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Schadensersatz aufgrund eines streitigen Verkehrsunfalls

LG Essen – Az.: 4 O 113/18 – Urteil vom 03.02.2020

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 9.330.78 EUR nebst Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2018 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger im Verhältnis zum Rechtsanwalt G von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR freizustellen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagten zu 90 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Dem Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Streitwert: bis zum 05.09.2019 10.381,69 EUR

danach 9.330,78 EUR

Tatbestand

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz aufgrund eines – streitigen – Verkehrsunfalls vom … auf der O-straße in H.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.01.2018 forderte der Kläger die Beklagte zu 2 zum Ersatz des ihm aufgrund des (angeblichen) Unfalls entstandenen Schadens bis zum 17.02.2018 auf. Für dieses Schreiben entstanden Anwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR.

Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer und Halter des Fahrzeugs Q mit dem amtlichen Kennzeichen …. Er habe das Fahrzeug am 26.07.2017 von der Fa. B in B1 zu einem Preis von 27.013 EUR erworben und den Kaufpreis am 24.07.2017 per Überweisung an die genannte Firma gezahlt. Er legt hierfür die Abschrift einer Rechnung der Firma vom 26.07.2017 sowie den Ausdruck einer Online-Überweisung vom 24.07.2017 vor.

Der Kläger behauptet weiter, der Unfall habe sich wie folgt ereignet. Sein Bruder, der Zeuge T, habe mit seinem Fahrzeug am … gegen … Uhr die O-straße befahren. In Höhe der Hausnummer … habe am rechten Fahrbahnrand die Beklagte zu 1 mit ihrem – unstreitig – bei der Beklagten zu 2 versicherten Fahrzeug, einem D mit dem amtlichen Kennzeichen …, geparkt. Als sich das klägerische Fahrzeug etwa auf gleicher Höhe wie das Fahrzeug der Beklagten zu 1 befunden habe, sei diese vom Fahrbahnrand nach links angefahren und es sei zu einer streifigen Kollision der Fahrzeuge gekommen.

Infolge des Unfalls sei ihm ein Schaden entstanden, der aufgrund eines Gutachtens wie folgt zu beziffern sei:

  • Reparaturkosten (netto): 9.267,04 EUR
  • Kosten der Begutachtung: 689,65 EUR
  • Wertminderung: 400 EUR
  • Kostenpauschale: 25 EUR
  • Summe: 10.381,69 EUR

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 10.381,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2018 zu zahlen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn im Verhältnis zum Rechtsanwalt G von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 EUR freizustellen.

Nach Erstattung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens hat der Kläger die Klage in Höhe von 1.050,91 EUR mit Zustimmung der auch als Streithelferin der Beklagten zu 1 handelnden Beklagten zu 2 zurückgenommen und beantragt nunmehr

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.330,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2018 zu zahlen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn im Verhältnis zum Rechtsanwalt G von Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR freizustellen.

Die Beklagte zu 2 beantragt, auch als Streithelferin der Beklagten zu 1, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2 trägt, auch als Streithelferin der Beklagten zu 1, wie folgt vor:

Sie bestreitet, dass der Kläger Eigentümer des – angeblich – in den Unfall verwickelten Q sei.

Sie behauptet, wenn das Unfallgeschehen überhaupt stattgefunden hätte, sei jedenfalls von einem manipulierten Unfallgeschehen im Einverständnis beider Unfallbeteiligten auszugehen. Das ergebe sich – im Wesentlichen – jedenfalls aufgrund folgender Indizien:

