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Parkplatzunfall – allgemeiner Erfahrungssatz – Rückwärtsfahrende hat Sorgfaltspflicht verletzt

LG Münster – Az.: 8 O 99/18 – Urteil vom 14.02.2020

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.410,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

–  aus 2.134,60 EUR seit dem 21.04.2018 und

–  aus 275,50 EUR seit dem 12.05.2018

sowie weitere 157,79 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 2/3 und den Beklagten zu 1/3 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, dabei für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Tatbestand

Der Kläger verfolgt gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls.

Zu dem Verkehrsunfall kam es am 20.03.2018 gegen 15.30 Uhr in W auf einem Parkplatz an der Straße C. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dem Parkplatz betrug 20 km/h. Der Kläger parkte rückwärts mit seinem Pkw mit dem Kennzeichen ST-## ### aus einer Reihe querstehender Fahrzeuge nach hinten rechts in die zwischen den Parkreihen verlaufende Parkgasse aus. Dabei war die Sicht in die Parkgasse in die Richtung, in die der Kläger rückwärts fuhr, durch einen ebenfalls in der Parkreihe geparkten Mercedes Vario eingeschränkt. Der Beklagte zu 1) befuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw mit dem Kennzeichen ST-## ### diese Parkgasse. Es kam zur Kollision der beiden Fahrzeuge.

Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten zu dem an seinem Fahrzeug entstandenen Sachschaden ein, wonach der Wiederbeschaffungsaufwand 7.410 EUR betrug. Hinzukommen als weitere, ebenfalls unstreitige Schadensfolgen:

–  Sachverständigenkosten: 1.103,42 EUR,

–  Kostenpauschale: 25 EUR,

–  Ab- und Anmeldekosten: 52 EUR,

–  Nutzungsausfallentschädigung: 1.050 EUR.

Die Summe der Schadenspositionen beträgt 9.640,42 EUR. Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.04.2018 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 20.04.2018 zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 8.538,42 EUR (Wiederbeschaffungsaufwand, Kostenpauschale, Sachverständigenkosten) auf. Die Beklagte zu 2) akzeptierte mit Schreiben vom 18.04.2018 eine Haftungsquote von lediglich 25 % und zahlte 2.134,61 EUR. Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 03.05.2018 forderte der Kläger die Beklagte zu 2) zur Zahlung weiterer 1.102 EUR (Ab- und Anmeldekosten, Nutzungsausfallentschädigung) unter Fristsetzung bis zum 11.05.2018 auf, woraufhin die Beklagte zu 2) 275,50 EUR zahlte. Auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zahlte die Beklagte zu 2) einen Betrag in Höhe von 334,75 EUR.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten hafteten für die Unfallfolgen zu 100 %. Er behauptet hierzu: Er habe zurückgesetzt, aber noch nicht eingeschlagen. Er habe dann über die rechte Schulter geschaut, das Beklagtenfahrzeug gesehen und deswegen gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt sei er mit dem Heck oder vielleicht der Rückbank aus der Lücke heraus gewesen. Der Beklagte zu 1) sei mit einer Geschwindigkeit von über 40 km/h gefahren. Der Beklagte zu 1) habe das klägerische Fahrzeug nicht gesehen, da er durch die Sonne geblendet gewesen sei. Als er, der Kläger, realisiert habe, dass der Beklagte zu 1) nicht bremse, habe er noch zurück in die Parklücke fahren wollen. Es sei dann aber schon zur Kollision gekommen, wobei das klägerische Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt gestanden habe. Die Kollision sei für den Beklagten zu 1) vermeidbar gewesen, wenn dieser mit einer Geschwindigkeit von lediglich 20 km/h gefahren wäre.

Der Kläger beantragt mit der den Beklagten am 12.06.2018 zugestellten Klage,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 7.230,31 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 6.403,81 EUR ab dem 21.04.2018 und auf 826,50 EUR ab dem 12.05.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 552,28 EUR zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Parkplatzunfall - allgemeiner Erfahrungssatz - Rückwärtsfahrende hat Sorgfaltspflicht verletzt
(Symbolfoto: Von Bilanol/Shutterstock.com)

Die Beklagten behaupten, die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 1) habe nicht mehr als 30 km/h betragen. Die Kollision sei für den Beklagten zu 1) auch bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 20 km/h nicht vermeidbar gewesen. Zum Kollisionszeitpunkt habe sich das klägerische Fahrzeug noch in der Rückwärtsbewegung befunden. Sie sind der Ansicht, dass zu ihren Gunsten daher ein Anscheinsbeweis streite. Zudem habe der Kläger, da er den Beklagten zu 1) habe sehen müssen, nicht weiter ausparken dürfen und mit einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h rechnen müssen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1) in der mündlichen Verhandlung angehört und aufgrund des Beschlusses vom 23.11.2018 ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörungen und der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2018 (Bl. 81 ff. d.A.) und das Sachverständigengutachten des Sachverständigen B vom 31.05.2019 (Bl. 104 ff. d.A.).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes in Höhe von lediglich 2.410,10 EUR aus §§ 7, 17, 18 StVG, 823 ff. BGB, § 1 PflVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG nebst Zinsen.

