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Kaskoversicherung – Leistungsfreiheit des Versicherers aufgrund Obliegenheitsverletzung

LG Wiesbaden, Az.: 9 O 176/18, Urteil vom 24.01.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von elf Zehnteln des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger als Versicherungsnehmer nimmt die Beklagte als Versicherer im Zusammenhang mit einem behaupteten Versicherungsfall aus einer Kaskoversicherung auf Zahlung in Anspruch; des weiteren begehrt er die Feststellung, daß die Beklagte zum Ersatz weiterer Schäden verpflichtet sei; schließlich verlangt er die Erstattung von vorgerichtlich angefallenen und nicht anrechenbaren Rechtsverfolgungskosten.

Der Kläger erwarb unter dem 30.08.2017 von dem Autohändler I. K. aus M. käuflich einen gebrauchten PKW der Marke Audi, Modell A5. Wegen des Inhalts und Wortlauts des Kaufvertrages wird auf die Anlage K 18 zu Blatt 114 der Gerichtsakte verwiesen. Für eben diesen PKW schloß der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.09.2017 eine Vollkaskoversicherung ab mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 EUR. Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB Stand Juli 2017 zugrunde. Unter dem 30.01.2018 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Schaden. Wegen des Wortlauts und Inhalts der Schadensmeldung wird auf die Anlage A 1 zu Blatt 65 bis 67 der Gerichtsakte Bezug genommen. Der von der Beklagten beauftragte Gutachter taxierte den Wiederbeschaffungswert des klägerischen PKW auf 19.000,00 EUR brutto beziehungsweise 15.966,39 EUR netto sowie den Restwert auf 5.000,00 EUR. Mit Schreiben vom 12.03.2018 verneinte die Beklagte ihre Einstandspflicht dem Kläger gegenüber.

