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Kaufpreiszahlung auf veraltetes Rechnungskonto – Schadensersatzanspruch des Käufers

AG Bremen – Az.: 9 C 250/18 – Urteil vom 21.06.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.632,48 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 8. März 2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Kostennote der Rechtsanwälte … in Höhe von EUR 413,64 freizustellen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger fordert Kaufpreisrückerstattung.

Der Kläger ist niedergelassener Arzt in Potsdam. Die Beklagte verkauft u.a. Tresore im Internet.

Am 27.04.2016 bestellte der Kläger bei der Beklagten einen Wertschutzschrank für seine Praxis. Mit der Auftragsbestätigung Nr. 55781 vom 27.04.2018 (Bl. 9, 10 d.A.) wies die Beklagte darauf hin, dass die Bezahlung innerhalb von sieben Tagen nach Rechnungsdatum zu erfolgen habe. Der Kläger erhielt den Wertschutzschrank am 20.07.2016 nebst der auf den 18.07.2016 datierten Rechnung Nr. 410877 vom 18.07.2016 über 3.751,48 Euro (Bl. 11, 12 d.A.).

Der Kläger überwies diesen Betrag am 20.07.2016 für die Beklagte als Zahlungsempfänger auf das im Brieffuß der Rechnung angegebenen Konto der C…bank DE… (Bl. 13 d.A.).

Nach Ablauf der Zahlungsfrist mahnte die Beklagte den Kläger zur Zahlung an und teilte ihm mit, dass das Konto bei der C…bank Bremen nicht mehr existiere, eine Zahlung habe auf das in der Rechnung angegebene Konto bei der S… Bremen zu erfolgen. Der Kläger leistete den Zahlungsbetrag sodann ein weiteres Mal auf das Konto der Beklagten bei der Sparkasse.

Wie eine nachträgliche Bankrecherche ergab, wurde das Konto bei der C…bank zum Zeitpunkt der ersten Anweisung zugunsten des minderjährigen D… geführt (Bl. 14 d.A.). Dieser kehrte die erhaltene Gutschrift trotz entsprechender Aufforderung des Klägers vom 16.09.2016 (Bl. 15 d.A.) an diesen nicht aus. Auch die Eltern des Minderjährigen, K… und V…, leisteten auf das Ersuchen des Klägers vom 27.09.2016 (Bl. 16 d.A.) keine Rückzahlung.

In der Folgezeit forderte der Kläger die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 27.02.2018 erfolglos zur Rückzahlung des überzahlten Betrages auf.

Der Kläger behauptet, er sei zum Zeitpunkt der ersten Anweisung davon ausgegangen, dass der Rechnungsbetrag alternativ auch auf das angegebene Zweitkonto bei der C…bank angewiesen werden dürfe.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 3.632,48 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab dem 8. März 2018 zu zahlen.

2. Die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Kostennote der Rechtsanwälte L… in Höhe von EUR 413,64 freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, es wäre versehentlich noch veraltetes Briefpapier verwendet worden. Zudem habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass er bereits alles getan hat, um eine Rückzahlung des Zahlungsempfängers zu erlangen. Eine außergerichtliche Aufforderung sei nicht ausreichend.

Das Gericht hat im Termin vom 10.05.2019 einen Hinweis erteilt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte Schadensersatz in tenorierter Höhe gemäß §§ 433, 280 Abs. 1, 249 BGB zu.

Kaufpreiszahlung auf veraltetes Rechnungskonto - Schadensersatzanspruch des Käufers
(Symbolfoto: Cheryl Savan/Shutterstock.com)

1. Durch die erste Anweisung des Kaufpreises vermochte der Kläger seine Pflicht aus § 433 II BGB noch nicht zu erfüllen, da der Anweisungsbetrag nicht zu einer entsprechenden Gutschrift zugunsten der Beklagten führte und der neue Kontoinhaber nicht empfangsbevollmächtigt war (vgl. Palandt, 78. A., § 362, Rn. 2-5). Die Leistung des Klägers an einen Nichtberechtigten erfolgte gegenüber der Beklagten mangels Genehmigung nicht rechtswirksam im Sinne des § 816 II BGB (Palandt, 78. A., § 362, Rn. 6; § 816, Rn. 20). Da die Bank als bloße Zahlstelle fungierte, erlangte nicht diese den zurück zu erstattenden Betrag (vgl. Palandt, 78. A., § 816, Rn. 19). Vielmehr bewirkte die von der C…bank durchgeführten Zahlungsanweisung des Klägers die Bereicherung des damaligen Kontoinhabers, Herrn D…, der die Gutschrift ohne rechtlichen Grund erlangte (§ 812 BGB) und sich gemäß § 819 BGB auf eine etwaige Entreicherung nach § 818 III BGB möglicherweise nicht wird berufen können.

Zwar erscheint auch vertretbar, dass der Kläger aus Gründen des gesetzten Rechtsscheins bereits durch die 1. Bezahlung seine Zahlungspflicht erfüllte und also wegen der weiteren Bezahlung einen Rückzahlungsanspruch gemäß § 812 BGB hat, wobei sich die Beklagte auch angesichts ihrer Mahnung auf § 814 BGB wohl nicht erfolgreich würde berufen können. Dass Gericht vertritt aus den o.g. dogmatischen Erwägungen jedoch die Meinung, dass der Kläger erst durch die 2. Anweisung seine Verpflichtung aus § 433 II BGB erfüllte (vgl. Palandt, 78. A., § 362, Rn. 9; BGH NJW-RR 2008, 1512).

2. Die Beklagte ist dem Kläger jedoch zum Schadensersatz hinsichtlich der vollzogenen 1. Kaufpreisanweisung verpflichtet und muss diesem daher den zweifach angewiesenen Kaufpreis einmal zurück erstatten.

