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Haftungsverteilung bei Parkplatzunfall mit ohnmächtigen Fahrzeugführer

Ohnmächtiger Fahrer: 94 % Haftung für Unfall

In der Rechtsprechung sind Fälle von Unfällen im Straßenverkehr eine häufige Gegebenheit, wobei die Situationen und Umstände, unter denen diese Unfälle auftreten, sehr variieren können. Ein besonderer Aspekt, den man bei der Betrachtung dieser Fälle berücksichtigen muss, ist die Frage der Haftungsverteilung. Welche Partei trägt welche Verantwortung für einen verursachten Schaden? Wie wird der Schadensersatz berechnet, vor allem wenn die Versicherung involviert ist? Diese problematischen Aspekte können noch komplizierter werden, wenn der Fahrzeugführer während der Fahrt ohnmächtig wird.

In solchen Fällen können die Grenzen der Schuldverteilung stark verschwimmen. Besonders bei Kollisionen auf einem Parkplatz, wo verschiedene Regeln und Gesetze gelten, kann eine solche Situation zu einer herausfordernden juristischen Frage führen. In der Konsequenz kann dies große Auswirkungen auf die berechneten Reparaturkosten, die Schadenshöhe und den daraus resultierenden Schadensersatz haben. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, sowohl das Urteil als auch die zugrundeliegenden Gesetze korrekt zu interpretieren und anzuwenden. Im Folgenden sollen daher zentrale Aspekte der Haftungsverteilung, der rechtlichen und der finanziellen Auswirkungen bei einem Parkplatzunfall mit einem ohnmächtigen Fahrzeugführer analysiert und dargelegt werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 O 87/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


n dem Urteil geht es um die Haftungsverteilung bei einem Parkplatzunfall. Die Klägerin fordert vollen Schadensersatz von den Beklagten, da sie der Meinung ist, der Unfall wäre für die Zeugin R. unabwendbar gewesen. Die Beklagten hingegen behaupten, dass die Zeugin R. den Unfall mitverursacht hätte und verlangen die Abweisung der Klage. Das Gericht entscheidet aufgrund verschiedener Faktoren eine Haftungsquote von 50%.

Zentrale Punkte des Urteils:

  1. Beide Fahrzeuge waren involviert in den Unfall auf dem Fahrzeugparkplatz.
  2. Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadenersatz geltend und ist der Meinung, dass sie vollen Schadensersatz von den Beklagten erhalten sollte.
  3. Die Beklagten halten die Zeugin R. als Mitverursacherin des Unfalls und meinen, dass sie nur zur Hälfte für die Schäden aufkommen sollten.
  4. Es erfolgte eine Haftungsverteilung von 50%, nachdem verschiedene Faktoren berücksichtigt wurden.
  5. Das Gericht berücksichtigt vor allem die Geschwindigkeitsüberschreitung und das Fahrverhalten der Zeugin R. und den Ohnmachtsanfall des Beklagten als Faktoren für die Haftungsverteilung.
  6. Die vollständige Reparaturkosten und weitere Kosten sind bereits durch die Beklagten geregelt, noch offen sind die hälftigen Abschleppkosten und die Mietwagenkosten.
  7. Die Klägerin ist aktivlegitimiert, alle Ansprüche aus dem Schadensfall auf eigene Rechnung geltend zu machen.
  8. Die Beklagten sind verpflichtet, weiterhin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren an die Klägerin zu zahlen.

Verkehrsunfall durch Ohnmächtigen Fahrzeugführer: Einzigartiger Parkplatzunfall

Im Zentrum des beschriebenen Vorfalls steht ein Verkehrsunfall auf einem Parkplatz, der eine außergewöhnliche Komponente aufweist: Ein Fahrzeugführer verlor während der Fahrt aufgrund einer Ohnmacht die Kontrolle über sein Fahrzeug und verursachte damit einen Unfall. Die Fahrerin des anderen beteiligten Fahrzeuges gab an, dass der Unfall für sie unabwendbar war. Dieser Unfall führte dann zur rechtlichen Auseinandersetzung, in deren Mittelpunkt die Frage stand, wie die Haftungsverteilung in einem solch ungewöhnlichen Fall zu bewerten ist.

