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Kariesdedektor – Beihilfefähig nach GOZ Nr. 2130 analog?

VG Hannover, Az.: 13 A 971/17, Urteil vom 24.07.2019

Der Beklagte wird verpflichtet, die Rechnungsposition 2130a GOZ in der zahnärztlichen Rechnung vom 18.10.2016 als beihilfefähig anzuerkennen und hierauf entsprechend dem Bemessungssatz von 50 v.H. der Klägerin eine Beihilfe zu gewähren. Der Bescheid vom 27. Oktober 2019 und der Widerspruchsbescheid vom 20.12.2016 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 9/10, der Beklagte zu 1/10.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine weitergehende Beihilfe für ihre Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen. Sie ist mit einem Bemessungssatz von 50 von Hundert beihilfeberechtigt.

Kariesdedektor – Beihilfefähig nach GOZ Nr. 2130 analog?
Symbolfoto Starik_73 /Bigstock

Ende August, Anfang September 2016 wurde die Klägerin zahnärztlich behandelt. Die behandelnde Zahnärztin berechnete ihre Leistungen mit Rechnung vom 18.10.2016. Neben anderen Positionen berechnete die Zahnärztin unter anderen:

…………..

Außerdem wurden als Laborleistungen die Position „2951 – individuelle Charakterisierung“ viermal mit insgesamt 100,52 € berechnet.

Die Klägerin beantragte hinsichtlich dieser Rechnung eine Beihilfe.

Mit Bescheid vom 27.10.2016 gewährte das beklagte Amt der Klägerin zwar eine Beihilfe, erkannte von der in Rede stehenden zahnärztlichen Rechnung mit einem Gesamtrechnungsbetrag von 6651,36 € jedoch nur einen Betrag von 4642,96 € als beihilfefähig an. Aufwendungen für funktionanalytische und funktionstherapeutische Leistungen seien nur unter bestimmten Voraussetzungen beihilfefähig. Die analog berechnete Gebührenziffer sei nicht medizinisch notwendig. Die Gebührenziffer 2197 überschreite den Schwellenwert. Außerdem wurden Material- und Laborkosten gekürzt, weil sie nur zu 40 v.H. beihilfefähig sind.

Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und legte eine Bescheinigung der Zahnarztpraxis vom 15.11.2016 vor, auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 14f. der Beiakte). Die oberen Frontzähne der Klägerin seien endodontisch vorbehandelt worden, was zu starken Verfärbungen geführt habe, die die individuelle Charakterisierung zwingend erforderlich gemacht habe. Bei den Zähnen 12-22 sei die individuelle Farbanpassung der Befestigungskomposits sehr zeitaufwendig gewesen, deswegen sei hier bei der GOZ-Ziffer 2197 der Schwellenwert überschritten worden. Hinsichtlich der GOZ-Ziffer 2197 bei den Zähnen 34 und 36 habe es einen großen Zeitaufwand wegen der sehr langen Lichtaushärtung aufgrund tiefreichen Kavitäten gegeben. Bei der Versorgung der Zähne 22,12-21 sei ein mehrschichtiger Aufbau in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung medizinisch erforderlich gewesen. Die großvolumige, einseitige Applikation von Aufbaumaterial bedingt durch Polymerisationsschrumpfung hätte sonst zu nicht vertretbaren Randspalten geführt. Die Position 2130 sei medizinisch notwendig gewesen, weil besonders substanzschonend zu präparieren war und ein minimalinvasives Exkavieren ermöglicht habe. Hinsichtlich der GOZ-Ziffer 2210 bei den Zähnen 12-22 habe ein überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen der großen sagittalen Stufe sowie der komplizierten Farbanpassung der Kronen an die vorhandenen natürlichen Zähne und die schwierige Eingliederung der Kronen aufgrund der metallfreien Keramikstufe vorgelegen. Außerdem habe bei der Klägerin im Frontzahnbereich ein primärer Engstand der Zähne bestanden, die parallelisierende Präparation habe sich daher sehr aufwendig und zeitintensiv gestaltet. Die Faktorerhöhung bei der Gebührenziffern 2220 hinsichtlich der Zähne 34 und 36 sei gerechtfertigt wegen des überdurchschnittlichen Zeitaufwands und überdurchschnittlicher Schwierigkeit durch vorsichtige Präparation in Pulpennähe. Die Kaufläche im Präparationsgrenzbereich sei zur Vermeidung von Frakturen an den Teilkronen 34, 36 funktionsorientiert morphologisch gestaltet worden. Es habe eine zeitaufwendige Konsultation mit dem Technikermeister während der Präparation stattgefunden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin Bescheid vom 20. 10. 2016 zurück. Die individuelle Charakterisierung sei nicht beihilfefähig. Die Erläuterungen rechtfertigten die Schwellenwertüberschreitung nicht. Es sei weiterhin nicht ersichtlich, dass es sich bei der Leistungsbeschreibung „Kariesdetektor“ um selbstständige ärztliche Leistung handelt. Es sei keine Indikation für ambulante funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen gegeben.

