Oberlandesgericht Köln
Az:19 U 224/01
Urteil vom 13.12.2002
Vorinstanz: Landgericht Köln – Az.: 16 O 18/00
Auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin wird das am 17.08.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 16 O 18/00 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Die Klägerin ist eine Lebensversicherungsgesellschaft die jedoch über ihren Außendienst auch Produkte der mit ihr verbundenen Unternehmen vertreibt. Der Beklagte war für die Klägerin in der Zeit vom 01.06.1997 bis zum 28.02.1999 im Vertrieb tätig. Die Parteien unterzeichneten am 28.05.1997 einen sogenannten „Vertretungsvertrag für hauptberufliche Partner“. Danach wurden dem Beklagten die Vertretung der Klägerin in den Sparten „Leben, Sach, Kranken, Bausparen und Investmentprodukte“ übertragen (Ziffer 1 des Vertrages) und er wurde beauftragt, ihm unterstellte nebenberufliche Vermittler zu schulen und zu unterstützen (Ziffer 3.3. des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Vertrages wird auf die vorgelegten Kopien (GA 6 ff, 25 f) Bezug genommen. Am 05./20.09.1997 unterzeichneten die Parteien eine Änderungsvereinbarung zu diesem Vertrag (GA 392). Hiernach sollte der Beklagte ab dem 1.6.1997 eine Leitungsprovision auf das monatlich abgerechnete Nettogeschäft der von ihm betreuten Vertriebspartner erhalten. Gem. Ziffer 5 des Vertrages vom 28.05.1997 sollten anfallende Provisionen mit erhaltenen Garantie- und Provisionsvorschußbeträgen verrechnet werden und zwar wie folgt (GA 25):
„Die anfallenden Provisionen werden solange dem Provisionsgarantiekonto gutgebracht, bis dieses Konto ausgeglichen ist. Danach erfolgen Gutschriften auf dem Provisionsvorschußkonto.“
Das Garantiekonto und das Provisionsvorschußkonto sollten nach Beendigung des Vertrages oder Wegfall der Garantie- bzw. Provisionsvorschußzahlungen abgerechnet werden (GA 25). Ein etwa dann noch vorhandener Debet-Saldo auf dem Garantiekonto sollte von der Klägerin „übernommen“ werden und ein sich bei der Abrechnung auf dem Provisionsvorschußkonto ergebender Minusbetrag sollte von dem Beklagten unverzüglich zurückgezahlt werden (GA 25).
Die Klägerin hat an den Beklagten ab Juni 1997 bis einschließlich Dezember 1998 monatlich eine Garantieprovision von anfangs 2.500,– DM und zuletzt 3.500,–DM, einen Provisionsvorschuß in Höhe von 2.500,– DM und einen Aufbauzuschuß in Höhe von 1.790 ,– DM gezahlt.
Mit Schreiben vom 30.11.1998 kündigte die Klägerin das Vertragverhältnis mit dem Beklagten ordentlich zum 28.02.1999. Hiergegen hat der Beklagte erfolglos Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Köln erhoben, die auch in zweiter Instanz durch das Landesarbeitsgericht Köln abgewiesen worden ist. Entgegen seiner Ansicht sahen ihn das Arbeitsgericht und auch das Landesarbeitsgericht als selbständigen Handelsvertreter, nicht aber als abhängigen Arbeitnehmer an.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Rückzahlung der an den Beklagten gezahlten Provisionsvorschüsse in Höhe von insgesamt DM 47.500,–.
Die Klägerin hat behauptet, die von dem Beklagte insgesamt erwirtschafteten Provisionen seien geringer als die erhaltenen Zahlungen aufgrund der Provisionsgarantien, so daß nach Verrechnung mit diesen keine Provisionsansprüche mehr vorhanden gewesen seien, so daß ihr ein Anspruch auf Rückzahlung der Provisionsvorschüsse zustehe. Sie hat die Meinung vertreten, der Beklagte sei selbständiger Handelsvertreter gewesen, so daß die Rückzahlungsforderung gem. §§ 352, 353 HGB mit 5% seit dem 1.3.1999 zu verzinsen sei.