  • es wäre andernfalls ein sehr ungewöhnlicher Unfallhergang mit einem ungewöhnlichen Maß an Unaufmerksamkeit anzunehmen;
  • es handle sich um Unfallgeschehen an unkritischer Örtlichkeit mit geringem Verletzungsrisiko;
  • das schädigende Fahrzeug sei wirtschaftlich wertlos;
  • das geschädigte Fahrzeug sei ein altes, aber hochwertiges Fahrzeug, so dass hohe Reparaturkosten fiktiv abgerechnet würden;
  • das Fahrzeug weise – verschwiegene – Vorschäden im Schadensbereich auf;
  • die Beklagte zu 1 gebe als Motiv an, dass sie „zu T1 gewollt“ habe; es gebe aber in E sowie in H1 jeweils eine weitere T1-Filiale, die vom Wohnort der Beklagten zu 1 aus schneller zu erreichen sei;
  • die Beklagte zu 1 habe angegeben, dass sie mit ihrem „relativ großen Fahrzeug“ nicht gerne in Parkhäusern parke; es handle sich aber bei dem D um ein Kleinfahrzeug;
  • unbeteiligte Zeugen seien nicht vorhanden; der angeblich anwesende Ehemann der Beklagten zu 1 werde nicht benannt;
  • die Beklagte zu 1 habe das Fahrzeug des Klägers angeblich nicht gesehen, wisse aber, dass es Licht eingeschaltet gehabt habe;
  • der Sachverständige nehme einen aus der übrigen Beweisaufnahme nicht gedeckten Sachverhalt an;
  • der Umstand, dass die Polizei herbeigerufen worden sei, stelle sich als das „klassische Feigenblatt“ dar;
  • die Nachbesichtigung des Klägerfahrzeugs sei verweigert worden;
  • das Beklagtenfahrzeug sei unmittelbar nach dem Unfall verschwunden;
  • das Verhalten der Beklagten zu 1 lasse nur den Schluss zu, dass sie eine Aufklärung habe verhindern wollen, indem sie Fragen der Beklagten zu 2 unbeantwortet gelassen habe und zum Verbleib des Fahrzeugs keine Angaben gemacht habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen T und I und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Anhörung des Gutachters. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 29.10.2018 und vom 13.01.2020 sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen X vom 11.07.2019 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht der – zuletzt noch – geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG i.V.m. § 1 PflVG gegen die Beklagten zu.

Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger, wie von ihm vorgetragen, Eigentümer des unfallbeteiligten Q ist. Er hat substantiiert vorgetragen, dass er das Fahrzeug von der Fa. B erworben und bezahlt habe, und hat diesen Vortrag durch aussagekräftige Unterlagen plausibel gemacht. Demgegenüber genügt das einfache Bestreiten der Aktivlegitimation durch die Beklagte zu 2 nicht. Vielmehr hätte sie die von ihr gehegten Zweifel an der Richtigkeit der Unterlagen und des konkreten Vortrags des Klägers genauer erläutern müssen.

Im Übrigen hat der Kläger aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO bewiesen, dass sich das Unfallgeschehen wie von ihm geschildert auf der O-straße in H dergestalt ereignet hat, dass die Beklagte zu 1 beim Ausparken mit ihrem Fahrzeug gegen das vorbeifahrende Fahrzeug des Klägers gestoßen ist und es zu einem Streifkontakt gekommen ist.

Für die richterliche Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit erforderlich. Dieser ist aufgrund der vernommenen Zeugen T und I sowie der in der persönlichen Anhörung von der Beklagten zu 1 gemachten Angaben und insbesondere aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen X sicher erreicht.

Der Zeuge I hat als zum Unfallort herbeigerufener Polizeibeamter geschildert, dass er das Unfallgeschehen als ein für ihn alltägliches Unfallgeschehen aufgrund Unaufmerksamkeit beim Ausparken wahrgenommen habe. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass die Unfallbeteiligten sich gekannt hätten. Die Kammer hat auch vor dem Hintergrund, dass der erkennende Dezernent die Vernehmung nicht persönlich durchgeführt hat, keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Der Zeuge hat, wie sich aus dem Protokoll ergibt, plausibel angegeben, dass er nach erneuter Durchsicht der von ihm gefertigten Unfallmitteilung eine vage Erinnerung an das Geschehen gehabt habe, was auch angesichts des Zeitablaufs zwischen Unfall (Januar 2018) und Vernehmung (Oktober 2018) nicht unglaubhaft erscheint. Der Zeuge hat insbesondere nicht in ungewöhnlicher Weise Einzelheiten erinnern wollen.