Ein Unfall und seine rechtlichen Konsequenzen: Hintergründe der Haftungsverteilung

Die rechtliche Herausforderung liegt darin, die Haftungsverteilung zwischen einem ohnmächtigen Fahrer und einem anderen Fahrzeugführer zu bewerten, der behauptet, der Unfall sei für ihn unabwendbar gewesen. Der Fahrzeugführer, der die Ohnmacht erlitt, war vor dem Unfall bereits einmal ohnmächtig geworden und hat trotzdem wieder am Straßenverkehr teilgenommen. Die Frage ist, ob dies eine Rolle bei der Beurteilung seiner Haftung spielt. Der Zusammenhang liegt klar in der Verantwortung der Fahrer für die Sicherheit im Straßenverkehr und die mögliche Haftung bei Unfällen.

Landgericht Ellwangen spricht Urteil: Einblicke in die Entscheidung

Das Landgericht Ellwangen entschied im Urteil vom 10.02.2023 (Az.: 6 O 87/22) zu Ungunsten des ohnmächtigen Fahrzeugführers. Hierbei spielte die als erhöht bewertete Betriebsgefahr aufgrund der Ohnmacht sowie der Geschwindigkeits- und Vorfahrtsverstoß eine entscheidende Rolle. Dem ohnmächtigen Fahrer wurden 94 % der Kosten auferlegt, während die Gegenseite lediglich 6 % zahlen muss.

Auswirkungen des Urteils: Verantwortung und finanzielle Belastung

Das Gericht entschied so, da es der Ansicht war, dass der ohnmächtige Fahrer durch seine Fahrlässigkeit, trotz bekannter gesundheitlicher Probleme zu fahren, die erhöhte Gefahr schuf, die schließlich auch den Unfall verursachte. Zudem wurde festgestellt, dass das Fahrzeug der Klägerin mit zu hoher Geschwindigkeit die Fahrbahn des Beklagten geschnitten hätte.

Weiterhin ist relevant, dass die Klägerin nach den Leasingbedingungen ihres Fahrzeugs ermächtigt und verpflichtet ist, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus dem Schadensfall in eigenem Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Demnach wurde sie als aktivlegitimiert eingestuft. Dies betrifft auch den merkantilen Minderwert, der ebenfalls vom Beklagten zu tragen ist.

Das Urteil wirkt sich direkt auf die finanzielle Belastung beider Parteien aus und setzt ein starkes Zeichen bezüglich der Verantwortung von Fahrzeugführern, die trotz bekannter gesundheitlicher Probleme am Straßenverkehr teilnehmen. Das Fazit lautet, dass ein ohnmächtiger Fahrzeugführer, der sich trotz bekannter gesundheitlicher Risiken in den Straßenverkehr begibt, signifikant zur Haftung beiträgt.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist eine Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen?

Die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen in Deutschland bezieht sich auf die Aufteilung der Verantwortung für entstandene Schäden nach einem Unfall. Sie wird durch das Verkehrshaftungsrecht geregelt, welches ein Teil des Verkehrszivilrechts ist und die Frage klärt, wer bei Unfällen auf der Straße die Haftung für entstandene Schäden übernimmt.

Die Haftungsverteilung kann von verschiedenen Faktoren abhängen. In einigen Fällen kann ein Beteiligter die gesamte Schuld tragen und somit eine Haftungsquote von 100 Prozent haben. Es kann jedoch auch vorkommen, dass mehrere Fahrer am Unfall schuldhaft beteiligt sind und diese anteilig für die Haftung herangezogen werden.

Ein wichtiger Aspekt bei der Festlegung der Haftungsquote ist die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs. Dies bedeutet, dass bereits der Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausreicht, um bei einem Unfall eine Haftung für entstandene Schäden zu begründen. Eine konkrete Schuld oder ein Verstoß gegen geltende Verkehrsregeln müssen demnach nicht vorliegen.

Die Haftungsverteilung kann auch von den spezifischen Umständen des Unfalls abhängen. Beispielsweise kann die Haftungsverteilung bei einem Unfall, der durch einen Fahrspurwechsel auf einer verengten Fahrbahn verursacht wurde, 75 % für den unfallverursachenden Lkw-Fahrer und 25 % für den Gegner betragen, der ein zu breites Fahrzeug führte.

