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Nacktbilderfakes im Internet – Zulässig?

OLG Köln

Az.: 15 U 221/01

Urteil vom 28.05.2002


Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die an sich statthafte, in der gesetzlichen Form und Frist eingereichte und begründete Berufung der Verfügungsbeklagten (fortan: Beklagte) ist zulässig. In der Sache indes bleibt sie ohne Erfolg. Im Ergebnis hält die angefochtene Entscheidung den gegen sie geführten Rechtsmittelangriffen stand.

Das landgerichtliche Urteil unterliegt nicht etwa deswegen der Aufhebung und Abänderung, weil die Kammer – wie die Beklagte meint – einen zu unbestimmt gefaßten Verfügungsantrag eigenständig konkretisiert und sich dadurch über die Grenzen insbes. der §§ 308 Abs. 1 S. 1, 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinweggesetzt hat. Grundsätzlich räumt § 938 ZPO dem Gericht ein Ermessen ein, welche Anordnungen es zur Erreichung des verfolgten Verfügungszweckes für geboten hält. Wenngleich ein Untersagungsbegehren so bestimmt wie möglich formuliert sein sollte, ist das Gericht dennoch nicht gehindert, einschränkende Konkretisierungen anzubringen, wie dies hier geschehen ist.

Die vorgenommene Eingrenzung präzisiert das zu beachtende Verbot auch so hinlänglich, daß dessen Befolgung notfalls zwangsweise mit den Mitteln des Vollstreckungsrechts durchgesetzt werden könnte. Da das Unterlassungsgebot in die Zukunft gerichtet ist, kann es zwangsläufig noch keinen individualisierten Verletzungsfall bezeichnen, sondern sich lediglich an der in der Vergangenheit bereits verwirklichten Verletzungsform orientieren. Dem trägt die Tenorierung des landgerichtlichen Urteils gebührend Rechnung. Diese ist auch nicht – wie die Berufung moniert – unter Berücksichtigung dessen zu weit gefaßt, daß die Beklagte „keine Herrschaft über das gesamte Internet“ besitzt. Ihre Argumentation lässt außer Ansatz, daß es speziell der Beklagten verboten worden ist, Abbildungen der inkriminierten Art zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen. Dieses Unterlassungsgebot kann sich naturgemäß allein auf Sachverhalte beziehen, auf deren Realisierung die Beklagte Einfluß nehmen kann, weil sie eine dazu gehörige Rechtsmacht innehat.

Ebensowenig wie die Fassung des Urteilstenors gibt die Begründung, mit der das Landgericht zur Bejahung der Passivlegitimation der Beklagten gelangt ist, berechtigten Anlaß zu Beanstandungen. Die Beklagte war – was sie schlechterdings nicht in Abrede stellen kann – im maßgeblichen Zeitraum (September 2000 bis Juni 2001) Inhaberin der Domain. Daß sie insoweit lediglich eine formalrechtliche Position gehalten haben will, weil die Registrierung des Namens im Auftrag und für Rechnung der ….beantragt worden sei, lässt ihre Passivlegitimation nicht entfallen. Sie hat nämlich nach außen hin einen anderen Anschein als den eines bloßen „Statthalters“ gesetzt. So hat sie die Homepage unter M – Deutschland geführt, im“…“sind ihre Firmenbezeichnung und ihre Geschäftsadresse angegeben und als Ansprechpartner für die im einzelnen beschriebenen Bereiche sind Mitarbeiter ihres Unternehmens namentlich benannt. Daß irgendwo kleingedruckt auch einmal der Name ….zu lesen steht, enthebt sie nicht ihrer Verantwortung für die unter ihrer Domain ins Internet eingestellten Inhalte.

