Hessisches Landesarbeitsgericht
Az: 219 Sa 2046/00
Verkündet am 10.07.2001
Vorinstanz: ArbG Frankfurt am Main – Az.: 6 Ca 2166/00
Das Hessische Landesarbeitsgericht , Kammer 2 in Frankfurt am Main hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2001 für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main vom 20. September 2000 – 6 Ca 2166100 – wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung.
Der am 13. Dezember 1954 geborene Kläger ist seit dem 01. Januar 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Schreiben der Beklagten vom 04. Dezember 1985, in dem es u. a. heißt:
wir … bestätigen, daß wir Sie ab 1. Januar 1986 als Fluggastkontrolleur für die Dienststelle Fluggastkontrolle (ZV 31) innerhalb unserer Abteilung Zentrale Verkehrsleitung einstellen werden.
Ihr Arbeitsvertrag richtet sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) einschließlich der für die Flughafen AG geltenden Zusatzbestimmungen sowie der hierzu getroffenen Sonderregelung für Zeitangestellte (SR 2y), den betriebsüblichen Regelungen, den Dienstvorschriften und den Richtlinien zur Ausübung der Luftaufsicht des Hessischen Minister für Wirtschaft und Technik.
“ (Bl. 4 und 5 d. A.).
Durch Bescheid des Versorgungsamtes Gießen vom 06. April 1999 ist der Kläger seit dem 09. November 1998 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt; Grundlage der Anerkennung waren Behinderungen durch Depression, Fehlhaltung der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen, rezidivierende Reizerscheinungen, Bandinstabilität des rechten Kniegelenkes, leichte Fußdeformität beiderseits sowie rezidivierende Magenschleimhautentzündung (BI. 84 und 85 d. A.). Zunächst war der Kläger bis Oktober 1997, als betriebsärztliche Untersuchungen gesundheitliche Bedenken gegen diese Art der Beschäftigung ergaben, als Fluggastkontrolleur tätig. Ob er derzeit in der Personalkontrolle oder nur mit der Überprüfung von Gepäckstücken an einem sogenannten Egis-Gerät eingesetzt wird, bei dem er nur dieses Gerät bedient, wenn verdächtige Gegenstände auf Sprengstoff untersucht werden, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Im Jahr 1999 war der Kläger an 92 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt. Als die Beklagte im August 1999 versuchte, unter Einschaltung der Bundesversicherungsanstaltfür Angestellte Möglichkeiten für den weiteren Einsatz des Klägers auszuloten, stellte sie fest, dass der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt rentenversichert war, weil sich die Bundes
versicherungsanstalt für Angestellte für unzuständig erklärte. Auf Befragen räumte der Kläger ein, dass er nebenbei bei einem anderen Arbeitgeber arbeite. Nähere Angaben darüber verweigerte er ebenso wie solche zu den Ursachen seiner krankheitsbedingten Fehlzeiten. Im Dezember 1999 hatte er einen Bandscheibenschaden, vom 13. September bis 04. Oktober 2000 befand er sich wegen Rückenbeschwerden in stationärer Behandlung. Mit Schreiben seiner nachmaligen Prozessbevollmächtigten vom 02. Dezember 1999, 13. Januar und 16. Februar 2000 beantragte er bei der Beklagten die Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung (BI. 7 bis 10 d. A.). Die Beklagte lehnte das mit Schreiben vom 28. Februar 2000 unter Hinweis auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers ab (BI. 11 d. A.). Mit der Klage verfolgt der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Kraftfahrer bei dem Unternehmen Erich K. Schmidt, Inhaber Bernd Schmidt, im Umfang von sechs Wochenstunden weiter.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, er habe einen Anspruch auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung, weil ein berechtigtes Interesse der Beklagten an einer Verweigerung nicht ersichtlich sei. Seine Arbeitsleistung werde durch die Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt. Die beabsichtigte Beschäftigung stelle keine Konkurrenztätigkeit dar. Für negative Auswirkungen auf seine Arbeitsleistung bei der Beklagten gebe es keine Anhaltspunkte. Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen würden auch durch die Nebentätigkeit nicht verschlimmert (Beweis: Ärztliche Bescheinigung des Dr. med. Mannes, BI. 38 d. A.).