Es gibt auch spezielle Regelungen für bestimmte Gruppen, wie Kinder. Kinder unter 7 Jahren haften grundsätzlich überhaupt nicht, da sie als deliktunfähig gelten. Die Deliktunfähigkeit gilt im fließenden Straßenverkehr für Kinder bis zu 10 Jahren. Kinder, die über 10 Jahre alt sind, aber das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, können für die Folgen eines Verkehrsunfalls, den sie verursachen, verantwortlich gemacht werden.

Bei Massenunfällen, bei denen es oft unmöglich ist, den Unfallhergang eindeutig nachzuvollziehen, greifen andere Regeln bei der Schadensregulierung. In solchen Fällen übernimmt die eigene Kfz-Haftpflichtversicherung den ganzen Schaden ihres Versicherungsnehmers – unabhängig von der Schuldfrage.

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Schließlich können die Beteiligten auch Ansprüche gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des jeweils anderen Fahrzeughalters geltend machen. Sollte ein beteiligter Fahrzeugeigentümer für sein Fahrzeug eine Fahrzeugversicherung (Vollkaskoversicherung) abgeschlossen haben, dann können ihm auch gegen diese Ersatzansprüche bezüglich des Fahrzeugschadens aus dem Versicherungsvertrag zustehen.

Die genaue Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall kann also von vielen Faktoren abhängen und wird oft im Einzelfall entschieden.


Das vorliegende Urteil

LG Ellwangen – Az.: 6 O 87/22 – Urteil vom 10.02.2023

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 762,60 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 355,88 EUR seit dem 29.05.2021 sowie aus 406,72 EUR seit dem 25.06.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 94 %, die Beklagten gesamtschuldnerisch 6 % zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 12.680,53 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 16.04.2021 in A. geltend.

Die Klägerin ist Halterin und Leasingnehmerin des PKW Audi RS Q3 2,5 TFSI Sportback quattro S tronic mit dem amtlichen Kennzeichen xx – xx xxx. In den Leasingbedingungen der Audi Leasing heißt es, dass die Klägerin ermächtigt und verpflichtet ist, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadenfall, im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen.

Der Beklagte zu 1) ist Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen xx – xx xxx, welches bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist.

An besagtem Tag gegen 19:25 Uhr befuhr die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin, die Zeugin R., mit dem Fahrzeug der Klägerin den Kundenparkplatz des Drogeriemarkts M. im O. in A.. Auf dem Beifahrersitz saß ihr Ehemann.

Das Parkplatzgelände besteht aus einer annähernd ovalen Fahrgasse, entlang derer sowohl parallel (insbesondere an der Wand des Drogeriemarktes) als auch rechtwinklig hierzu geparkt werden darf. Innerhalb des Ovals befinden sich gepflasterte Parkplätze, die über insgesamt fünf rechtwinklig zur ovalen Fahrgasse angeordnete Fahrgassen erschlossen sind. Fahrbahnmarkierungen in Form von Richtungspfeilen befinden sich lediglich an den beiden Ein- und Ausfahrten des Parkplatzes, Verkehrsschilder sind keine vorhanden.

Vor dem Einmündungsbereich zwischen der dritten Fahrgasse zur ovalen Fahrgasse kollidierte die von rechts kommende Zeugin R. beim linksseitigen Abbiegen in die genannte Fahrgasse mit dem von links kommenden Beklagten zu 1), der vor der Kollision infolge eines Schlaganfalls ohnmächtig geworden war. Die vordere linke Fahrzeugecke des klägerischen Fahrzeugs befand sich im Kollisionszeitpunkt bereits innerhalb der genannten Fahrgasse, aus welcher der Beklagte zu 1) herausfahren wollte. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) befand sich im Kollisionszeitpunkt noch vollständig innerhalb dieser rechtwinklig angeordneten Fahrgasse und zwar in deren rechter Fahrbahnhälfte.

Am Klägerfahrzeug entstand durch die Kollision an der linken Vorderseite Sachschaden.

Die Klägerin zahlte am 27.07.2021 Reparaturkosten in Höhe von 17.786,69 EUR netto an die W.- GmbH.

Die Klägerin wendete darüber hinaus 1.363,40 EUR netto für ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe, 411,75 EUR netto für das Abschleppen ihres Fahrzeugs vom Unfallort sowie 813,44 EUR netto für einen Mietwagen im Reparaturzeitraum vom 19.04.2021 bis 28.04.2021 auf.