Im Übrigen haben der Zeuge T und die Beklagte zu 1 ausweislich ihrer protokollierten Angaben das Unfallgeschehen im Wesentlichen übereinstimmend und plausibel geschildert. Die Kammer hatte auch im Hinblick auf diese beiden Aussagepersonen keine Veranlassung, eine erneute Vernehmung gemäß § 398 Abs. 1 ZPO durchzuführen. Dabei ist die Kammer maßgeblich davon ausgegangen, dass das von dem Zeugen und der Beklagten zu 1 geschilderte Unfallgeschehen in hinreichenden Zügen von dem gerichtlichen Sachverständigen bestätigt worden. Zwar gibt es in Einzelheiten Abweichungen zwischen den Angaben, insbesondere der Beklagten zu 1, und den Feststellungen des Sachverständigen – so hat die Beklagte zu 1 etwa geschildert, der Zusammenstoß sei erfolgt, als sie in einem Winkel von 45° zur Straße gestanden habe, während der Sachverständige aufgrund der von ihm anhand von Lichtbildern geprüften Schäden an dem Klägerfahrzeug einen Kollisionswinkel von 5° festgestellt hat. Das ist für die Kammer jedoch ohne weiteres damit erklärbar, dass – ähnlich wie Zeit- und Entfernungsangaben – auch Winkelangaben von Zeugen, die – wie hier anzunehmen ist – mit solchen Einschätzungen nicht vertraut sind, kaum verlässlich gemacht werden können. Jedenfalls hat der Sachverständige anhand der Lichtbilder des klägerischen Fahrzeugs im beschädigten Zustand und aufgrund des ihm zur Verfügung gestellten Akteninhalts samt Angaben der Zeugen und der Beklagten zu 1 nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Unfallschilderung des Klägers aus unfallanalytischer Sicht grundsätzlich nachvollzogen werden könne und dass es nicht nachzuweisen sei, dass es sich um ein freiwilliges, abgesprochenes Ereignis gehandelt habe. Der Sachverständige hat dabei sowohl anhand von Bildern und Skizzen dargestellt, welche Schäden an dem Klägerfahrzeug auf eine Kollision mit einem D zurückgeführt werden könnten, und anhand von Skizzen und Weg-Zeit-Berechnungen erläutert, auf welche Weise die Kollision abgelaufen sein dürfte. Der Sachverständige hat sein Gutachten dabei auch gut verständlich und nachvollziehbar in seiner mündlichen Anhörung erläutert, wobei er im Rahmen dieser Anhörung auf die Einwände der Beklagten zu 2 im Einzelnen eingegangen ist und diese überzeugend behandelt hat. Insbesondere hat der Sachverständige auf die Unsicherheiten bei den Anknüpfungstatsachen hingewiesen. So habe er insbesondere nicht gewusst, wo das Klägerfahrzeug nach dem Anstoß zum Stehen gekommen sei; auch habe ihm keines der Fahrzeuge konkret zur Besichtigung zur Verfügung gestanden; von dem Beklagtenfahrzeug habe er nicht einmal Lichtbilder gehabt. Gleichwohl passt die technische Beschreibung des anhand der Schäden am Klägerfahrzeug anzunehmenden Unfallgeschehens ohne weiteres plausibel zu der Darstellung der Unfallbeteiligten. Soweit schließlich die Beklagte zu 2 auf (angeblich) unglaubhafte Wendungen in den Angaben der Beklagten zu 1 hinweist – so hat die Beklagte zu 1 einerseits angegeben, das Fahrzeug des Klägers „nicht gesehen“ zu haben, andererseits habe es das Licht eingeschaltet gehabt -, handelt es sich bei genauem Hinsehen nicht um solch unglaubhafte Angaben, dass die Aussage insgesamt in Frage gestellt werden muss. Dem Gericht ist es einsichtig, wenn die Beklagte zu 1 angibt, das Klägerfahrzeug vor der Kollision trotz Schulterblicks nicht gesehen, jedenfalls nicht bewusst wahrgenommen zu haben – andernfalls wäre es womöglich gar nicht zu dem Zusammenstoß gekommen. Darin liegt eben die einem solchen Unfallgeschehen zugrunde liegende Unaufmerksamkeit. Im Übrigen kann sie ohne weiteres unmittelbar nach der – sicher wahrgenommenen Kollision – bemerkt haben, dass das Klägerfahrzeug Licht eingeschaltet hat. Eben diese Kollision ist auch der von der Beklagten zu 2 vermisste nachvollziehbare Grund, warum die Beklagte zu 1 – obwohl sie das Klägerfahrzeug nicht gesehen haben will – sofort wieder gebremst hat. Insgesamt ist die Kammer von dem Unfallgeschehen, wie in der Klageschrift geschildert, überzeugt.