Die Klägerin hat am 20.01.2017 Klage erhoben.

Mit Schriftsatz vom 19.06.2018 übersandte die Klägerin eine Stellungnahme der M. Bank GmbH vom 25.05.2018, auf die wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Blatt 56 Gerichtsakte).

Mit Schriftsatz vom03.04.2019 übersandte die Klägerin eine Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 29.03.2019, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

Hinsichtlich der GOZ-Ziff. 8010 ff. trägt die Klägerin vor, bestimmte Leistungen aus dem Abschnitt „funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen, seien auch bei der Klägerin medizinisch notwendig gewesen.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 27.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2016 die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für die zahnärztlichen Leistungen der Klägerin in Höhe von 333,38 € als beihilfefähig anzuerkennen und gemäß dem Beihilfe Bemessungssatz an die Klägerin den Betrag von 166,69 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er tritt der Klage entgegen und nimmt Bezug auf die Gründe des Widerspruchsbescheides. Die Begründung der Zahnärztin würde keine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen. Es seien keine überdurchschnittlichen Besonderheiten dargelegt worden. Aufwendungen für funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen seien nur unter bestimmten, hier nicht vorliegenden Voraussetzungen beihilfefähig. Zur Zeit der Behandlung sei der Kariesdedektor nicht als wissenschaftliche Behandlungsmethode anerkannt gewesen.

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 19.01.2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

Da nur ein Gesamtbetrag von 166,69 € mit der Klage gefordert wird, geht das Gericht davon aus, dass die Kürzung der Material- und Laborkosten nicht Gegenstand der Klage ist. Aus § 10 NBhVO ergibt sich im Übrigen schon, dass Aufwendungen für Material und zahntechnische Leistungen nur zu 40 v. H. überhaupt beihilfefähig sind.

Nach verständiger Würdigung des Klagebegehrens ist nach alledem eine Beihilfe zu den Gebührenziffern 8010, 8020, 8050 und 8080 sowie 2130 analog in der Rechnung vom 18.10.2016 und zu den Kosten einer individuellen Charakterisierung in der Laborrechnung vom 08.09.2016 streitig; daneben auch die Frage einer weitergehende Beihilfe hinsichtlich der Gebührenziffern 2197 in der Rechnung vom 18.10.2016 soweit, der Schwellenwert überschritten wurde.

Die so verstandene zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist auf die versagte Beihilfe für einen Kariesdedektor rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat lediglich einen Anspruch auf eine weitergehende Beihilfe hinsichtlich der GOZ-Ziff. 2130a.

II.

