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Kauf eines Reitpferdes – Sittenwidrigkeit

OLG München – Az.: 24 U 1680/19 – Urteil vom 04.02.2020

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 01.03.2019, Az. 25 O 223/18, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil ist ebenso wie das in Nr. I genannte Endurteil des Landgerichts Memmingen ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des von ihr für den Trakehnerwallach „K. …1“ gezahlten Kaufpreises in Höhe von 45.000,00 € sowie die Erstattung von auf das Pferd getätigten Aufwendungen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Pferdes. Sie ist der Auffassung, der Kaufvertrag, bezüglich dessen sie zudem die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erklärt hat, sei als wucherähnliches Geschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Durch das den Klägervertretern am 07.03.2019 zugestellte Endurteil vom 01.03.2019 (Bl. 144/155 d. A.), auf das hinsichtlich des streitgegenständlichen Sachverhalts, der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen und des Inhalts der Entscheidung im Einzelnen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Memmingen die Klage abgewiesen. Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft liege nicht vor, da der Marktwert des von der Klägerin erworbenen Pferdes ausweislich des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. P. 22.516,66 € und damit etwas mehr als die Hälfte des gezahlten Kaufpreises in Höhe von 45.000,00 € betrage; eine Täuschung der Klägerin durch die Beklagten sei nicht erfolgt.

Mit ihrer am 08.04.2019, einem Montag, eingelegten und nach gewährter Fristverlängerung bis zum 07.06.2019 mit am 04.06.2019 eingegangenem Schriftsatz begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, das Landgericht

– habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, da für die Klägerin zu keiner Zeit erkennbar gewesen sei, dass das Landgericht – unter Anmaßung eigener Sachkunde – den Verkehrswert des streitgegenständlichen Pferdes mit 22.516,66 € statt, wie im Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen ausgeführt, mit 22.400,00 € bemessen würde;

– hätte die von der Klägerin beauftragte Privatgutachterin F. anhören müssen, die einen Verkehrswert des Pferdes von lediglich 8.000,00 € bis 9.000,00 € ermittelt habe;

– hätte die frühere Reitlehrerin der Klägerin, K. M., zu der Behauptung vernehmen müssen, diese habe von der Beklagtenseite eine Verkaufsprovision erhalten.

Zur Ergänzung wird hinsichtlich des Berufungsvortrags der Klägerin auf die Berufungsbegründung (Bl. 184/193 d. A.) sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 14.01.2020 (Bl. 208/215 d. A.) verwiesen. Nach Schluss der Berufungsverhandlung ging am 20.01.2020 ein (nicht nachgelassener) Schriftsatz des Klägervertreters (Bl. 216/218 d. A.) ein.

Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz:

Das Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 01.03.2019, Aktenzeichen: 25 O 223/18, wird abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 58.805,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des dunkelbraunen Trakehner Wallach „K. …1“ Lebensnummer …10, sowie Schadensersatz für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.11.2017 zu bezahlen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des vorgenannten Pferdes „K. …1“ in Annahmeverzug befinden.

Hilfsweise: Der Rechtsstreit wird an eine andere Kammer des Landgerichts Memmingen zur Fortsetzung der Beweisaufnahme und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Vortrags der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 196/202 d. A.) sowie auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 14.01.2020 (Bl. 208/215 d. A.) verwiesen.

Der Senat hat mit den Parteien am 14.01.2020 mündlich verhandelt und dabei die von der Klägerin benannte Zeugin K. M. einvernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll (Bl. 208/215 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Kauf eines Reitpferdes - Sittenwidrigkeit
(Symbolfoto: Konstantin Litvinov/Shutterstock.com)

1. Nach Auffassung des Senats ist der streitgegenständliche Kaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 2) zustande gekommen, so dass die Klage gegen den Beklagten zu 1) bereits mangels dessen Passivlegitimation zu Recht abgewiesen wurde.

a) Dafür, dass der Beklagte zu 2) der Verkäufer des Pferdes ist, spricht aus Sicht des Senats entscheidend, dass dieser in der auch von der Klägerin unterzeichneten Vertragsurkunde vom 20.08.2016 (Anlage K 1, nochmals vorgelegt in besserer Kopierqualität in Anlage zu Bl. 44/48 d. A.) als Verkäufer eingetragen ist und der Beklagte zu 1) den Vertrag auf Verkäuferseite mit dem Zusatz „I. A.“ unterzeichnet hat.

