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Hausverbot durch privaten Supermarktbetreiber – sachlicher Grund

AG Stuttgart – Az.: 3 C 2853/20 – Urteil vom 29.01.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Streitwert: bis 500 €

Tatbestand

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Aufhebung eines Hausverbots, welches die Beklagte, eine Betreiberin von Supermärkten im Sommer 2019 für die von ihr betriebenen Filialen ausgesprochen hat.

Der Kläger behauptet, der stellvertretende Marktleiter der Supermarkt Filiale im … in Stuttgart habe „im Sommer 2019“ ein alle Filialen umfassendes Hausverbot gegen ihn verhängt, weil er den Pfandflaschenrückgabeautomaten blockieren würde. Ein Grund für das Hausverbot sei aber nicht ersichtlich, insbesondere habe er keine übermäßige Anzahl an Pfandflaschen abgegeben. Er habe auch sonst keine widerrechtlichen Handlungen begangen.

Der Kläger, dem durch das Beschwerdegericht (LG Stuttgart, Beschluss vom 21.10.2020, Az. 4 T 46/20) Prozesskostenhilfe für die Erhebung der Klage bewilligt worden war, beantragt daher:

Die Beklagte wird verurteilt, das im Sommer letzten Jahres im H Markt im … und sämtlichen anderen H-Märkten ausgesprochene Hausverbot zurückzunehmen, da hierfür keine Rechtsgrundlage bestand.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Kläger Anlass für die Verhängung des streitgegenständlichen Hausverbots gegeben habe, da er sich – nachdem es bereits zuvor zu Unstimmigkeiten gekommen sei – geweigert habe, sich an der Kasse hinten anzustellen, sich den dazu seitens einer Kassiererin und des stellvertretenden Marktleiters ausgesprochenen Aufforderungen widersetzt und diese stattdessen in aggressiver Form beleidigt habe. Der Kläger hat den zur Rechtfertigung des Hausverbots vorgebrachten Sachverhalt bestritten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gelangten Unterlagen, sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 22.01.2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Stuttgart sachlich und örtlich zuständig (§§ 23 Nr. 1 GVG, 12, 17 ZPO), aber unbegründet. Da die Beklagte eines sachlichen Grundes für die Verhängung eines Hausverbots nicht bedarf, kann der Kläger dessen Aufhebung nicht beanspruchen, ohne dass es darauf ankommt, ob der von der Beklagten vorgebrachte Sachverhalt zutrifft.

1.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 148, 267 sowie BVerfG, NJW 2019, 3769) und des Bundesgerichtshofs (BGH, NJW 2020, 3382) ist das Erteilen eines Hausverbots durch einen privaten Hausrechtsinhaber grundsätzlich und insbesondere auch dann, wenn der Hausrechtsinhaber die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet und dadurch seine Bereitschaft zu erkennen gibt, generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den Zutritt zu gestatten, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt, durch das Hausrecht gedeckt, ohne dass es dafür einer Rechtfertigung bedarf. Insoweit gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass es „[g]rundsätzlich […] zur Freiheit jeder Person [gehört], nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen welche Verträge abschließen und wie sie hierbei auch von ihrem Eigentum Gebrauch machen will. Diese Freiheit wird durch die Rechtsordnung und insbesondere durch das Zivilrecht näher ausgestaltet und vielfach begrenzt; dabei kann dieses auch von Verfassungs wegen spezifischen Anforderungen unterliegen. Ein allgemeiner Grundsatz, wonach private Vertragsbeziehungen jeweils den Rechtfertigungsanforderungen des Gleichbehandlungsgebots unterlägen, folgt demgegenüber aus Art. 3 Abs. 1 GG auch im Wege der mittelbaren Drittwirkung nicht“ (BVerfGE 148, 267 Rn. 40). Eine verfassungsrechtliche Einschränkung dieser Freiheit ergibt sich daher nur „für spezifische Konstellationen“, namentlich dann, wenn der Betroffene von einer Veranstaltung ausgeschlossen werden soll, „die aufgrund eigener Entscheidung der Veranstalter einem großen Publikum ohne Ansehen der Person geöffnet werden und der [Ausschluss] für die Betroffenen in erheblichem Umfang über die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben entscheidet“ oder wenn ein Fall struktureller Überlegenheit oder eine Monopolstellung vorliegt (vgl. jew BVerfGE 148, 267 Rn. 41 sowie BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 7).