Im Einzelnen:

1.) Schwellenwertüberschreitung bei GOZ 2197

Die Frage der Angemessenheit der Aufwendungen richtet sich gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 NBhVO ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der zahnärztlichen Gebührenordnung. Beihilfefähig ist nach alledem eine Rechnung auf der Basis einer zutreffenden Auslegung des Gebührenrechts. Es gibt grundsätzlich keine unterschiedliche Angemessenheit hinsichtlich des Honoraranspruchs einerseits und der Beihilfefähigkeit andererseits. Angemessen sind regelmäßig die nach § 5 GOZ vom Zahnarzt rechtmäßigerweise anzusetzenden Gebühren. Möglicherweise sieht die Beklagte dies anders, für den hier zu entscheidenden Fall dürfte dieser Umstand nach dem gegenwärtigen Sachstand jedoch keine ausschlaggebende Rolle spielen.

Nach § 5 Abs. 2 GOZ bildet der 2,3fache Gebührensatz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien (Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung) dies rechtfertigen.

Allerdings bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 4 NBhVO, dass Aufwendungen, die auf einer Überschreitung des Schwellenwertes des Gebührenrahmens beruhen, nur dann angemessen sind, wenn patientenbezogene Besonderheiten, die eine Ausnahme darstellen, vorliegen.

Das Gericht sieht darin keine über § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 NBhVO hinausgehende Einschränkung der Beihilfefähigkeit (eine derartige Regelung dürfte im Hinblick auf die gegenüber dem einzelnen Beamten bestehende Fürsorgepflicht auch rechtlich sehr bedenklich sein). Denn die bei der zahnärztlichen Versorgung über den Durchschnitt hinausgehenden Schwierigkeiten und ein dadurch bedingter erhöhter Zeitaufwand kann seine Ursache nur in patientenbezogenen Umständen haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass die GOZ auch dann der Zahnarzt ein erhöhtes Honorar zubilligen wollte, wenn die Schwierigkeiten bzw. der erhöhte Zeitaufwand auf Umstände zurückzuführen sind, die etwa in seinen unter den Durchschnitt liegenden ärztlichen Fähigkeiten oder seiner mangelhaften technischen Ausstattung zu suchen sind.

Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend (OVG Lüneburg, Urteil vom 05.04.2011 – 5 LB 231/10 – ). Die Entscheidung der Beihilfestelle, ob die Aufwendungen notwendig und angemessen sind, ist keine Ermessensentscheidung und unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschluss vom v. 19.1.2011 – 2 B 64.10 -, zitiert nach juris-Langtext Rn. 5; Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79.08 -, NVwZ-RR 2010, 365 und zitiert nach juris-Langtext Rn. 14; Urteil vom 28.10.2004 – 2 C 34.03 -, ZBR 2005, 169 und zitiert nach juris-Langtext, Rn. 11, 14).

Zwar hat in dem hier zu entscheidenden Fall bislang kein Zivilgericht die Rechtsfrage geklärt, ob der Zahnarzt des Klägers seine ärztlichen Leistungen hinsichtlich der streitigen Gebührenziffern mit dem 2,3fachen oder abrechnen oder den Schwellenwert überschreiten durften. Der Bundesgerichtshof hat aber in seinem Urteil vom 8. November 2007 (- III ZR 54/07 -, BGHZ 174, 101 und juris) die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen ein Arzt persönlich-ärztliche Leistungen mit dem Höchstsatz der Regelspanne des 2,3fachen des Gebührensatzes abrechnen darf. Er hat abschließend in Auseinandersetzung mit der zivilgerichtlichen Judikatur und auch der von dem Verwaltungsgericht zitierten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sowie insbesondere unter Berücksichtigung der Entwicklung der Abrechnungspraxis ärztlicher Gebühren festgestellt, dass es nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen ist, wenn persönlich-ärztliche Leistungen, die sich in einem Bereich durchschnittlicher Schwierigkeiten und einem durchschnittlichen Zeitaufwand befinden sowie nicht durch Erschwernisse gekennzeichnet sind, zum Schwellenwert von 2,3 abgerechnet werden (OVG Lüneburg, a.a.O unter Hinweis auf BGH, a. a. O., zitiert nach juris-Langtext, Rn. 11 ff. <18, 21>).