Der Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, er sei als sogenannter „Maklerbetreuer“ Arbeitnehmer gewesen und hat hierzu vorgebracht, der Handelsvertretervertrag sei auf Wunsch des Bezirksdirektors L. der Klägerin nur zum Schein abgeschlossen worden, weil seinerzeit in der Bezirksdirektion keine Planstelle frei gewesen sei. Er hat ferner behauptet, entgegen der schriftlichen Regelung im Vertrag habe er mit dem Bezirksdirektor L. der Klägerin vereinbart, daß erzielte Provisionen nicht auf die Garantiezahlungen sondern nur auf den Provisionsvorschuß angerechnet werden sollten. Ein eventuell am Jahresende bestehender negativer Saldo auf beiden Konten habe „gestrichen“, ein etwaiges Guthaben auf dem Provisionskonto hätte an ihn ausgezahlt werden sollen. Außerdem habe die Klägerin die Provisionsansprüche auch nicht korrekt abgerechnet. Sein tatsächlicher Provisionsanspruch dürfe weit über die Klageforderung hinausgehen, so sein Schriftsatz vom 28.02.2000 (GA 60).
Das Landgericht ist u.a. davon ausgegangen, zwischen den Parteien sei unstreitig, daß der Beklagte keine „anrechenbaren“ Provisionsansprüche erworben habe, und hat der Klage durch Urteil vom 17.08.2001, auf dessen Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, in Höhe eines Betrages von 47.500,– DM zzgl. 4% Zinsen seit dem 14.01.2000 stattgegeben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Die Klägerin hat wegen des abgewiesenen Zinsanspruches Anschlußberufung eingelegt. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin behauptet nunmehr ferner, der Beklagte habe keinen einzigen Versicherungsvertrag als Eigengeschäft vermittelt, sondern lediglich Leitungsprovisionen verdient. Die Leistungsblätter gäben nicht den Provisionsanspruch des Beklagten sondern den des jeweiligen Vermittlers wieder. Der Beklagte habe lediglich 28 (unechte) Untervertreter gehabt, von denen nur 1/3 während der Vertragszeit des Beklagten Geschäfte eingereicht hätten. Auf Provisionsvorschüsse anrechenbare Leitungsprovisionen habe er nicht verdient. Dies ergäbe sich aus den eingereichten Leistungsblättern für die Monate August 1997 bis Dezember 1998 (GA 395 – 411), den Summenblättern 1/98 bis 4/99 (GA 413 – 501), dem Abrechnungsschreiben vom 14.01.1998 und 12.02.1999 (GA 412 f.) sowie der Kreditorenübersicht vom 17.07.2002 (GA 502 f.). 1999 habe der Beklagte keine Leistungen erbracht, weshalb auch keine Leistungsblätter erstellt worden seien (GA 534 f.).
Der Beklagte behauptet hingegen, die Leistungsblätter gäben Auskunft über die von ihm persönlich vermittelten Geschäfte und die ihm hierfür zustehenden Provisionen (GA 318). Seine Leitungsprovisionen seien in sogenannten Leistungsübersichten enthalten, die unter der Bezeichnung „direkt“ auf den Bezirksdirektor L. der Klägerin ausgestellt gewesen seien (GA 318). Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen seien unvollständig und darüber hinaus nicht geeignet, den Provisionsanspruch des Beklagten zu ermitteln. Der Beklagte bringt ferner vor, aus einer Gesamtübersicht der Beklagten für das Jahr 1998 über das Produkt „C. Leben“ ergäbe sich, daß in diesem Jahr die von ihm betreuten „Makler“ 181 neue Versicherungsverträge zu einem Gesamtumsatz von 15.324.300,– DM vermittelt hätten (GA 368 f., 372).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet, die Anschlußberufung hingegen nicht.
Die Klägerin hat einen etwaigen Saldo aus der Geschäftsbeziehung mit dem Beklagten zu ihren Gunsten nicht schlüssig dargelegt bzw. nicht nachvollziehbar abgerechnet.
Nach ihrem Vorbringen sind für den geltend gemachten Zahlungsanspruch der am 28.05.1997 geschlossene Vertretungsvertrag für hauptberufliche Partner (GA 6 ff, 25 f) sowie die am 20.09.1997 vereinbarten Änderungen zu diesem Vertrag (GA 392) maßgebend. Hiernach sollten das Garantiekonto und das Provisionsvorschußkonto nach Beendigung des Vertrages oder Wegfall der Garantie- bzw. Provisionsvorschußzahlungen abgerechnet werden (GA 25).