Zu eben diesen Inhalten gehörte bis zu der Sperrung am 21.06.2001 auch die Community „…“, die ein mit dem Pseudonym „…“ versehener privater Nutzer in die Homepage … eingebracht hatte. Daß die dort veröffentlichten Bilder, jeweils mittels technischer Manipulation hergestellte Kombinationen aus den Köpfen Prominenter und den in obszöner Pose abgebildeten Körpern anderer Personen, das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen – hier speziell der Verfügungsklägerin (künftig: Klägerin) – gröblichst verletzen, steht außer Frage und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Demzufolge hat die Klägerin in entsprechender Anwendung von §§ 823, 1004 BGB Anspruch darauf, daß derartige Rechtsverletzungen künftig unterbleiben. Dieser Inanspruchnahme ist auch die Beklagte ungeachtet dessen ausgesetzt, daß es sich bei ihr um eine Diensteanbieterin im Sinne des zur „Tatzeit“ geltenden Gesetzes über die Nutzung von Telediensten (TDG) handelt, worunter nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 1 TDG natürliche oder juristische Personen oder Personenvereinigungen zu verstehen sind, die eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung bereithalten oder den Zugang zur Nutzung vermitteln. Solche Diensteanbieter haften zwar nur nach Maßgabe des § 5 TDG, der eine Filterfunktion erfüllt, um im Blick auf die spezifischen Umstände des Internet bestimmte Fälle von der verantwortlichen Zurechnung auszuschließen (vgl. etwa Köhler/Arndt, Recht des Internet Rdz. 419). Es besteht aber schon ein Meinungsstreit darüber, ob die dort geregelten Haftungsbeschränkungen nur auf die verschuldensunabhängigen Haftungstatbestände anzuwenden sind (Koch CR 1997, 193, 198) oder ob sie auch für den – hier angesprochenen – Bereich der Störerhaftung gelten (so Köhler/Arndt a.a.O.; insoweit wohl verneinend Spindler NJW 1997, 3193, 3195, dort Fn. 25; offenlassend OLG Köln – 6. Zivilsenat – OLG-Report 2002, 80, 81 m.w.N.). Eine Entscheidung, ob dieser oder jener Auffassung zu folgen ist, fordert der zu beurteilende Sachverhalt indessen nicht heraus, weil keine der in Abs. 2 und 3 des § 5 TDG vorgesehenen Haftungserleichterungen zum Zuge kommt, vielmehr dessen Absatz 1 einschlägig ist, der besagt, daß Diensteanbieter für eigene Inhalte nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind.

„Eigene“ Inhalte meint nicht ausschließlich diejenigen, die von dem Provider herrühren, die er selbst verfaßt hat und deren Schöpfer bezw. Urheber er ist, sondern darüber hinaus auch fremd erstellte Inhalte, die der Diensteanbieter sich zueigen macht (vgl. BT-Drucksache. 13 / 7385 S. 19), die er so übernimmt, daß er aus der Sicht eines objektiven Nutzers für sie Verantwortung tragen will. Dazu bedarf es wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalles (Pelz ZUM 1998, 530, 532; Spindler NJW 1997, 3193, 3196). Entscheidend ist insoweit die Art der Datenübernahme, ihr Zweck und die konkrete Präsentation der fremden Daten durch den Übernehmenden (Köhler/Arndt a.a.O. Rdz. 420). Allein die Tatsache, daß der Anbieter einen fremden Inhalt als solchen kenntlich gemacht hat, kann noch nicht in jedem Fall seine Haftung wegen eigenen Inhalts ausschließen. Als Abgrenzungsrichtschnur kann die Rechtsprechung zur erforderlichen Distanzierung von Presseorganen gegenüber wiedergegebenen Zitaten oder Informationen vorsichtig und mit Modifikationen herangezogen werden (Spindler NJW 1997, 3193, 3196; in diesem Sinne auch Pelz ZUM 1998, 530, 532). Diese setzt eine eigene und ernsthafte Distanzierung des Erklärenden von den Äußerungen eines Dritten voraus. Hierzu reicht es beispielsweise nicht aus, daß der Anbieter bei Wiedergabe ehrverletzender Äußerungen lediglich auf die eigene Verantwortung ihres Urhebers verweist. Besitzt jemand die Urheber -und Nutzungsrechte an einem online bereitgestellten Werk, so wird dies regelmäßig als Indiz für einen eigenen Inhalt angesehen werden können (Müller-Terpitz in Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internet S. 193).

