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Mietvertragskündigung per beA-Schriftsatz – Kündigung ist formunwirksam

Elektronische Kündigung im Mietrecht formunwirksam laut LG Bonn

Die Kündigung eines Mietverhältnisses über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) ist formunwirksam, wenn die Kündigung nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form dem Kündigungsempfänger zugeht. Das LG Bonn entschied, dass eine solche Kündigung die Anforderungen an die Schriftform gemäß den §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 3, 126a BGB nicht erfüllt und somit nichtig ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 S 97/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Mietvertragskündigung per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) wurde vom LG Bonn als formunwirksam eingestuft.
  • Die Kündigung muss dem Kündigungsempfänger in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform zugehen, was in diesem Fall nicht erfüllt wurde.
  • Die Revision wurde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob eine beA-Kündigung wirksam ist, zugelassen.
  • Die Klägerin, eine Vermieterin, verlor den Prozess um die Räumung einer Mietwohnung aufgrund der formunwirksamen Kündigung.
  • Die Beklagte konnte somit in der Wohnung verbleiben, da die Kündigung nicht den formellen Anforderungen entsprach.
  • Das Urteil berührt die Praxis der Kündigungserklärungen im Mietrecht, insbesondere die Nutzung elektronischer Kommunikationswege.
  • Eine qualifizierte elektronische Signatur des Kündigungsschreibens reicht nicht aus, wenn der Schriftsatz dem Kündigungsempfänger nicht direkt in dieser Form zugeht.
  • Die Weiterleitung der Kündigung durch das Gericht erfüllt nicht die Anforderungen an die formgerechte Zustellung.
  • Die Entscheidung wirft Licht auf die Bedeutung und die Anforderungen an die elektronische Form gemäß § 126a BGB im Mietrecht.
  • Die Festlegung des Streitwerts auf bis zu 5.000 Euro zeigt die finanzielle Dimension solcher Rechtsstreitigkeiten auf.

Formelle Hürden bei der Mietkündigung

Die Beendigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter ist an strenge formelle Voraussetzungen geknüpft. Eine falsch erklärte oder formunwirksame Kündigung kann dazu führen, dass der Mieter in der Wohnung verbleiben darf. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Schriftform der Kündigung.

Der digitale Schriftverkehr hat in Gerichtsverfahren deutlich zugenommen. Doch welche Anforderungen gelten für elektronisch übermittelte Kündigungen? Wann ist die gesetzlich vorgeschriebene Form eingehalten? Diese Fragen haben für Vermieter und Mieter große praktische Relevanz und können weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.

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➜ Der Fall im Detail


Formunwirksame Kündigung per elektronischem Anwaltspostfach

Im Kern des Falls steht die Kündigung eines Mietverhältnisses durch einen elektronischen Schriftsatz, eingereicht per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA).

Mietvertragskündigung per beA-Schriftsatz – Kündigung ist formunwirksam
(Symbolfoto: SOMKID THONGDEE /Shutterstock.com)

Die Klägerin, eine Vermieterin, strebte die Räumung einer Wohnung an, nachdem sie die Kündigung elektronisch eingereicht hatte. Die Beklagte, die Mieterin, empfing die Kündigung durch Weiterleitung seitens des Gerichts. Der rechtliche Knackpunkt lag in der Frage, ob eine solche Übermittlung den gesetzlichen Anforderungen an die Form einer Kündigung nach §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 3, 126a BGB genügt.

Das Urteil des Landgerichts Bonn

Das Landgericht Bonn (Az.: 6 S 97/22) nahm sich dieser Frage an und entschied, dass die Kündigung formunwirksam sei. Die elektronische Form einer Kündigung, so das Gericht, erfüllt nur dann die gesetzlichen Anforderungen, wenn der Schriftsatz dem Kündigungsempfänger direkt in dieser Form zugeht. Eine Weiterleitung durch das Gericht, auch wenn diese elektronisch erfolgt, wahrt nicht die notwendige Form. Demnach war die Kündigung der Klägerin nichtig und begründete keinen Anspruch auf Räumung der Wohnung gegenüber der Beklagten.

Rechtliche Abwägungen und Schlussfolgerungen

Die Entscheidung unterstrich, dass für die Wirksamkeit einer elektronischen Kündigung nicht allein die Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur ausreicht. Vielmehr muss gewährleistet sein, dass der Kündigungsempfänger den Schriftsatz in der vorgeschriebenen elektronischen Form direkt erhält. Das Gericht betonte damit die Bedeutung der persönlichen Zustellung im Rahmen der gesetzlichen Schriftformerfordernisse.

