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Handelsvertretervertrag – Ausgleichsanspruch nach Eigenkündigung

OLG München – Az.: 23 U 2749/16 – Urteil vom 02.02.2017

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 19.05.2016, Az. 16 HK O 13480/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesen Urteilen jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Handelsvertreterausgleich und Entgelt für die Übernahme von Warenbeständen.

Der Kläger betrieb vom 02.06.1992 bis 30.06.2014, zuletzt aufgrund vertraglicher Vereinbarungen vom 29.12.2010 (vgl. Anlage K 1), die Tankstelle der Beklagten in der … .

Im September 2007 eröffnete die Beklagte ca. 1,4 km von der streitgegenständlichen Tankstelle entfernt eine E R Station. Zum Jahr 2010 erfolgte eine Reduzierung der ursprünglich vereinbarten Pacht. Im Jahr 2012 lehnte die Beklagte eine Anfrage des Klägers ab, der in Unterhaching zusätzlich eine A-Tankstelle übernehmen und betreiben wollte. Verhandlungen über eine abermalige Anpassung der Pacht fanden nicht statt.

Das Vertragsverhältnis wurde nach Eigenkündigung des Klägers vom 26.06.2013 zum 30.06.2014 beendet und die Tankstelle am 30.06.2014 zurückgegeben. Am 01.08.2014 erteilte die Beklagte dem Kläger eine „Gutschrift“ über 19.988,25 Euro (siehe Anlage K 12).

Der Kläger behauptet, er sei zur Kündigung aufgrund der schlechten Erträge der Tankstelle gezwungen gewesen. Es sei nicht möglich gewesen, einen annähernd akzeptablen Gewinn zu erwirtschaften. Bezüglich der Waren des Tankstellenshops habe er sich mit dem Zeugen B darauf geeinigt, dass die Beklagte die Waren übernehme und dem Kläger bezahle.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde trotz der Eigenkündigung ein Handelsvertreterausgleichsanspruch in Höhe von 55.356,35 Euro zu. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen dafür zu sorgen, dass ihm die Tankstelle ein auskömmliches Einkommen biete. Für die Shopware habe er einen Kaufpreisanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 19.988,25 €. Zumindest sei die Gutschrift vom 01.08.2014 als Schuldanerkenntnis zu werten.

Der Kläger hat in 1. Instanz beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 75.344,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 55.356,35 Euro seit dem 10.11.2014 und Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.988,25 € seit dem 07.02.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Tankstelle herabgewirtschaftet. Eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der Übernahme von Waren des Tankstellenshops habe es nicht gegeben. Die Beklagte ist der Ansicht, der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich sei wegen der Eigenkündigung des Klägers ausgeschlossen.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Ein Handelsvertreterausgleichsanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Allein die Tatsache, dass der Betrieb für den Handelsvertreter wirtschaftlich nicht auskömmlich sei, führe nicht dazu, dass ihm bei einer Eigenkündigung der Handelsvertreterausgleichsanspruch erhalten bleibe. Die Eröffnung der E R Station im Jahr 2007 sei irrelevant, ebenso wie die Tatsache, dass die Beklagte es im Jahr 2012 ablehnte, den Kläger für die Übernahme einer A-Tankstelle in Unterhaching vom vertraglichen Konkurrenzverbot freizustellen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger von sich aus Angebote zur wirtschaftlichen Unterstützung zu unterbreiten. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zahlung von 19.988,25 Euro. Ein Anspruch ergebe sich weder aus der als Anlage K 12 vorgelegten Gutschrift der Beklagten vom 01.08.2014 noch aus einer vertraglichen Vereinbarung. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass ein Vertrag zwischen ihm und der Beklagten geschlossen worden sei. Insbesondere habe dies die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Auch die Berücksichtigung der Gutschrift durch die Beklagten vom 01.08.2014 ändere hieran nichts, es spreche alles dafür, dass es sich dabei um ein internes Versehen gehandelt habe.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag. Der Handelsvertreterausgleich stehe ihm trotz seiner Eigenkündigung zu. Eine aus dem betrieblichen Verhalten des Unternehmers sich entwickelnde schwierige wirtschaftliche Lage für den Handelsvertreter genüge, diesem den Ausgleichsanspruch zu erhalten. Maßgeblich sei insoweit eine Gesamtschau nach Treu und Glauben. Die Beklagte habe nichts getan, um die Wirtschaftskraft zu der Tankstelle zu stärken. Bezüglich der Shopware sei abgesprochen gewesen, dass die Abrechnung in Form einer Gutschrift gegenüber dem Kläger und einer entsprechenden Belastung gegenüber dem Nachfolgepächter erfolgen solle. Das Landgericht habe des Weiteren verkannt, dass die Gutschrift ein selbstständiges Schuldanerkenntnis darstelle, das zumindest zur Beweislastumkehr führe. Der Zeuge B sei parteiisch.