b) Dass der Beklagte zu 1) im 2010 ausgestellten „Pferdepass“ (Anlage K 2) als „Züchter“ und „Besitzer“ sowie in der „Eigentumsurkunde“ vom 11.11.2010 (Anlage K 3) als „Züchter“ eingetragen ist, besagt für die Frage, wer den am 20.08.2016 abgeschlossenen Kaufvertrag auf Verkäuferseite abgeschlossen hat, hingegen nichts. Auch der Umstand, dass der Beklagte zu 1) frühestens nach Erhalt des Restkaufpreises durch Überweisung am 18.01.2017 die als Anlage K 9 vorgelegte Bescheinigung für die Verkäuferseite ohne den Zusatz „I. A.“ unterzeichnete, belegt nicht, dass der bereits zuvor geschlossene Kaufvertrag – entgegen dessen ausdrücklichen Parteibezeichnungen – vom Beklagten zu 1) abgeschlossen worden wäre. Der Umstand, dass die beiden Tranchen der Kaufpreiszahlung von der Klägerin an den Beklagten zu 1) geleistet worden sind, mag indiziell dafür sprechen, dass dieser sich jedenfalls als eigentlicher Verkäufer geriert hat; in Anbetracht der dazu von den Beklagten in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 (S. 5 f. des Protokolls, Bl. 134 f. d. A.) abgegebenen Erklärungen spricht aber auch dieser Umstand nicht zwingend dafür, dass der Verkäufer in der Kaufvertragsurkunde falsch bezeichnet worden wäre.

c) Letztlich ist die Frage, ob der Beklagte zu 1) oder der Beklagte zu 2) als Verkäufer anzusehen ist, aber gar nicht relevant. In jedem Fall wurden die wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen vollständig erfüllt, wobei gegebenenfalls die Vorschriften des § 267 Abs. 1 BGB sowie des § 362 Abs. 2 i. V. m. § 185 BGB zum Tragen gekommen sind. Sähe man, anders als der Senat, den Beklagten zu 1) als Verkäufer an, wäre die Berufung mangels Passivlegitimation insoweit zurückzuweisen gewesen, als sie sich gegen die Klageabweisung hinsichtlich des Beklagten zu 2) richtete; die folgenden Ausführungen bezögen sich dann nicht auf den Beklagten zu 2), sondern auf den Beklagten zu 1).

2. Das Landgericht hat auch die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises, da der streitgegenständliche Kaufvertrag einen gültigen rechtlichen Grund für die geleistete Kaufpreiszahlung darstellt. Der Kaufvertrag war weder gemäß § 138 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig (siehe sogleich zu Doppelbuchst. aa), noch ist er durch Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend vernichtet worden (siehe dazu zu Doppelbuchst. bb).

b) Der streitgegenständliche Kaufvertrag war nicht von Anfang an wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) nichtig.

(aa) Nach dem in § 311 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Privatautonomie sind die Parteien eines Vertrages grundsätzlich frei darin, die Vertragsbedingungen auszuhandeln, auf die sie sich schließlich verständigen.

(bb) Die Vertragsfreiheit ist jedoch nicht grenzenlos gewährt; vielmehr ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Dies betrifft gemäß § 138 Abs. 2 BGB insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

(cc) Dass die Klägerin unter einem solch schwerwiegenden Defekt im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB litte, ist weder ersichtlich, noch wurde dies geltend gemacht (vgl. die Reaktion des Klägervertreters im Schriftsatz vom 30.05.2018, Bl. 44/48 d. A., auf den gerichtlichen Hinweis vom 15.05.2018, Bl. 42 d. A.).

(dd) Nichtig gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist allerdings auch ein sogenanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft. Ein solches liegt nach einer Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.01.2001 (V ZR 437/99 – juris Rn. 11) vor,

„wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzu kommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat.“

Eine solche auf einen Defekt des anderen Vertragspartners bezogene verwerfliche Gesinnung ist zu vermuten, wenn das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob ist, was bei Grundstücksgeschäften bereits dann der Fall ist, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, a. a. O., juris Rn. 12).

Diese Vermutung kommt allerdings dann nicht zum Tragen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (BGH, a. a. O., juris Rn. 17). Dem Bundesgerichtshof (a. a. O., juris Rn. 18) zufolge

„ist etwa denkbar, dass den Vertragsparteien das Wertverhältnis der beiderseitigen Leistungen völlig gleichgültig war, weil der wirtschaftlich außergewöhnlich gut gestellte Erwerber ein Grundstück ohnehin erwerben wollte. Weiter kommen besondere Motive oder ein Affektionsinteresse in Betracht. Auch solche Umstände spielen für die Feststellung eines krassen Äquivalenz-Missverhältnisses keine Rolle, erlangen aber für die Prüfung der subjektiven Seite der Sittenwidrigkeit Bedeutung […]“.