Bedeutung der Entscheidung für die Praxis

Durch das Urteil wird die Praxis der Mietvertragskündigung per elektronischem Weg maßgeblich beeinflusst. Vermieter müssen nun darauf achten, dass eine Kündigung, sofern sie elektronisch erfolgt, den Mieter in der korrekten Form erreicht, um formwirksam zu sein. Die Entscheidung setzt damit klare Richtlinien für die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel im Rechtsverkehr, insbesondere im Mietrecht.

Revision und offene Fragen

Das Landgericht Bonn ließ wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zu. Diese Entscheidung unterstreicht, dass der Umgang mit elektronischen Kündigungen in der Rechtspraxis weiterhin Klärungsbedarf birgt und möglicherweise eine höchstrichterliche Entscheidung erforderlich macht, um eine einheitliche Anwendung der Rechtsnormen zu gewährleisten.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was sind die formellen Anforderungen für eine Mietvertragskündigung?

Für eine rechtswirksame Kündigung eines Mietvertrags müssen bestimmte formelle Anforderungen erfüllt sein. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und vom Kündigenden eigenhändig unterschrieben werden. Eine Übermittlung per E-Mail, Fax oder SMS genügt den gesetzlichen Vorgaben nicht.

Die Schriftform kann zwar grundsätzlich durch die elektronische Form mit qualifizierter elektronischer Signatur nach dem Signaturgesetz ersetzt werden. Dafür muss der Kündigende der Erklärung seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die bloße Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfüllt diese Anforderungen jedoch nicht.

Wird die Kündigung durch einen Bevollmächtigten erklärt, muss im Kündigungsschreiben klar auf das Vertretungsverhältnis hingewiesen werden. Zudem sollte eine Originalvollmacht beigefügt werden, um eine Zurückweisung der Kündigung zu vermeiden.

Der Zugang der Kündigung beim Empfänger muss im Streitfall bewiesen werden können. Es empfiehlt sich daher, die Kündigung per Einschreiben mit Rückschein zu versenden. Bei mehreren Mietern muss die Kündigung gegenüber allen Mietern zugehen.

Inhaltlich muss aus der Kündigungserklärung der eindeutige Wille hervorgehen, das Mietverhältnis zu beenden. Die Angabe eines konkreten Kündigungstermins ist nicht zwingend erforderlich, es darf aber nicht völlig offen bleiben, wann das Mietverhältnis enden soll.

Kann eine Kündigung elektronisch erfolgen und welche Besonderheiten gelten dabei?

Eine Kündigung des Mietvertrags kann grundsätzlich auch in elektronischer Form erfolgen. Dabei sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten, damit die Kündigung rechtswirksam ist.

Die gesetzliche Schriftform der Kündigung nach § 568 Abs. 1 BGB kann gemäß § 126 Abs. 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden. Dafür muss der Kündigende seiner Erklärung den Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Eine einfache Signatur, wie sie z.B. durch Einscannen der Unterschrift entsteht, genügt nicht.

Die qualifizierte elektronische Signatur kann nur von zertifizierten Vertrauensdiensteanbietern erstellt werden. Eine bloße Übermittlung der Kündigung per E-Mail, auch über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), erfüllt die Anforderungen an die elektronische Form nicht. Der Empfänger muss zudem mit der Übermittlung in elektronischer Form einverstanden sein.

Bedient sich der Kündigende eines Vertreters, muss dieser ebenfalls elektronisch signieren. Zudem sollte die Vollmacht im Original beigefügt werden, da der Empfänger die Kündigung sonst zurückweisen kann. Die elektronische Übermittlung von Originalvollmachten ist gesetzlich noch nicht vorgesehen.

Zusammengefasst kann eine Kündigung des Mietvertrags durchaus wirksam in elektronischer Form erfolgen. Dafür muss sie jedoch mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. Die bloße Übermittlung per E-Mail, auch über das beA, genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Zudem sind bei der Vertretung des Kündigenden zusätzliche Formalien zu beachten.

