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Kündigung von Prämiensparverträgen

Kündigung eines Prämiensparvertrags: Klägerin erhält Recht auf Fortbestand.

Die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Prämiensparvertrags wird in einem Rechtsstreit zwischen einer Klägerin und einer Beklagten verhandelt. Der streitgegenständliche Vertrag aus dem Jahr 2005 beinhaltet eine Prämienstaffel, bei der die höchste Prämienstufe nach dem 15. Sparjahr erreicht wird und bis zum 25. Sparjahr gleichbleibend ist. Die Beklagte kündigte den Vertrag nach 15 Sparjahren unter Berufung auf ihre AGB ordentlich zum 16.01.2021. Das Amtsgericht gab den Anträgen der Klägerin auf Feststellung des Fortbestands des Vertrags und Schadensersatz statt. Die Beklagte legte daraufhin Berufung ein, die jedoch abgewiesen wurde. Ein objektiver Empfänger der AGB konnte die Prämienstaffel so verstehen, dass bis zum 25. Sparjahr keine ordentliche Kündigung erfolgen kann. Ein konkludenter Ausschluss der ordentlichen Kündigung bis zum 25. Sparjahr greift somit. Das Amtsgericht hat nicht die Entscheidung des BGH verkannt und auch keine Mindestlaufzeit angenommen. Die Formulierung der Prämienstaffel schließt eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der 25 Sparjahre konkludent aus. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Revision wurde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

LG Mühlhausen – Az.: 1 S 37/21 – Urteil vom 08.03.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Heilbad Heiligenstadt vom 26.03.2021, Az. 1 C 518/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines unbefristeten Prämiensparvertrages durch die Beklagte nach Ablauf von 15 Sparjahren.

Der streitgegenständliche Prämiensparvertrag vom 16.06.2005 weist eine Prämienstaffel vom 3. – 25. Sparjahr aus, wobei die höchste Prämienstufe von 50 % ab dem 15. Sparjahr erreicht wird und für die weiteren einzelnen Sparjahre jeweils bis zum 25. Sparjahr die Prämienstufe gleichbleibend mit 50 % angegeben ist (Anlage K1, Bl. 11f. d.A.).

Diesen Vertrag kündigte die Beklagte am 23.09.2020 unter Berufung auf ihre unstreitig einbezogenen AGB Nr. 26 ordentlich zum 16.01.2021.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat mit am 01.04.2021 zugestellten Urteil den Anträgen der Klägerin auf 1. Feststellung, dass der Prämiensparvertrag vom 16.06.2005 nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 23.09.2020 zum 16.01.2021 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht, sowie 2. auf Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Nichtannahme der monatlichen Sparraten i.H.v. 100 €, sowie auf 3. Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskosten i.H.v. 249,40 € vollumfänglich stattgegeben.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 30.04.2021 eingelegten und am 23.06.2021 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung. Sie hält die Kündigung für wirksam. Das Amtsgericht habe die Entscheidung des BGH vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18 verkannt, denn auch vorliegend sei keine Laufzeitvereinbarung im Sinne einer Mindestlaufzeit erfolgt. Ein Sparanreiz sei nur durch die kontinuierlich steigende Prämienhöhe für den Sparer gegeben. Nach Erreichen der Höchststufe der Prämie sei der Prämienanreiz für den Sparer aber erfüllt worden. Die Beklagte habe die Prämien bis zum 25. Sparjahr nur exemplarisch fortgeschrieben, ohne dass dem eine rechtliche Bedeutung beizumessen wäre. Da ausdrücklich auch eine Kündigungssperrfrist vereinbart worden sei (Anlage B1, Bl. 112 d.A.), habe auch die Klägerin von einer Kündigungsmöglichkeit ausgehen müssen. § 305c Abs. 2 BGB sei entgegen dem Amtsgericht vorliegend nicht einschlägig.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie habe nach der hier vorliegenden Prämienstaffel darauf vertrauen dürfen, dass sie die Prämien auch bis zum 25. Sparjahr erhalten könne. Zweifel bei der Auslegung gingen gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Urteil des Amtsgerichts hält den Berufungsangriffen vollumfänglich stand.

Ein objektiver Empfänger der Allgemeinen Geschäftsbedingung konnte die vorliegende Prämienstaffel so verstehen, dass bis zum 25. Sparjahr jedenfalls durch die Beklagte keine ordentliche Kündigung erfolgen kann – mithin ein konkludenter Ausschluss der ordentlichen Kündigung bis zum 25. Sparjahr hier greift (so auch OLG Nürnberg v. 29.03.2022 – 14 U 3259/20; a.A. OLG Celle v. 18.10.2021 – 3 U 140/21, wobei hier die Bestätigung des Sparvertrages nur die weitere Auflistung der Prämien nach Erreichen der höchsten Prämienstufe aufwies; OLG Celle v. 03.06.2021 – 3 U 42/21, wobei hier nur die Musterberechnung zum Sparvertrag weitere Angaben nach Erreichen der höchsten Prämienstufe enthielt; LG Duisburg v. 21.06.2021 – 7 S 27/21, wobei es hier um die Angabe einer maximalen Vertragsdauer ging; OLG München v. 11.11.2021 – 5 U 4934/21; OLG Bamberg v. 09.12.2021 – 8 U 173/21).