Legt man diese Maßstäbe an, so spricht zunächst gegen ein Zueigenmachen, daß die Fremdheit für den Nutzer erkennbar war, die Anonymisierung offengelegt und ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, daß die Beklagte bezw. Microsoft für den Inhalt dieser Web-Seite nicht verantwortlich zeichne. Bei gesamtschauender Betrachtung indes reichen angesichts des Maßes an Einflußnahme und Steuerung durch die Beklagte sowie der Art der Präsentation und des damit verfolgten Zweckes die voraufgeführten Umstände nicht aus, um aus der Sicht eines objektiven Nutzers eine ernsthafte und genügende Distanzierung des Diensteanbieters von den auf seinen Web-Seiten eingestellten Inhalten deutlich werden zu lassen. So schließt – wie bereits dargelegt – allein die Kenntlichmachung eines fremden Inhalts als eines solchen dessen Zurechnung zu den Anbietern keineswegs zwingend aus. Bei moderierten News-Groups oder Chat-Foren ist in aller Regel ohne weiteres erkennbar, daß es sich um Beiträge handelt, die nicht vom Provider, sondern von Dritten stammen. Dadurch jedoch, daß dieser eine an den gestellten Anforderungen ausgerichtete Vorkontrolle – hier durch Einforderung einer Beschreibung des Inhaltes der geplanten Community und Einschätzung ihrer altersbezogenen Eignung – ausübt und den Beitrag in sein eigenes Diensteangebot integriert, erweckt er den Anschein, sich mit den fremden Inhalten grundsätzlich zu identifizieren und sich diese zueigen zu machen (vgl. Pelz ZUM 1998, 530, 533).

Die Beklagte gibt, wenn auch nur grob strukturiert, die Infrastruktur der Communities vor, indem sie Themenschwerpunkte bildet und eine bildliche oder textliche Ausgestaltung der Beiträge vorschreibt. Auf diese Weise wirkt sie initiierend und lenkend auf die Schaffung überhaupt wie auch auf die Inhalte der Communities ein. Diese sind in die übrigen – eigenen – Internetseiten der Beklagten vollständig eingebettet und werden selbst von werbenden Aussagen der Beklagten für eigene Produktangebote eingerahmt. Es ist im Hinblick darauf wie ferner in Ansehung dessen, daß die Einstellung von Prominentenbildern ins Internet wenig mit der Eröffnung eines Diskussionsforums gemein hat, nicht ersichtlich, welchem anderen Zweck als dem der Förderung eigener wirtschaftlicher Interessen die Hereinnahme der Communities zu dienen bestimmt sein soll. Obschon auf „…“ als den anonymisierten Urheber der Beiträge hingewiesen wird, ist doch nicht zu verkennen, daß aus der Sicht des unbefangenen Betrachters der einstellende „Manager“ im Vergleich zu der Beklagten als gänzlich untergeordnet erscheint, dieser ihr gegenüber vollständig in den Hintergrund tritt.

Ob dieser in seiner Eigenschaft als „Manager“ einen Anspruch auf Geheimhaltung seiner Identität für sich reklamieren kann oder nicht vielmehr seinerseits als „content provider“ anzusehen ist, sei hier nur als Frage in den Raum gestellt. Ihr kommt unter dem Aspekt Bedeutung zu, daß die Begrenzung der deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit der Teledienstanbieter und ggfls. auch ihrer Störerhaftung zu keiner Aushöhlung des Persönlichkeitsrechtsschutzes führen darf. Letztlich käme es dazu aber, wenn sich der Teledienstanbieter dahin zurückziehen könnte, selbst – mangels Kenntnis vom Inhalt – gemäß § 5 Abs. 2 TDG von der Haftung frei zu sein, weil es sich um einen fremden Beitrag handele, der „Fremde“ jedoch nicht zur Rechenschaft zu ziehen ist, weil dessen Identität vom Provider unter Berufung auf datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht preisgegeben zu werden braucht. Dieser Interessenwiderstreit verlangt nach einer so klaren und weitreichenden Distanzierung des Diensteanbieters vom Inhalt der in seine Web-Seiten übernommenen Communities, daß nicht mehr er, sondern nur noch der wirkliche Verfasser des Beitrages als der keines Datenschutzes bedürftige Urheber in Erscheinung tritt, der dafür zivil -und strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.