1. Hinsichtlich der technischen Fragen folgt das Gericht vollumfänglich den Ausführungen des Sachverständigen B. Seine Ausführungen waren nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Straßenverkehrsunfälle verfügt er über die erforderliche Sachkunde zur Beantwortung der ihm gestellten unfallanalytischen Fragen.

2. Da vorliegend der Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde, wobei der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter – nämlich dem Kläger – entstanden ist, hängt die Schadensersatzverpflichtung sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Dasselbe gilt gemäß § 18 Abs. 3 StVG für die Haftung des Beklagten zu 1) als Fahrzeugführer des Beklagtenfahrzeugs. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind dabei unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahren nur unstreitige oder zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jede Seite hat dabei die Umstände zu beweisen, die der Gegenseite zum Verschulden gereichen und aus denen sie für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will. Gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 StVG ist die Haftung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird. Dabei gilt gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG ein Ereignis nur dann als unabwendbar, wenn unter anderem der Fahrzeugführer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat.

3. Der Beklagte zu 1) hat pflichtwidrig gehandelt, indem er unter Überschreitung der unstreitig auf dem Parkplatz geltenden zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h mit einer Geschwindigkeit von etwa 35 bis 40 km/h fuhr. Auf diese Spanne hat der Sachverständige aufgrund einer Beurteilung der Schadensbilder und aufgrund einer Simulation unter Berücksichtigung der Anstoßkonfiguration die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs zum Kollisionszeitpunkt eingegrenzt. Da der Beklagte zu 1) nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zudem noch vor der Kollision bremste, muss seine Ausgangsgeschwindigkeit sogar noch höher gewesen sein.

Dieser Pflichtenverstoß ist auch kausal für den Unfall geworden. Der Sachverständige hat hierzu nachvollziehbar unter anderem anhand des von ihm erstellten Weg-Zeit-Diagramms ausgeführt, dass der Beklagte zu 1) den Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h problemlos hätte vermeiden können.

Ein weitergehender Pflichtenverstoß dergestalt, dass der Beklagte zu 1) nicht adäquat, etwa mittels sofortiger Bremsung, reagiert, als er von der Sonne geblendet wurde, ist demgegenüber nicht festzustellen. Zwar hat der Beklagte zu 1) eingeräumt, dass er etwas durch die Sonne geblendet gewesen sei, jedoch in Abrede gestellt, deswegen das klägerische Fahrzeug nicht gesehen zu haben. Für seinen weitergehenden Vortrag ist der Kläger beweisfällig geblieben.

4. Der Unfall wurde durch einen Pflichtenverstoß des Klägers mitverursacht.

a) Nach dem hier jedenfalls entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 5 StVO hat sich der Führer eines Fahrzeugs beim Rückwärtsfahren so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. „Anderer Verkehrsteilnehmer“ ist jede Person, die sich selbst verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar auf den Ablauf eines Verkehrsvorgangs einwirkt. Darunter fällt „primär“ (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – VI ZR 6/15, NJW 2016, 1098 Rn. 11) und „insbesondere“ (BGH, Urteil vom 25. April 1985 – III ZR 53/84, NJW-RR 1986, 189, 190) der fließende Durchgangsverkehr auf der Straße (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 231/17 -, Rn. 12, juris). Dies gilt gleichermaßen für den fließenden Verkehr auf Parkplätzen.

