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Online-Partnerschaftsvermittlung: Wertersatz nach Vertragswiderruf

AG Hamburg, Az.: 12 C 196/15, Urteil vom 31.10.2016

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 352,55 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 83,54 € zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Wertersatz nach Widerruf eines Partnerschaftsvermittlungsvertrags.

Online-Partnerschaftsvermittlung: Wertersatz nach Vertragswiderruf
Symbolfoto: tomyam / Bigstock

Die Klägerin schloss am 13.06.2016 per E-Mail mit der Beklagten, einer internetbasierten Partnerschaftsbörse, einen Partnerschaftsvermittlungsvertrag und wählte die Variante einer sog. Premium-Mitgliedschaft zum monatlichen Preis von 39,90 €. Die Beklagte verpflichtete sich u.a., der Klägerin mindestens sieben potenzielle Partner zu vermitteln. Den Betrag von 478,80 € für die zwölfmonatige Laufzeit hat die Beklagte mit Einwilligung der Klägerin deren Konto belastet. Die Beklagte ermöglichte der Klägerin auf ihr Verlangen hin bereits vor Ablauf der fernabsatzrechtlichen Widerrufsfrist die Kontaktaufnahme zu anderen Nutzern.

Nach den wirksam einbezogenen AGB der Beklagten ist für den Fall, dass Dienstleistungen bereits während der Widerrufsfrist in Anspruch genommen werden und anschließend die auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung widerrufen wird, „ein angemessener Betrag“ zu zahlen, der dem Anteil bis zum Widerruf bereits erbrachter Dienstleistungen im Vergleich zum Gesamtumfang der im Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen entspricht.

Am 17.06.2015, also vier Tage nach Vertragsschluss, widerrief die Klägerin die Mitgliedschaft per E-Mail. Die Beklagte erstattet der Klägerin daraufhin 119,70 € und behielt 359,10 € als Wertersatz ein.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass sich bei einer 12-monatigen Laufzeit ein Kostenanteil von 1,31 € pro Tag als Wertersatz ergebe. Da sie den Vertrag unstreitig nach fünf Tagen widerrufen hat, stehe der Beklagten lediglich ein Wertersatz in Höhe von 6,55 € zu.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 352,55 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.06.2015 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 83,54 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte ist der Auffassung, ihre bestehe Hauptleistung darin, Mitglieder in Kontakt mit potenziell passenden Partnern zu bringen. Grundlage der Berechnung des Wertersatzes sei nicht die gewählte Dauer der Mitgliedschaft, sondern in erster Linie die garantierte Anzahl an Kontakten zu anderen Mitgliedern, die von der Beklagten ausgeschöpft worden sei.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 352,55 € aus §§ 355 Abs. 3, 1, 357 Abs. 1, 312g, 312c, 356 BGB. Zwar ist der Wertersatzanspruch der Beklagten nicht schon nach § 357 Abs. 9 BGB (vollständig) ausgeschlossen (1.), jedoch steht der Beklagten lediglich ein Wertersatzanspruch in Höhe von 6,55 € zu (2.), sodass der Einbehalt weiterer 352,55 € durch die Beklagte unberechtigt war.

1.

