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Prozeßstandschaft (gewillkürte) – Klagebefugnis

Brandenburgisches Oberlandesgericht

Az.: 11 U 185/01

Verkündet am 02.07.2002

Vorinstanz: Landgericht Cottbus – Az.: 11 O 68/00


Der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juni 2002 für Recht erkannt:

Das am 30. Oktober 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Cottbus -11 0 68/00 -wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil beschwert die Beklagte mit 10.790,50 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Werklohnforderungen.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen der Holz- und Metallverarbeitung, die Beklagte ein Bauunternehmen.

Durch Schreiben vom 22.03.1999 und Zusatzauftrag vom 26.04.1999 erhielt die Klägerin von der Beklagten den Auftrag zum Einbau von mehreren Treppen in einem Bauvorhaben der Beklagten „Am H…“ in C…. Die Klägerin führte Arbeiten durch und legte zuletzt unter dem 14.01.2000 Rechnung über 21.104,39DM.

Bereits vor Auftragserteilung, am 17.08.1998, hatte die Klägerin ihre sämtlichen Ansprüche aus Warenlieferungen und Leistungen aus künftigen Verträgen durch Globalzessionsvertrag an die B… Bank abgetreten. Durch Schreiben vom 23.01.2001, also im Rechtsstreit, zeigte die B… Bank der Beklagten die Abtretung an.

Die Beklagte hat behauptet, das Werk sei mangelfrei.

Sie hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 21.104,3 9 DM nebst Zinsen zu zahlen und nach Offenlegung der Zession beantragt, die Beklagte zur Zahlung an die B… Bank zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat erhebliche Mängel des Werkes der Klägerin behauptet, deren Beseitigung einen Kostenaufwand von mehr als 20.000,00 DM erfordere.

Im Übrigen hat sie die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig. Aus der Offenlegung der Abtretung durch die B… Bank sei zu folgern, dass die Klägerin überschuldet und zahlungsunfähig sei. Sie müsse daher befürchten, im Fall eines Obsiegens ihren Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Klägerin nicht mehr durchsetzen zu können.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klage sei unzulässig.

Der Klägerin fehle ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung der fremden Forderung im eigenen Namen. Die Klägerin sei dem Vortrag der Beklagten zu ihrer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nicht entgegengetreten. Die Beklagte müsse daher befürchten, im Falle des Obsiegens ihren Kostenerstattungsanspruch nicht durchsetzen zu können.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin, mit der sie ihren ursprünglichen Klageantrag weiterverfolgt.

Sie macht geltend, das Landgericht habe in der angefochtenen Entscheidung den Begriff des rechtlichen Interesses verkannt.

Sie beantragt, die Beklagte nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe:

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat in der Sache Erfolg.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 538 Abs. l Nr. 2 ZPO a. F. an das Landgericht zurückzuverweisen.

§ 538 ZPO ist in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung auf den Rechtsstreit in der Berufung anzuwenden, da die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, vor dem 01.01.2002 geschlossen worden ist (§ 26 Ziff. 5 EGZPO).

Die Zurückweisung der Sache ist geboten, da das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nur über die Zulässigkeit der Klage befunden und diese verneint hat.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen durch. Die Klage ist zulässig.

Mit der Klage macht die Klägerin ursprünglich eigene Ansprüche, die nunmehr aufgrund der Abtretungserklärung Ansprüche der B… Bank sind, mit Ermächtigung der B… Bank im eigenen Namen geltend und begehrt Zahlung an die Gläubigerin.

Die Klägerin geht damit im Wege der Prozeßstandschaft vor. Die gewillkürte Prozeßstandschaft ist grundsätzlich zulässig, wenn der eigentliche Rechtsinhaber, hier die B… Bank, der Prozessführung zustimmt, den Kläger also zur Geltendmachung des Rechtes ermächtigt und die klagende Partei darüber hinaus ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung der Forderung hat.

Dieses eigene rechtliche Interesse ist in Fällen der Sicherungszession regelmäßig zu bejahen. Die aus einem obsiegenden Urteil beizutreibenden Beträge kommen der Klägerin unmittelbar und zwar auch rechtlich unmittelbar zugute. Eine Zahlung der Beklagten an die B… Bank hat diese nach der Sicherungsabrede mit der gesicherten Forderung und damit mit einer Forderung der B… Bank gegenüber der Klägerin zu verrechnen, so dass sich die Forderung, der die Klägerin ausgesetzt ist, entsprechend ermäßigt. Dies bedingt das notwendige rechtliche Interesse (BGHNJW 1989,1932,1933; RGZ 155, 50, 52; BGHNJW 1960, 958).

Allerdings kann die Prozeßstandschaft auch im Falle der Sicherungszession in bestimmten, besonders gelagerten Ausnahmefällen unzulässig sein, wenn durch die Zulassung der Prozeßstandschaft nachhaltige Interessen des Beklagten verletzt werden, ohne dass ihnen noch kor- respondierende schutzwürdige Interessen des Prozeßstandschafters gegenüberstünden.