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§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 568 Abs. 1 BGB: Regelt die Schriftform der Kündigung eines Mietverhältnisses. Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen, was die eigenhändige Unterschrift oder ein notariell beglaubigtes Handzeichen des Kündigenden erfordert. Dies ist relevant, da im besprochenen Fall die Formunwirksamkeit der Kündigung aufgrund der elektronischen Übermittlung ohne direkten Zugang beim Kündigungsempfänger im Mittelpunkt steht.
  • § 126 Abs. 1 BGB: Definiert die gesetzliche Schriftform, die unter anderem für die Wirksamkeit einer Mietvertragskündigung notwendig ist. Die Unterschrift muss eigenhändig geleistet werden, was bei der Übermittlung per beA-Schriftsatz problematisch sein kann, wenn diese dem Empfänger nicht direkt zugeht.
  • § 126a BGB: Erläutert die elektronische Form und stellt klar, dass ein elektronisches Dokument zur Wahrung der Schriftform einer qualifizierten elektronischen Signatur bedarf. Im Kontext des Urteils ist dies entscheidend, da die Frage der Formwirksamkeit einer per beA eingereichten Kündigung zentral war.
  • § 130d Satz 1 ZPO: Betont die Verpflichtung zur Einreichung elektronischer Dokumente im Rechtsverkehr mit den Gerichten durch das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Dies unterstreicht die Relevanz des beA für die Praxis, hebt jedoch auch die Notwendigkeit hervor, dass die Formvorschriften eingehalten werden müssen.
  • § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB: Bezieht sich auf die fristlose Kündigung aufgrund von Zahlungsverzug. Im vorliegenden Fall wurde die Kündigung aufgrund von Mietzinsrückständen ausgesprochen, was die direkte Anwendung dieses Paragraphen verdeutlicht.
  • § 546 Abs. 1 BGB: Regelt den Anspruch des Vermieters auf Räumung der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses. Da das Gericht die Kündigung als formunwirksam erachtete, stand der Klägerin kein Anspruch auf Räumung zu, was die Bedeutung dieses Paragraphen im vorliegenden Kontext hervorhebt.


Das vorliegende Urteil

LG Bonn – Az.: 6 S 97/22 – Urteil vom 29.06.2023

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 11.11.2022 (203 C 31/22) abgeändert und das Versäumnisurteil vom 19.08.2022 aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Hinsichtlich der Frage, ob eine per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) schriftsätzlich eingereichte Kündigung durch die Weiterleitung durch das Gericht dem Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten formwirksam nach Maßgabe der §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 3, 126a BGB zugegangen ist, wird die Revision zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt als Vermieterin von der Beklagten die Räumung einer in ihrem Eigentum stehenden Mietwohnung nach elektronischer schriftsätzlicher Kündigung.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstands in erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO zunächst auf die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Erstinstanzlich hatte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2022 nicht verhandelt, woraufhin auf Antrag der Beklagten zunächst ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen war. Gegen dieses der Klägerin am 22.08.2022 zugestellte Urteil hatte die Klägerin mit am 05.09.2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat dann mit dem angefochtenen Urteil das Versäumnisurteil vom 19.08.2022 aufgehoben und die Beklagte – als Gesamtschuldnerin mit A – verurteilt, die von ihr im Haus „B Straße 0, 00000 C“ im 1. Obergeschoss rechts innegehaltene Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Diele, Bad/WC und Kellerraum zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Zugleich hat es der Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.05.2023 bewilligt. Das Amtsgericht hat dabei die streitgegenständliche Kündigung in der Einspruchsschrift vom 05.09.2022 für formwirksam befunden und deshalb das Vorliegen eines Kündigungsgrundes gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen unstreitig bestehender Mietzinsrückstände in Höhe von 7.155,40 Euro angenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Mietwohnung. Sie ist der Ansicht, dass die Kündigung vom 05.09.2022 nicht der Form des § 568 Abs. 1 BGB entspreche und deshalb formunwirksam sei, und nimmt insoweit vollumfänglich Bezug auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag und die dortigen Beweisantritte.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Versäumnisurteil vom 19.08.2022 aufrechtzuerhalten, hilfsweise der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO zu bewilligen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der näheren und weiteren Einzelheiten wird auf die von beiden Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.05.2023 (Bl. 163 f. d. A.) Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingereichte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, weil das Amtsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben hat. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch gemäß § 546 Abs. 1 BGB auf Räumung zu.

Im Einzelnen:

1. Die Beklagte ist zwar zunächst – letztlich unstreitig – Partei des Mietvertrags. Bereits der Vortrag der Beklagten zur Begründung des Mietverhältnisses genügt den Anforderungen an ein substantiiertes Parteivorbringen in Bezug auf den Abschluss einer Vereinbarung mit der früheren Vermieterin bzgl. der Begründung eines Mietverhältnisses. Im Übrigen hat die Klägerin in ihrer Einspruchsschrift vom 05.09.2022 die Stellung der Beklagten als Mietmieterin und die daraus folgende Notwendigkeit einer Kündigung auch gegen sie eingeräumt.

2. Das Amtsgericht ist in dem angefochtenen Urteil dann aber rechtsfehlerhaft von der Wirksamkeit der im Anschluss gegenüber der Beklagten ausgesprochenen Kündigungserklärung der Klägerin in ihrer Einspruchsschrift vom 05.09.2022 ausgegangen. Die streitgegenständliche schriftsätzliche Kündigung ist nach Maßgabe der §§ 568 Abs. 1, 126, 126a BGB formunwirksam und damit gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Sie ist nicht geeignet, das Mietverhältnis zu beenden und einen Räumungsanspruch zu begründen.