Haben schon die gegen eine ausreichende Distanzierung sprechenden vorstehend behandelten Gesichtspunkte ein deutliches Übergewicht im Vergleich zu denen, die die Beklagte zu ihren Gunsten ins Feld führen kann, so tritt noch als ein dieses Ergebnis bestärkender Umstand hinzu, daß sich die Beklagte als ein Microsoft angeschlossenes Unternehmen in den Nutzungsbedingungen (vgl. Anlagen AS 9, AH Bl. 20, bzw. AG 10, AH Bl. 56, dazu Bl. 165 GA) das Recht „zur Nutzung“ bzw. „zur Verwendung Ihrer Sendung in Verbindung mit dem Betrieb Ihrer Internettätigkeiten“ ausbedungen hat. Dies ist ein zusätzliches Indiz dafür, daß sich die Beklagte den an sich fremden Inhalt zueigen gemacht hat, so daß sie in Ansehung von § 5 Abs. 1 TDG nach den allgemeinen Gesetzen haftet.

An der Störereigenschaft der Beklagten ist nicht nachhaltig zu zweifeln. Sie muß sich eine adäquat kausale Veranlassung der Rechtsgutsverletzung zurechnen lassen, hat sie doch durch ihre Initiative und ihre Themen – /Gestaltungsvorgaben die Einstellung – auch manipulierter – Prominentenbilder ins Internet herausgefordert. Worin sonst sollte der Anreiz für die Veröffentlichung von Photos gefunden werden, wenn es sich dabei ausschließlich um solche gehandelt hätte, die regelmäßig in sämtlichen Medien anzuschauen sind? Eine konkrete Kenntnis vom Inhalt jeder einzelnen Community ist in diesem Zusammenhang nicht vonnöten. Zur Annahme der Störereigenschaft reicht es aus, daß der rechtsverletzende Gebrauch der von der Beklagten angebotenen Möglichkeit, ihre Web-Seiten zu nutzen, nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (vgl. Wiebe CR 2002, 54 und die dort. Nachw.).

Deswegen dringt die Beklagte auch nicht mit ihrem Argument durch, im Internet sei es unmöglich, Inhalte der Beiträge eines Nutzers im vorhinein zu filtern, ihr könne folglich die Erfüllung des Untersagungsgebotes nicht abverlangt werden. Ihre Haftung gründet auf ihrem eigenen Verursachungsbeitrag zu der Rechtsgutsverletzung. Es ist ihre Sache, dafür Sorge zu tragen, daß ihr fremde Inhalte nicht als eigene zugeordnet werden können. Dafür mag es notwendig sein, daß sie Gestaltung, Thematik und Zweck der Präsentation solcher Communities neu überdenkt und sachgerecht regelt.

Der Unterlassungsanspruch, der der Klägerin nach dem bisher Gesagten zuzubilligen ist, scheitert schließlich nicht an fehlender Wiederholungsgefahr. Für deren Bestehen streitet angesichts der bereits einmal begangenen Rechtsverletzung schon generell eine diesbezügliche Vermutung. Einzelfallbezogen kommt hier noch hinzu, daß die Beklagte geltend macht, sie sei zur Einhaltung des Verbotes faktisch gar nicht imstande, woraus im Umkehrschluß zu folgern ist, daß gleichartige Rechtsverletzungen selbst aus ihrer Sicht jederzeit erneut passieren können.

Dem Begehren der Klägerin mangelt es auch nicht an der Dringlichkeit. Spätestens seit Vorlage des „Fan-Briefes“ vom 04.06.2001 (Bl. 183 GA) ist glaubhaft gemacht, daß sie unverzüglich nach Kenntniserlangung die gebotenen rechtlichen Schritte in die Wege geleitet hat.

Die nach Maßgabe des angefochtenen Urteils bestätigte einstweilige Verfügung ist nach alledem zu Recht erlassen worden; der Berufung der Beklagten muß demnach der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist in Ansehung von § 542 Abs. 2 ZPO n.F. entbehrlich.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 100.000,00 DM = 51.129,19 Euro

 

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