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Leasingvertrag: kalkulierter Restwert und bestehender Minderwert

LG Braunschweig, Az.: 8 S 76/12 (007)

Urteil vom 08.10.2012

1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Klägerin wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn er nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf die Wertstufe bis 3.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Es wird zunächst Bezug genommen auf das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.01.2012, § 540 ZPO.

Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren Ansprüche gegen den Beklagten aus einem beendeten Leasingvertrag geltend.

Die Klägerin überließ dem Beklagten aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Leasingvertrages ein im Eigentum der Klägerin stehendes Fahrzeug der Marke VW Caddy Kastenwagen 1.6, zu einer monatlichen Leasingrate in Höhe von zuletzt 246,85 Euro inkl. Umsatzsteuer. Es handelte sich um einen Kilometerabrechnungsvertrag mit einer Vertragsdauer von 36 Monaten, der bis zum 13.06.2010 lief. Der Beklagte gab das Fahrzeug am 13.06.2010 zurück.

Die Klägerin behauptet, bei Rückgabe habe das Fahrzeug zahlreiche Schäden aufgewiesen, welche ein von ihr beauftragter Sachverständiger festgestellt habe. Der im Gutachten ausgewiesene Minderwert betrage 3.335,00 Euro netto, auf das DAT-Gutachten werde Bezug genommen. Diesen Nettobetrag mache sie im vorliegenden Verfahren geltend.

Leasingvertrag: kalkulierter Restwert und bestehender Minderwert
Symbolfoto: pr2is/Bigstock

Das Amtsgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 25.01.2012 die Klage abgewiesen, auf das genannte Urteil wird Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet.

Die Klägerin führt zur Begründung aus, dass die Leasingbedingungen der Klägerin inhaltlich exakt den von der Automobilwirtschaft entwickelten und allgemein verwendeten VDA Musterbedingungen für das Leasen von Neufahrzeugen entsprächen, man spreche dort seit langem von „Minderwert“, die Klägerin habe diesen Begriff jedoch nicht verwendet, da er von vielen Kunden und Händlern in der Vergangenheit missverstanden worden sei und habe stattdessen den umgangssprachlich verständlichen Begriff „Schadensersatz“ verwendet. Die Klägerin meint, die andere Begrifflichkeit führe nicht zu einer anderen Rechtsnatur des klägerischen Anspruchs. Die Rechtsnatur des klägerischen Anspruchs auf Geldersatz aufgrund von Fahrzeugschäden oder überobligatorischer Abnutzung bei Vertragsende habe der BGH in dem Urteil vom 01.03.2000 klar bestimmt.

Eine Falsch- oder Andersbezeichnung durch die Klägerin ändere daran nichts. Die Rechtsfrage habe nunmehr für den Bereich des Oberlandesgerichts Braunschweig auch das Oberlandesgericht Braunschweig mit Urteil vom 20.03.2012 (Az.: 7 U 20/11) entschieden.

Die Klägerin meint weiter, der Eintritt der Vollamortisation sei für den Anspruch der Klägerin auf Minderwertersatz nicht maßgeblich. Auch diese Rechtsfrage sei für den Bereich des Oberlandesgerichts Braunschweig durch das zitierte Urteil vom 20.03.2012 entschieden. Das Oberlandesgericht Braunschweig führe zudem in den Urteilsgründen ausdrücklich aus, dass die gleichen Grundsätze der BGH Rechtsprechung zur vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages auch auf die Situation der Fahrzeugrückgabe nach regulärem Vertragsablauf anzuwenden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin im Berufungsrechtszug wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 02.04. und 02.05.2012 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Braunschweig vom 25.01.2012, Geschäftsnummer 120 C 1926/11, zu verurteilen, an die Klägerin 3.335,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 21.12.2010 zu zahlen;

2. die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte führt aus, er folge den Ausführungen des Hinweisbeschlusses der Kammer vom 10.04.2012, wonach der Ausgleich eines beschädigungsbedingten Minderwertes darauf ziele, die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des Fahrzeugs und dem festgestellten vermeintlichen vertraglichen Zustand auszugleichen.

Die Klägerin habe auch nicht die Kalkulation des betroffenen Fahrzeugs offengelegt im Hinblick auf Erlöse, Amortisation, Restwert und Verkaufserlöse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsrechtszug wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 27.06.2012 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

In der Sache hatte die Berufung der Klägerin aber keinen Erfolg.

Das Amtsgericht Braunschweig hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 3.335,00 Euro nebst Zinsen aus dem beendeten Leasingvertrag.

Die Kammer bleibt bei der Rechtsauffassung, wie sie diese im Hinweisbeschluss vom 10.04.2012 geäußert hat, und folgt weiterhin der Entscheidung des BGH vom 18.05.2011:

Nach dem Vortrag des Klägervertreters u. a. in den Verfahren 8 S 89/12 + 8 S 94/12 ist als gerichtsbekannt davon auszugehen, dass die Klägerin – branchenüblich – geleaste Fahrzeuge zum kalkulierten Restwert an die Händler weiterverkauft und diese letztlich die am Ausgang des Verfahrens Interessierten sind. Einen eigenen Schaden hat die Klägerin nicht.