Der Kläger hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Nebentätigkeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma Erich K. Schmidt, Inhaber Bernd Schmidt, Hainbachstra-ße 5, 35641 Schöffengrund, im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses im Umfang von sechs Arbeitsstunden pro Kalenderwoche zu erteilen.
Die Beklagte hat gebeten, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht gewesen, in Hinblick darauf, dass er die Nebentätigkeit ohne Genehmigung ausgeübt und sich nicht zu Art und Umfang derselben und zu den Ursachen seiner häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten geäußert habe, sei sie nicht verpflichtet, die begehrte Nebentätigkeitsgenehmigung zu erteilen.
Das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main hat mit einem am 20. September 2000 verkündeten, dem Kläger am 20. November 2000 zugestellten Urteil – 6 Ca 2166/00 (BI. 43 bis 47 d. A.) – die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 18. Dezember 2000 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19. Februar 2001 am 19. Januar 2001 begründet.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Ansicht, Fakten, die bei der Beklagten die Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Belange begründen könnten, gäbe es nicht. Er sei nicht auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt, weil der Personaleingang auch Behinderteneingang sei. Er behauptet, die Arbeitsunfähigkeiten im Jahr 1999 seien auf eine Magenerkrankung, Beschwerden in der Schulter, Bronchitis, einen Magen-Reiz-Zustand, eine Großzehen-Grundgelenkreizung, Beschwerden am Fuß, einer Infektion und im Dezember 1999 auf einen Bandscheibenschaden zurückzuführen. Seine Erkrankungen würden darauf beruhen, dass er bei der Fluggastkontrolle einseitige Bewegungen vornehmen müsse, und zwar immer in der gleichen Art. Das habe mit seiner Tätigkeit als Kraftfahrer nichts zu tun. Er werde die Tätigkeit bei der Firma Schmidt nur ausüben, soweit er dort gebraucht werde. Das werde über weite Strecken pro Woche allenfalls ein bis zwei Stunden sein. Die Nebentätigkeit habe für ihn den Vorteil, dass er aus seinen Berufen als Autoschlosser und Berufskraftfahrer nicht „herauskomme“. Er werde dort keine Be- und Entladetätigkeiten ausüben, da er dort einen Kipper fahren werde. Sitze in Lastkraftwagen seien heutzutage genauso gut wie in Personenkraftwagen, so dass er dort keinen Erschütterungen ausgesetzt sein werde (BI. 66 bis 70, 88 und 89 d. A.).
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 20. September 2000 – 6 Ca 2166100 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Nebentätigkeitsgenehmigung für eine Tätigkeit als Kraftfahrer bei der Firma L. im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses im Umfang von sechs Arbeitsstunden pro Kalenderwoche zu erteilen.
Die Beklagte bittet darum, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, indem sie das angefochtene Urteil verteidigt (BI. 79 bis 82 d. A.).
Zu dem Inhalt des angefochtenen Urteils und der genannten Schriftstücke im Übrigen und im Einzelnen wird auf die angegebenen Blätter der Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Frankfurt/Main vom 20. September 2000 – 6 Ca 2166/00 – ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft, §§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG, und auch im Übrigen zulässig, insbesondere formund fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 516, 518, 519 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG.
In der Sache kann sie keinen Erfolg haben, weil sie unbegründet ist. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Berufungskammer folgt den Gründen des angefochtenen Urteils ohne Einschränkung, macht sich diese zu Eigen und nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf diese Bezug (S. 3 und 4 des Urteils, Bl. 45 bis 46 d. A.). In Hinblick auf das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz und ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1.)