Der Kläger beantragt daher, unter Abänderung des am 19.05.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Az. 16 HK O 13480/15, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 75.344,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 55.356,35 Euro seit dem 10.11.2014 und Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 19.988,25 € seit dem 07.02.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagte sei dem Kläger durch die Pachtreduzierung entgegen gekommen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger von sich aus eine erneute Herabsetzung der Pacht anzubieten oder ihm die Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit zu gestatten. Bezüglich der Shopware habe die Beweisaufnahme keinen Vertragsschluss bestätigt. Aus der Gutschrift lasse sich nicht auf einen Kaufvertrag zwischen den Parteien schließen.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2017 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung verbleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich nach § 89 b Abs. 1 HGB zu, da dieser nach § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB durch die Eigenkündigung des Klägers ausgeschlossen ist.

Die Eigenkündigung des Handelsvertreters steht dem Ausgleichsanspruch nur dann nicht entgegen, wenn ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat. An den „begründeten Anlass“ sind weniger strenge Anforderungen zu stellen als an einen wichtigen Kündigungsgrund, so dass hierfür auch ein unverschuldetes oder sogar rechtmäßiges Verhalten des Unternehmers genügen kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass durch das Verhalten des Unternehmers eine für den Handelsvertreter nach Treu und Glauben nicht hinnehmbare Situation geschaffen wird (BGH, NJW 1996 S. 848, 849; BGH, Urteil vom 06.11.1986, I ZR 51/85, juris Tz. 11). Einer schweren Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Handelsvertreters bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 06.11.1986, I ZR 51/85, juris Tz. 11). Allerdings dient § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht dazu, dem Handelsvertreter zu ermöglichen, sein unternehmerisches Risiko einseitig auf den Prinzipal zu verlagern (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl, § 89 b Rz. 57). So stellt es keinen begründeten Anlass dar, wenn der Unternehmer einen bislang freiwillig geleisteten Betriebskostenzuschuss für eine defizitäre Tankstelle nicht weiterzahlt (OLG Köln, Urteil vom 15.12.2006, 19 U 92/06, juris Tz. 24 ff).

Nach diesen Grundsätzen fehlt es vorliegend an einem begründeten Anlass für die Eigenkündigung des Klägers:

1.1. Allein die vom Kläger behauptete schwierige wirtschaftliche Lage genügt nicht, auch wenn die vom Kläger in Anlage K 3 und K 8 dargestellten Bruttoverdienste (BVD) und Gewinne bzw. Verluste zu seinen Gunsten als zutreffend unterstellt werden. Allein die Tatsache, dass der Kläger mit der Tankstelle nur geringe Gewinne oder sogar Verluste erzielte, bedeutet nicht, dass diese schwierige wirtschaftliche Lage auf ein Verhalten der Beklagten zurückzuführen wäre. Wie ausgeführt, ist der Unternehmer nicht verpflichtet, dem Handelsvertreter das wirtschaftliche, unternehmerische Risiko abzunehmen. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Unternehmer die Verpflichtung hätte, in jedem Fall von sich aus dafür zu sorgen, dass der Handelsvertreter aus dem Betrieb der Tankstelle ein „auskömmliches Einkommen“ erzielen kann.

Die Beklagte war entgegen der Ansicht des Klägers nicht verpflichtet, dem Kläger von sich aus eine Reduzierung der Pacht anzubieten. Der Tankstellenpachtvertrag (Anlage K 1) sah in § 4 Ziff. 2 die Möglichkeit der Vertragsanpassung vor, wenn sich wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich ändern. Tatsächlich kam es ab dem Jahr 2010 nach den vom Kläger selbst vorgelegten Zahlen zu einer Reduzierung der Pacht von ca. 40.000,00 Euro auf ca. 17.000,00 Euro bis 18.600,00 Euro (Anlage K 8). Dass der Kläger sich nach 2010 oder in zeitlicher Nähe vor der Kündigung Mitte 2013 erneut an die Beklagte gewendet und um eine nochmalige Pachtanpassung gebeten hätte, behauptet der Kläger selbst nicht. Eine Pflicht der Beklagten, dem Kläger von sich aus eine erneute Reduzierung der Pacht anzubieten, vermag der Senat nicht zu erkennen, zumal der Kläger ab 2010 nach seinem eigenen Vortrag (Anlage K 8) Gewinne erzielte, auch wenn diese insbesondere 2012 gering waren. Ob der Beklagten die vom Kläger behauptete schwierige wirtschaftliche Lage bekannt war, ist dabei unerheblich.

