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Mobilfunktelefonbenutzung – Pkw: In-die-Hand-Nehmen schon bußgeldbewehrt

OBERLANDESGERICHT KÖLN

Az.: 83 Ss-OWi 19/05 – 242 Z –

Beschluss vom 23.08.2005


In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln auf die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 29. April 2005 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft in der Besetzung gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG am 23. August 2005 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Köln zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit „gemäß §§ 23 I 1a, 49 StVO“ – gemeint: § 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO – zu einer Geldbuße von 40,00 € verurteilt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die er mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat.

Durch Beschluss vom 18.08.2005 hat der Einzelrichter des Senats die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und die Sache dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80 a Abs. 3 OWiG).

II.

Die nach ihrer Zulassung gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt.

Der Betroffene rügt zu Recht, dass der Schuldspruch des angefochtenen Urteils, der wegen fehlender Feststellung der Schuldform ohnehin unvollständig ist, auf einer Verletzung des sachlichen Rechts beruht. Die Verurteilung wegen Verstoßes gegen eine Pflicht des Kraftfahrzeugführers nach § 23 StVO findet in den tatrichterlichen Sachverhaltsfeststellungen keine tragfähige Grundlage.

a)

Nach § 23 Abs. 1a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon aufnimmt oder hält. Das Amtsgericht legt dem Betroffenen zur Last, als Führer des Pkw Audi mit dem amtlichen Kennzeichen x6 am 02.06.2004 um 7.45 Uhr auf der BAB 3 in Fahrtrichtung G. bei Km 137,8 gegen diese Bestimmung verstoßen zu haben, und führt dazu aus:

„Der Betroffene ließ sich dahingehend ein, dass das ausgeschaltete Handy links im Ablagefach lag. Das Handy rappelte während der Fahrt und er ergriff bei der Fahrt mit der linken Hand das Handy und legte es auf die Mittelkonsole, damit es nicht wieder rappelte.

Allein dieses Verhalten ist schon nach § 23 Abs. 1a StVO bußgeldbewehrt.

Denn die Norm will verhindern, dass der Fahrer während der Fahrt abgelenkt und unkonzentriert wird und somit auch nicht mit beiden Händen das Steuer hält und den Verkehr aufmerksam beobachtet. Dieses Ziel wird auch durch das vom Betroffenen geschilderte Verhalten verfehlt. So auch, wenn er das eingeschaltete Handy nur in eine Hand nimmt, um die Uhrzeit abzulesen.

Daher war der Bescheid [sc. Bußgeldbescheid] schon nach der eigenen Einlassung des Betroffenen zu bestätigen. Zeugen brauchten nicht gehört zu werden.“

b)

Diese Sichtweise zum Normgehalt der Bestimmung des § 23 Abs. 1a StVO ist rechtsfehlerhaft. Sie überschreitet die äußersten Grenzen verfassungskonformer richterlicher Auslegung, die durch den (noch) möglichen Wortsinn markiert wird (vgl. dazu BVerfGE 71, 108 [114 ff.] = NJW 1986, 1671 = NStZ 1986, 261; BVerf-GE 73, 206 [234 ff.] = NJW 1987, 43 [44]; BVerfGE 92, 12 = NJW 1995, 1141; BGHSt 4, 144 [148] = NJW 1953, 1190; BGHSt 29, 129, 133 = NJW 1980, 350; Rogall, in: Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 53 m. w. Nachw.; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 3 Rdnr. 6; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 1 Rdnr. 11 f. m. w. Nachw.)

Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, sofern er zu diesem Zweck das Gerät aufnimmt oder hält.

Dabei schließt der Begriff der Benutzung nach dem allgemeinen Sprachverständnis einerseits die Inanspruchnahme sämtlicher Bedienfunktionen ein. Er umfasst also nicht nur das Telefonieren, sondern auch andere Formen der bestimmungsgemäßen Verwendung. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 599/00 S. 18 zu Art. 1 Nr. 4 der 33. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 11.12.2000 – BGBI. I 1690) hervorgehoben, dass neben dem Gespräch im öffentlichen Fernsprechnetz auch „die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet etc.“ verboten sein sollen. Darüber hinaus kann unter Benutzung eines Mobiltelefons auch die Wahrnehmung der von Geräten neuerer Bauart zur Verfügung gestellten vielfältigen Möglichkeiten als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und Darstellung von Daten (Organisatorfunktionen, Diktier-, Kamera- u. Spielefunktionen) verstanden werden (vgl. dazu OLG Hamm NJW 2003, 912 = VRS 104, 222 = NZV 2003, 98 = VM 2003, 45 (Nr. 45) = DAR 2003, 473; OLG Hamm NJW 2005, 2469 [Ablesen der Uhrzeit vom Display]; ferner DAR 2001, 145). Es bedarf hier keiner Erörterung, ob insoweit eine einschränkende Auslegung etwa im Hinblick darauf geboten ist, dass die Verwendung spezieller Geräte mit entsprechenden Funktionen ohne Telefoneinrichtung – wie etwa Organizer, Diktiergerät oder Kamera – keinem Verbot unterliegt. Denn es gilt nicht, den Anwendungsbereich der Bestimmung in der Richtung auszuloten, welche konkreten Gebrauchsformen neben dem Telefonieren noch von dem Verbotstatbestand umfasst werden, wie weit also der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1a StVO reicht. Es ist vielmehr zu klären, wo er beginnt.

Für die vorliegende Fragestellung kommt es deshalb entscheidend darauf an, dass der Begriff der Benutzung auf der anderen Seite schon von seinem Wortstamm her erfordert, dass die Handhabung einen Bezug zu einer der Funktionen des Geräts aufweist. Ansonsten kann nämlich nicht mehr davon die Rede sein, dass es bestimmungsgemäß nutzbar gemacht wird. Von daher liegt auf der Hand, dass schon nach dem Sinngehalt des Begriffs nicht jedes In-die-Hand-Nehmen eines Mobiltelefons (während der Fahrt) als dessen tatbestandsmäßige Benutzung verstanden werden kann. Dass dies zudem auch dem Verständnis des Verordnungsgebers entspricht, wird überdies dadurch deutlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 1a StVO das Aufnehmen und Halten des Mobiltelefons nicht als solches untersagt wird, sondern dass dadurch vielmehr nur der Bereich erlaubter Benutzung begrenzt werden soll (vgl. OLG Hamm a.a.O.; SenE v. 25.07.2003 – Ss 295/03 Z -).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann daher das bloße Aufnehmen eines Handys, um es von einer Ablage in eine andere zu legen, nicht als Verstoß gegen die Pflicht aus § 23 Abs. 1a StVO gelten. Es bedarf vielmehr weitergehender Beweiserhebung zur Klärung der Frage, ob die entsprechende Einlassung des Betroffenen zu widerlegen und der Vorwurf des Bußgeldbescheids zu beweisen ist (vgl. zu Schuldform u. Bußgeldbemessung: OLG Jena NStZ-RR 2005, 23 = NZV 2005, 108 = zfs 2005, 207 = DAR 2005, 228 = VRS 107, 472).

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