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Diese Grundsätze gelten, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.12.2002 (VIII ZR 123/02 – juris Rn. 13 ff.) entschieden hat, auch bei Kaufverträgen über Reitpferde.

(ee) Bei Anlegung dieser Maßstäbe auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass der streitgegenständliche Kaufvertrag nicht als wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist.

(ff) Allerdings geht der Senat davon aus, dass ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung vorliegt.

Der Senat legt auf der Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen Dr. P. vom 01.10.2018 (Seite 15, Bl. 94 d. A.) einen Verkehrswert des streitgegenständlichen Pferdes in Höhe von 22.400,00 € zugrunde. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Beklagtenseite an der der Wertfindung des Sachverständigen zugrunde liegenden Methodik beachtliche Kritik geübt hat (vgl. den Schriftsatz vom 16.10.2018, Bl. 100/104 d. A.). Es erscheint dem Senat andererseits jedoch fraglich, ob es einem anderen Sachverständigen überhaupt möglich wäre, auf einer hinreichend breiten Datengrundlage zu einer verlässlicheren Bestimmung des Verkehrswertes des streitgegenständlichen Pferdes im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses zu gelangen. Der Klägervertreter hat am Ende der Berufungsverhandlung (Seite 7 des Protokolls, Bl. 214 d. A.) erklärt, den vom Sachverständigen Dr. P. genannten Verkehrswert in Höhe von 22.400,00 € zu akzeptieren. Damit ist zwischen den Parteien jedenfalls unstreitig, dass der Verkehrswert des streitgegenständlichen Pferdes bei Abschluss des Kaufvertrages nicht unter diesem Betrag lag. Der Senat geht ferner, wie bereits das Landgericht, zugunsten der Klägerin davon aus, dass der Kaufpreis 45.000,00 € betragen hat und nicht durch die vollständig oder teilweise von der Beklagtenseite getragenen Kosten der Ankaufsuntersuchung gemindert wurde. Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass der Kaufpreis 2,009 mal so hoch war wie der Verkehrswert des Pferdes.

(gg) Damit ist nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu vermuten, dass der Beklagte zu 2) sich in verwerflicher Gesinnung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich die Klägerin nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für sie ungünstigen Vertrag eingelassen hat.

(hh) Diese Vermutung ist jedoch erschüttert, da – anders als in dem dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.12.2002 (VIII ZR 123/02 – juris) zugrundeliegenden Fall – festzustellen ist, dass die Klägerin ihren Kaufentschluss aufgrund eines besonders starken Affektionsinteresses gerade an dem gekauften Pferd getroffen hat.

(aaa) Mit Schriftsatz vom 11.06.2018 (Seite 3, Bl. 51 d. A.) hat die Beklagtenseite vorgetragen, die Klägerin habe vor ihrem Kaufentschluss drei andere Pferde ausprobiert, die nicht ihr Wohlwollen gefunden hätten; danach habe man das schließlich gekaufte streitgegenständliche Pferd gesehen. Im Rahmen der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 06.02.2019 (Seite 6 des Protokolls, Bl. 135 d. A.) erklärte der Beklagte zu 1) ebenso, dass sich die Klägerin insgesamt vier Pferde bei ihm angeschaut habe, bevor sie sich dann letztlich für das streitgegenständliche entschieden habe. Die Klägerin bestätigte in derselben Verhandlung (Seite 7 des Protokolls, Bl. 136 d. A.) diesen Vortrag und erklärte: „Es war dann so, dass mir das Pferd K. am besten gefallen hat. Dieser hat mir von der äußeren Erscheinung her am besten zugesagt.“ Damit war, worauf das Landgericht im angegriffenen Urteil (Seite 9, Bl. 152 d. A.) zutreffend hingewiesen hat, bereits im erstinstanzlichen Verfahren erkennbar, dass die Klägerin ein besonderes Affektionsinteresse daran hatte, gerade das streitgegenständliche und nicht ein anderes Pferd zu erwerben.

(bbb) Dieses auch von der Beklagtenvertreterin in der Berufungsverhandlung vom 14.01.2020 (Seite 3 des Protokolls, Bl. 210 d. A.) noch einmal vorgetragene Affektionsinteresse der Klägerin an dem streitgegenständlichen Pferd wurde in der Berufungsverhandlung, vor allem durch die Einvernahme der Zeugin M., eindrucksvoll bestätigt. Der Klägervertreter erklärte am Ende der Berufungsverhandlung (Seite 7 des Protokolls, Bl. 214 d. A.), es werde nicht bestritten, „dass die Klägerin ein Affektionsinteresse an dem Pferd hatte und sich in das Pferd verliebt hatte“. Die Klägerin selbst erklärte – insoweit nicht protokolliert, dem Senat aber noch erinnerlich – mit Bezug auf das streitgegenständliche Pferd: „Wenn man das sieht – das ist ein Traum!“.