Der Kläger behauptet, er habe mit seinem bei der Beklagten kaskoversicherten PKW am 30.12.2017 gegen 21.00 Uhr in Rumänien einen Unfall erlitten. Zu jener Zeit sei er als Fahrer mit dem PKW auf der Bundesstraße Nr. 1 unterwegs gewesen. Etwa auf Höhe der Einfahrt zu dem Ort S. sei er von einem Fahrzeug im Gegenverkehr, welches entweder mit Fernlicht oder mit nicht ordnungsgemäß eingestellten Scheinwerfern unterwegs gewesen sei, geblendet worden, so daß er die dort befindliche Verkehrsinsel erst sehr spät wahrgenommen habe. Da eben diese wegen ihrer scharfkantigen Bordsteine gefahrlos nicht überfahren werden könne, habe er eine Kollision mit eben dieser nur durch ein sofortiges Ausweichmanöver nach rechts vermeiden können. Hierdurch sei der von ihm gelenkte PKW ins Schleudern und mit den rechten Rädern in den rechts neben der Fahrbahn belegenen ungesicherten Entwässerungsgraben geraten, wodurch der PKW mit der Unterseite auf der Kante des ausbetonierten Grabens aufgesetzt habe und erst durch den frontalen Zusammenstoß mit dem Brückenkopf einer über den Entwässerungsgraben führenden Brücke zum Stillstand gekommen sei. Ins Schleudern sei sein PKW auf eisglatter Fahrbahn geraten. Denn an jenem Tag habe Frost geherrscht. Dennoch habe er seinerzeit nicht mit Eisglätte rechnen müssen. Denn die Straßen seien ansonsten trocken gewesen. Daß die Fahrbahn im Bereich der Unfallstelle eisglatt gewesen sei, sei darauf zurückzuführen gewesen, daß die Unfallstelle unweit eines Stausees belegen sei. Die in diesem Bereich dieserhalb erhöhte Luftfeuchtigkeit habe bei Frost zu der Eisglätte auf der Fahrbahn geführt. Hiervon sei er überrascht worden. Keineswegs sei er mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Obwohl dort 90 km/h zulässig seien, sei er zur fraglichen Zeit nur mit 70 km/h und damit mit angepaßter Geschwindigkeit unterwegs gewesen. Von Vorschäden an dem PKW sei ihm nichts bekannt. Wenn es diese wider Erwarten gegeben habe, so seien diese vor dem Verkauf an ihm sach- und fachgerecht beseitigt worden. Da er selbst der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei, sei ihm anläßlich des Kaufvertragsschlusses entgangen, daß der Verkäufer darin die Unfallfreiheit verneint und handschriftlich Vorschäden und Blechschäden angeführt habe. Nach Abzug des von dem Gutachter, den die Beklagte beauftragt habe, ermittelten Restwertes sowie der Selbstbeteiligung verbleibe ein von der Beklagten zu regulierender Betrag in Höhe von 10.466,36 EUR. Hinzu kämen Abschleppkosten in Höhe von 434,38 EUR sowie vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 EUR.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.900,74 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 09.03.2018 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 958,19 EUR zu zahlen; festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, welcher dem Kläger aus dem Schadensereignis vom 30.12.2017 auf der Bundesstraße 1 in Höhe des Ortes S. in Rumänien noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, sie sei wegen Aufklärungs- und Mitwirkungspflichtverletzung leistungsfrei. Die vollständige Beschädigung der Fahrzeugfront erscheine bei der angegebenen Geschwindigkeit von 70 km/h unplausibel. Im Bereich der Kaskoversicherung habe der Kläger aber einen Lebenssachverhalt vorzutragen, aus welchem sich unzweifelhaft ergebe, wie sich der fragliche Vorfall tatsächlich zugetragen habe. Daß der Kläger statt dessen mehrere Sachverhaltsvarianten vortrage und Sachverhaltsanpassung betreibe, helfe ihm nicht weiter. Soweit der Kläger in dem Fragebogen angegeben habe, daß es an dem Fahrzeug keinen Vorschaden gegeben habe, bleibe unberücksichtigt, daß an dem fraglichen PKW bereits einmal zuvor ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten sei. Der Zeuge V. B. habe nämlich am 10.02.2017 mit dem streitgegenständlichen PKW einen Unfall erlitten, bei welchem die Reparaturkosten 21.836,86 EUR bei einem Wiederbeschaffungswert von 23.500,00 EUR und einem Restwert von 11.120,00 EUR betragen hätten. Sie, die Beklagte, wisse nicht, ob die Schäden aus dem Unfall vom 10.02.2017 sach- und fachgerecht beseitigt worden seien. Für den Umfang des hier behaupteten Schadens sei der Kläger aber in vollem Umfang beweisbelastet. Unschlüssig sei die Klage daneben auch wegen der Abschleppkosten in Höhe von 434,38 EUR. Im übrigen wisse sie, die Beklagte, nicht, ob der Kläger die außergerichtlichen Anwaltskosten überhaupt und obendrein aus eigenen Mitteln bezahlt habe, weshalb die Klage insgesamt abzuweisen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zugehörigen Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 26.07.2018 Bezug genommen, in welcher der Kläger unter Zuziehung eines Dolmetschers informatorisch gehört worden ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig.

Das angerufene Gericht ist sachlich zuständig (§§ 23, 71 GVG).

Das angerufene Gericht ist auch örtlich zuständig (§ 17 ZPO).

Soweit der Kläger sein Begehren in der Hauptsache zum Teil vermittels einer Feststellungsklage verfolgt, berührt dies die Zulässigkeit der Klage vorliegend nicht.

Dem auf eine Feststellung gerichteten Verlangen des Klägers dürfte zwar das nach § 256 Abs. 1 ZPO grundsätzlich erforderliche Feststellungsinteresse fehlen. Denn es ist weder dargetan noch anderweit ersichtlich, aus einem welchen Grund der Kläger bei Klageerhebung und bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht in der Lage gewesen sein soll, die ihm entstandenen Schäden abschließend zu beziffern. Insofern gilt auch hier der Vorrang der Leistungsklage im Verhältnis zu einer Feststellungsklage.