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Ist demnach zivilgerichtlich festgestellt, dass ein Arzt ohne Begründung seine Leistung mit dem 2,3fachen Gebührenwert abrechnen darf, wenn die Behandlung mit durchschnittlichen Schwierigkeiten und durchschnittlichem Zeitaufwand ohne Erschwernisse verbunden war (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 19.1.2011 – 2 B 70.10 -, juris und Beschl. v. 5.1.2011 – 2 B 55.10 -, juris), folgt daraus auch für das Beihilferecht, dass der Arzt den Schwellenwert des 2,3fachen Gebührenwertes dann überschreiten kann, wenn er überdurchschnittliche Schwierigkeiten und einen überdurchschnittlichen Zeitaufwand der Leistungen und überdurchschnittlich schwierige Umstände der Ausführung schriftlich begründet (OVG Lüneburg, a.a.O.).

Allerdings muss die Begründung überdurchschnittlicher Schwierigkeiten die in § 5 Abs. 2 Satz 4 letzter Halbsatz GOZ genannten Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien eindeutig aufzeigen. Die Überschreitung des 2,3fachen Gebührensatzes setzt nämlich nach dieser Vorschrift voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweise bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde. Diese Betrachtungsweise ergibt sich aus der Gegenüberstellung der „in der Regel“ einzuhaltenden Spanne zwischen dem einfachen Gebührensatz und dem Schwellenwert einerseits mit dem zulässigen Überschreiten dieses Wertes wegen Besonderheiten der Bemessungskriterien andererseits (§ 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ) sowie aus der Anordnung einer schriftlichen Begründung des Überschreitens des Schwellenwertes, die auf Verlangen näher zu erläutern ist (§ 10 Abs. 3 Sätze 1 und 2 GOZ). Für eine nähere Erläuterung ist sinnvoll nur Raum, wenn Besonderheiten gerade des vorliegenden Einzelfalles darzustellen sind; könnte schon eine bestimmte, vom Einzelfall unabhängige Art der Ausführung der im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, so wäre dies mit einem kurzen Hinweis auf die angewandte Ausführungsart abschließend dargelegt (OVG Lüneburg, a.a.O.).

Zwar verkennt das Gericht nicht, dass in der Vergangenheit verschiedentlich von einigen Beihilfe gewährenden Stellen unzumutbar hohe Anforderungen an die Begründung der Schwellenwertüberschreitung gestellt wurden. Es kann nicht angehen, dass der Arzt bzw. Zahnarzt für die Begründung der Schwellenwertüberschreitung mehr Zeit aufwenden muss als für die eigentliche Behandlung, zumal es sich oft nur um relativ geringe Beträge handelt. Ausführliche ärztliche Berichte oder gar Gutachten können nicht verlangt werden. Allerdings muss sich aus der gegebenen Begründung andererseits aber auch nachvollziehbar entnehmen lassen, weshalb bei dem Patienten nun eine überdurchschnittliche Erschwernis vorlag.

Die Begründung zu den streitigen Gebührenziffern 2197 in der Rechnung vom 18.10.2016 einschließlich der später nachgereichten Stellungnahme entspricht nicht diesen Voraussetzungen.

Der Zahnarzt hat die Schwellenwertüberschreitung bei den GOZ-Ziffern 2197 jeweils mit „erschwerende anatomische Verhältnisse wegen erschwerter Isolation und Trockenlegung durch starke Salivation“ begründet. Dies ist nicht ausreichend (vgl. schon VG Hannover, Urt. v. 24.03.2016 – 13 A 4679/15 -).