b) Dabei kommt den Beklagten freilich im Hinblick auf einen Pflichtenverstoß des Klägers und die Ursächlichkeit dieses Pflichtenverstoß ein Anscheinsbeweis nicht zugute. Bei Parkplatzunfällen spricht ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende der dargestellten Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch mitverursacht hat, wenn feststeht, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, während ein enger örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren nicht ausreichend ist. Es fehlt regelmäßig an der erforderlichen Typizität, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Fahrzeug bereits stand, als der andere Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das stehende Fahrzeug hineingefahren ist. Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt, dass auch der Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug vor der Kollision auf dem Parkplatz zum Stillstand gebracht hat, die ihn treffenden Sorgfaltspflichten verletzt hat. Anders als im fließenden Verkehr mit seinen typischerweise schnellen Verkehrsabläufen, bei denen der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Verkehrsfluss nicht durch ein rückwärtsfahrendes Fahrzeug gestört wird, gilt in der Situation auf dem Parkplatz ein solcher Vertrauensgrundsatz nicht (vgl. OLG Hamm, NZV 2013, 123). Hier muss der Verkehrsteilnehmer jederzeit damit rechnen, dass rückwärtsfahrende oder ein- und ausparkende Fahrzeuge seinen Verkehrsfluss stören. Er muss daher, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO genügen zu können, von vornherein mit geringer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können. Hat ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelingt es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision zum Stehen zu kommen, hat er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt, so dass für den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden kein Raum bleibt. (vgl. zum Vorstehenden BGH, Urt. v. 15. 12. 2015 – VI ZR 6/15, Rn. 14; Urteil vom 26. Januar 2016 – VI ZR 179/15, Rn. 11; Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 66/16, Rn. 9; anders etwa noch OLG Saarbrücken Urteil vom 09. Oktober 2014 – 4 U 46/14, Rn. 38 – jeweils zitiert nach juris; Laumen MDR 2016, 268).

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Vorliegend hat der Sachverständige nicht feststellen können, dass sich der klägerische Pkw zum Kollisionszeitpunkt noch in der Rückwärtsbewegung befand und nicht etwa schon stand; dies geht zu Lasten der beweisbelasteten Beklagtenseite. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass hier ein höhenneutraler Anstoß bei einem Kollisionswinkel von ca. 45 ° erfolgt sei. Unter Zugrundelegung der von ihm getroffenen Feststellungen müsse der klägerische Pkw zum Kollisionszeitpunkt gestanden oder nahezu gestanden habe. So könne es sein, dass der klägerische Pkw vollständig zum Stillstand gekommen sei, wenn der Beklagte zu 1) vor der Kollision nicht wesentlich gebremst habe. Habe der Beklagte zu 1) aber gebremst, dann müsse auch der klägerische Pkw zum Kollisionszeitpunkt gebremst gewesen sein, um den höhenneutralen Anstoß zu erklären.

c) Auch ohne den Anscheinsbeweis ist dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedoch ein kausal gewordener Pflichtenverstoß vorzuwerfen.

Der Kläger hat nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung sein Fahrzeug bis zum Stillstand abgestoppt, als er das Beklagtenfahrzeug während seines Ausparkvorgangs beim Schulterblick wahrnahm. Dabei kann er freilich entgegen seinen Angaben nicht dergestalt zum Stillstand gekommen sein, dass lediglich das Heck seines Fahrzeugs bzw. das Fahrzeug bis zur Höhe der Rückbank aus der Parklücke herausragte. Der Sachverständige hat diesbezüglich aufgrund der Anstoßkonfiguration und der nachkollisionären Positionierung der beteiligten Fahrzeuge festgestellt, dass das klägerische Fahrzeug zum Kollisionszeitpunkt bereits mehr als eine Autolänge aus der Parktasche herausgefahren war.

Dem Sachverständigengutachten ist sodann Folgendes zu entnehmen: Unter Berücksichtigung der durch den Mercedes Vario eingeschränkten Sichtverhältnisse, einer Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs von 35 bis 40 km/h und der hieraus folgenden Weg-Zeit-Analyse konnte der Kläger das Beklagtenfahrzeug (jedenfalls) wahrnehmen, als sich dieses in einer Entfernung von 20 Metern vom Kollisionsort – und damit 1,8 Sekunden vor der Kollision – befand. Zu diesem Zeitpunkt war der Unfall für den Kläger auch bei sofortiger Bremsung nicht zu vermeiden. Dies würde allerdings nur bei einem zügigen Ausparkvorgang mit einer mittleren Beschleunigung von etwa 1 Meter pro Sekundenquadrat auf eine Geschwindigkeit von ca. 10 km/h und anschließendem Abbremsen gelten. Bei einem langsameren Herausfahren hätte die Kollision dagegen vermieden werden können.

Dies bedeutet, dass der Kläger entweder so schnell, nämlich mit einer Beschleunigung bis auf ca. 10 km/h, aus der Parktasche herausfuhr, dass er sein Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig vor dem Kollisionsort abbremsen konnte – entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss sich aber auch derjenige, der auf einem Parkplatz rückwärtsfährt, so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – VI ZR 66/16, Rn. 9, juris). Dies ist bei einer Beschleunigung bis auf ca. 10 km/h nicht der Fall. Sollte der Kläger dagegen sein Fahrzeug nicht bis auf 10 km/h beschleunigt haben, so hielt er nicht ausreichend Ausschau nach dem fließenden Verkehr auf der Parkgasse. Denn andernfalls hätte er bei sofortiger Bremsung die Kollision räumlich vermeiden können.