Hinsichtlich der Zahlung der Reparaturkosten, der Kosten für das Sachverständigengutachten, des merkantilen Minderwerts und der Kostenpauschale wurde der Beklagten zu 2) eine Frist bis zum 07.05.2021 gesetzt.

Hinsichtlich der Abschleppkosten wurde der Beklagten zu 2) eine Frist bis zum 26.05.2021 gesetzt.

Hinsichtlich der Erstattung der Mietwagenkosten wurde der Beklagten zu 2) eine Frist bis zum 24.06.2021 gesetzt.

Auf Basis einer Haftungsquote von 50 % regulierte die Beklagte zu 2) 11.119,75 EUR wie folgt:

– auf die Reparaturkosten 8.875,55 EUR,

– auf die Sachverständigenkosten 681,70 EUR,

– hinsichtlich des merkantilen Minderwerts 1.550,00 EUR,

– auf die Kostenpauschale 12,50 EUR,

– auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 885,80 EUR.

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte zu 1) im Unfallzeitpunkt mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen sei. Die merkantile Wertminderung würde insgesamt 3.400,00 EUR betragen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr die Beklagten voll auf Schadensersatz in Höhe von 12.680,53 € zzgl. vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten haften würden, da der Unfall für die Zeugin R. unabwendbar gewesen sei. Jedenfalls würde die einfache Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs hinter der aufgrund des Geschwindigkeits- und Vorfahrtsverstoßes sowie aufgrund der Ohnmacht des Beklagten zu 1) deutlich erhöhten Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zurücktreten.

Die Klägerin beantragt,

1.) Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 12.680,53 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 11.455,37 seit dem 08.05.2021 sowie aus € 411,75 seit dem 27.05.2021 und aus € 813,44 seit dem 25.06.2021 zu zahlen.

2.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner weiterhin verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 270,40 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagten beantragen, Klageabweisung.

Die Beklagten behaupten, dass die Zeugin R. den Unfall dadurch mitverursacht habe, dass sie beim Linksabbiegen die Fahrbahn des Beklagten zu 1) mit überhöhter Geschwindigkeit geschnitten habe. Hätte Sie die Linkskurve mit Schrittgeschwindigkeit ausgefahren, wäre es nicht zur Kollision gekommen. Die geltend gemachten Kosten für die Einstellarbeiten an der Hinterachse in Höhe von 35,60 EUR seien nicht unfallbedingt. Der merkantile Minderwert würde lediglich 3.100,00 EUR betragen.

Die Beklagten sind der Ansicht, dass sie nur hälftig auf Schadensersatz haften würden.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst dazugehöriger Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen P., die Beziehung der Ermittlungsakte des LRA O. (Az. 505.xxxxxxxxx) sowie durch die uneidliche Vernehmung der Zeugin R.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

1.) Der Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 762,60 EUR folgt aus §§ 7, 17 StVG, gegen die Beklagte zu 2) i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

a) Die Klägerin ist nach den Leasingbedingungen ermächtigt und verpflichtet alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus dem Schadensfall in eigenem Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen. Sie ist deshalb aktivlegitimiert. Dies gilt auch für die merkantile Wertminderung, deren Ersatzleistung nach den genannten Bedingungen lediglich im Innenverhältnis zwischen Klägerin und Leasinggeberin an Letztere weiterzureichen ist (vgl. Anlage K9).

b) Die Unfallschäden sind beim Betrieb eines Fahrzeugs entstanden.

c) Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, da die auf plötzlicher Bewusstlosigkeit beruhende Unfähigkeit des Beklagten zu 1), das Fahrzeug weiterzusteuern, keine die Haftung ausschließende höhere Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG darstellt, sondern einem Versagen der Verrichtungen gleichzustellen ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.1957 – VI ZR 135/5, NJW 1957, 674; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Burmann, 27. Aufl. 2022, § 7 StVG Rn. 16).