Im Einzelnen:

a) Gemäß § 568 Abs. 1 BGB muss die Kündigung des Mietverhältnisses schriftlich erfolgen. Die Schriftform erfordert die eigenhändige Unterschrift oder ein notariell beglaubigtes Handzeichen unter der Kündigungserklärung, § 126 Abs. 1 BGB. Die schriftliche Form kann auch – wie hier – durch ein elektronisches Dokument ersetzt werden, § 126 Abs. 3 BGB; das Dokument bedarf dann der qualifizierten elektronischen Signatur des Ausstellers, § 126a Abs. 1 BGB (Zöller/Althammer, ZPO, § 80 Rn. 8).

Anwaltliche Schriftsätze, die gemäß § 130d Satz 1 ZPO im Zivilprozess in der Regel per besonderem elektronischen Postfach einzureichen sind, wahren, sofern sie mit einer qualifiziert elektronischen Signatur versehen sind, gegenüber dem Gericht das Schriftformerfordernis (Geib, in: BeckOGK, BGB § 568 Rn. 27).

Neben der Abgabe ist für eine formgerechte schriftliche Kündigung aber auch notwendig, dass der bei Gericht eingegangene, qualifiziert signierte Schriftsatz, der die Kündigung enthält, dem Kündigungsempfänger selbst in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zugeht (AG Hamburg, Urteil vom 25.02.2022 – 48 C 304/21, BeckRS 2022, 3863 Rz. 34, beckonline; Schmidt-Futterer/Streyl, BGB, 15. Aufl., § 568 Rn. 29; Geib, in: BeckOGK, BGB § 568 Rn. 27). Dieser Grundsatz gilt in gleichem Maße für die Schriftform nach § 568 Abs. 1 BGB wie auch für die ersatzweise gemäß § 126a Abs. 3 BGB geltende elektronische Form, weil bei letzterer unter Beibehaltung der für die Schriftform geltenden Grundsätze lediglich die für die Schriftform erforderliche eigenhändige Namensunterschrift bzw. das notariell beglaubigte Handzeichen durch das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur substituiert wird (vgl. AG Hamburg, Urteil vom 25.02.2022 – 48 C 304/21, BeckRS 2022, 3863 Rz. 35). Entsprechend erfordert auch die Einreichung und Zustellung auf elektronischem Weg den formgemäßen Zugang des qualifiziert elektronisch signierten Schriftsatzes. Die Weiterleitung durch das Gericht an den Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten reicht hierzu selbst dann nicht, wenn der Schriftsatz seitens des Gerichts per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) zugestellt wird, weil die Legitimationswirkung der Absendersignatur nur gegenüber dem Gericht und nicht – wie gesetzlich gefordert – gegenüber dem Empfänger des Schriftstücks besteht (so AG Hamburg, Urteil vom 25.02.2022 – 48 C 304/21, BeckRS 2022, 3863 Rz. 35 f., beckonline ; Geib, in: BeckOGK, BGB § 568 Rn. 27; Schmidt-Futterer/Streyl, BGB, § 568 Rn. 29; Rohlfs, in: Staudinger, BGB, § 568 Rz. 22; aA MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl., BGB § 568 Rn. 7; Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, 7. Aufl., BGB § 568 Rn. 17).

b) Davon ausgehend war hier die Schriftform nicht gewahrt, weil die Kündigungserklärung der Klägerin vom 05.09.2022 der Beklagten nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form gemäß §§ 568, 126, 126a BGB zugegangen ist. Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in seiner Einspruchsschrift vom 05.09.2022 zwar elektronisch per mit besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) eingereichtem Schriftsatz die streitgegenständliche Kündigung gegenüber dem Gericht erklärt. Dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist dann aber der Schriftsatz erst durch das Gericht selbst elektronisch zugestellt worden (Bl. 117, 137 AG), weshalb die notwendige Legitimationswirkung der Absendersignatur gerade nicht gegenüber der Beklagten eingetreten ist.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 344 ZPO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

5. Hinsichtlich der von der Kammer verneinten Frage, ob eine per besonderem elektronischen Anwaltspostfach (beA) schriftsätzlich eingereichte Kündigung durch die Weiterleitung durch das Gericht dem Kündigungsempfänger bzw. dessen Prozessbevollmächtigten formwirksam nach Maßgabe der §§ 568 Abs. 1, 126 Abs. 3, 126a BGB zugegangen ist, wird die Revision zugelassen. Diese Frage hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO, weil ihr Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich und unterschiedlich bewertet. Eine höchstrichterliche Entscheidung liegt nicht vor.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 5.000 Euro festgesetzt.

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