Dies steht aber einer Sachentscheidung vorliegend dennoch nicht entgegen, weil auch die Feststellungsklage nach der hier vertretenen Auffassung ausweislich des Tenors und der nachfolgenden Ausführungen zu der Unbegründetheit jedenfalls in der Sache keinen Erfolg hat. Es ist aber anerkannt, daß das Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO nur für eine stattgebende Entscheidung echte Prozeßvoraussetzung ist (vgl. BGH, Beschluß vom 27.09.2011 zu II ZR 256/09; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., vor § 253, Rdnr. 10 und § 256, Rdnr. 7).

Die Klage ist indes unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte weder ein Anspruch auf Zahlung von 10.900,74 EUR noch auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 958,19 EUR zu; das Feststellungsverlangen ist ebenfalls unbegründet (§ 1 VVG i. V. m. A.2.1.1, A.2.3.2 AKB 2017).

Es kann dahinstehen, ob der klägerischerseits behauptete Unfall ein versichertes Schadensereignis darstellt. Denn jedenfalls ist die Beklagte nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG i. V. m. E.1.1, E.1.3 AKB 2017 wegen einer arglistig begangenen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei.

Nach E.1.3 AKB 2017 oblag es dem Kläger, die Fragen der Beklagten zu den Umständen des Schadensereignisses, zum Umfang des Schadens und zur Leistungspflicht der Beklagten wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Diese Obliegenheit hat der Kläger dadurch verletzt, daß er in der Schadensmeldung vom 30.01.2018 die Frage nach Vorschäden wahrheitswidrig mit „Nein“ und die Folgefrage nach deren Art und eventueller Reparatur überhaupt nicht beantwortet hat, obwohl in dem Kaufvertrag vom 30.08.2017 die Unfallfreiheit eindeutig verneint wird und in diesem Zusammenhang ergänzend Vorschäden und Blechschäden angeführt werden, ohne daß der Vertragsurkunde etwas zu deren Behebung entnommen werden kann. Der Kläger handelte insoweit zur Überzeugung des erkennenden Gerichts auch arglistig, weshalb unerheblich ist, daß die unzutreffenden Angaben des Klägers wegen des zwischenzeitlich bekannt gewordenen Schadensgutachtens des Sachverständigenbüros K. GmbH vom 23.02.2017 auf die Regulierungsentscheidung der Beklagten letztlich ohne Einfluß geblieben sind.

Vor dem Hintergrund des gesamten Inhalts der Verhandlungen, einschließlich der zu den Gerichtsakten gelangten Unterlagen, steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts mit hinreichender Sicherheit fest, daß der Kläger die ihn treffenden Auskunftsobliegenheiten durch die Abgabe der Schadensmeldung objektiv verletzt hat.

Der objektive Tatbestand der Verletzung einer Aufklärungspflicht setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, daß der Versicherungsnehmer die anzugebende Tatsache überhaupt kennt. Begründet wird dies damit, daß bei Fehlen dieser Kenntnis die Aufklärungsobliegenheit ins Leere laufe. Schon objektiv könne der Versicherungsnehmer die Obliegenheit bei fehlender Kenntnis nicht verletzen, denn es gebe nichts, worüber er nach seinem Kenntnisstand seinen Versicherer aufklären könne. Dieses positive Wissen um die die Obliegenheit auslösenden Umstände muß der Versicherer, will er sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Obliegenheit berufen, beweisen (BGH, VersR 2009, 1659; Vers 2008, 484; VersR 2007, 389). Anzuknüpfen ist bei der Anwendung dieser Grundsätze aber an die genaue Frage und alle Umstände des Einzelfalles zur Bestimmung des Umfangs der notwendigen Antworten. Die Auskunftspflicht des Versicherungsnehmers erschöpft sich nicht in der formalistischen Beantwortung des Wortlauts der gestellten Fragen. In welchem Umfang Auskunft zu erteilen ist, ergibt sich aus dem Sinn der Frage. Die Antwort soll gewährleisten, daß der Versicherer in die Lage versetzt wird, die sachgemäßen Entschließungen über die Behandlung des Versicherungsfalls zu treffen (BGH VersR 1993, 828). Anders als bei Anzeigeobliegenheiten kommt es bei der Auskunftsobliegenheit auch nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer das zu vermittelnde Wissen bereits selbst hat. Er muß sich über die Tatsachen, zu denen der Versicherer berechtigt Auskunft verlangt, gegebenenfalls erkundigen (BGH, VersR 1993, 828).