Ein Wertersatzanspruch der Beklagten für die Zeit bis zum Widerruf des Vertrages ist nicht nach § 357 Abs. 9 BGB ausgeschlossen. Gegenstand des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages war eine Dienstleistung und nicht die Lieferung digitaler Inhalte i.S.d. § 357 Abs. 9 BGB. Digitale Inhalte sind gemäß Art. 2 Nummer 11 der Verordnung (EG) 83/2011 (Verbraucherrechtrichtlinie; im Folgenden: VRRL), deren Umsetzung § 357 Abs. 9 BGB dient, Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden. Hierzu zählen Computerprogramme, Anwendungen (Apps), Spiele, Musik, Videos oder Texte, und zwar unabhängig davon, ob auf sie durch dauerhaftes Herunterladen (Download) oder Herunterladen in Echtzeit (Streaming) von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise zugegriffen wird, vgl. Erwägungsgrund Nummer 19 VRRL. Eine entsprechende Anwendung auf Fälle der vorliegenden Art, in denen der Unternehmer Daten in digitaler Form lediglich zur Verfügung stellt, um eine Online-Anwendung zu ermöglichen, ohne jedoch ein Produkt wie ein Musikstück oder ein Buch vollständig zu übertragen, scheidet aus. Zum einen fehlt es insoweit an einer Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in § 357 Abs. 8 BGB eine Regelung der wechselseiteigen Rechte und Pflichten im Falle des Widerrufs einer Dienstleitungsvereinbarung getroffen, deren Anwendung weder nach ihrem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck ausgeschlossen ist, wenn die Dienste auf digitalem Wege erbracht werden. Die in Abs. 8 geregelten Rechtsfolgen finden sich für Verträge im Anwendungsbereich des § 357 Abs. 9 BGB teilweise in § 356 Abs. 5 BGB wieder, was gleichfalls belegt, dass der Gesetzgeber insoweit eine bewusste Trennung von Dienstleistungsverträgen und Verträgen über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen Inhalten vorgenommen hat. Auch die Interessenlage bei einem Kauf digitaler, nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlicher Inhalte unterscheidet sich von derjenigen eines Dienstleistungsvertrages, der auf digitalem Wege erfüllt wird. In den im Erwägungsgrund Nummer 19 VRRL aufgeführten Beispielen digitaler Inhalte verfügt der Verbraucher zum Zeitpunkt des Widerrufs bereits über die vollständige Hauptleistung. Ob der Verbraucher diese Leistung, wie z.B. ein Buch oder Musikstück, nach dem Widerruf auf seinem Computer oder sonstigen Datenträger löscht, ist für den Unternehmer nicht nachprüfbar. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es auch kein Ausnahmefall, dass der Verbraucher das Produkt trotz Widerrufs weiter nutzt. Insoweit besteht für den Unternehmer eine für ihn nicht kontrollierbare, reale Missbrauchsgefahr, die bei der Teilnahme an Online-Plattformen nicht gegeben ist. Der Unternehmer kann jederzeit den Zugang sperren, so dass für die weitere Vertragsdauer sichergestellt ist, dass der Verbraucher die Hauptleistung nicht mehr nutzen kann. Gerade darin manifestiert sich der wesentliche Unterschied zwischen dem Erwerb nicht datenträgergebundener Inhalte und der sich über eine bestimmte Laufzeit erstreckenden Dienstleistung.

Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Online-Partnerschaftsvermittlungsvertrag handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag. Die von der Klägerin geschuldete Leistung bestand nicht in der einmaligen Bereitstellung von Kontaktdaten mittels eines Downloads, sondern darin, über die gesamte Vertragslaufzeit die Kontaktmöglichkeit zu anderen Mitgliedern des Portals zu gewährleisten und unterstützend zu wirken, indem Einschätzungen geliefert werden, bei welchen Mitgliedern eine Übereinstimmung von Interessen, Einstellungen usw. besteht. Die Klägerin sollte ihre Leistungen nach dem Vertrag über die gesamte Vertragslaufzeit gewährleisten. Die Vermittlung einer Mindestzahl von Kontakten macht nicht den Kern der Hauptpflichten aus. Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin monatliche Leistungen berechnet und das vom Nutzer zu zahlende Entgelt in Höhe von 478,80 € außer Verhältnis zur Vermittlung von sieben Kontakten steht, zumal sich unter den ersten sieben Kontakten häufig keine für eine Partnerschaft in Betracht kommende Person befinden dürfte. Für einen Dienstleistungsvertrag spricht schließlich, dass auch die Beklagte in ihren AGB von einer Dienstleistungsvereinbarung ausgeht.

2.

Ein Wertersatzanspruch der Beklagten besteht lediglich in Höhe von 6,55 €, so dass die Klägerin Anspruch auf Auszahlung der darüber hinaus gehend von der Beklagten einbehaltenen 352,55 € hat.