Den Verkäufer trifft die Nebenpflicht, in einem offiziellen Rechnungsschreiben die zutreffende Kontoverbindung des Gläubigers anzugeben (vgl. OLG München, Urteil vom 21. Dezember 2016 – 7 U 3206/16 –, juris; OLG Frankfurt, NJW 1998, 387). Es ist sicherzustellen, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont (§ 133 BGB) diesbezüglich keinerlei Missverständnisse beim Schuldner entstehen.

Vorliegend ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts eine Pflichtverletzung im Sinne des § 280 I BGB gegeben. Der auf der Rechnung abgedruckte Hinweis, der Empfänger möge die neue Kontoverbindung beachten („BITTE BEACHTEN SIE AB SOFORT UNSERE NEUEN KONTODATEN“) war dazu mangels Klarstellung, dass es sich insofern um die einzige Kontoverbindung handele, nicht ausreichend. Außerdem erfolgte der Hinweis im Fließtext erst auf Seite 2, die C…bankverbindung wird hingegen auf Seite 1 und 2 mehrfach im Brieffuß der Rechnung bezeichnet.

Beim Vergleich der Rechnung mit der Auftragsbestätigung fällt auf, dass auf der Auftragsbestätigung bereits die neue Kontoverbindung im Brieffuß angegeben war. Auf der nachfolgenden Rechnung ist jedoch die nicht mehr gültige Kontoverbindung angegeben worden. Dies erweckt bei dem Empfänger den Eindruck, dass eine zusätzliche Kontoverbindung eingerichtet wurde. Dies ist auch nicht fernliegend. Es ist gerade im geschäftlichen Verkehr nicht unüblich, mehrere Konten zu unterhalten und in den Rechnungen anzugeben. Eine Pflichtverletzung hätte nur dann nicht vorgelegen, wenn die alte Kontoverbindung geschwärzt worden wäre oder es unmittelbar neben der C…bankverbindung einen besonders hervorgegebenen Hinweis gegeben hätte, dass diese nicht mehr gütig sei. Denn bei Überweisungen fällt der Blick des Überweisenden bei der Suche der Kontodaten typischerweise zunächst auf den Briefkopf oder –fuß und nicht auf den Fließtext.

Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung auch zu vertreten; das Verschulden wird gemäß § 280 I 2 BGB vermutet. Die Beklagte handelte auch fahrlässig. Das veraltete Briefpapier sollte noch verbraucht werden und gelangte also nicht aus Versehen in den Rechtsverkehr (§ 276 BGB).

Ein (wirtschaftlicher) Schaden im Sinne des § 249 BGB liegt vor. Denn der Kläger hat durch die 1. Anweisung seine Verfügungsgewalt über den entsprechenden Geldbetrag verloren.

Dass dem Kläger möglicherweise Regressansprüche gegenüber Dritten zustehen, lässt nach der Wertung des § 255 BGB den Schaden als solchen gerade nicht entfallen (vgl. Palandt, 78. A., Vorb v § 249, Rn. 20). Schließlich ist fraglich, ob gegenüber dem minderjährigen Zahlungsempfänger im Entreicherungsfall ein Anspruch bestünde (vgl. Palandt, 78. A., § 819, Rn. 4). Außerdem wäre dieser Anspruch mit Kostenaufwand einzuklagen, wobei ein Prozessrisiko – und im Fall des Obsiegens – ein Vollstreckungsrisiko gegeben wäre.

Da die Beklagte durch ihre missverständliche Kontoverbindungsangabe das hier verwirklichte Risiko einer Fehlüberweisung überhaupt erst schuf, obliegt es der Beklagten, etwaige Prozesse gegen Dritte zu führen.

Eine Zug um Zug Verurteilung gegen Abtretung der Ansprüche gegen Herrn D…, bzw. dessen gesetzliche Vertreter, ggf. auch gegenüber der beteiligten C…bank, war nicht von Amts wegen angezeigt. Aus § 280 BGB folgt lediglich die Nebenpflicht des Klägers, dass er nach Erstattung des ersten Anweisungsbetrages durch die Beklagte nach entsprechender Aufforderung verpflichtet ist, seine diesbezüglichen Regressansprüche an die Beklagte abzutreten (vgl. auch Palandt, 78. A., § 255, Rn. 7, 8). Insofern erforderlich sind Angebot und Annahme im Zuge eines Abtretungsvertrages. Im hiesigen Verfahren hat die Beklagte die Annahme eines etwaigen Abtretungsangebots nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 29.05.2019 zurückgewiesen, weshalb eine Zug um Zug Verurteilung mangels Erhebung einer entsprechenden Einrede der Beklagten ausschied. Somit ist auch eine Kostenquote nicht angezeigt.

Es kann dahinstehen, ob dem Kläger auch gegenüber den Eltern des Zahlungsempfängers bzw. gegenüber der C…bank (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 5 U 4/12 –, juris) Regressansprüche aus diesem Vorgang zustehen. Selbst wenn nach neuem Recht ein Abgleich des Zahlungsempfängers mit den Kontoverbindungsdaten nicht mehr geboten wäre, könnte die Bank möglicherweise gehalten gewesen sein, eine beendete Geschäftskontoverbindung erst nach hinreichender Karenzzeit an einen neuen Bankkunden zu vergeben, um das Risiko von nachträglichen Fehlanweisungen zu minimieren.

Ein Mitverschulden des Klägers ist nicht gegeben (§ 254 BGB).

3. Die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten sind erstattungsfähig (vgl. Palandt, 78. A., § 249, Rn. 57) und wurden zutreffend beziffert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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