Zu Recht hat das Arbeitsgericht § 79 Abs. 2 S. 1 HBG herangezogen, auf den der zwischen den Parteien jedenfalls kraft einzelvertraglicher Vereinbarung geltende § 11 Abs. 1 BAT in zulässiger Weise verweist (BAG, Urt. v. 07.12.1989 – 6 AZR 241/88 – ZTR 1990, 379 f., unter 11 2 a, ständige Rechtsprechung; v. 16.02.1989 – 6 AZR 289/87 – AP Nr. 9 zu § 42 BAT). Danach ist die Genehmigung zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Die dadurch eintretende Einschränkung der Möglichkeiten des Beamten, seine Arbeitskraft außerhalb des öffentlichen Dienstes zu Erwerbszwecken auszunutzen, verstößt nicht gegen Art. 12 GG. Denn das Beamtenverhältnis ist nicht nur hinsichtlich seiner zeitlichen Dauer Hauptberuf, sondern nimmt auch die gesamte Arbeitskraft des Beamten in Anspruch (BVerfGE 9, 268, 286). Nebentätigkeiten sind daher grundsätzlich nur insofern zulässig, als sie die hauptberufliche Tätigkeit nicht beeinträchtigen. Sie können von einer Genehmigung abhängig gemacht werden (BVerfGE 55, 207, 237 ff.). Diese Grundsätze gelten auch für Angestellte, die, wie der Kläger, im Rahmen der Sicherheitskontrolle an dem von der Beklagten betriebenen Flughafen beamtengleiche Tätigkeiten ausüben.
Die Genehmigung darf allerdings nur aus sachlichen Gründen versagt werden. Insbesondere ist dem Arbeitgeber kein Ermessensspielraum bei der Erteilung oder Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn nicht der Versagungsgrund „Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen“ vorliegt. Ein Versagungsgrund ist dann gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalles eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen bei verständiger Würdigung der im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbaren Umstände und unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden ‚Entwicklung wahrscheinlich ist. Dabei sind dienstliche Interessen im weitesten Sinne zu begreifen, nämlich soweit sie die auf die dienstliche Stellung des Angestellten bezogenen Interessen der jeweiligen Verwaltung betreffen. Danach ist bei der Entscheidung eine Prognose aufzustellen, wobei einerseits die bloße nicht auszuschließende Möglichkeit einer fernliegenden Gefahr der Beeinträchtigung als nicht ausreichend anzusehen ist, andererseits aber auch eine im hohen Maße bestehende Wahrscheinlichkeit einer solchen Beeinträchtigung in absehbarer Zeit nicht erforderlich ist (BAG, Urt. v. 07.12.1989, a.a.O., unter II 2 a und b, BVerwGE 31, 241, 247 f.; 40, 11; 60, 254, 257; 67, 287, 295).
2.)
Danach durfte die Beklagte zu der Prognose gelangen, dass sie besorgen musste, dass durch die nicht nur bereits ausgeübte, sondern weiterhin beabsichtigte Nebentätigkeit des Klägers in einer Baustoffhandlung als Fahrer eines Lastkraftwagens im Umfang von sechs Stunden in der Wochen dienstliche Interessen beeinträchtigt würden, weil das für sie wahrscheinlich war, auch wenn zugunsten des Klägers zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte keine Verwaltungsbehörde, sondern ein Wirtschaftsunternehmen ist, das lediglich wegen der Rechtsnatur seiner Aktionäre Mitglied im Arbeitgeberverband der Gemeinden und Kommunalverbände des öffentlichen Dienstes in Hessen und deshalb an den Bundes-Angestelltentarifvertrag gebunden ist.