Unstreitig hat die Beklagte zudem ab 2010 keine Kassenmiete (in Höhe von ca. 6.000,00 Euro) mehr vom Kläger gefordert. Soweit der Kläger darauf verweist, eine Kassenmiete hätte ohnehin nicht von ihm verlangt werden dürfen, könnte dies zwar im Hinblick auf § 86 a Abs. 1 HGB zutreffend sein (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2016, VII ZR 6/216, juris Tz. 23 ff). Dies ändert aber nichts daran, dass es dem Kläger oblegen hätte, nach 2010 bei der Beklagten eine weitere Reduzierung der Pacht zu erbitten, wenn trotz verringerter Pacht und Aussetzung der Kassenmiete sich die wirtschaftliche Lage als für ihn unerträglich dargestellt hätte.

1.2. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte nicht dadurch einen begründeten Anlass für die Eigenkündigung gegeben, dass sie 2012 dem Beklagten den Betrieb der A-Tankstelle in Unterhaching im Landkreis München nicht gestattete.

Der Kläger unterlag während des Vertragsverhältnisses einem gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Der Handelsvertreter ist verpflichtet, die Interessen des Unternehmers zu wahren, § 86 Abs. 1 HGB, und hat sich daher während des Vertragsverhältnisses auch ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Konkurrenztätigkeit zu enthalten (BGH, Urteil vom 25.11.1998, VIII ZR 221/97, juris Tz. 23; von Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum HGB, 4. Aufl, § 86 Rz. 33). Die Weigerung der Beklagten, den Kläger von dem Konkurrenzverbot zu befreien, führt nach Treu und Glauben nicht zur Annahme, sie habe begründeten Anlass zur Kündigung gegeben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass auch ein rechtmäßigen Verhalten der Beklagten als begründeter Anlass genügen kann. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die A-Tankstelle unstreitig mehr als 10 km von der streitgegenständlichen Tankstelle entfernt lag. Dennoch war es eine legitime unternehmerische Entscheidung der Beklagten, dem Kläger als ihrem Handelsvertreter nicht zeitgleich den Betrieb einer Tankstelle für ein Konkurrenzunternehmen zu gestatten. Allein die – vom Kläger behauptete – schwierige wirtschaftliche Lage der streitgegenständlichen Tankstelle ändert hieran nichts. Dem Kläger hätte es offen gestanden, zur Verbesserung der Einkommenslage die Beklagte 2012 um eine erneute Reduzierung der Pacht zu ersuchen oder den Vertrag mit der Beklagten (unter Verlust des Ausgleichsanspruchs) zu kündigen und eine lukrativere Tankstelle als Handelsvertreter zu übernehmen.

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Irrelevant ist ferner, dass die Beklagte dem Nachpächter des Klägers gestattete, eine nur 3,6 km entfernte Konkurrenztankstelle gleichzeitig mit der streitgegenständlichen E Station zu betreiben. Zum einen hat der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gleichbehandlung mit seinem Nachpächter. Zum anderen hat die Beklagte nachvollziehbar dargetan, sie habe dem Nachpächter entgegenkommen müssen, um ihn im Hinblick auf die kurze Zeit bis zum Ablauf des Grundstücksmietvertrags überhaupt noch zum Abschluss des Handelsvertretervertrags zu bewegen. Unstreitig sollte der Grundstücksmietvertrag zwischen der Beklagten und dem Grundstückseigentümer ursprünglich zum 31.12.2015 ablaufen.