Die Beklagte zu 2 kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sich aus den – von ihr im Einzelnen angeführten – Indizien eine Unfallmanipulation ergebe. Die Kammer geht zwar in Übereinstimmung mit der Beklagten zu 2 im Ausgangspunkt davon aus, dass sich der Nachweis einer Unfallmanipulation aufgrund eines Schlusses aus einer ungewöhnlichen Häufung von manipulationstypischen Indizien führen lässt. Die im Raum stehenden Indizien reichen aber weder je für sich noch in einer Gesamtschau betrachtet aus, um der Kammer die Überzeugung zu vermitteln, dass das Unfallgeschehen zwischen dem Kläger bzw. dem Zeugen T und der Beklagten zu 1 abgesprochen worden ist. Ein Großteil der von der Beklagten zu 2 angeführten Indizien stellt sich für sich betrachtet als kaum belastbar im Sinne eines Indizienbeweises dar. So nimmt die Beklagte zu 2 an, es müsse sich um einen ungewöhnlichen Unfallhergang mit einem ungewöhnlichen Maß an Unaufmerksamkeit gehandelt. Das trifft nicht zu. Es liegt schlicht ein Zusammenstoß von Fahrzeugen bei einem Ausparkvorgang vor, bei dem die ausparkende Beklagte zu 1 entweder nicht richtig geschaut hat oder sonst abgelenkt war. Das ist nicht ungewöhnlich, sondern der normale Ablauf solcher Unfälle. Im Übrigen kann nicht gesagt werden, dass eine unkritische Unfallörtlichkeit vorliegt; vielmehr handelt es sich bei der O-straße, wie insbesondere aus dem Gutachten ersichtlich geworden ist, aber auch von allen Beteiligten angegeben wurde, um eine enge Straße, möglicherweise eine Einbahnstraße, die – bei benutztem Parkstreifen auf einer Seite – gerade Platz für eine Fahrtrichtung beinhaltet. Das angeführte geringe Verletzungsrisiko ist solchen Unfällen schlicht immanent. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass die Einlassung der Beklagten zu 1, sie habe zu T1 gewollt und deshalb an der gegebenen Stelle geparkt, unplausibel sei, vermag die Kammer es nicht für unplausibel halten, wenn man in der Nähe des Geschäfts, dass man besucht, parkt. Dass die gleiche Firma in näherer Umgebung zum Wohnsitz der Beklagten weitere Filialen unterhält, spricht ebenfalls nicht dagegen. Es kann viele Gründe geben, warum die Beklagte zu 1 eine weiter entfernte Filiale besucht – möglicherweise gefällt ihr die Filiale besser, möglicherweise hatte sie in der Umgebung auch noch andere Besorgungen zu erledigen. Ohne weitere Anhaltspunkte, die nicht ersichtlich sind, handelt es sich jedenfalls nicht um eine verdächtige Einlassung. Ähnliches gilt für den Vorhalt der Beklagten zu 2, es handle sich bei dem Beklagtenfahrzeug gerade nicht um ein „relativ großes Fahrzeug“. In der Aussage der Beklagten zu 1 erkennt die Kammer lediglich eine subjektive Einschätzung der Beklagten zu 1, die als möglicherweise unsichere Fahrerin Parkhäuser schlicht nicht gerne befährt. Der Umstand schließlich, dass der Ehemann der Beklagten zu 1 als Unfallzeuge nicht benannt worden sei, kann schlechterdings nicht dem Kläger angelastet werden.

Soweit die Beklagte zu 2 allerdings in der Tat verdächtige Umstände benennt, genügen diese jedoch auch in einer Gesamtschau mit den oben behandelten Indizien nicht, um von einer Unfallmanipulation auszugehen. Zwar trifft es zu, dass die Fahrzeugkonstellation (wirtschaftlich wertloses Schädigerfahrzeug; hochwertiges Geschädigtenfahrzeug mit fiktiver Abrechnung) typisch für manipulierte Unfallgeschehen ist. In Maßen verdächtig ist auch der Umstand, dass keines der Fahrzeuge für eine Besichtigung zur Verfügung gestellt worden ist – wobei wiederum das Verhalten der Beklagten zu 1, die offenbar insgesamt nicht kooperativ mit der Beklagten zu 2 als ihrem Haftpflichtversicherer umgegangen ist, nicht ohne weiteres dem Kläger angelastet werden kann. Schließlich spricht allerdings erheblich gegen den Kläger, dass – wie auch die Kammer nach der Beweisaufnahme anzunehmen geneigt ist – Vorschäden im Schadenbereich vorgelegen haben dürften, nämlich die von dem Sachverständigen angegeben Streifschäden an dem rechten Scheinwerfer, die der Kläger ursprünglich verschwiegen hat (wenn er auch auf das Gutachten mit einer entsprechenden Klagerücknahme reagiert hat). Das alles reicht indes auch in einer Gesamtschau mit den bereits oben betrachteten – eher schwachen, aber gehäuft aufgetretenen – Indizien nicht aus, um hinreichend sicher auf eine Manipulation zu schließen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind und von der Beklagten zu 2 auch nicht aufgezeigt werden, dass sich der Kläger bzw. der Zeuge T und die Beklagte zu 1 vor dem Unfallgeschehen gekannt haben.

