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Online-Branchenbuch – überraschende Entgeltklausel

AG Frankfurt – Az.: 32 C 2278/17 (90) – Urteil vom 02.03.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht ein Entgelt für die Eintragung des Betriebes des Beklagten in einem online-Branchenverzeichnis geltend.

Die Klägerin übersandte an den Beklagten, der ein Fahrradgeschäft betreibt, unter dessen Geschäftsadresse – ob per Briefpost oder per Fax, ist streitig – ein Schreiben vom 29.10.2010 (Anl. K1 zur Klageschrift, Bl. 7 der Akte), welches mit „Eintragungsantrag/Korrekturabzug“ überschrieben ist und unterhalb dieser Überschrift eine – durch Fettdruck markierte – Fristsetzung zur Rücksendung enthält. Dieses Schreiben besteht im mittleren Drittel, durch eine Einrahmung optisch hervorgehoben, aus einer Art Formular zum Eintrag der Firmendaten; insbesondere sind dort Leerfelder für Angaben zu Adresse, Telefon, E-Mail etc. vorhanden. Das untere Drittel des Schreibens ist – im Fettdruck – überschrieben mit „Es gelten folgende Vertragsbedingungen:“. Sodann folgt ein Fließtext, in dem es unter anderem heißt: „Die Richtigkeit der oben aufgeführten Firmendaten sowie die Aufnahme in das Branchenbuch zum Preis von 1068,00 € netto pro Jahr für den Standard Business Eintrag wird durch Unterschrift bestätigt. Alle angebotenen Preise verstehen sich netto zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Die Vertragslaufzeit beträgt 2 Jahre und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn nicht spätestens 3 Monate vor Ablauf des Vertrages schriftlich gekündigt wird. Informieren Sie sich vor Auftragserteilung über die angebotene Leistung unter www.xxx.xx.“ Für den weiteren Inhalt und die genaue Gestaltung des Schreibens wird auf die Anl. K1 Bezug genommen. Der Beklagte ergänzte im mittleren Teil dieses Schreibens einige Angaben zu seinem Geschäftsbetrieb, unterzeichnete es mit Datum 7.11.2010 und sandte es an die Klägerin zurück, die aus diesem Vertrag nunmehr das Entgelt für die Eintragung des Geschäftsbetriebs des Beklagten für das Ausgabejahr 2015 geltend macht.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte habe einen wirksamen Vertrag mit ihr abgeschlossen. Dazu behauptet sie, sie habe an den Beklagten eine Auftragsbestätigung vom 10.12.2010 (Anl. K2, Bl. 8 der Akte) geschickt. Sie ist der Auffassung, dass eine ausdrückliche Erklärung der Annahme gegenüber dem Beklagten im Übrigen entbehrlich gewesen sei. Die Klägerin behauptet, das von ihr unterhaltene Branchenbuch sei multilingual und unterscheide sich insofern von zahlreichen Gratis-Branchenverzeichnissen; sie habe für seine Erstellung erheblichen finanziellen Aufwand betrieben.

Die Klägerin beantragt,

  • den Beklagten zu verurteilen, an sie 1270,92 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 9,0 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.6.2016 zu zahlen,
  • den Beklagten zu verurteilen, an sie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 169,50 € nebst Zinsen i.H.v. 5,0 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (8. September 2017) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, in der Zusendung des Schreibens vom 29.10.2010 liege ein Verstoß gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, so dass schon aus diesem Grund kein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei. Er behauptet, ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er mit Unterzeichnung des Schreibens vom 29. Oktober 2010 ein Vertragsangebot abgebe; er habe es für die Erhebung der korrekten aktuellen Firmendaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertrages gehalten. Eine Auftragsbestätigung wie in der Anl. K2 habe er nie erhalten. Mit einem auf den 20.01.2018 datierten, am 23.02.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz behauptet der Kläger ferner, der Text des Schreibens vom 29.10.2010 sei möglicherweise nachträglich manipuliert worden, und erklärt die Anfechtung.

Für den weiteren Vortrag der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Vortrag des Beklagten zu einer möglichen nachträglichen Manipulation des von ihm unterzeichneten Schreibens sowie die von ihm erklärte Anfechtung bleiben gem. § 296 a ZPO außer Betracht, da diese erst am 23.02.2018 und damit nach Schriftsatzschluss (22.02.2018) eingegangen sind und die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nicht geboten erscheint; zudem würde die Zulassung dieses Vortrages zu keinem anderen Ergebnis führen.

Ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung eines Entgelts für die Aufnahme des Beklagten in ein von der Klägerin betriebenes Branchenverzeichnis steht ihr nicht zu, da es an einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien fehlt.

Zwar hat der Beklagte durch seine Unterschrift unter das Formschreiben vom 29.10.2010 und die Rücksendung dieses Schreibens an die Klägerin eine auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung abgegeben. Die Klausel über die Kostenpflichtigkeit und den Preis von 1068 € netto pro Jahr ist jedoch – unabhängig von der Frage, ob eine Annahmeerklärung der Klägerin vorliegt oder ausnahmsweise gemäß § 151 BGB entbehrlich ist – jedenfalls gemäß § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam.