Die Kammer nimmt Bezug auf die Entscheidung des BGH zur Frage der Umsatzsteuer auf die Ersatzforderung (BGH VIII ZR 260/10). Dort hat der BGH zur Frage, ob eine Leistung erbracht wird, die dem UStG unterfällt ausgeführt, dass das auch bei einem Minderwertausgleich nach regulärem Vertragsende nicht der Fall sei (Rdn. 16). Im Zusammenhang mit der Frage, welche Leistungen Leasinggeberin und Leasingnehmer zu erbringen haben, hält der BGH unter Bezugnahme auf die Entscheidung VIII ZR 177/99 daran fest, dass der Ausgleichsanspruch eine leasingtypische Ausgleichsfunktion habe und verweist bekräftigend auf die Entscheidung VIII ZR 318/84 wie folgt (Unterstreichung durch die Kammer):

Rdn. 22 cc) Das ergibt sich im Übrigen auch schon aus dem dabei in Bezug genommenen Senatsurteil vom 22. Januar 1986 (VIII ZR 318/84, aaO S. 78). Dort ist ausgeführt, dass der aus dem Erfüllungsanspruch der Leasinggeberin bei ungekündigtem Vertragsablauf abgeleitete Anspruch auf Ausgleich eines beschädigungsbedingten Minderwerts dahin geht, die Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem festgestellten oder noch zu ermittelnden Wert bei Rückgabe in vertragsgemäßem Zustand nach Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer bis zu dem Wert aufzufüllen, welcher nach der dem Vertragsverhältnis zugrunde liegenden Mischkalkulation neben den Leasingraten zur Amortisation des Gesamtaufwandes der Leasinggeberin beiträgt. Hiernach handelt es sich deshalb – in seiner Wirkung einem Entschädigungsanspruch gleich – lediglich um einen erst durch nachträglichen Wertvergleich konkretisierten vertraglichen Auffüllungsanspruch, der nicht als Gegenwert für die vom Leasinggeber geschuldeten und hier sogar schon vollständig erbrachten Leistungen, sondern deshalb geschuldet ist, weil der Leasingnehmer sich vertraglich verpflichtet hat, den Leasinggegenstand in einem Zustand zurückzugeben, der sich noch im Rahmen des vertraglich bestimmten und nur insoweit dem Leasinggeber zugewiesenen Nutzungsrisikos bewegt (vgl. auch de Weerth, aaO unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 18. Juli 2007 – Rs. C-277/05, aaO Rn. 25 f. mwN – Société thermale d’Eugénie-les-Bains).

Die Frage, wie der Minderwert zu ermitteln ist, beantwortet sich daher nach der Argumentation des BGH für den vorzeitig beendeten und regulär beendeten Vertrag gleich.

Den Schaden, auf den der BGH abstellt, hat die Klägerin nach dem Verkauf des Fahrzeugs zum kalkulierten Restwert nicht.

Im vorliegenden Verfahren hat der Klägervertreter nach dem Hinweis der Kammer vom 10.04.2012 nicht erklärt, dass es sich vorliegend um ein besonders Verfahren handelt, bei dem das geleaste Fahrzeug nicht nach Abschluss des Leasingvertrages zum, kalkulierten Restwert an den Händler weiterverkauft wurde.

Die Kammer geht mithin davon aus, dass das streitgegenständliche Fahrzeug zum kalkulierten Restwert an den Händler veräußert wurde.

Nach der oben zitierten Rechtsprechung des BGH bemisst sich der Anspruch der Klägerin damit in der Differenz zwischen dem tatsächlich erzielten Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs und dem festgestellten Wert bei Rückgabe des Fahrzeugs im vertragsgemäßen Zustand nach Ablauf der vorgesehenen Vertragsdauer. Wenn aber das Fahrzeug zum kalkulierten Restwert dem Händler in Rechnung gestellt wurde, dann beträgt der Anspruch, d. h. die Differenz zwischen dem tatsächlich erzieltem Erlös aus der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs an den Händler und dem Wert bei Rückgabe in vertragsgemäßem Zustand null Euro.

Ansprüche des Händlers in gewillkürter Prozessstandschaft macht die Klägerin nicht geltend.

Für eine direkte oder analoge Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation ist kein Raum, weil eine Vertragskette vorliegt.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wurde gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen. Beim Amtsgericht und Landgericht Braunschweig sind diverse VW-Leasingverfahren (mit Audi, Seat, etc.) anhängig aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarungen. Es gibt aktuell erheblich Divergenzen zunächst sowohl der Entscheidungen beim Amtsgericht Braunschweig als auch beim Landgericht Braunschweig und zwar sowohl in erstinstanzlichen als auch zweitinstanzlichen Sachen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Rechtsfrage unterschiedlich gesehen wird, ob es sich bei den Ansprüchen wie den streitgegenständlichen um Schadensersatzansprüche oder Erfüllungsansprüche handelt. Zudem ist unklar, wie die bereits zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 20.07.2012 (7 U 20/11) im Verhältnis zu der Entscheidung des BGH vom 18.05.2011 (VIII ZR 260/10) zu sehen ist. Eine Entscheidung des BGH zu den Leasingbedingungen liegt nicht vor. Über die Revision des BGH gegen das Urteil des Landgerichts Braunschweig zum Aktenzeichen 9 S 290/11 ist noch nicht entschieden.

Der Streitwert wurde nach der geltend gemachten Forderung bemessen.

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