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Nach den somit zugrunde zu legenden Feststellungen besteht ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von 100 % des ihm entstandenen Schadens.

Der Verkehrsunfall ist für keine der Parteien durch ein unabwendbares Ereignis (§ 17 Abs. 3 StVG) verursacht worden.

Ein unabwendbares Ereignis hätte nur dann vorgelegen, wenn das schadensstiftende Ereignis auch bei der äußerst möglichen Sorgfalt nicht hätte abgewendet werden können. Zur Beachtung der äußerst möglichen Sorgfalt gehört ein über den gewöhnlichen Maßstab hinausgehendes sachgemäßes, umsichtiges, reaktionsschnelles und geistesgegenwärtiges Handeln, wobei mögliche Gefahrenmomente und fremde Verkehrsverstöße und Fehlreaktionen einkalkuliert werden müssen. Damit ist zwar keine absolute Unvermeidbarkeit gefordert, sondern nur ein Ereignis, das auch bei der äußerst möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Auch ein solches Ereignis ist hier aber nicht gegeben. Keine der Parteien hat nach dem oben Gesagten nachgewiesen, dass sie den Unfall mit der äußerst möglichen Sorgfalt nicht hätte verhindern können. Dies gilt selbstverständlich für die ersichtlich unaufmerksame Beklagte zu 1. Es gilt aber auch für den Kläger; insoweit ist nicht ausgeschlossen, dass er bei der idealen Vorsicht in der engen Straße hätte rechtzeitig bemerken können, dass die Beklagte zu 1 ausparken will.

Liegt demnach ein unabwendbares Ereignis nicht vor, so hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes im Verhältnis der Parteien zueinander von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist (§§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG). Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Umstand allgemein geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen. Der Haftungsanteil ergibt sich dabei aus einer Gesamtbetrachtung der aus § 7 Abs. 1 StVG folgenden Betriebsgefahr sowie aus gefahrerhöhenden Umständen, die sich die jeweilige Seite zurechnen lassen muss. Hierbei richtet sich die Schadensverteilung auch nach dem Grad eines etwaigen Verschuldens, einer fehlerhaften oder verkehrswidrigen Fahrweise sowie eines risikobehafteten Verkehrsvorgang eines Beteiligten. Jedoch können im Rahmen dieser Abwägung zu Lasten einer Partei nur solche Umstände berücksichtigt werden, die als unfallursächlich feststehen, wobei der Grundsatz gilt, dass jeweils die Seite die Umstände zu beweisen hat, die der anderen Seite zum Verschulden oder zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr gereichen.

Grundsätzlich ist bei der vorzunehmenden Abwägung von einer gleichen Gewichtung der abstrakten Betriebsgefahr zweier unfallbeteiligter Fahrzeuge auszugehen. Unterschiede in der abstrakten Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Fahrzeuge sind nicht ersichtlich.

Bei der konkreten Abwägung ist indes davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1 beim Anfahren vom Straßenrand (§ 10 Satz 1 StVO) besonders unaufmerksam verhalten hat und damit gegen ihre Verpflichtung verstoßen hat, eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Dem ist auf Seiten des Klägers kein Verstoß entgegenzuhalten, der eine Verteilung der Haftung rechtfertigen würde. Insbesondere kann nicht etwa eine stark überhöhte Geschwindigkeit oder eine besonders langsame Reaktion des Zeugen T festgestellt werden.

Die Höhe des Schadens hat der gerichtliche Sachverständige in der Höhe nachvollziehbar und überzeugend bestätigt, in der der Kläger sie – nach Teilklagerücknahme – noch geltend macht. Dieser Schadensbetrag ist daher zuzusprechen.

Der Anspruch wegen der Zinsen beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB; der Anspruch wegen der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 280 Abs. 1 und2, 286 Abs. 1 BGB; die zuletzt noch geltend gemachte Höhe dieser Kosten entspricht dem zuletzt noch geltend gemachten Schadenbetrag.

Die Entscheidung wegen der Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Entscheidung wegen der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO.

 

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