1.3. Die Beklagte eröffnete unstreitig im September 2007 eine E R Station ca. 1,4 km entfernt von der streitgegenständlichen Tankstelle. Auch dies führt aber bei einer Gesamtwürdigung nicht dazu, dass die Beklagte für den Kläger eine nach Treu und Glauben unerträgliche Situation geschaffen hätte. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger keinen Gebietsschutz genießt und die Tankstelle jedenfalls nicht in unmittelbarer räumlicher Nähe eröffnet wurde. Zum anderen ist aus dem Vortrag des Klägers und den vom ihm vorgelegten Umsatzzahlen (vgl. „BVD Gesamt“ Anlage K 8) nicht erkennbar, dass es nach September 2007 zu einem signifikanten, dauerhaften Umsatzeinbruch gekommen wäre. Zwar lag der Bruttoverdienst für das gesamte Jahr 2007 unter dem von 2006. Jedoch stieg der Bruttoverdienst 2008 gegenüber dem 2007 an, der Bruttoverdienst 2009 war sogar höher als der im Jahr 2006. Schließlich ist bei einem konkreten Verhalten des Unternehmers immer auch zu berücksichtigen, welche Bedeutung der Handelsvertreter dem Verhalten selbst beigemessen hat. Wenn der Handelsvertreter während des Vertrags aus dem Verhalten keinerlei Folgerungen gezogen und die Kündigung selbst nicht darauf gestützt hat, sondern das Verhalten erst Jahre später im Rechtsstreit um den Handelsvertreterausgleich erwähnt, kann es auch nicht als „begründeten Anlass“ für die Kündigung gewertet werden (BGH, NJW-RR 1989, S. 862, 863). Vorliegend wurde die E R Station schon im September 2007 eröffnet, die Kündigung erfolgte hingegen erst im Juni 2013, somit knapp sechs Jahre später. Auch werden in dem vorprozessualen Schreiben des Klägers zur Erläuterung der Kündigung vom 21.11.2014 (Anlage K 3) zwar eine Vielzahl von Umständen angeführt, nicht aber die Eröffnung der E R Station 2007.

1.4. Ebensowenig vermag der pauschale Vortag des Klägers, die Beklagte habe es unterlassen, die Wirtschaftskraft der Tankstelle zu stärken, einen begründeten Anlass für die Eigenkündigung des Klägers darzustellen.

Zum einen hat der Kläger schon nicht konkret dargetan, wann er welche Maßnahmen konkret von der Beklagten forderte. Insoweit beschränkt sich der Kläger auf den Vortrag, er habe „mehrfach“ angefragt, weil die Tankstelle dringend sanierungsbedürftig sei (Berufungsbegründung S. 10, Bl. 141 d.A.), die Beklagte habe sich aber wegen der beschränkten Laufzeit „stets“ geweigert, weitere Investitionen zu tätigen. Der vom Zeugen W gegenüber dem Verkaufsleiter der Beklagten, dem Zeugen B, angegebene desolate Zustand des Dachs sei von diesem nur damit kommentiert worden, die Sanierung koste 20.000,00 Euro und die Beklagte werde davon keinen Mehrumsatz haben (Schriftsatz vom 07.12.2015, S. 2, Bl. 29 d.A.).

Darüber hinaus blendet der Kläger aus, dass er nach § 5.2 des Tankstellenpachtvertrags (Anlage K 1) den laufenden Unterhalt, Reparaturen und Schönheitsreparaturen ohnehin im Wesentlichen selbst zu tragen hatte. Sofern mithin eine fehlende Attraktivität der Tankstelle auf unterlassenen (Schönheits-)Reparaturen beruhte, lag dies nicht per se im Verantwortungsbereich der Beklagten. Im Übrigen hat der Kläger auch nicht näher dargetan, ab wann und inwieweit eine in den Verantwortungsbereich der Beklagten fallende Sanierungsbedürftigkeit der Tankstelle zu Umsatzeinbußen geführt hätte.

2. Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch in Höhe von 19.988,25 Euro für die Ware aus dem Tankstellenshop zu.

2.1. Der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch aus einem abstrakten, konstitutiven Schuldanerkenntnis, §§ 780, 781 BGB aufgrund der ihm am 01.08.2014 erteilten „Gutschrift“ (Anlage K 12). Ein abstraktes Schuldanerkenntnis liegt nur vor, wenn unabhängig von einem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung geschaffen werden sollte, auch wenn der ursprüngliche Anspruch nicht mehr besteht (Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl, § 781 Rz. 2). Eine derartige Rechtsfolge war mit der am 01.08.2014 erteilten „Gutschrift“, in der die einzelnen Waren samt Preisen aufgeführt sind, ersichtlich nicht gewollt. Dass es eine Kontokorrentvereinbarung i.S. des § 355 HGB zwischen der Beklagten und dem Kläger gegeben hätte, behauptet auch der Kläger nicht.