Dabei durfte und darf die Beklagte aber berücksichtigen, dass der Kläger in der Vergangenheit, ohne die erforderliche Genehmigung Lastkraftwagen gefahren ist, und zwar anscheinend in einem Umfang, dass diese Tätigkeit sogar sozialversicherungspflichtig war, bisher aber nach wie vor unter Verkennung der Rechtslage und darin noch unterstützt von seinem Prozessbevollmächtigten der Beklagten umfassende Aufklärung hierüber verweigert. Weiter kann nicht außer Acht gelassen werden, dass er diesbezügliche Tatsachen nur nach und nach „häppchenweise“ und unvollständig unter Verstoß gegen seine Pflicht zu vollständigem Vortrag, § 138 Abs. 1 und 2 ZPO, in diesem Rechtsstreit mitgeteilt hat. Für die Beklagte ist danach wahrscheinlich, dass der Kläger weiterhin Tatsachen, die sie wissen müsste, zurückhält.
Die Beklagte durfte auch auf die ihr bekannten und zusätzlich nach und nach im Prozess von dem Kläger vorgebrachten Tatsachen über seinen Gesundheitszustand abstellen. Auch wenn der Kläger nicht be- und abladen muss, beziehen sich seine Beschwerden nach dem Bescheid des Versorgungsamtes und der Bescheinigung des Dr. med. Mannes gerade auf Körperteile, die beim Fahren eines Lastkraftwagens besonders belastet werden: Wirbelsäule, rechtes Ellbogengelenk, rechtes Knie, Fuß und Nerven. In Hinblick darauf, dass der Kläger zusätzlich zu seiner Arbeit, um zur Arbeitsstelle zu gelangen, noch mindestens zwei Stunden arbeitstäglich unterwegs ist, und noch im Dezember 1999 und im September und Oktober 2000 wegen Rückenbeschwerden arbeitsunfähig war, ist es für die Beklagte nachvollziehbar wahrscheinlich, dass die weiterhin beabsichtigte Nebentätigkeit des Klägers ihrer Art nach zumindest zu den Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in dem bisherigen Maße erheblich beitragen würde. Ob der Kläger bei der Beklagten derzeit auf einem „Schonarbeitsplatz“ eingesetzt wird, ist unerheblich.
Demgegenüber ist der Schluss des Dr. med. X eine solche Nebentätigkeit wirke sich gesundheitlich nicht auf die Haupttätigkeit aus“, nicht nachvollziehbar. Der Bescheinigung ist nämlich nicht zu entnehmen, wann er den Kläger untersucht oder behandelt hat, dass der Kläger mitgeteilt hätte, dass er Lastkraftwagen gefahren ist und dass es sich bei der beabsichtigten Tätigkeit als Kraftfahrer um die Fortsetzung dieser Arbeit handeln soll. Die Bescheinigung ist auch sonst nicht geeignet, die Besorgnis der Beklagten zu entkräften. Eine Vernehmung des Dr. med. X kommt nicht in Betracht, da der Kläger nicht substantiiert dargelegt hat, zu welchen konkreten Tatsachen dieser vernommen werden soll. Der Besorgnis der Beklagten kann der Kläger auch nicht. mit einem allgemeinen Hinweis auf die Beschaffenheit heutiger Sitze in Lastkraftwagen begegnen. Erforderlich wäre insofern vielmehr eine präzise Darlegung der Ausstattung des von ihm zu fahrenden Fahrzeugs gewesen.
Unklar bleibt schließlich, wie sich die Tätigkeit zeitlich konkret gestalten soll, insbesondere, wie der zeitliche Umfang sichergestellt werden soll, da der Kläger den Lastkraftwagen am Ende von sechs Stunden wöchentlich kaum am Straßenrand wird stehen lassen können. Demgegenüber hat das Interesse des Klägers daran, seine Fähigkeit als Kraftfahrer von Lastkraftwagen zu erhalten, zurückzutreten; der Hinweis auf eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker ist in diesem Zusammenhang nicht verständlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, da die Berufung des Klägers erfolglos bleibt.
Für die Zulassung der Revision ist kein gesetzlicher Grund ersichtlich, § 72 Abs. 2 ArbGG.