Der vom Verbraucher im Falle des Widerrufs für bereits in Anspruch genommene Dienstleistungen zu zahlende Wertersatz bemisst sich nach dem objektiven Wert der empfangenen Leistung, begrenzt durch das vertraglich vereinbarte Entgelt (BGHZ 185, 192). Der objektive Wert bemisst sich nach dem Gegenstand der Dienstleistung. Dieser besteht vorliegend wie gezeigt darin, dem Nutzer im Rahmen der Premium-Mitgliedschaft für den vereinbarten Zeitraum die Möglichkeit zu eröffnen, anhand von Partnervorschlägen der Beklagten oder auch unabhängig von diesen andere Nutzer des Online-Angebotes der Beklagten zu kontaktieren und unter diesen nach einem Partner zu suchen. Die von Beklagtenseite garantierte Mindestanzahl an Kontakten macht dabei ersichtlich nicht den Kern des Leistungsversprechens der Beklagten aus. Kein Nutzer würde für die Garantie von sieben Kontakten, die auch in einer Absage bestehen können, mehrere hundert Euro investieren. Kern des Leistungsversprechens der Beklagten ist es vielmehr, über den vereinbarten Zeitraum mit Unterstützung der Beklagten unter den anderen Nutzern des Online-Angebotes der Beklagten nach einem Partner suchen zu können. Dieses zeitbezogene Element ergibt sich auch aus der zeitbezogenen Nutzungsmöglichkeit des Angebotes der Beklagten über den jeweils vereinbarten Zeitraum. Auch die vereinbarten Entgelte spiegeln dies wider, die monatsweise über die Vertragsdauer berechnet werden. Daher ist auch der vom Verbraucher im Falle des Widerrufs zu leistende Wertersatz zeitbezogen zu berechnen. Die von Beklagtenseite gewählte Berechnungsart führt demgegenüber zu einer gesetzwidrigen Entwertung des Widerrufsrechtes, wenn sie dem Verbraucher, der beispielsweise bereits sieben Absagen erhalten hat, dafür 75 % des vereinbarten Entgeltes in Rechnung stellt (LG Hamburg, VuR 2014, 436).

II.

Dem Kläger steht unter dem Gesichtspunk des Verzuges ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie von Zinsen seit dem 21.06.2015 zu. Der Schuldner kommt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt. Die Leistungen sind gem. § 357 Abs. 1 BGB sofort fällig. Eine verzugsbegründende Mahnung setzt „eine eindeutige und bestimmte Aufforderung“ voraus, „mit der der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt“ (BGH NJW 2008, 50). Mit ihrer E-Mail vom 20.06.2015 hat die Beklagte in aller Deutlichkeit die nunmehr sofortige Rückzahlung der im Voraus gezahlten Mitgliedsbeiträge gefordert, so dass die Klägerin am Folgetag in Verzug geraten ist. Demgegenüber stellt die Abrechnung der Klägerin vom 19.06.2015 lediglich ein unzutreffende Berechnung, jedoch keine endgültige Verweigerung der mit der Klage geltend gemachten Forderung dar.

Der Klägerin steht zudem ein Verzugsschaden in Höhe von 83,54 € für die vorgerichtlichen Kosten des erst nach Verzugseintritt eingeschalteten Rechtsanwalts zu. Die erstattungsfähigen Kosten setzen sich, berechnet nach einem Gegenstandswert von 352,28 €, wie folgt zusammen: Eine 1,3-Gebühr gem. Nr. 2300 VV RVG zzgl. Postpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 11,70 € sowie 19 % Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die übersetzte Nebenforderung in Form von zwei Zinstagen war unmaßgeblich (zum fiktiven Streitwert bei streitwertmäßig nicht zu berücksichtigenden Nebenforderungen: Zöller, 31. Auflage, § 92 Rn. 11). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung wird zugelassen. Die Frage der Höhe des Wertersatzes bei Widerruf von Partnerschaftsvermittlungsverträgen ist Gegenstand des beim OLG Hamburg in anhängigen Verfahrens 3 U 122/14 und gerichtsbekannt zahlreicher Rechtsstreitigkeiten.

 

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