2.2. Die Gutschrift stellt auch kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar. Ein solches liegt nur vor, wenn die Parteien mit ihm den Zweck verfolgen, ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit zu entziehen und es insoweit endgültig festzulegen. Der Wille der Parteien, eine derart weitreichende rechtliche Wirkung herbeizuführen, kann, wenn dies nicht ausdrücklich erklärt worden ist, nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden. Insbesondere muss diese Rechtsfolge der Interessenlage der Beteiligten, dem mit der Erklärung verfolgten Zweck und der allgemeinen Verkehrsauffassung über die Bedeutung eines solchen Anerkenntnisses entsprechen (BGH, NJW 2008, S. 3425, 3426).

Vorliegend ist zwar zu berücksichtigen, dass der Beklagte die Tabakwaren im Shop zurückgelassen und diese vom Nachpächter übernommen wurden und der Zeuge B – auch nach Vortrag der Beklagten – angeboten hatte, an der Übernahme der Shop-Ware durch den Nachpächter mitzuwirken und Hilfestellung zu geben. Allein dies genügt aber nicht zur Annahme, die Beklagte habe mit der Erteilung der Gutschrift nunmehr außer Streit stellen wollen, dass die Beklagte selbst unabhängig von der tatsächlichen Rechtslage zur Zahlung des Kaufpreises an den Kläger verpflichtet war. Dass die Beklagte im Juli 2014 eine entsprechendes Entgegenkommen signalisiert hätte, behauptet auch der Kläger nicht. Im Übrigen beschränkt sich die Gutschrift auf die Auflistung der übergebenen Waren und den Preis und ist zudem noch in sich widersprüchlich. Einerseits ist auf S. 1 die Anlage K 12 als „Gutschrift-Nr. 2121660495“ bezeichnet. Andererseits ist aber auf der letzten Seite (Anlage K 12, S. 14) angeführt „Zahlungsbedingungen: Rechnungsbetrag bitte überweisen. Sofort Netto fällig“. Auch ist aus der Gutschrift in keiner Weise erkennbar, wer diese veranlasst, mithin eine entsprechende Willenserklärung für die Beklagte abgegeben hätte.

2.3. Dem Kläger steht der Zahlungsanspruch nicht aus § 433 Abs. 2 BGB zu, da er nicht nachgewiesen hat, dass zwischen der Beklagten und ihm ein Kaufvertrag über die Shopware zustandegekommen ist.

2.3.1. Allein die – unstreitige – Tatsache, dass der Kläger die Tabakwaren in dem Tankstellenshop beließ und sie vom Nachpächter mitgenommen wurden, bedeutet nicht zwingend, dass überhaupt ein Kaufvertrag und noch weniger, dass ein solcher gerade mit der Beklagten abgeschlossen wurde.

Auch die vorgelegten Unterlagen belegen nicht den Abschluss eines Kaufvertrags mit der Beklagten. Die als Anlage 1 zum Protokoll vom 03.03.2016 (nach Bl. 90 d.A.) vorgelegte E-Mail des Klägers vom 28.05.2014 könnte allenfalls ein Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrags mit dem Nachpächter H darstellen. In dem Schreiben vom 10.11.2014 (Anlage 3 zum Protokoll vom 03.03.2016) erklärt die Beklagte nur, eine „Abrechnung“ über die Beklagte sei „ursprünglich“ „angedacht“ gewesen, dann aber aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Alt- und Neupächter wieder verworfen worden. Dies bedeutet gerade nicht, ein Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten sei beabsichtigt gewesen. Noch weniger lässt sich dem Schreiben entnehmen, ein solcher Vertrag sei tatsächlich zustandegekommen. Dasselbe gilt für die als Anlage 5 zum Protokoll vom 03.03.2016 vorgelegte E-Mail des Zeugen B vom 02.09.2014. Soweit es darin heißt, „nun“ werde direkt zwischen dem Kläger und dem Nachpächter abgerechnet, belegt dies allenfalls, dass zuvor eine andere Abrechnung diskutiert worden sei. Ein tatsächlicher Abschluss eines Kaufvertrags durch die Beklagte mit dem Kläger lässt sich hieraus nicht ableiten.