2.

Hausverbot durch privaten Supermarktbetreiber - sachlicher Grund
(Symbolfoto: Sorbis/Shutterstock.com)

Danach unterliegt ein Supermarktbetreiber nach Auffassung des Gerichts – entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts, an welche das Gericht im Hauptsacheverfahren nicht gebunden ist (vgl. etwa Zöller/Schultzky, 33. Aufl., § 127 Rn. 44 mwN) – außerhalb vertraglicher Bindungen und der hier nicht einschlägigen Benachteiligungsverbote des § 19 AGG keiner Einschränkung bei der Ausübung seines Hausrechts, weil eine spezifische Konstellation im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vorliegt. So entscheidet der Zutritt zu einem Supermarkt bei der gebotenen objektivierten und typisierenden Betrachtung aus Sicht des Betreibers (dazu: BGH, NJW 2020, 3382 Rn. 17) zunächst nicht über die Teilnahme des Betroffenen am gesellschaftlichen Leben. Denn maßgebend ist insoweit nach dem Verständnis des Gerichts von der benannten Rechtsprechung, ob der Ausschluss durch den Hausrechtsinhaber das Recht des Betroffenen auf kulturelle Teilhabe berührt oder ihn von gesellschaftlich relevanten Kommunikationsprozessen ausschließt (vgl. BVerfGE 148, 267 Rn. 41 f.; BGH, NJW 2020, 3382 Rn. 22 ff.; ebenfalls in diesem Sinne etwa: BeckOK-GG/Kischel, Art. 3 Rn. 93b [Stand: 15.11.2020]; Michl, JZ 2018, 910, 913 und 918; Sachs, JuS 2019, 89, 92). Dies trifft auf einen Supermarkt bei typisierender Betrachtung nicht zu. Dieser dient zwar Zwecken, die unbestreitbar von großer Wichtigkeit für eine Gesellschaft sind (zutreffend, LG Stuttgart, Beschluss vom 21.10.2020, Az. 4 T 46/20, S. 5 Abs. 2), namentlich der Versorgung der Kunden mit Lebensmitteln und anderen Produkten des täglichen Bedarfs. Für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben im dargelegten Sinn ist der Zugang zu einem Supermarkt gleichwohl ohne Bedeutung.

Eine Einschränkung des Hausrechts des beklagten Supermarktbetreibers folgt auch nicht wegen dessen struktureller Überlegenheit oder einer Monopolstellung, weil eine solche nicht besteht. Es gibt in Stuttgart eine Vielzahl anderer Supermärkte und Einkaufsmöglichkeiten, so dass der Kläger seinen Bedarf ohne Weiteres dort decken kann. Soweit das Beschwerdegericht die Auffassung vertritt, dass das Gegenteil aus dem Gebot der objektivierenden und typisierenden Betrachtung folge (LG Stuttgart, aaO, S. 5 f.), so teilt das erkennende Gericht diese Auffassung nicht (vgl. BVerfG, NJW 2019, 3769 Rn. 12; BGH, NJW 2020, 3382 Rn. 25; wie hier: BeckOK-GG/Kischel, Art. 3 Rn. 93b [Stand: 15.11.2020]).

3.

Auf die Frage, ob dem Kläger tatsächlich ein Fehlverhalten zur Last fällt, kommt es danach nicht an, weshalb die Frage dahin stehen kann.

II.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91; 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war mit Blick auf die divergierende Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts und die grundsätzliche Bedeutung der Frage zuzulassen (§ 511 Abs. 4 ZPO).

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