Besonders deutlich wurde das überaus starke Interesse der Klägerin gerade an dem streitgegenständlichen Pferd durch die Aussage der vom Senat einvernommenen Zeugin M., der früheren Reitlehrerin der Klägerin, die den streitgegenständlichen Kaufvertrag vermittelt hatte. Auch sie erklärte zunächst – in Übereinstimmung mit dem Vortrag beider Parteien -, dass sich die Klägerin zuerst insgesamt drei andere Pferde angeschaut habe, die ihr aber nicht zugesagt hätten. Im Anschluss daran erklärte die Zeugin (Seite 3 des Protokolls, Bl. 210 d. A.): „Sie sah dann den streitgegenständlichen Trakehnerwallach und hat sich in ihn verliebt.“ Dabei hätten die Beklagten dieses Pferd ursprünglich gar nicht an die Klägerin verkaufen wollen, da es andere Interessenten gegeben habe, bei denen die Entwicklung des Pferdes besser gesichert gewesen wäre. Am Ende jedoch „wollte die Klägerin unbedingt dieses Pferd haben“ (Seite 4 des Protokolls, Bl. 211 d. A.). Wörtlich erklärte die Zeugin – insoweit nicht protokolliert, dem Senat aber noch erinnerlich -: „Es musste dieses Pferd sein!“. Sie, die Zeugin, habe sich dann persönlich dafür eingesetzt, dass das streitgegenständliche Pferd an die Klägerin verkauft werde, obwohl die Zeugin ihr zu einem anderen Pferd geraten habe, „das der Klägerin aber zu klein erschien. Die Klägerin wollte unbedingt das streitgegenständliche Pferd erwerben. Herr J. wollte es ihr anfangs gar nicht verkaufen. Ich habe mich dann dafür eingesetzt, dass die Klägerin dieses Pferd bekommt, weil sie es unbedingt wollte […] Ausgangspunkt war wie gesagt, dass die Klägerin das Pferd unbedingt haben wollte, nicht dass ich ihr dazu geraten hätte“ (Seite 5 des Protokolls, Bl. 212 d. A.).

Die Aussagen der Zeugin M. waren glaubhaft, vor allem nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei. Dies gilt auch für ihre Aussage, dass sie die Vermittlung eines Pferdes an die Klägerin aus der damaligen Freundschaft zu ihr heraus unternommen habe. Die Zeugin ist aus Sicht des Senats auch glaubwürdig. Es war ihr erkennbar daran gelegen, so detailliert wie möglich die damaligen Abläufe und ihre Rolle bei der Vermittlung des Kaufvertrages zu erklären. Dass die Zeugin sich von der Vernehmungssituation teilweise emotional herausgefordert sah, ist in Anbetracht des von ihr geschilderten Sachverhalts – Überwinden eines Widerstands auf der Beklagtenseite gegen den Verkauf des Pferdes an die Klägerin, die später die Beklagten wegen eben dieses Pferdeverkaufs verklagt – ebenso wie angesichts der Behauptung der Klägerin, die Zeugin habe für die Vermittlung des Kaufs von den Beklagten eine nicht offengelegte Provision erhalten, durchaus nachvollziehbar und verständlich. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht insoweit auch, dass sie, nachdem der Klägervertreter sie gefragt hat, ob sie die Verneinung einer finanziellen Vergütung durch die Beklagten auch beeiden würde, ausgesagt hat, dass sie von den Beklagten zwei Flaschen Wein erhalten habe. Der Senat hat unter dem Eindruck der Einvernahme der Zeugin keinerlei Anlass, an der Wahrheit ihrer Aussagen zu zweifeln.

Ohne dass dies entscheidend wäre, kommt hinzu, dass die Zeugin erklärt hat, der Sohn der Klägerin habe ihr im Januar 2017 geschrieben, er sei schulisch stark belastet; er und seine Mutter kämen höchstens zweimal im Monat dazu, K. zu reiten. Vor diesem Hintergrund könne man daran denken, das Pferd an Herrn J. zurückzugeben und diesem die Kaufpreisanzahlung (in Höhe von 20.000,00 €) zu belassen. Diese Aussage belegte die Zeugin durch Vorlage der entsprechenden WhatsApp Nachricht (vgl. Seite 5 des Protokolls der Berufungsverhandlung, Bl. 212 d. A.), aus der sich – insoweit nicht protokolliert, dem Senat aber noch erinnerlich – wie von der Zeugin berichtet ergab, dass der Sohn der Klägerin daran dachte, der Verkäuferseite nach Rückgabe des Pferdes die Anzahlung zu belassen. Dieser von der Zeugin glaubhaft geschilderte und belegte Sachverhalt legt – über das oben dargelegte besonders starke Affektionsinteresse der Klägerin gerade an dem streitgegenständlichen Pferd – nahe, dass die Klägerin ohne Rücksicht auf den Kaufpreis ein für ihre und die Zwecke ihres Sohnes nicht geeignetes (zu hochwertiges) Pferd gekauft hat, was sie im Nachhinein bereut.