2.3.2. Die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme hat den Vertragsschluss ebenfalls nicht bestätigt. Das Landgericht ist nach der Einvernahme der Zeugen und der Anhörung des Klägers davon überzeugt, dass eine Einigung der Parteien gerade nicht stattgefunden hat. Konkrete Anhaltspunkte i.S. des § 529 Abs. 2 ZPO, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen und Würdigung der Zeugenaussagen begründen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Schon der Kläger selbst hat in seiner Anhörung erklärt (Protokoll vom 03.03.2016 S. 2, Bl. 81 d.A.), der Zeuge B habe gesagt, die Waren würden über Leckerland übernommen und abgerechnet, bezahlt werde durch Le. Schon unter Zugrundelegung dieser Aussage lässt sich ein Kaufpreisanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht ableiten. Der Zeuge W (Protokoll vom 03.03.2016 S. 4, Bl. 83 d.A.) hat ausgeführt, er könne aus eigener Erkenntnis nicht sagen, welche Vereinbarung zur Abrechnung des Warenbestands getroffen worden sei. Dass am 30.06.2014 eine Abrede zu den Abrechnungsmodalitäten getroffen worden sei, habe er nicht mitbekommen. Die Tabakwaren seien vom Nachpächter abtransportiert worden. Eine Woche nach der Übergabe habe ihm der Nachpächter mitgeteilt, er habe die Sache der Firma L gegeben, die dann dem Kläger eine Gutschrift erteilen und die Waren gegenüber dem Nachpächter direkt abrechnen solle. Die Zeugin T (Protokoll vom 03.03.2016 S. 5, Bl. 84 d.A.) hat nach ihren Angaben nur gehört, die Ware solle vom Nachpächter übernommen werden, bei den Gesprächen sei sie aber schon selbst nicht dabei gewesen. Der Zeuge B schließlich hat erklärt (Protokoll vom 03.03.2016 S. 7, Bl. 86 d.A.), es habe weder eine mündlichen noch eine schriftliche Einigung zwischen ihm und dem Kläger gegeben dahingehend, dass die Beklagte die Waren übernehmen solle. Nach diesen Zeugenaussagen wurde zwar eventuell ein Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Zeugen H, aber jedenfalls nicht zwischen den hiesigen Parteien geschlossen.

Ob der Zeuge B, wie vom Kläger dargetan, unglaubwürdig ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte der Kläger den Vertragsschluss mit der Beklagten nicht nachgewiesen.

Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung auch die Gutschrift vom 01.08.2014 gewürdigt (Urteil S. 11) und geht davon aus, dass es sich insoweit um ein internes Versehen handelte. Dies ist nicht zu beanstanden.

Der Senat verkennt nicht, dass es neben dem abstrakten und dem deklaratorischen auch noch ein „tatsächliches“ Anerkenntnis gibt, das keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Schuldners verkörpert, sondern das der Schuldner zu dem Zweck abgibt, dem Gläubiger seine Erfüllungsbereitschaft mitzuteilen und ihn dadurch von sofortigen Maßnahmen abzuhalten oder ihm den Beweis zu erleichtern. Solche als „Zeugnis des Anerkennenden gegen sich selbst“ zu wertende Bestätigungserklärungen können im Prozess eine Umkehr der Beweislast bewirken und stellen ein Indiz dar, das bei der Beweiswürdigung verwertet werden kann (BGH NJW 2009, S. 580, 581 Tz. 9). Ob eine derartiges Zeugnis gegen sich selbst vorliegt, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls, insbesondere abhängig von der Interessenslage der Parteien. Allein die vorbehaltlose Begleichung einer Rechnung enthält keine Aussage des Schuldners, zugleich den Bestand der erfüllten Forderung insgesamt oder in einzelnen Beziehungen außer Streit stellen zu wollen (BGH NJW 2009, S. 580, 581 Tz. 11 f).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend schon um kein derartiges Zeugnis gegen sich selbst. Zum einen ist die Anlage K 12 bereits in sich widersprüchlich, da diese einerseits als „Gutschrift“ bezeichnet ist (S. 1), andererseits eine Zahlungsaufforderung enthält (S. 14). Zum anderen handelt es sich noch nicht einmal um eine vorbehaltlose Zahlung einer Rechnung, sondern lediglich um eine – unstreitig am 14.08.2014 widerrufene – Gutschrift. Schließlich fehlen sonstige Anhaltspunkte oder Umstände, dass die Beklagte am 01.08.2014 nunmehr dem Kläger doch ihre Erfüllungsbereitschaft mitteilen oder gar das Bestehen der Kaufpreisforderung außer Streit stellen wollte. Entsprechende Anhaltspunkte, die auf ein Entgegenkommen der Beklagten hindeuten könnten, trägt auch der Kläger nicht vor.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4. Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch höchstrichterliche Urteile geklärt.

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