Gemäß § 310 BGB findet § 305 c BGB auch auf allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden.

Online-Branchenbuch - überraschende Entgeltklausel
(Symbolfoto: Von Arqam Bin Nasir/Shutterstock.com)

Die Voraussetzungen des § 305 c Abs. 1 BGB sind im vorliegenden Fall erfüllt. Für die Frage, ob eine Klausel so stark von den Erwartungen des Vertragspartners abweicht, dass dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht, kommt es auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an. Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BGH, Urteil vom 26.7.2012, VII ZR 262/11).

So liegt der Fall hier. Auch ein gewerblicher Vertragspartner, der der Klägerin unter Verwendung des von ihr verwendeten Formulars einen Eintragungsauftrag erteilt, braucht mit einer Entgeltabrede dieser Art nicht zu rechnen. Eintragungen in Branchenverzeichnisse im Internet werden zwar nicht generell, aber in einer Vielzahl von Fällen auch unentgeltlich angeboten. Zudem erweckt das von der Klägerin verwendete Schreiben durch die Verwendung des Begriffs „Korrekturabzug“ in der Überschrift sowie die Formulierung „Bitte Firmendaten überprüfen und auf Wunsch vervollständigen“ oberhalb des Formularbereichs, in den zusätzliche Einträge vorgenommen werden können, den Eindruck, dass es lediglich um ergänzende Informationen im Rahmen eines bereits bestehenden Vertrages geht, nicht aber um den Abschluss eines neuen Vertrages.

Die danach berechtigte Kundenerwartung, dass es entweder um eine kostenlose Aufnahme in ein Branchenverzeichnis oder aber um die Erhebung ergänzender Daten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertrages geht, dass also jedenfalls die Rücksendung des Formulars keine neuen Zahlungspflichten auslöst, wird durch die Gestaltung des Schreibens vom 29 10. 2010 nicht hinreichend deutlich korrigiert.

Wie bereits ausgeführt, erweckt bereits das Wort „Korrekturabzug“ in der Überschrift den Eindruck, dass es um einen bereits bestehenden Vertrag gehe, was durch die Aufforderung zum „überprüfen“ und „vervollständigen“ der bereits teilweise eingesetzten Firmendaten in dem entsprechenden Formularfeld verstärkt wird.

Zwar weist die fettgedruckte Überschrift „es gelten folgende Vertragsbedingungen“ im unteren Drittel auf einen Vertragsschluss hin; für den unbefangenen Leser wird aber nicht deutlich, dass es hier nicht um die Einbeziehung von AGB in einen bereits bestehenden Vertrag, sondern um den Abschluss eines vollständig neuen und dazu kostenpflichtigen Vertrages geht.

Der Hinweis auf die Vergütungspflicht findet sich ohne jegliche optische Hervorhebung erst in der Mitte des Fließtextes, was dazu führt, dass dieser Hinweis untergeht. Die Klausel über die Entgeltlichkeit der Aufnahme in das Branchenverzeichnis ist also drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten ist. Durch die – dagegen drucktechnisch hervorgehobene – Fristsetzung von 14 Tagen für die Rücksendung des Formulars wird zusätzlich beim unbefangenen Leser der Eindruck von Zeitdruck erweckt und damit dessen Neigung zu sorgfältiger Lektüre des Schreibens – und damit die Chance zur Wahrnehmung der Entgeltklausel – herabgesetzt.

Wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26.7.2012 (Az.: VII ZR 262/11) zu einem zwar nicht identischen, aber durchaus vergleichbaren Antragsformular entschieden hat, werden Entgeltklauseln, die nach der drucktechnischen Gestaltung eines Formulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt sind, dass sie von dem Vertragspartner des Verwenders nicht vermutet werden, nach § 305 c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Dies ist aus den genannten Gründen auch im vorliegenden Fall anzunehmen.

Demnach ist die Entgeltklausel nicht Vertragsbestandteil geworden, so dass der Vertrag gemäß § 306 Abs. 1 BGB im Übrigen wirksam bleibt und gemäß § 306 Abs. 2 BGB die allgemeinen gesetzlichen Regeln gelten. Die Aufnahme des Beklagten bzw. seines Geschäftsbetriebs in das Branchenverzeichnis der Klägerin war nicht lediglich gegen Vergütung zu erwarten (§ 632 Abs. 1 BGB), da – wie bereits ausgeführt – auch zahlreiche kostenlose Branchenverzeichnis existieren. Auch gemäß § 632 BGB ist daher kein Entgelt geschuldet.

In Ermangelung einer vertraglichen Leistungspflicht des Beklagten schuldet dieser der Klägerin auch keine vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Über den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5000 € ist nicht zu entscheiden. Selbst wenn es sich dabei um eine Widerklage handeln sollte, wäre diese erst am 23. Februar 2018 und damit nach Schriftsatzschluss bei Gericht eingegangen, so dass sie im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht mehr beachtlich ist.

Die Nebenentscheidungen über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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