils mwN).

Einer Auslegung des Fristverlängerungsantrags dahingehend, dass sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers konkludent auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe, steht jedoch – auch unter Beachtung der Interessenlage des Klägers (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, aaO Rn. 15 mwN) – entgegen, dass im Antrag keinerlei tatsächlichen Umstände genannt werden, aus denen der Anlass der begehrten Fristverlängerung hätte entnommen und aus denen somit ein Rückschluss auf den erheblichen Grund hätte gezogen werden können. Allein aus der unterbliebenen Angabe anderer Hinderungsgründe folgt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht, dass sich der Klägervertreter zur Begründung seines Fristverlängerungsantrags (konkludent) auf eine Arbeitsüberlastung berufen habe. Denn eine solche ist – insbesondere, wenn wie hier eine längere Fristverlängerung begehrt wird – nicht ohne weiteres als erheblicher Grund im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO zu vermuten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Juli 2007 – IV ZR 132/06, VersR 2007, 1583 Rn. 7; vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 69/16, aaO Rn. 15; vom 16. November 2021 – VIII ZB 70/20, NJW-RR 2022, 201 Rn. 19).

2. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2

Alt. 2 ZPO) erfordert schließlich auch nicht deshalb eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts – wie die Rechtsbeschwerde rügt – auf dem Obersatz beruhe, die Berufungsbegründungsfrist sei nur dann zu verlängern, wenn der angeführte erhebliche Grund ausdrücklich dargelegt werde, was von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch die konkludente Darlegung genüge, abweiche. Einen solchen Obersatz hat das Berufungsgericht nicht aufgestellt. Im Gegenteil hat es erkannt, dass der erhebliche Grund im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO auch konkludent dargelegt werden kann, eine solche Darlegung im vorliegenden Fall jedoch – wie ausgeführt zu Recht – verneint.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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