c) Der streitgegenständliche Kaufvertrag ist auch nicht durch die klägerischen Anfechtungserklärungen vom 25.07.2017 (Anlage K 11 = Anlage K 21) und vom 30.10.2017 (Anlage K 12) rückwirkend gemäß § 142 Abs. 1 BGB vernichtet worden, so dass die Klägerin auch aus diesem Gesichtspunkt heraus den von ihr gezahlten Kaufpreis nicht gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 BGB zurückfordern kann. Der Klägervertreter hat zwar zutreffend auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 26.07.2017 (20 U 53/16 – BeckRS 2017, 129633) hingewiesen, wonach eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 Alternative 1 BGB) möglich ist, wenn der Käufer (auch im dortigen Fall eines Pferdes), bevor er eine Vermögensdisposition trifft, über Zahlungen an Personen, die ihn bei seiner Entscheidung über den Abschluss des Rechtsgeschäfts beraten haben, nicht informiert worden ist.

Der Klägerin ist es jedoch nicht gelungen zu beweisen, dass die Zeugin M. eine solche Provisionszahlung von den Beklagten erhalten hätte. Wie oben ausgeführt, hat die aus Sicht des Senats glaubwürdige Zeugin vielmehr erklärt, von den Beklagten lediglich zwei Flaschen Wein erhalten zu haben, worin aus Sicht des Senats keine substantielle Provisionszahlung in Naturalform, sondern – mit Blick auf die Bemühungen der Zeugin im Rahmen des Vertragsabschlusses – eine Pflicht- und Anstandsschenkung (vgl. § 534 BGB) liegt. An dieser Auffassung hält der Senat auch in Anbetracht des (nicht nachgelassenen) Schriftsatz des Klägervertreters vom 20.01.2020 (Seiten 1 f., Bl. 216 f. d. A.) fest. Zwar ist es abstrakt richtig, dass „der Wert, einer Flasche Wein’ […] bekanntlich, nach oben offen’ ist und sich von, ein paar Euro’ bis durchaus auch in den Bereich von einigen Tausend Euro pro Flasche bewegen kann“. Es liegen jedoch weder irgendwelche Anhaltspunkte noch irgendwelcher Vortrag dazu vor, dass die beiden von der Zeugin M. erwähnten Flaschen Wein einen substantiellen Wert gehabt hätten. Der Senat hatte den Eindruck, dass der Zeugin der Empfang der beiden Weinflaschen zunächst tatsächlich nicht mehr präsent war und sie sich diesen erst auf die Frage des Klägervertreters hin, ob sie ihre Aussage, keine Provision erhalten zu haben, auch beeiden würde, in Erinnerung rief. Dies spricht dagegen, dass es sich um besonders wertvollen Wein gehandelt hätte. Vor allem aber hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung, obwohl sie ohne Weiteres die Gelegenheit dazu gehabt hätte, nicht einmal behauptet, dass die Weinflaschen, deren Erhalt die Zeugin angab, einen substantiellen Wert gehabt hätten. Vor diesem Hintergrund fehlt jede Grundlage, einen solchen Wert anzunehmen.

Andere Umstände, über welche die Beklagten die Klägerin hätten täuschen können, sind nicht ersichtlich. Der körperliche Zustand des Pferdes lag aufgrund der Ankaufsuntersuchung offen zu Tage; eine Täuschung der Klägerin durch die Beklagten über andere wertbildende Faktoren hinsichtlich des streitgegenständlichen Pferdes ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

d) Da der streitgegenständliche Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist und Bestand hat, kommt auch kein auf das negative Vertragsinteresse gerichteter Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB auf Ersatz der auf das Pferd getätigten Aufwendungen (s. dazu Ellenberger in Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, § 138 Rn. 22) in Betracht.

3. Der nicht nachgelassene klägerische Schriftsatz vom 20.01.2020 (Bl. 216/218 d. A.) gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO normierten Zulassungsgründe vorliegt.

 

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