Das Amtsgericht hat nicht die Entscheidung des BGH vom 14.05.2019 – XI ZR 345/18 verkannt und eine Laufzeitvereinbarung im Sinne einer Mindestlaufzeit angenommen. Es geht vorliegend nicht um die Annahme einer Mindestlaufzeit, sondern um einen konkludenten Ausschluss der nach den AGB Nr. 26 der Beklagten möglichen ordentlichen Kündigung aus sachlichem Grund durch Wiedergabe einer konkreten Prämienstaffel im Vertrag. Letzteres ist nicht gleichbedeutend mit einer Mindestvertragslaufzeit, welche beide Vertragsparteien verpflichten würde. Insofern hatte der BGH zum Az. XI ZR 345/18 eine andere Klausel zu bewerten, sodass offen ist, wie er hiesige Klausel auslegen würde. In der Entscheidung zum Az. XI ZR 345/18 hat der BGH einen konkludenten Kündigungsausschluss der Beklagten in der Prämienstaffelangabe bis zum 15. Sparjahr gesehen, wobei im 15. Sparjahr die höchste Prämienstufe erreicht wurde. Im hiesigen Rechtsstreit ist zwar auch die höchste Prämienstufe im 15. Sparjahr erreicht, jedoch sind die weiteren Prämien für die Sparjahre bis zum 25. Sparjahr ausdrücklich für jedes weitere Jahr gleichbleibend mit 50 % angegeben. Wenn der BGH einen Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Bank bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe annimmt, wenn keine weiteren Sparjahre angegeben werden, dann muss aus Sicht der Kammer auch ein Kündigungsausschluss bis zum 25. Sparjahr angenommen werden, wenn die nachfolgenden Sparjahre 15 bis 25 im Einzelnen angegeben werden, auch, wenn bereits die höchste Prämienstufe erreicht worden ist. Insofern ist hiesiger Sachverhalt auch nicht vergleichbar mit demjenigen, der der Entscheidung des BGH zum Az. XI ZR 104/21 zugrunde gelegen hat. Denn auch im dortigen Fall hörte – wie in Az. XI ZR 345/18 – die Prämienstaffel nach Erreichen der höchsten Prämienstufe auf und wurde gerade nicht fortgeschrieben.

Auch ist der Prämienanreiz nicht mit Erreichen der Höchststufe für den Sparer erfüllt. Natürlich ist auch in den Jahren 15 bis 25 noch ein Sparanreiz für den Sparer gegeben, wenn er die Prämie von 50 % weiterhin erhält. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Beklagte die Folgejahre nach Erreichen der höchsten Prämienstufe explizit abdrucken sollte, wenn sie nicht hierdurch einen weiteren Sparanreiz durch die Prämienzahlungen bei ihren Kunden erwecken habe wollen. Die Beklagte hätte den weiteren Abdruck der Folgejahre 15 bis 25 mit Prämie 50 % einfach weglassen können. Für den durchschnittlichen Kunden erweckt die weitere Angabe der Sparjahre über das 15. Sparjahr hinaus den Eindruck, er könne jedenfalls mit gleichbleibenden Prämien rechnen, wenn er den Vertrag so lange bespart. Damit ist eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der 25 Sparjahre durch die Beklagte konkludent ausgeschlossen worden. Die Kammer vermag deshalb der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, es sei nur eine exemplarische Fortschreibung der Prämien bis zum 25. Sparjahr erfolgt, die ohne weitere rechtliche Relevanz sei.

Auch aus der anfänglichen Kündigungssperrfrist (Anlage B 1, Bl. 112 d.A.) für den Sparer vermag die Beklagte nichts für ein zu ihren Gunsten bestehendes Kündigungsrecht herleiten. Diese galt nur für den Kunden. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob die Beklagte auf ihr ordentliches Kündigungsrecht konkludent verzichtet hat.

Auch aus der Formulierung des 2. Leitsatzes des BGH in XI ZR 345/18 folgt nicht, dass die Beklagte immer und unabhängig von der konkreten Formulierung der Prämienstaffel nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen dürfte bei Vorliegen eines sachlichen Grundes. Es ist dem BGH in dieser Allgemeinheit gerade nicht zu entnehmen, dass der konkludente Ausschluss der ordentlichen Kündigung nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe gilt unabhängig von der Formulierung der Prämienstaffel. Denn wie bereits ausgeführt, hatte der BGH über eine ganz bestimmte Prämienstaffelformulierung zu befinden, die sich von der hier gegenständlichen aber wesentlich unterscheidet. Der BGH hatte lediglich die abgedruckte höchste Prämienstaffel vorliegen. Ein weitergehender Leitsatz war somit überhaupt nicht notwendig.

Entgegen der Berufung hat das Amtsgericht auch § 305c Abs. 2 BGB hier zutreffend für einschlägig gehalten. Es gilt § 305c Abs. 2 BGB als allgemeiner Auslegungsgrundsatz für alle AGB. Vorliegend könnte man die AGB im Sinne der Beklagten dahin verstehen, dass diese immer bei Vorliegen eines sachlichen Grundes nach Erreichen der höchsten Prämienstufe kündigen könne. Man könnte sie aber auch so verstehen, dass die Kündigung der Beklagten aus sachlichem Grund erst möglich sein soll, wenn die in der Prämienstaffel abgedruckten Sparjahre erreicht worden sind. Wenn mehrere mögliche objektive Auslegungen verbleiben, die wie hier nicht zur Unwirksamkeit der Klausel führen, ist hiernach derjenigen der Vorzug zu geben, die kundenfreundlicher ist (Fornasier in Münchener Kommentar, 9. Auflage 2022, § 305c BGB Rn. 51 f.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision war aufgrund der o.g. unterschiedlichen obergerichtlichen Rechtsprechung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

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