Vorliegend steht nach Vorlage des Kaufvertrages vom 30.08.2017 in einer keinen vernünftigen Zweifel zulassenden Weise fest, daß der Kläger in seiner Schadensmeldung die Frage nach Vorschäden objektiv falsch beantwortet hat. Den Kläger vermag es in diesem Zusammenhang nicht zu entlasten, daß er der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtig sei, so daß ihm gar nicht bewußt gewesen sei, daß in der Kaufvertragsurkunde die Frage nach Unfallfreiheit verneint worden sei und statt dessen dort Vorschäden und Blechschäden angeführt worden seien. Wenn der Kläger, wie von ihm behauptet, der deutschen Sprache tatsächlich nicht oder aber nicht hinreichend mächtig ist, so kann er auch die in deutscher Sprache abgefaßte Schadensmeldung nicht anders als unter Hinzuziehung einer der deutschen Sprache hinreichend kundigen Hilfsperson ausgefüllt haben. In diesem Fall macht er sich die Angaben in dem Schadensformular aber zu eigen, auch wenn er dieses nicht selbst ausgefüllt, sondern nur unterschrieben hat (vgl. OLG Saarbrücken, VersR 2011, 1511–1515). Damit hat der Kläger als Versicherungsnehmer aber eine eigene Erklärung abgegeben. Denn der Dritte, der das Formular ausgefüllt, aber nicht unterzeichnet hat, bereitet lediglich eine Erklärung des Versicherungsnehmers vor, wenn der Versicherungsnehmer dies unterschreibt. Der Dritte gibt die Erklärung nicht selber anstelle des Versicherungsnehmers ab. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers erscheint das vom Versicherungsnehmer unterschriebene Formular als dessen Erklärung und nicht als die eines mit der Erfüllung von Obliegenheiten betrauten Dritten (BGH, VersR 1995, 281). Hinzu kommt, daß das sogenannte Sprachrisiko im rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht etwa die Beklagte, sondern den Kläger trifft, der sich hier bewußt und gewollt in einen ihm tatsächlich oder vermeintlich fremden Sprachraum begeben hat (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014 zu 5 AZR 252/12 m. w. N.). Daß die von dem Kläger tatsächlich oder vermeintlich zugezogene Hilfsperson in der Lage gewesen sein könnte, die Schadensmeldung ohne Einsichtnahme in die Fahrzeugpapiere, darunter den Kaufvertrag vom 30.08.2017, auszufüllen, ist weder dargetan noch anderweit ersichtlich und liegt zur Überzeugung des erkennenden Gerichts jenseits aller Wahrscheinlichkeit und Plausibilität.

Der Kläger handelte hiernach auch vorsätzlich. Der Kläger wußte nämlich, gegebenenfalls vermittelt durch die hinzugezogene Hilfsperson, um die Auskunftsobliegenheiten und handelte dennoch diesen zuwider. Von der Auskunftsobliegenheit und der Verpflichtung zu wahrheitsgemäßen Angaben wußte der Kläger jedenfalls auf Grund der Hinweise in der Schadensanzeige vom 30.01.2018. Dort findet sich nämlich oberhalb des Unterschriftenfeldes die vorgedruckte Versicherung, daß die vorangestellten Fragen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet worden seien. Des weiteren wird durch die Unterschrift bestätigt, daß der beigefügte Hinweis über die Rechtsfolgen bei Verletzung von Obliegenheiten vom Unterschriftsleistenden zur Kenntnis genommen worden sei.

