Landgericht Lüneburg
Az.: 8 O 57/02
Urteil vom 08.05.2002
In dem Rechtsstreit hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 24.04.2002 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Vollkaskoversicherung für seinen Pkw Nissan Patrol mit den amtlichen Kennzeichen …. Der Kläger macht Versicherungsleistungen nach einem Verkehrsunfall geltend. Am 14.11.2001 auf einer Fahrt von L… nach W… kam der Kläger mit seinem Fahrzeug von der Fahrbahn ab.
Dabei wurde das Fahrzeug stark beschädigt. Der entstandene Schaden abzüglich Selbstbeteiligung macht der Kläger mit der Klage geltend.
Der Kläger behauptet, er sei in seinem Fahrzeug allein unterwegs gewesen, die Sicht sei wegen Dunkelheit und Nebels beeinträchtigt gewesen. Gegen 23.00 Uhr habe er sich auf einem Fahrbahnabschnitt befunden, der durch Steine und Laub verschmutzt gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er geraucht. Beim Abstreifen der Glut sei die von ihm gerauchte Zigarette abgefallen, und zwar auf die Mittelkonsole zwischen die Schalthebeln für die Gangschaltung und das Umstellen auf den Allradbetrieb. Er habe mit der rechten Hand danach gegriffen und mit der linken das Lenkrad festgehalten. Dafür habe er sich nur wenig nach vorne beugen müssen. Dabei sei er auf den unbefestigten rechten Seitenstreifen geraten. Die Ursache habe allein in der verschmutzten Fahrbahn gelegen.
Der Kläger führt aus, sein Verhalten sei nicht als grob fahrlässig zu werten, da er sich nur wenig nach vorne beugen musste, um nach der brennenden Zigarette zu greifen. Soweit der Polizeikommissar K… in einem Vermerk aufgenommen habe, während der Fahrt sei ihm eine Zigarette heruntergefallen, beim Aufheben habe sich das Fahrzeug durch unachtsame Lenkbewegung aufgeschaukelt und er habe dadurch die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren, so sei dass nicht richtig aufgenommen worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.617,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach dem DÜG hierauf seit dem 13.12.2001 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
Klagabweisung.
Sie bestreitet, dass zum Zeitpunkt des Unfalls die Fahrbahn am Unfallort verschmutzt gewesen sei. Dies sei von der Polizei so nicht festgestellt worden.
Die Beklagte führt aus, das Verhalten des Klägers sei als grob fahrlässig zu werten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Versicherungsleistung, weil der Kläger durch grob fahrlässiges Verhalten den Versicherungsfall herbeigeführt hat und die Beklagte deshalb leistungsfrei geworden ist. Nach der Darstellung des Klägers und dem Ergebnis der Ermittlungsakten steht fest, dass dem Kläger beim Rauchen während der Fahrt die Zigarette entglitt und er danach griff, um das in Brand geraten des Fahrzeugs bzw. das Entstehen von Brandflecken zu vermeiden. Im Zusammenhang mit dem Nachvornebeugen und Greifen nach der brennenden Zigarette kam er von der Fahrbahn ab und verunglückte. Dies ergibt sich nicht nur aus der eigenen Darstellung des Klägers und dem Vermerk des Polizeibeamten vom 15.11.2001 (Bl. 6 d. Beiakte) sondern auch aus dem Inhalt der polizeilichen Vernehmung des Klägers selbst, der gegenüber dem Polizeikommissar B… angab: „Ich bückte mich nach der Zigarette und dabei geriet mein Pkw auf den rechten Seitenstreifen.“ Daraus ergibt sich ein unmittelbarer kausaler Zusammenhang zwischen dem Greifen nach der Zigarette und dem Abkommen von der Fahrbahn.
Das Verhalten des Klägers ist als grob fahrlässig zu werten. Bezogen auf den Straßenverkehr ist nach der ständig herrschenden Rechtsprechung als grobe Fahrlässigkeit jene außer Achtlassung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt zu verstehen, die sich aus der Menge der auch für den Sorgfältigsten nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen im täglichen Leben als auffallende Sorglosigkeit hervorhebt. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Auszugehen ist davon, dass ein gewisser Leichtsinn schon darin zu erblicken ist, dass während der Fahrt geraucht wird. Dies beeinträchtigt die Fahrtüchtigkeit schon deshalb, weil er beim Rauchen nicht beide Hände ausschließlich zum Halten und Betätigen des Lenkrads gebrauchen kann. Das gezielte Greifen nach einer brennenden Zigarette setzt voraus, dass man seine Augen von der Fahrbahn abwendet, um die Zigarette ergreifen zu können, ohne sich zu verbrennen. Dies alles soll auch schnell geschehen, um Brandflecken zu vermeiden. Die Gefährlichkeit dieses Tuns zeigt auch der Ablauf des Unfallgeschehens, nämlich dass zugleich mit dem Blicken und Greifen nach der Zigarette das Fahrzeug von der Fahrbahn abkam.
Dem Argument des Klägers, er habe sich nur wenig nach vorne beugen zu müssen, um die auf der Mittelkonsole liegende Zigarette zu ergreifen, ist unerheblich. Entscheiden ist nicht, wie weit der Kläger sich nach vorne beugen musste, sondern das er seine Augen von der Fahrbahn weg auf die brennende Zigarette richtete und deshalb die Bewegungen seines Fahrzeugs nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Dem Kläger war auch zuzumuten, sein Fahrzeug anzuhalten. Er befand sich nach seinen eigenen Angaben auf einer einsamen Landstraße mit relativ geringer Geschwindigkeit, so dass ihm ein Abbremsen des Fahrzeugs ohne weiteres zuzumuten war. Dies hätte nur einige Sekunden gedauert und dann hätte er im stehenden Fahrzeug nach der Zigarette greifen können.
Auch kann der Kläger sich nicht darauf berufen, dass die Fahrbahn verschmutzt gewesen sei. Aus seiner eigenen Schilderung gegenüber der Polizei ergibt sich nichts für eine verschmutzte Fahrbahn als Unfallursache. In dem Polizeiprotokoll ist festgestellt worden, dass die Fahrbahn feucht war und keine Glätte zeigte. Auch dem Zeugen H…, der einige Zeit nach dem Unfall mit dem Kläger an der Unfallstelle war, konnte nichts über Schmutz auf der Fahrbahn aussagen. Auch hätte es nahe gelegen, dass der Kläger ihm dies zugleich als Unfallursache mitgeteilt hätte.
Infolge des grob fahrlässigen Herbeiführens des Versicherungsfalles ist die Beklagte gemäß § 61 WG von ihrer Leistungspflicht frei geworden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den § 709 ZPO.