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Grundstücksausfahrt – Notfalls in Strasse einweisen lassen!

Leitsatz (nicht amtlich):

Fährt man aus einer Grundstücksausfahrt, so muss man sich notfalls „einweisen“ lassen, andernfalls trägt man ein erhebliches Mitverschulden an einem Verkehrsunfall. Selbst dann, wenn der Unfallgegner zu schnell fährt (hier mind. 65 k/mh innerorts).


LANDGERICHT ITZEHOE

Az.: 6 O 206/00

Verkündet am: 11.01.2001

Nicht rechtskräftig!

Gegen das Urteil wurde Berufung zum Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht eingelegt: Az.: 7 U 27/00


Die 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2000 durch den Richter am Landgericht O als Einzelrichter für Recht erkannt:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.131,36 DM nebst 4% Zinsen seit dem 07.04.2000 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten 24 % als Gesamtschuldner und der Kläger 75 %.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

5. Der Streitwert wird auf 12.600,– DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Der Beklagte zu 2) befuhr mit seinem bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeug am 28.01.2000 die Meldorfer Straße in Wöhrden ortseinwärts. Die Straße verläuft dort in einem leichten Links-Rechts-Bogen. Im Scheitelpunkt des Rechtsbogens befindet sich ein Haus unmittelbar am Gehweg. Der Kläger fuhr zum gleichen Zeitpunkt mit seinem Kfz aus einer hinter der Rechtskurve belegenen Grundstücksausfahrt heraus, um nach links in die Meldorfer Straße in Wöhrden ortsauswärts einzubiegen. Der Beklagte zu 2) vollzog daraufhin eine Vollbremsung und geriet dabei aus der Kurve heraus über die Fahrbahnmitte. Er stieß dort mit dem klägerischen Fahrzeug in der Weise zusammen, daß er mit der Mitte des Fahrzeugs in die vordere linke Ecke des klägerischen Fahrzeugs stieß.

Die Beklagte zu 2) hat durch einen eigenen Sachverständigen den Schaden am klägerischen Fahrzeug schätzen lassen. Die Reparaturkosten wurden mit 10.932,65 DM, der Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts mit 10.800,– DM. Der Kläger hat in der Folgezeit am 18.03.2000 ein anderes Kfz erworben unter Veräußerung des verunfallten Fahrzeugs.

Der Kläger macht mit der Klage Fahrzeugschaden in Höhe der Reparaturkosten, allgemeine Unkostenpauschale, An- und Abmeldepauschale sowie Nutzungsausfall für 14 Tage geltend, ferner die Abschleppkosten.

Er behauptet, er habe sich beim Ausfahren aus der Grundstücksausfahrt davon überzeugt, daß die Straße frei gewesen sei. Der Beklagte zu 2) sei mit überhöhter Geschwindigkeit, mindestens 90 km/h gefahren und mit ihm zusammengestoßen, nachdem er bereits sich in Längsrichtung auf der Gegenfahrbahn eingeordnet habe. Er ist der Ansicht, der Beklagte zu 2) habe den Unfall allein und schuldhaft verursacht.

Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 12.658,08 DM nebst 4 % Zinsen auf 12.402,65 DM seit dem 07.04.2000 und auf weitere 255,43 DM seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, daß der Beklagte zu 2) mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Vielmehr habe der Kläger die Vorfahrt des Beklagten zu 2) mißachtet.

Das Gericht hat Beweis erhoben über den Unfallhergang sowie die Örtlichkeit durch Vernehmung des Zeugen Sch und M sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen B und Einnahme des Augenscheins der Unfallörtlichkeit. Die Verkehrsunfallakte des Kreises Dithmarschen wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Zum Ergebnis der Beweisaufnahme sowie zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 14. Dezember 2000 (BI. 71 d.A.) sowie den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur zum Teil begründet.

Dem Kläger steht aufgrund des streitigen Verkehrsunfalls gegen die Beklagten als Gesamtschuldner ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 25 % des entstandenen Schadens zu.

Der Anspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs.2 BGB, 7 StVG i.V.m. § 3 StVO, soweit es die Beklagte zu 1) betrifft, i.V.m. § 1 PfIVG.

Nach den vorgenannten Vorschriften haften Fahrer und Versicherer eines Kraftfahrzeuges für Schäden, die darauf beruhen, daß der Fahrer seine Pflicht aus § 3 StVO, nämlich seine Geschwindigkeit den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen und die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts nicht zu überschreiten, verletzt hat. Aufgrund der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, daß dem Beklagten eine solche Pflichtverletzung zur Last fällt. Zum einen hat das Gericht schon Zweifel, ob aufgrund der Örtlichkeit die schon eine Geschwindigkeit von 50 km/h, wie der Beklagte sie behauptet eingehalten zu haben, noch den örtlichen Verhältnissen, insbesondere der Kurve und dem Regenwetter angepaßt war. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn aufgrund der Beweisaufnahme steht fest, daß der Beklagte zu 2) jedenfalls 65 km/h schnell gefahren ist, somit die innerörtlich vorgeschriebene Geschwindigkeit von 50 km/h deutlich überschritten hat. Dies ergibt sich aus der örtlich festgestellten Bremsspur. Das Gericht hält aufgrund der Aussage des Zeugen Müller, der diese in Anwesenheit beider Parteien vermessen hat, für erwiesen, daß die Spur dem Beklagtenfahrzeug zuzuordnen ist. Der Zeuge hat nämlich glaubhaft und überzeugend ausgesagt, daß diese Spur unmittelbar am hinteren linken Rad des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 2) endete und nach seinen Feststellungen vom linken Hinterrad herrührte. Zumal der anwesende Beklagte zu 2) während der Vermessung zugegen war und keinerlei Einwände gegen die Zuordnung erhob, hält das Gericht es für erwiesen, daß diese Spur allein vom Beklagtenfahrzeug stammen kann. Das Gericht ist auch überzeugt, daß der sachkundige Zeuge M die Spur ordnungsgemäß aufgezeichnet und vermessen hat. Das Gericht geht mit dem Sachverständigen B auch davon aus, daß jedenfalls von einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 65 km/h auszugehen ist. Diese ergibt sich nämlich schon dann, wenn man zugunsten des Beklagten zu 2) lediglich eine Bremsverzögerung von 5 m/sek2 und eine Aufprallgeschwindigkeit von weniger als 5 km/h annimmt.