Die Merkmale „Erhöhter Speichelflusse, „Salivation“ oder erschwerte Trockenlegung tauchen – dies ist gerichtsbekannt – sehr häufig als Begründung in zahnärztlichen Rechnungen auf und bilden für sich genommen keine Rechtfertigung für eine Schwellenwertüberschreitung. Übermäßigen Speichelfluss hat die Kammer in ihrer bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich keine besonderen Schwierigkeiten beigemessen, weil der Zahnarzt einen verstärkten Speichelfluss normalerweise durch den Einsatz größerer und stärkerer Sauger in den Griff bekommen kann. Lediglich wenn ein besonders starker Speichelfluss mit einem starken Würgereiz einhergeht, könnte möglicherweise diese Frage anders beurteilt werden müssen (vgl. Gerichtsbescheid vom 07.12.2009 – 13 A 2981/09 -; Gerichtsbescheid vom 05.11.2015 – 13 A 2606/15 -). Dafür liegen hier jedoch keine Anhaltspunkte vor.

2.) Funktionstherapeutische Leistungen

Die abgerechneten GOZ-Ziffern 8010, 8020, 8050, 8080 sind in der GOT im Abschnitt J aufgeführt. Es handelt sich danach um funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen.

Nach § 9 Abs. 5 NBhVO sind Aufwendungen für ambulante funktionsanalytische und ambulante funktionstherapeutische Leistungen nur bei Vorliegen einer der in dieser Vorschrift genannten Indikationen oder Maßnahmen beihilfefähig. Dafür ist jedoch in der vom Kläger eingereichten Rechnung nichts ersichtlich.

Es mag sein, dass funktionsanalytische und ambulante funktionstherapeutische Leistungen auch bei anderen, in der Beihilfeverordnung nicht genannten Indikationen zahnärztlicherseits als sinnvoll angesehen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass derartige Aufwendungen dann auch zwingend beihilfefähig sein müssen.

Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (stRspr, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 – BVerfGE 83, 89/99; BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 5 C 3.12 – DÖD 2013, 156 Rn. 18; B.v. 18.1.2013 – 5 B 44.12 – juris Rn. 7). Dieser muss Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassung wegen seiner Entscheidung überlassen. Entscheidet sich der Dienstherr, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutreten, so muss er gewährleisten, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht hindert den Dienstherrn grundsätzlich nicht, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind (stRspr, vgl. u.a. BVerfG, B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 – BVerfGE 83, 89/101; BVerwG, U.v. 28.5.2008 – 2 C 1.07 – Buchholz 237.8 § 90 RhPLBG Nr. 4 Rn. 26; U.v. 28.5.2008 – 2 C 24.07 – DVBl 2008, 1193 Rn. 23); Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 14. Juli 2015 – 14 B 13.654 –, Rn. 23, juris).

Die Fürsorgepflicht gebietet nur dann die Gewährung von Ansprüchen, wenn sie ansonsten in ihrem nicht zur Disposition des Dienstherrn stehenden Wesenskern betroffen würde (BVerwG, Beschluss vom 30. November 1994 – 10 B 1.94 – Buchholz 262 § 1 TGV Nr. 2 S. 1, Urteile vom 2. April 2014 – 5 C 40.12 – Buchholz 270.1 § 25 BBhV Nr. 1 Rn. 19 und vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – BVerwGE 151, 386 Rn. 36). Dies wiederum kommt im Bereich der Krankenvorsorge regelmäßig nur dann in Betracht, wenn es um die Erstattung von Aufwendungen für Maßnahmen geht, deren absehbarer Erfolg für die Erledigung wesentlicher Verrichtungen des täglichen Lebens notwendig bzw. von existentieller Bedeutung für die Betroffenen ist, oder wenn diese infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet werden, die sich für sie als unzumutbar darstellen (BVerwG, Urteile vom 28. Mai 2008 – 2 C 1.07 – Buchholz 237.8 § 90 RhPLBG Nr. 4 Rn. 25 f. und vom 26. März 2015 – 5 C 9.14 – BVerwGE 151, 386 Rn. 36 m.w.N.: BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 – 5 C 32/15 –, BVerwGE 155, 129-140, Rn. 19). Dafür liegen hier keine Anhaltspunkte vor.