5. Der danach dem Kläger zur Last fallende Verstoß gegen die besonderen Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO (analog) entfällt auch nicht ausnahmsweise deshalb, weil hier dem Bekl. zu 1) ein atypisch grober Verkehrsverstoß vorzuwerfen wäre, mit dem der Kl. nicht hätte rechnen müssen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – VI ZR 231/17, Rn. 14, juris). Denn bei dem Befahren eines – wie den zur Gerichtsakte gereichten und auch im Sachverständigengutachten dokumentierten Fotos zu entnehmen ist – großräumig angelegten  Parkplatzes mit 35 km/h anstelle der zulässigen 20 km/h handelt es sich nicht um einen atypisch groben, sondern um einen alltäglichen mittelschweren Verkehrsverstoß.

6. Den Verursachungsbeiträgen des Klägers einerseits und des Beklagten zu 1) andererseits misst das Gericht ein gleich großes Gewicht bei, die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge ist ebenfalls gleich groß.

7. Der Gesamtschaden des Klägers beträgt unstreitig 9.640,42 EUR. Die Beklagten haften für 50 %, also 4.820,21 EUR. Bereits gezahlt hat die Beklagtenseite hierauf 2.410,11 EUR, so dass ein zu zahlender Betrag in Höhe von 2.410,10 EUR verbleibt.

8. Die ausgeurteilten Zinsen schulden die Beklagten aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen (vgl. zum Folgenden OLG Frankfurt, Beschluss vom 06. Februar 2018 – 22 W 2/18 -, Rn. 10 ff., juris):

Die Frage, wann sich die für die Regulierung eines Kraftfahrtunfallschadens zuständige Versicherung – und aufgrund der aus den AKB folgenden Gesamtwirkung auch der Halter des unfallbeteiligten Fahrzeugs – mit der Zahlung in Verzug befindet, richtet sich nach § 286 BGB. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB regelt: „Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug.“ Schuldner ist aufgrund des Direktanspruches nach § 115 VVG neben dem Schädiger auch die Versicherung. Da gemäß § 271 BGB eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, kann der Unfallgeschädigte die Leistung sofort verlangen. Dies gilt zumindest dann, wenn er seinen Schaden ordnungsgemäß spezifiziert und in nachprüfbarer Form belegt hat.

Durch eine Schadensaufstellung mit der Aufforderung, den bezifferten Schaden bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu zahlen, gerät die Versicherung nach Ablauf der gesetzten Frist allerdings – unabhängig von deren Länge – nicht automatisch in Verzug. Die bloße Aufforderung, die Ansprüche bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu regulieren, stellt keine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB dar, sondern begründet zunächst nur die Fälligkeit der Forderung. Um die Versicherung folglich wirksam in Verzug zu setzen, bedurfte es grundsätzlich nicht nur einer ordnungsgemäß spezifizierten und nachprüfbar belegten Schadensaufstellung, sondern einer sich anschließenden Mahnung.

Eine Mahnung war auch nicht ausnahmsweise gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich. Durch die Fristsetzung im Anspruchsschreiben wurde keine Leistungszeit im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestimmt. Eine Leistung, für die eine „Zeit nach dem Kalender bestimmt ist“, kann nur durch eine entsprechende Vereinbarung und nicht durch eine einseitige Bestimmung durch den Gläubiger, also auch nicht durch eine Fristsetzung im Anspruchsschreiben, erfolgen.

Allerdings hat die Beklagte zu 2) eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB erklärt. Eine derartige Erfüllungsverweigerung kann zwar nicht allein in dem Verstreichenlassen der gesetzten Frist oder in einer kommentarlosen Teilregulierung der angemeldeten Schadenspositionen gesehen werden. Allerdings hat hier die Beklagte zu 2) in ihrem Schreiben vom 18.04.2018 mit näherer Begründung deutlich gemacht, nur zur einer Regulierung von 25 % bereit zu sein.

II.

Die Beklagten schulden zudem Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, allerdings nur nach einem Gegenstandswert in Höhe der insgesamt berechtigten Forderung und damit in Höhe von 4.820,21 EUR. Bei Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr samt Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ergibt dies Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR. Hierauf haben die Beklagten bereits 334,75 EUR gezahlt, so dass ein offener Betrag in Höhe von 157,79 EUR verbleibt.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

IV.

Der Streitwert wird auf 7.230,31 EUR festgesetzt.

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