LG Flensburg – Az.: 2 O 19/20 – Urteil vom 30.04.2021
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine Motoryacht.
Am 2.7.2019 unterzeichneten die Parteien einen schriftlichen Kaufvertrag (Anlage K 1, Bl. 8 d. A.), mit dem der Beklagte eine im Jahr 2009 erbaute Motoryacht an den Kläger verkaufte. Auf den Inhalt des Vertrags wird Bezug genommen. Anschließend erfolgte die Übergabe des Bootes.
Während seiner Besitzzeit gab der Beklagte die Motoryacht jeweils am Ende der Saison bei dem Unternehmen B T in die Wartung. Dies teilte der Beklagte dem Kläger im Rahmen der Kaufverhandlungen mit und bot eine Kontaktaufnahme zu diesem Unternehmen an. Er überreichte dem Kläger außerdem die Rechnungen über die durchgeführten Wartungsarbeiten. Beide Parteien gingen von einem sehr guten Wartungszustand der Motoryacht aus. Ein Scheckheft für die Motoryacht existiert nicht.
Im Zeitpunkt der Übergabe der Motoryacht befand sich der Zahnriemen in seinem Ursprungszustand, wurde mithin noch nie ausgetauscht.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.10.2019 setzte der Kläger eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 15.11.2019 unter Verweis auf einen eingetretenen Motorschaden. Nachdem der Beklagte dies durch seine Prozessbevollmächtigten zurückweisen ließ, erklärte der Kläger mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2019 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Hierdurch fielen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.743,43 € an.
Anschließend ließ der Kläger die Motoryacht reparieren.
Der Kläger behauptet, am 27.8.2019 sei an der Motoryacht ein Motorschaden eingetreten. Dieser sei auf ein Versagen der Spannrolle des Zahnriemens zurückzuführen. Die durchgeführte Reparatur sei erforderlich gewesen und habe Kosten von 24.872,44 € verursacht.
Der Kläger behauptet, der Zahnriemen habe spätestens nach 8 Jahren ausgetauscht werden müssen. Er behauptet, wenn dieser Austausch ordnungsgemäß durchgeführt worden wäre, wäre der Schaden nicht eingetreten.
Der Kläger meint, im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen sei ein sehr guter Wartungszustand entsprechend einer Scheckheftpflege als Beschaffenheit vereinbart worden. Daher greife für Wartungsmängel der in dem Vertrag enthaltene Gewährleistungsausschluss nicht ein.
Mit der Klage hat der Kläger zunächst die Rückabwicklung des Vertrags verlangt und hierzu beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises von 155.000,00 € sowie zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Zahlung von Zinsen Zug um Zug gegen Rückübereignung der Motoryacht zu verurteilen. Aufgrund der Reparatur der Motoryacht hat der Kläger die Klage später dahingehend geändert, dass er statt der Rückabwicklung Ersatz der Reparaturkosten von 24.872,44 € geltend macht.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 24.872,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageänderung sowie Kosten der vorgerichtlichen Rechtsvertretung in Höhe von 2.743,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen;
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen weiteren Aufwand aus der Reparatur des Motorschadens (insb. Motoreinstellung und Anpassung der Steuerung) zu ersetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, ein Austausch des Zahnriemens sei erst nach 1400 Betriebsstunden notwendig, die bei weitem nicht erreicht gewesen seien. Der Zustand des Zahnriemens bei der letzten Wartung vor dem Verkauf habe darüber hinaus keine Veranlassung für einen Austausch gegeben.
Die Kammer hat die Parteien persönlich angehört. Für den Inhalt der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2021, Bl. 79 ff. d. A. Bezug genommen.
Die Klage ist dem Beklagten am 28.2.2020 zugestellt worden, die Klageänderung am 9.3.2021. Soweit die Klagforderung durch die Änderung der Klaganträge reduziert worden ist, hat der Kläger den Rechtsstreit vorsorglich für erledigt erklärt. Beide Parteivertreter haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zugestimmt. Die Kammer hat mit Beschluss vom 19.3.2021 das schriftliche Verfahren angeordnet und als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, den 16.4.2021 bestimmt. Mit dem Beschluss hat die Kammer den Beklagten darauf hingewiesen, dass sie hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits gemäß § 91 a ZPO über die Kosten entscheiden wird, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit Zustellung des Beschlusses sowie der Erledigungserklärung widerspricht. Der Beschluss sowie die Erledigungserklärung sind dem Beklagtenvertreter am 22.3.2021 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21.4.2021 hat der Beklagtenvertreter der Klageänderung widersprochen, darauf hingewiesen, dass die Erledigungserklärung unklar sei und beantragt, dem Beklagten jedenfalls die Kosten des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist erfolglos. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
I) Die Klage ist zulässig.
Es kann dahinstehen, ob die Umstellung der Klage von der Rückabwicklung auf Schadensersatz als privilegierte Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig ist. Denn die Klagänderung ist jedenfalls auch sachdienlich im Sinne des § 263 ZPO, da eine Geltendmachung des nunmehr begehrten Schadensersatzes in einem gesonderten Prozess nicht prozesswirtschaftlich wäre, zumal der Streit der Parteien über die Mangelhaftigkeit des Bootes und die Reichweite des Gewährleistungsausschlusses unabhängig von den aus der Mangelhaftigkeit abgeleiteten Folgen derselbe bleibt.
Für den Feststellungsantrag besteht ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, da die Schadensentwicklung nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers nicht abgeschlossen ist.
II) Die Klage ist jedoch unbegründet.
1) Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 24.872,44 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 437 Nr. 3, 434, 433 BGB.
Zwischen den Parteien besteht ein Kaufvertrag im Sinne des § 433 BGB über die streitgegenständliche Motoryacht.
Es kann dahinstehen, ob diese Motoryacht im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war, weil der Zahnriemen zu diesem Zeitpunkt bereits hätte ausgetauscht werden müssen und die Motoryacht sich daher nicht in einem ordnungsgemäßen Wartungszustand befand. Denn eine Geltendmachung von Rechten durch den Kläger auf Grund dieses Mangels ist durch den zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen.
Der Gewährleistungsausschluss ist nicht gemäß § 444 BGB unbeachtlich, weil unstreitig der Beklagte einen Wartungsmangel weder arglistig verschwiegen noch eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.
Der Gewährleistungsausschluss würde auch dann keine Wirkung entfalten, wenn ein Mangel dahingehend vorläge, dass eine vereinbarte Beschaffenheit tatsächlich nicht vorhanden wäre. Denn im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung ist ein Gewährleistungsausschluss dahingehend auszulegen, dass dieser sich von vornherein nicht auf die vereinbarte Beschaffenheit erstreckt, da diese anderenfalls wertlos wäre (vgl. BGH NJW 2017, 3292, 3294 m. w. N.). Nach Auffassung der Kammer haben die Parteien einen ordnungsgemäßen Wartungszustand jedoch nicht unabhängig von dem Gewährleistungsausschluss als Beschaffenheit vereinbart.
Für die Frage, was als Beschaffenheit vereinbart wurde, sind die wechselseitigen Erklärungen der Parteien auszulegen. Gemäß § 133 BGB ist dabei der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Gemäß § 157 BGB sind ferner Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen. Maßgeblich ist die objektive Sichtweise einer Person in der Position des Erklärungsempfängers (objektiver Empfängerhorizont).
Beide Parteien gingen von einem sehr guten Wartungszustand des Bootes aus. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Umstand, dass alle erforderlichen Wartungsarbeiten ausgeführt wurden, zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung zu machen. Hintergrund der Erwartung eines ordnungsgemäßen Wartungszustands der Parteien war, dass der Beklagte die Motoryacht regelmäßig in die Wartung gegeben und selbst keine Probleme gehabt hatte. Der Beklagte legte dem Kläger offen, welche Arbeiten durchgeführt wurden, indem er die Rechnungen über die ausgeführten Wartungsarbeiten übergab. Dabei konnte der Beklagte ebenso wenig wie der Kläger als fachlicher Laie erkennen, ob mit diesen Arbeiten alle erforderlichen Wartungsintervalle eingehalten wurden. Insbesondere existiert für die Motoryacht kein Scheckheft, aus dem für den Beklagten bestimmte Wartungsintervalle ersichtlich gewesen wären und in dem die Ausführung der turnusmäßig erforderlichen Wartungsarbeiten etwa durch Ankreuzen vermerkt worden wäre. Der Beklagte verwies für weitere Informationen zu dem Motor auf eine Kontaktaufnahme zu dem Unternehmen, das die Wartungsarbeiten ausgeführt hatte. Von einem redlichen Verkäufer ist nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht zu erwarten, dass dieser eine Beschaffenheit anbietet, die er selbst nicht überprüfen kann. Aus den Umständen des Vertragsschlusses war für den Kläger ersichtlich, auf Grund welcher Begebenheiten der Beklagte von einem guten Wartungszustand der Motoryacht ausging. Der Kläger selbst teilte offenbar diese Einschätzung und nahm ebenfalls einen guten Wartungszustand an. Gleichzeitig war ersichtlich, dass es sich lediglich um eine laienhafte Einschätzung handelte. Für den Kläger war erkennbar, dass der Beklagte nicht selbst überprüfen konnte, ob das mit der Wartung beauftragte Unternehmen alle erforderlichen Arbeiten ordnungsgemäß ausgeführt hat. Indem die Rechnungen über die ausgeführten Arbeiten übergeben wurden, hatten beide Parteien denselben Kenntnisstand darüber, was tatsächlich überarbeitet wurde. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist das Verhalten des Beklagten daher lediglich so zu verstehen, dass die aus den übergebenen Rechnungen ersichtlichen Wartungsarbeiten ausgeführt wurden und dass der Beklagte selbst davon ausging, dass damit alles Erforderliche getan sei. Mehr konnte der Beklagte nicht versprechen, weshalb davon auszugehen ist, dass er auch nicht mehr versprechen wollte. Nur dies konnte damit Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung werden, nicht aber die tatsächliche ordnungsgemäße Ausführung aller erforderlicher Wartungsarbeiten (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.6.1992, Az. 22 U 260/91).
2) Aus denselben Gründen, aus denen der geltend gemachte Hauptanspruch nicht besteht, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.743,43 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434, 433 BGB und auf die Zahlung von Zinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
3) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91a ZPO. Soweit der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt hat, hat der Beklagte der Erledigungserklärung nicht innerhalb der Notfrist von 2 Wochen widersprochen. Die Ausführungen in dem nach dem festgesetzten Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen Schriftsatz versteht die Kammer im Übrigen auch nicht als Widerspruch gegen die Erledigungserklärung als solche, sondern als Verwahrung gegen die Kostenlast, die erfolgreich ist. Die Kosten des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits sind gemäß § 91a ZPO dem Kläger aufzuerlegen, da die ursprünglich begehrte Rückabwicklung aus denselben Gründen erfolglos gewesen wäre, aus denen auch kein Schadensersatzanspruch besteht.
4) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.