3.) Analogberechnung der GOZ 2130

Bei einem sogenannten Kariesdetektor handelt es sich um eine Flüssigkeit, die aus einem Lösungsmittel und einem Farbstoff besteht. Diese Lösung dient zur Überprüfung einer kariösen Läsion und soll sicherstellen, dass kein kariöses Restdentin zurückbleibt.

Zwar ist diese Prüfung (kariöses Dentin von harten Dentin zu unterscheiden) auch ohne Anwendung einer Detektorflüssigkeit für einen routinierten Zahnarzt möglich, so dass die Anwendung eines Kariesdetektors keine unverzichtbare Bedingung für eine entsprechende zahnärztliche Behandlung darstellt. In der Literatur wird jedoch diese Methode als sinnvoll angesehen. Denn in der Praxis wird in großer Teil der kariösen Läsionen von den Zahnärzten nicht erkannt. Dass die Methode zwischenzeitlich wissenschaftlich anerkannt worden ist, zeigt auch der Umstand, dass die Bundeszahnärztekammer den Kariesdetektor in den Katalog selbstständiger zahnärztlicher gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnen Leistungen aufgenommen hat.

Der Hinweis des beklagten Amtes zum Zeitpunkt der Behandlung im August 2016 sei noch keine Beihilfefähigkeit für diese Behandlungsmethode gegeben, greift nicht durch.

In der zivilrechtlichen Rechtsprechung wurde auch schon für Behandlungen im Jahre 2013 und 2015 anerkannt, dass der Zahnarzt die Leistung „Kariesdedektor“ analog abrechnen kann (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 31. August 2015, 405 C 3277/14, zit. n. juris, sowie L Stuttgart Urteil vom 2. März 2018, 22 O 171/16).

Ist zivilrechtlich aber anerkannt, dass ein Patient die Honorarrechnung für eine analoge Abrechnung des Kariesdetektors bezahlen muss, kann diesen Patienten, wenn es sich um einen Beamten handelt, hierfür eine Beihilfe dann auch nicht versagt werden.

4.) individuelle Charakterisierung

Das Charakterisieren der keramischen Verblendung ist nicht beihilfefähig.

Beihilfefähig sind nach § 5 Abs. 1 NBhVO nur Aufwendungen, die dem Grunde nach notwendig sind.

Das erkennende Gericht hat wiederholt (vgl. Gerichtsbescheid vom 07.12.2009 – 13 A 2981/09 – und Urteil vom 24.03.2016 – 13 A 4679/15 zur Charakterisierung ausgeführt:

„Insbesondere im Bereich der Seiten- bzw. hinteren Backenzähne vermag das Gericht keine medizinische Notwendigkeit für eine individuelle Charakterisierung erkennen. In diesem Bereich kommt es auf die Farbe des Zahnersatzes nicht entscheidend an. Es wurde vom Kläger weder vorgetragen, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Charakterisierung im Zusammenhang mit der Funktionalität, d.h., der Wiederherstellung der Kaufähigkeit steht (die Beihilfefähigkeit verneinend auch Topka-Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Loseblattwerk 5. Aufl., § 6 Rdnr. 3.5.4).“

Daran hält das Gericht fest. Die Charakterisierung betraf zwar nach der Stellungnahme der Zahnärztin vom 29.03.2019 die Zähne 12-22 und damit Zähne im vorderen Bereich des Oberkiefers. Gleichwohl ist eine medizinische Notwendigkeit dieser Arbeiten nicht zu erkennen. Die Arbeiten dienen lediglich der ästhetischen Gestaltung (vgl. auch VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 22. Mai 2017 – 6 K 823/15 –, Rn. 35, juris).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

 

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