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Prozessfähigkeit Betreuter im Zivilverfahren gegen Betreuer

AG Zossen – Az.: 3 C 159/17 – Urteil vom 26.04.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Rechtsanwalt Z. hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Rechtsanwalt Z. kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin steht unter Betreuung. Die Beklagte war im Zeitpunkt der Klageerhebung die Betreuerin der Klägerin. Der vermeintliche Prozeßbevollmächtigte (im folgenden gleichwohl „Prozeßbevollmächtigter“) der Klägerin begehrt in deren Namen mit der Klage die Herausgabe von Kontoauszügen beziehungsweise Auskünfte von der derzeitigen, hilfsweise vormaligen Betreuerin der Klägerin. Er bezieht sich zum Nachweis seiner Vollmacht auf eine Vollmachtsurkunde vom 2. Januar 2017 (Bl. 40). Im Betreuungsverfahren (AG Luckenwalde 61 XVII …, vormals AG Zossen 50 XVII …) wurde mit fachärztlichem Gutachten vom 6. August 2015 (Bl. 69) festgestellt, daß die Klägerin unter einer dementiellen Symptomatik leide und nicht mehr in der Lage sei, eine Vollmacht zu erteilen, da sie hierfür in ihren kognitiven Fähigkeiten bereits zu sehr eingeschränkt sei. In einem weiteren fachärztlichen Gutachten vom 27. November 2016 (Bl. 90) wurde festgestellt, daß die Vollmachts- und Geschäftsfähigkeit der Klägerin vollständig aufgehoben sei.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat er im Laufe des Rechtsstreits erklärt, die Klage nunmehr gegen die derzeitige Betreuerin Frau C. richten zu wollen. Eine Zustellung der Klage an die nunmehrige Betreuerin C. ist durch das Gericht nicht veranlaßt worden.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

C., hilfsweise die ursprüngliche Beklagte zu verurteilen, an sie die Kontoauszüge der Klägerin für den Zeitraum 15. Oktober 2015 bis Mai 2017 zu Händen des Prozeßbevollmächtigten herauszugeben,

hilfshilfsweise die ursprüngliche Beklagte zu verpflichten, ihr mitzuteilen,

wann sie die streitbefangenen Kontoauszüge an wen übergeben hat,

in welchen Funktionen sie nach dem Betreuerwechsel für die Klägerin tätig ist,

welche Aufgaben sie nach dem Betreuerwechsel für die Klägerin erfüllt,

ob sie nach dem Betreuerwechsel weiter Überweisungen für die Klägerin vornehmen kann,

an wen die Mittelbrandenburgische Sparkasse und gegebenenfalls weitere Banken der Klägerin die Kontoauszüge nach dem Betreuerwechsel übersenden,

wie sie nach dem Betreuerwechsel ohne Unterlagen als Bevollmächtigte für die Klägerin tätig sein kann.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist sowohl in ihren Haupt- als auch in ihren Hilfsanträgen nicht zulässig. Sie wurde nicht wirksam im Namen der Klägerin erhoben.

Der vermeintliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin verfügt über keine wirksame Vollmacht. Hierauf hat das Gericht bereits mit Verfügung vom 20. Juni 2017 hingewiesen. Er ist weder durch die Klägerin, noch durch ihre Betreuerin wirksam beauftragt und bevollmächtigt worden. Die Klägerin war im Zeitpunkt der vermeintlichen Beauftragung des Prozeßbevollmächtigten am 2. Januar 2017 bereits nicht mehr in der Lage, einen Auftrag an einen Rechtsanwalt zu erteilen und diesen zu bevollmächtigen. Sie war geschäftsunfähig (§ 104 BGB). Dies folgt aus den im Betreuungsverfahren eingeholten fachärztlichen Gutachten, die als Bestandteil der Betreuungsakte Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, jedoch auch in der Gerichtsakte befindlich sind. Die Feststellungen des Gutachters sind nachvollziehbar und überzeugend. Die Klägerin, die nach den Feststellungen des Gutachters und Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie K. bereits im Zeitpunkt der ersten Begutachtung nicht mehr vollmachtsfähig war, hatte kurz vor der weiteren Begutachtung einen Schlaganfall erlitten. Aufgrund des Schlaganfalls und der weiter fortgeschrittenen Demenz waren ihre kognitiven Fähigkeiten nunmehr soweit beeinträchtigt, daß die Fähigkeit zur freien Willensbildung vollständig aufgehoben war.

Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit der Wahrnehmung rechtlicher Interessen stellt im übrigen auch kein Geschäft des täglichen Lebens im Sinne des § 105a BGB dar und auch eine Bevollmächtigung oder Genehmigung der Prozeßführung durch die gerichtlich bestellte Betreuerin ist nicht erfolgt.