Die Klägerin hat in ihren Schriftsätzen nicht nachvollziehbar vorgebracht, wie sich an Hand der mit dem Beklagten geschlossenen Vereinbarungen ihr Anspruch errechnen soll. Sie hat keine Gesamtabrechnung vorgelegt sondern sich darauf beschränkt, eine Vielzahl von Summen-, Leistungsblättern und sonstigen Unterlagen zu überreichen, aus denen sich ihre Ansprüche ergeben sollen (GA 395 – 503). Die Bezugnahme auf solche Anlagen kann aber ein nachvollziehbares schriftsätzliches Vorbringen nicht ersetzen. Es geht nicht an, daß der Senat mit viel Phantasie aus der Vielzahl der Belege den möglichen Rückzahlungsanspruch ableitet, weil durch eine solche Verfahrensweise im Urteil dem Gegner das rechtliche Gehör verwehrt würde, weil dieser aus denselben Unterlagen möglicherweise gegenteilige – ebenso vertretbare – Folgerungen ziehen könnte. Es ist auch weder dem Gericht noch dem Beklagten zumutbar, sich das möglicherweise „Passende“ aus den von der Klägerin eingereichten umfangreichen Unterlagen herauszusuchen (s. Zöller-Greger, ZPO, 23. Aufl., § 130 ZPO, Rn. 2 m.w.N.). Dies gilt selbst dann, wenn es dem Beklagten leichter möglich wäre, aus den von der Klägerin überreichten Anlagen seine Provisionsansprüche zu ermitteln. Denn auch in diesem Falle vermögen die überreichten Anlagen weder eine nachvollziehbare Provisionsabrechnung noch ein substantiiertes Klagevorbringen zu ersetzen. Tatsächlich sind die Anlagen nicht einmal vollständig überreicht worden. Die Klägerin hat vielmehr trotz des Auflagenbeschlusses vom 21.06.2002 (GA 377) weder monatliche Abrechnungen eingereicht, aus denen sich ergibt, in welcher Höhe dem Beklagten eine Provision für die jeweils von seinen „Untervertretern“ abgeschlossenen Verträge zustand, noch monatliche Abrechnungen für die gesamte Vertragsdauer mit dem Beklagten überreicht, denen zu entnehmen ist, auf welche Leistungen der Klägerin an den Beklagten (Garantie und/oder Vorschuß) Provisionsansprüche in welcher Höhe in welchem Monat angerechnet wurden. Neben den Summenblättern für das Jahr 1997 fehlen auch die Leistungsblätter für Juni und Juli 1997. Mithin läßt sich in der „Abrechnung der Leitungsprovision, Bewertungsmonat Juni – Dezember 1997“ (GA 412) nicht nachvollziehen, wie sich die dort aufgeführten „Bewertete Netto-Lebensvers.-summe“ und das „Bewertete Netto-LV-Beitragsaufkommen“ errechnen sollen. Dies ist auch nicht aus den von der Klägerin überreichten Leistungsblättern für „OI HV F. H.“ zu ermitteln (GA 395 ff.), schon weil diese Leistungsblättern für die Monate Juni und Juli fehlen. Auch die Leistungsblätter für 1998 ergeben nicht, welche Beträge denn zur Netto Lebensversicherungssumme gehören und mit 1,5 o/oo zu verprovisionieren sind und welche mit 0,17 %, weil sie zum Netto-Beitragsaufkommen gehören, wie die Aufstellung vom 12.02.1999 (GA 413) differenziert. Den Leistungsblättern ist auch nicht zu entnehmen, welche Provisionsbeträge dem Beklagten für die von seinen „Untervertretern“ vermittelten Geschäfte zustehen. Dies wird belegt durch die nachfolgende Tabellen, die zeigen, daß die Darlegungen der Klägerin auch unter Aufwendung erheblicher Mühen nicht auch nur ansatzweise nachzuvollziehen sind:
(Aufstellung wurde weggelassen)
Von einer geordneten Zusammenstellung aller Abrechnungsposten, die gedanklich und rechnerisch nachvollzogen werden kann, kann keine Rede sein.
Ist sonach der Hauptanspruch nicht begründet, gilt dies naturgemäß auch für den mit der Anschlußberufung weiter geltend gemachten höheren Zinsanspruch.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO n.F.
Die Voraussetzungen des § 543 II ZPO zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben; die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichtes.
Streitwert für das Berufungsverfahren: EUR 24.286,35.