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Der Kläger verletzte die Aufklärungsobliegenheiten auch arglistig. Mithin kann er nicht mit Erfolg einwenden, daß die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich gewesen sei.

Voraussetzung für das Vorliegen von Arglist ist neben einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums. Es muß ein Verhalten gegeben sein, das einem gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt (BGH, VersR 2009, 968). Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist nicht erforderlich. Arglist ist gegeben, wenn das Bewußtsein besteht, daß ein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, a. a. O.). Dabei gibt es allerdings keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, daß eine bewußt unrichtige Beantwortung von Fragen immer in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluß zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, daß sie bedeutungslos seien. Arglistig kann indes auch derjenige handeln, der einem anderen vorspiegelt, eine bestimmte Kenntnis von Vorgängen oder Umständen zu haben, diese Kenntnis aber in Wirklichkeit nicht hat, ebenso wie derjenige, der sich der ihm ohne weiteres möglichen und zumutbaren Erkenntnis der die Täuschung begründenden Umstände verschließt und das Fehlen derartiger Umstände blindlings erklärt. Daß ihm die Umstände tatsächlich nicht bekannt waren, ist dabei unerheblich. Das arglistige Verhalten liegt gerade darin, daß dem Erklärenden, was ihm auch bewußt war, jegliche zur sachgemäßen Beantwortung erforderliche Kenntnis fehlte und er gleichwohl diesen Umstand gegenüber dem anderen Teil verschweigt (BGH, NJW 1980, 2460; NJW 2001, 2326). Dabei genügt es, wenn der arglistig Handelnde es zumindest billigend in Kauf nimmt, daß die „ins Blaue hinein“ gemachten Angaben für den Versicherer nachteilige Auswirkungen haben können, er also dessen freie rechtsgeschäftliche Willensentscheidung unlauter beeinflußt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 06.10.2010 zu 5 U 88/10 – 16). Sowohl für das Bewußtsein der Obliegenheitsverletzung als auch der nachteiligen Auswirkung für den Versicherer genügt folglich bedingter Vorsatz, wenn Angaben „ins Blaue hinein“ erfolgen. Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung und die nachteilige Auswirkung für die Entscheidung des Versicherers zwar nicht direkt gewollt, sie sich aber immerhin als möglich vorgestellt und für den Fall ihres Vorliegens gebilligt hat. Entscheidend – in Abgrenzung zur bewußten Fahrlässigkeit – ist demnach die Inkaufnahme der als möglich erkannten Obliegenheitsverletzung. Ein solches Billigen ist anzunehmen, wenn sich der Handelnde die reale Möglichkeit des Erfolgseintritts vor Augen hält und trotzdem handelt oder wenn er die Augen vor der Möglichkeit des Erfolgseintritts verschließt, also „ins Blaue“ handelt, ohne das Risiko des Erfolgseintritts nachzuprüfen. Der Vorsatz ist dagegen dann zu verneinen, wenn der Handelnde ernsthaft darauf vertraut hat, der Erfolg werde nicht eintreten oder er werde ihn abwenden können. Hierfür ist maßgebend, wie begründet diese Hoffnung war (OLG Saarbrücken, a. a. O.).