d) Der Unfall war für die Klägerin nicht unvermeidbar i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG, da die Kollision ausweislich des Gutachtens des für seine besondere Fachkunde amtsbekannten Sachverständigen P., dessen Gutachten von den Parteien auch akzeptiert wurde, aufgrund der Rechtsbogenfahrt des Beklagtenfahrzeugs ohne Weiteres vermieden hätte werden können, wenn die Zeugin R. ihre Linkskurve ausgefahren statt geschnitten hätte. Hintergrund dieses Fahrmanövers der Zeugin war unstrittig, dass diese vorwärts in den ersten Parkplatz der rechtwinklig angeordneten Fahrgasse, aus welcher der Beklagte zu 1) kam, einparken wollte, was ohne Schneiden der Kurve nicht möglich gewesen wäre.

e) Die Verpflichtung zum Umfang des Ersatzes hängt daher gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Haftungsanteile nach § 17 Abs. 1 StVG sind nur unstreitige, zugestandene und erwiesene Tatsachen zu berücksichtigen; Vermutungen haben außer Betracht zu bleiben. Heranzuziehen sind die beiderseitigen objektiven Unfallursachen, das Verschulden der Fahrer sowie die Betriebsgefahr der beteiligten Kraftfahrzeuge.

Bei der nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG erforderlichen Abwägung der Verursachungsanteile ist zulasten der Klägerin einzustellen, dass die Zeugin R. ihre Linkskurve dermaßen geschnitten statt ausgefahren hat, dass sich die Kollision mit dem Beklagtenfahrzeug schon vor der Einmündung der dritten Fahrgasse zur ovalen Fahrgasse ereignet hat. Zur Überzeugung des Gerichts steht nach Durchführung der Zeugenvernehmung darüber hinaus fest, dass die Zeugin bei ihrem vorgenannten Fahrmanöver unter Außerachtlassung der auf öffentlichen Parkplätzen mit Fahrgassen ohne Straßencharakter geforderten gegenseitigen Rücksichtnahme i.S.v. § 1 Abs. 2 StVO nicht nach links, sondern nur gerade aus in Richtung des anvisierten Parkplatzes geschaut hat. Dies deshalb, weil sie (wie ihr Ehemann auch) unumwunden zugegeben hat, dass sie das Beklagtenfahrzeug – trotz fehlender Sichteinschränkungen nach links – erst im Aufprallmoment bemerkt hat. Hätte die Zeugin R. nach links geschaut, hätte sie das sich herannahende klägerische Fahrzeug ausweislich des Sachverständigengutachtens bereits bis zu 2,8 Sekunden vor der Kollision erkennen können.

Nicht einzustellen ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung der Zeugin R., da dieser ausweislich des Sachverständigengutachtens lediglich eine Geschwindigkeit im Zeitpunkt der Kollision von 7 bis 10 km/h und damit die nach § 1 Abs. 2 StVO gebotene Schrittgeschwindigkeit (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 2.2.2017 – 4 U 148/15, NJW-RR 2017, 733, 735) nachweisbar ist.

Zulasten des seinerzeit 58-jährigen Beklagten zu 1) ist einzustellen, dass er – wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat – bereits 10 bis 14 Tage vor dem Unfall einen Ohnmachtsanfall im Straßenverkehr hatte und trotzdem wieder zeitnah an diesem teilnahm. Dies hatte die vorhersehbare und vermeidbare Folge, dass er abermals beim Führen eines Kraftfahrzeugs infolge eines neuerlichen Schlaganfalls das Bewusstsein verlor und sein Fahrzeug unkontrolliert mit laut Sachverständigengutachten ca. 15 – 17 km/h mit dem von rechts kommenden klägerischen Fahrzeug kollidierte (zum Unfall eines unvorhersehbar bewusstlosen Fahrers vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 09.10.2012 – 22 U 109/11, NJW-RR 2013, 664, 667).