Auch aus § 275 FamFG folgt nichts anderes. § 275 FamFG ordnet an, daß in Betreuungssachen der Betroffene ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig ist. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahmevorschrift die ausdrücklich nur im Betreuungsverfahren gilt. Die Stellung der Norm als Ausnahme von dem gesetzlichen Grundsatz spricht für eine restriktive Handhabung der Vorschrift und damit gegen eine erweiternde Auslegung (BVerfGE 109, 279; BGH MMR 2005, 37; BGH NJW 2003, 2834; BGH NJW 1989, 460; BGHZ 17, 266; BVerwG NZV 2002, 426; OLG Brandenburg MDR 1999, 1311). Eine Ausdehnung der Ausnahmevorschrift des § 275 FamFG auf allgemeine Zivilverfahren – mögen diese auch im Zusammenhang mit einer angeordneten Betreuung stehen – widerspräche dem Schutzzweck der Vorschriften über die Geschäftsunfähigkeit. Dem Betroffenen im Betreuungsverfahren muß zwar einerseits aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes die Möglichkeit eingeräumt sein, sich gegen die Anordnung der Betreuung und Entscheidungen im Betreuungsverfahren zu wehren oder auch selbst Anträge im Betreuungsverfahren oder auf dessen Einleitung zu stellen. Gleichzeitig ist der Geschäftsunfähige jedoch vor selbstschädigenden Vermögensverfügungen zu schützen, weshalb § 275 FamFG die Verfahrensfähigkeit ausschließlich für Betreuungssachen anordnet (so auch zur früheren Rechtslage OLG Hamburg NJW 1971, 199, beck-online; OLG Nürnberg NJW 1971, 1274, beck-online). Betreuungssachen sind in § 271 FamFG legaldefiniert. Allgemeine Zivilsachen gehören nicht dazu, auch wenn sie sich gegen den Betreuer richten. Möchte ein Betreuter zivilrechtliche Ansprüche gegen seinen Betreuer verfolgen, so kann er im Rahmen des Betreuungsverfahrens für diesen Aufgabenkreis die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers beantragen (vgl. LG Verden, Beschluß vom 10. Mai 2016 – 7 O 82/16 -, Rn. 1, juris). Hierfür ist er nach § 275 FamFG verfahrensfähig, nicht aber für die Erhebung der Zivilklage. Wer aber nicht wirksam Klage erheben kann, kann hiermit auch keinen Anderen wirksam beauftragen. Es wäre nachgerade widersinnig, wenn der durch die Betreuung und die Regelungen über die Geschäfts- und Prozeßunfähigkeit bezweckte Schutz des Geschäftsunfähigen letztendlich dazu führte, daß er sein Vermögen mit gegen den Betreuer gerichteten Klagen „verprozessieren“ könnte, wenn er zusätzliche Kosten durch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes auslöst.

Da der vermeintliche Prozeßbevollmächtigte nicht im Namen der Klägerin handeln konnte, konnte er auch nicht wirksam eine subjektive Klageänderung (Parteiwechsel) oder eine Erweiterung der Klage um Hilfsanträge vornehmen, so daß diese prozessualen Wirkungen nicht einzutreten vermochten.

Die Kosten des Rechtsstreits waren Rechtsanwalt Z. aufzuerlegen, da er in Kenntnis ihrer Geschäftsunfähigkeit als Vertreter ohne Vertretungsmacht im Namen der Klägerin Klage erhoben hat. Hat die Partei – ausnahmsweise – keinen Anlaß für den Prozeß gegeben, so ist die Vorschrift (des § 91 ZPO) entsprechend dahin anzuwenden, daß die Kosten demjenigen Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen sind, der sie verursacht hat. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung und in der Literatur anerkannt, daß im Fall des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die Prozeßkosten grundsätzlich dem aufzuerlegen sind, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlaßt hat (sog. Veranlasserprinzip). Der vollmachtlose Vertreter kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt (BGH, Beschluß vom 04. März 1993 – V ZB 5/93 -, BGHZ 121, 397-401, Rn. 11). Er ist in diesem Falle hinsichtlich der Kostenpflicht als Partei zu behandeln (BGH, Beschluß vom 04. Dezember 1974 – VIII ZB 30/74 -, Rn. 6, juris). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Rechtsanwalt Z… war die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin bekannt, da er sie auch im Betreuungsverfahren vertritt und im Zeitpunkt der Klageerhebung Kenntnis von den fachärztlichen Gutachten hatte, die der Klägerin fehlende Vollmachts- und Geschäftsfähigkeit attestieren.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert entspricht dem geschätzten wirtschaftlichen Interesse der Klägerin. Dieses erstreckt sich nicht nur auf die Erlangung der Kontoauszüge, sondern dient der Geltendmachung vermuteter weitergehender Ansprüche. Das zugrundeliegende Interesse schätzt das Gericht auf 1.000,- €.

 

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