Danach ist das Handeln des Klägers als arglistig zu werten. Denn die Fragen in dem Schadensformular dienten einerseits der Feststellung des Versicherungsfalls, mithin der Klärung der Frage, ob die Beklagte überhaupt eintrittspflichtig sei. Andererseits dienten sie ersichtlich der Klärung der Höhe der Entschädigungsleistung, also der Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes des verunfallten Kraftfahrzeugs. Zu den wertbestimmenden Faktoren gehört aber auch das Vorhandensein von Vorschäden sowie die Frage danach, ob und gegebenenfalls wie diese behoben worden seien. Der Kläger kann sich in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, fehlender oder unzureichender Kenntnisse der deutschen Sprache wegen den Inhalt der Kaufvertragsurkunde einschließlich der dort genannten Vorschäden nicht gekannt und dementsprechend nicht in der Lage gewesen zu sein, bei der Beantwortung der Fragen in dem Schadensmeldeformular eben diesen Umstand entsprechend zu berücksichtigen. Für den Fall, daß der Kläger das Schadensformular tatsächlich nicht anders als unter Zuziehung einer Hilfsperson ausgefüllt hat, liegt es zur Überzeugung des erkennenden Gerichts geradezu auf der Hand, daß er den ihn treffenden Auskunftsobliegenheiten nur dann Genüge getan haben kann, wenn er die der deutschen Sprache mächtige Hilfsperson mit entsprechenden Unterlagen ausstattete, namentlich auch mit der Kaufvertragsurkunde, anderenfalls das Ausfüllen des Formulars durch die zwar des Deutschen mächtige, aber in der Sache selbst ahnungslose Hilfsperson zur bloßen inhaltsleeren Formalität verkommen sein würde. Es ist aber gerade nicht Sinn und Zweck des Schadensmeldeformulars, daß dieses „irgendwie“ ausgefüllt werde, also „ins Blaue hinein“, sondern gerade nach bestem Wissen und Gewissen, was entsprechend den obigen Ausführungen auch die Pflicht einschließt, zwecks Meidung des Arglistvorwurfs sich entsprechendes Wissen zu verschaffen, mithin in dem hier interessierenden Zusammenhang die zugezogene Hilfsperson entsprechend zu instruieren. Denn genauso wie ein Versicherungsnehmer zwecks Meidung des Arglistvorwurfs gegebenenfalls gehalten sein kann, vor Beantwortung einer bestimmten Frage geeignete Erkundigungen einzuholen, genauso kann ihm abverlangt werden, einer bestehenden Sprachbarriere wegen hinzugezogene Hilfspersonen entsprechend zu unterrichten, etwa durch Aushändigung geeigneter Unterlagen. Daß der Kläger Entsprechendes vorliegend verabsäumt hat, trägt nunmehr den Vorwurf des arglistigen Verhaltens. Auf Grund des anzunehmenden arglistigen Handelns des Klägers kommt es aber nicht mehr darauf an, ob eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dann nicht schadet, wenn diese weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für den Umfang der vom Versicherer geschuldeten Leistung ursächlich (gewesen oder noch ursächlich) ist (§ 28 Abs. 3 Satz 2 VVG).

War die Klage nach allem allein wegen einer arglistig begangenen Obliegenheitsverletzung abzuweisen, kam es auf die Frage, ob der streitgegenständliche PKW im Anschluß an den Unfall vom 10.02.2017 entsprechend den Vorgaben in dem Gutachten vom 23.02.2017 sach- und fachgerecht repariert worden ist, entscheidungserheblich nicht an. Ohnehin ist das angerufene Gericht insoweit aber der Auffassung, daß es für die vom Kläger insoweit behauptete sach- und fachgerechte Wiederinstandsetzung des PKW im Anschluß an den Unfall vom 10.02.2017 an einem tauglichen Beweisantritt des Klägers fehlt. Die sach- und fachgerechte Reparatur in das Wissen des Zeugen N. I. zu stellen, dürfte vor dem Hintergrund der Komplexität des in dem Gutachten vom 23.02.2017 aufgezeigten Reparaturweges untunlich sein und letztlich auf eine zivilprozessual unzulässige Ausforschung hinauslaufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Der Streitwert wird endgültig auf 11.990,81 EUR festgesetzt. Das Feststellungsverlangen bewertet das Gericht nach billigem Ermessen (§ 3 ZPO) mit zehn vom Hundert des Zahlungsverlangens, wobei die vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sich nicht streitwerterhöhend auswirken (§ 4 ZPO).

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