Nicht einzustellen ist ein objektiver Verstoß gegen die Vorfahrtsregel aus § 8 Abs. 1 S. 1 StVO (“rechts vor links“), da diese – wie hier – ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung findet, weil den auf dem Kundenparkplatz vorhandenen Fahrgassen trotz ausreichender Breite kein eindeutiger Straßencharakter zukommt (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2022 – VI ZR 344/21, BeckRS 2022, 38886). So fehlen insbesondere Bordsteine, Fahrbahnmarkierungen, Verkehrsschilder und sonstige verkehrsleitende Hinweise. Darüber hinaus kann selbst auf der ovalen Fahrgasse geparkt werden (zu typischen Straßenmerkmalen vgl. Siegel, Die Mithaftung beim Parkplatzunfall, SVR 2012, 321). Dass viele Verkehrsteilnehmer von der Geltung dieser Regel auch auf Parkplätzen ausgehen, rechtfertigt es nicht, bei der Konkretisierung der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht nach § 1 Abs. 2 StVO dem von links kommenden Kraftfahrer eine höhere Sorgfaltspflicht aufzuerlegen, die sich im Rahmen der Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 StVG zu seinem Nachteil auswirkt (BGH, a.a.O., Rn. 19).

Die beiderseits ganz erhebliche Mitverursachung des Unfalls führt zu einer hälftigen Schadensteilung (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.09.2009 – 14 U 45/09, BeckRS 2010, 1841 – Kollision auf Parkplatz eines Einkaufsmarktes im Kreuzungsbereich zweier Fahrspuren zw. Pkw (80 %) und von rechts kommendem Kfz (20 %), das nicht ganz rechts fährt, ohne dass dies aber – im Gegensatz zum hiesigen Fall – für den Unfall mitursächlich war; LG Detmold, Urteil vom 02.05.2012 – 10 S 1/12, NJW-RR 2012, 1173 – Kollision auf Parkplatz, der keine Fahrbahn-, sondern lediglich Parkflächenmarkierungen aufweist, zw. Pkw (50 %) und von rechts kommendem Kfz (50 %); OLG Hamm; Urteil vom 08.11.1993 – 3 U 63/93, NZV 1994, 154 – Kollision zw. Pkw (50 %), der von der Straße nach links in eine Firmenzufahrt einbiegt und dabei die Kurve schneidet, und einem aus der Zufahrt kommenden Kfz (50 %), dessen Fahrer die Fahrweise des Pkw rechtzeitig hätte erkennen können; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.06.2010 – 1 U 186/09, BeckRS 2011, 7367 – Kollision eines Rechtsabbiegers, der die Kurve eines Parkplatzes mit ca. 25 km/h schneidet (67 %) und dem ca. 15 km/h fahrendem Unfallgegner (33 %)).

f) Die Beklagten sind daher gesamtschuldnerisch zum Schadensersatz nach §§ 249 ff. BGB verpflichtet. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Haftungsquote ergibt sich folgende Schadensberechnung:

aa) Von den geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 17.786,69 EUR sind 35,60 EUR für Einstellarbeiten mit zwei Arbeitswerten an der Hinterachse abzuziehen, da diese Arbeiten ausweislich des von den Parteien akzeptierten Sachverständigengutachtens nicht plausibel mit dem Unfall erklärbar sind. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Beklagten zu 2) in Höhe von 8.875,55 EUR ist diesbezüglich somit kein weiterer Schadensersatz geschuldet.

bb) Auch die hälftigen Kosten für das eingeholte Privatgutachten, die hälftige Auslagenpauschale sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurden von der Beklagten zu 2) bereits vorgerichtlich gezahlt.

cc) Offen sind noch die hälftigen Abschleppkosten, somit 205,88 EUR, sowie die hälftigen Mietwagenkosten in Höhe von 406,72 EUR, wobei die Erforderlichkeit der Mietwagenkosten zwischen den Parteien nach Nachreichung der Mietwagenrechnung (Anlage K5) nicht mehr im Streit stand.

dd) Der merkantile Minderwert beträgt ausweislich des von den Parteien akzeptierten Sachverständigengutachtens 3.400,00 EUR. Geschuldet sind somit noch 150,00 EUR.

2.) Der Verzinsungsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, wobei den Beklagten aufgrund des nicht einfach gelagerten Sachverhalts eine Prüffrist von 6 Wochen zu gewähren war (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.10.2021 – I-7 W 11/21, NJW-RR 2022, 213 ff.), weswegen die Verzinsungspflicht hinsichtlich der hälftigen Abschleppkosten sowie des hälftigen Betrages der merkantilen Wertminderung erst ab 29.05.2021 und die Verzinsungspflicht hinsichtlich der hälftigen Mietwagenkosten ab 25.06.2021 begann.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 709 S. 1 und 2, 711 S. 1 und 2 ZPO.

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