Verwaltungsgericht Berlin
Az: VG 11 A 247.07
Beschluss vom 09.05.2007
Leitsatz:
Geringfügige Ordnungswidrigkeiten können grds. Eignungszweifel nicht begründen. Sie schließen die Eignung aber aus, wenn der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er z.B. Vorschriften über den ruhenden Verkehr, die dem geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehr dienen nicht anerkennt und nicht willens ist, diese einzuhalten. Von einem Verkehrsteilnehmer, der immer wieder die Vorschriften über den ruhenden Verkehr und sonstige Ordnungsvorschriften verletzt, ist nicht zu erwarten, dass er auch die Vorschriften über den fließenden Verkehr beachtet. Das gilt auch dann, wenn der Fahrerlaubnisinhaber als Halter fortlaufende Parkverstöße, die mit auf ihn zugelassenen Fahrzeugen begangen werden, duldet und keine wirksamen Vorkehrungen zur Verhinderung weiterer Verstöße trifft (§§ 3 StVG; 11, 46 Abs. FeV).
In der Verwaltungsstreitsache hat die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin am 09.05.2007 beschlossen:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin vom 28.02.2007 wiederherzustellen,
hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, mit dem der Antragsgegner der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis entzogen. sie gleichzeitig aufgefordert hat. ihren Führerschein binnen fünf Tagen nach Zustellung dieses Bescheides abzugeben. sowie die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 511 EUR angedroht hat, bestehen keine ernsthaften Zweifel.
Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig. Die Kammer nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheides und folgt dieser (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist hier § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG ist die Entziehung unabhängig vom Punktsystem zulässig, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer Maßnahmen aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG ergibt.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Diese Voraussetzung liegt hier vor.
Der Antragsgegner durfte hier auf die Nichteignung der Antragstellerin schließen weil sie sich weigerte, das von ihr geforderte Gutachten fristgerecht beizubringen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV).
Die zuvor ergangene Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPG) zur Klärung ihrer Eignungszweifel beizubringen war nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV rechtmäßig. Danach kann zur Klärung von Eignungszweifeln die Beibringung eines MPG angeordnet werden, bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Diese Voraussetzung liegt hier vor, weil mit
den auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeugen allein von Januar 2006 bis Januar 2007 95 Verstöße gegen Parkvorschriften (je einmal wurde ein gesperrter Bereich und eine Busspur befahren) registriert wurden. Für die Jahre 2004 und 2005 kommen weitere 206 Verkehrsverstöße hinzu.
Es ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass zwar grundsätzlich geringfügige Ordnungswidrigkeiten Eignungszweifel nicht zu begründen vermögen, diese indes aber die Eignung ausschließen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er Vorschriften über den ruhenden Verkehr oder bloße Ordnungsvorschriften, die dem geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehr dienen, nicht anerkennt und nicht willens ist, diese einzuhalten. Von einem Verkehrsteilnehmer, der immer wieder die Vorschriften über den ruhenden Verkehr und sonstige Ordnungsvorschriften verletzt, ist nicht zu erwarten, dass er auch die Vorschriften über den fließenden Verkehr beachtet (BVerwG, DÖV 1977.602: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, zuletzt, Beschluss vom 13.03.2007, OVG 5 S 26.07; ständige Rechtsprechung der Kammer).
Dass die Fahrzeuge, wie erstmals im gerichtlichen Verfahren behauptet wird, von einer Vielzahl mit Mitarbeitern des Gewerbebetriebs der Antragstellerin genutzt wurden, macht die Aufforderung nicht unverhältnismäßig. Zum einen ist dies schon nicht entsprechend glaubhaft gemacht und im Übrigen auch völlig unglaubhaft, da die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren immer angab, sie selbst habe die Fahrzeuge in den Parkraumbewirtschaftungszonen abgestellt und sei mangels Geldwechselmöglichkeiten gezwungen“ gewesen, ohne Geldeinwurf zu parken. Zum anderen ist der Einwand auch unerheblich, denn nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung bestehen charakterliche Eignungszweifel in der Person des Halters auch dann, wenn er fortlaufende Parkverstöße, die mit auf ihn zugelassenen Fahrzeugen begangen werden, duldet und keine wirksamen Vorkehrungen zur Verhinderung weiterer Verstöße trifft (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.09.2006, OVG 1 S 64.06 m.w.N; ständige Rspr. der Kammer).
Die Fahrerlaubnisentziehung erweist sich auch nicht sonst als unverhältnismäßig. Dass die Antragstellerin nicht in der Lage gewesen sein soll, das Geld für das geforderte MPG aufzubringen, ist nicht glaubhaft gemacht und im Übrigen unbeachtlich. Geldmangel steht einer Gutachtenanforderung grundsätzlich nicht entgegen (vgl. auch BVerwG, NJW 1985,2490 f.), wirtschaftliche Belange sind insoweit gegenüber den Sicherheitsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer nachrangig.
Für einen atypischen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.
Der Antragsgegner hat auch mit zutreffenden Erwägungen die sofortige Vollziehung angeordnet, ohne die weitere – auch erhebliche – Verstöße zu befürchten sind. Von einem Verkehrsteilnehmer, der – wie hier – offensichtlich nicht willens ist, die Vorschriften über den ruhenden Verkehr und auch bloße Ordnungsvorschriften anzuerkennen, ist auch nicht zu erwarten, dass er die Vorschriften im fließenden Verkehr beachtet. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin handelt es sich bei einer Vielzahl der registrierten Verstöße nicht um Verstöße gegen die Parkraumbewirtschaftung. Allein im Jahr 2006 wurde je einmal ein gesperrter Bereich und eine Busspur befahren. 19 mal im Halteverbot (VZ 283) und 11 mal auf dem Gehweg behindernd geparkt.
Auch die in dem angefochtenen Bescheid getroffenen Nebenentscheidungen sind rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 39 ff., 52 f. GKG.