Die überhöhte Geschwindigkeit ist auch unfallursächlich. Denn bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h wäre der Unfall zum einen für den Beklagten zu 2) vermeidbar gewesen, zum anderen wäre der Schaden jedenfalls wesentlich geringer gewesen. Schon letzteres reicht für eine Kausalität des Verstoßes aus.

Gegenüber dem Schadensersatzanspruch muß sich der Kläger jedoch ein erhebliches eigenes Mitverschulden anrechnen lassen, das seinen Schadensersatzanspruch mindert (§§ 254 BGB, 17 StVG). Denn der Kläger hat seinerseits die ihm obliegende besondere Sorgfaltspflicht aus § 10 StVO verletzt. Nach § 10 StVO hat, wer aus einem Grundstück auf die Straße einfahren will, sich so zu verhalten, daß eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen. Daß der Kläger diese Pflicht verletzt hat, steht aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Das Gericht hat vor Ort festgestellt, daß aus der Sicht eines Fahrers in der Situation des Klägers, der vor dem Einfahren am Gehwegrand sein Fahrzeug anhält, die Fahrbahn nur etwa 25 m weit einsehbar ist, während ein Teil der darauf folgenden Fahrbahn durch die auf dem Grundstück stehende Birke sowie das am Straßenrand stehende Haus verdeckt wird. Selbst Fahrzeuge, die weniger als die zugelassene Geschwindigkeit von 50 km/h einhalten, sind danach schon nicht mehr so rechtzeitig sichtbar, daß ohne Gefährdung des bevorrechtigten Verkehrs in die Straße eingebogen werden kann. So hat sich schon beim Ortstermin gezeigt, daß die Beteiligten selbst vor einem Traktor, der ersichtlich weniger als 40 km/h fuhr, die Straße nicht ungefährdet überqueren konnten. Angesichts dieser Situation und des Regenwetters, das bevorrechtigte Fahrzeuge beim Bremsen behinderte, hätte der Kläger sich daher durch einen seiner Mitfahrer einweisen lassen müssen. Dies ist unstreitig nicht geschehen. Vielmehr spricht die Aussage des Zeugen Sch dafür, daß der Kläger entgegen seinem Sachvortrag nicht am Fahrbahnrand angehalten hat, sondern direkt aus der etwa 5 m hinter dem Fahrbahnrand liegenden Parkposition ohne zu halten in die Fahrbahn eingebogen ist. Denn der Zeuge hat ausgesagt, daß er zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes sich hat noch nicht einmal zu Ende anschnallen können.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe sich mit seinem Fahrzeug schon bereits auf der für ihn rechten Fahrbahn befunden, als es zum Zusammenstoß kam, so ist dies unerheblich. Der Kläger verkennt insoweit, daß er selbst gehalten war, auch mit einer überhöhten Geschwindigkeit eines bevorrechtigten Fahrers zu rechnen und auch damit zu rechnen, daß ein solcher im Falle einer Notbremsung, die schon aus einer Geschwindigkeit von 50 km/h notwendig geworden wäre, über die Fahrbahnmitte gelangen mußte. Dem Beklagten ist insoweit nämlich nicht vorzuhalten, daß sein Fahrzeug über ABS nicht verfügt und damit durch die Notbremsung nicht mehr steuerbar war.

Die Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile ergibt ein überwiegendes Verschulden des Klägers. Bei der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge dürfen nur bewiesene oder unstreitige Tatsachen zugrunde gelegt werden. Auszugehen ist danach davon, daß der Beklagte zu 2) jedenfalls nicht mehr als 65 km/h schnell gefahren ist, andererseits der Kläger die strenge Sorgfaltspflicht des § 10 StVG verletzt hat, obwohl ihm die Einhaltung ohne weiteres möglich gewesen wäre, da einer der beiden Mitfahrer des Klägers zunächst die Fahrbahn überqueren und ihn einweisen und sodann in das Fahrzeug hätte einsteigen können.

Im Hinblick auf den wesentlich schwerer wiegenden Verstoß des Klägers, der im Regelfall dazu führt, daß die Betriebsgefahr des Unfallgegners hinter dem eigenen Verschulden zurücksteht, hält das Gericht eine Schadensquote von 25 % zu 75 % zu Lasten des Klägers für angemessen.

Der Höhe nach waren dem Kläger die Wiederbeschaffungskosten zuzüglich An- und Abmeldepauschale sowie die weiteren geltend gemachten Positionen zuzuerkennen. Das Bestreiten der Beklagten demgegenüber ist rechtlich unerheblich. Andererseits steht dem Kläger, da er das Fahrzeug unrepariert sogleich veräußert hat, nur der um (32,– DM) geringere Anspruch auf Erstattung der Kosten der Wiederbeschaffung zu.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 284, 288 BGB, 92 Abs.1, 709 ZPO.

 

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