Einer überschuldeten, vermögenslosen GmbH oder GmbH & Co. KG, die ihre werbende Tätigkeit aufgegeben hat, fehlt regelmäßig das schutzwürdige eigene Interesse daran, abgetretene Forderungen nach Offenlegung der Abtretung weiterhin im eigenen Namen auf eigene Kosten mit Ermächtigung des neuen Gläubigers zu dessen Gunsten geltend zu machen (BGHZ 96, 151; OLG Celle OLGR 1997, 297, 298; OLG Karlsruhe WM 1993, 356).

Tragender Gesichtspunkt dieser, auch vom Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Rechtsprechung ist die Überlegung, dass in einer derartigen Fallgestaltung der den Prozess rührende Prozeßstandschafter von dem allein sachinteressierten Forderungsinhaber nur vorgeschoben wird mit der Folge, dass der Zessionar im Falle des Obsiegens die Vorteile aus deren Rechtsstreit zieht, da zu seinen Gunsten ein vollstreckungsfähiger Titel erstritten wird, umgekehrt aber im Falle des Unterliegens er keinerlei Risiko läuft, vielmehr der obsiegende Beklagte auf einen wirtschaftlich wertlosen Kostenerstattungstitel gegenüber dem vermögens-losen Kläger verwiesen wird. Dies erscheint jedenfalls dann rechtsmissbräuchlich, wenn auch der gewonnene Prozess dem Zedent keinerlei Vorteile bietet, da er keine Aussicht hat, auch im Falle des Obsiegens seine Geschäftstätigkeit fortzusetzen (BH a.a.O.; BGHZ 100, 217, 218). Letztlich beruht diese Entscheidung auf der Erwägung, dass ein erkennbarer Missbrauch der gewillkürten Prozeßstandschaft nicht hingenommen werden kann (BGH NJW 1989, 1932,1934).

Diese Voraussetzungen sind zweifelsfrei zu bejahen, wenn die in Prozeßstandschaft klagende Klägerin eine GmbH ist, bei der das Insolvenzverfahren abgeschlossen oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen oder die GmbH aus anderen Gründen in Liquidation geraten ist. Die GmbH i. L. hat ihre werbende Tätigkeit beendet. Ihr Zweck erschöpft sich dann im Liquidationsinteresse, also im Interesse der Gläubiger der GmbH an der Befriedigung ihrer Forderungen gegenüber der GmbH. Mit dem Prozess gegen einen ihrer Schuldner folgt die in Prozeßstandschaft klagende GmbH dann kein eigenes Interesse mehr, sondern ausschließlich Interessen des Zessionars, dem die Forderung zugute kommen soll und der auch die Vorteile aus dem erstrebten Titel erwirbt. Dies rechtfertigt die Feststellung, dass ein schutzwürdiges Eigeninteresse der GmbH an der Prozessführung nicht mehr bejaht werden kann. Vielmehr erscheint das Vorgehen des Zessionars, der den Prozess durch die zwischenzeitlich vermögenslos gewordene GmbH weiterführen lässt, zulasten des Gegners im Prozess rechtsmissbräuchlich, da das Prozesskostenrisiko einseitig auf die vermögenslose GmbH verlagert wird, die ihrerseits keine Vorteile aus dem Prozess mehr erwarten kann. Unter solchen Umständen ist der GmbH die Befugnis zur Führung des Prozesses zu verweigern.

Ein allgemeiner Grundsatz des Inhalts, dass eine GmbH, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, eine abgetretene Forderung nicht mehr im eigenen Namen geltend machen kann, lässt sich aus den Entscheidungen indes nicht herleiten.

Niemand hat einen Anspruch darauf, nur von einem zahlungskräftigen Kläger verklagt zu werden (BGH NJW 1999,1717,1718). Allein die unsichere Werthaltigkeit eines möglichen Kostenerstattungsanspruchs begründet daher regelmäßig nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs, solange nur das Eigeninteresse des in Prozeßstandschaft vorgehenden Sicherungsze-denten bejaht werden kann. Zulässig ist daher die in Prozeßstandschaft erhobene Klage des Zedenten, wenn der Zedent eine natürliche Person ist, da diese stets ein Interesse daran hat, durch Verminderung ihrer Verbindlichkeiten jedenfalls in fernerer Zukunft wieder am Geschäftsleben teilnehmen zu können (BGHZ 100, 217; NJW 1999, 1717, 1718).

Diese Grundsätze lassen sich auf eine weiterhin am Markt werbend tätige GmbH, die allein in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, übertragen. Auch hier begründet die fortbestehende werbende Tätigkeit der GmbH am Markt das erforderliche Eigeninteresse, das die Zulassung der Prozeßstandschaft rechtfertigt.

Es ist nicht Aufgabe des im Zivilprozess allein über den streitigen Anspruch befindenden Gerichts, auf die bloße Behauptung des Beklagten hin, mag dieser auch gewisse Anhaltspunkte für die Tragfähigkeit seiner Befürchtung haben, aufzuklären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, bei der Klägerin vorliegen.

Die Rechtsordnung stellt hierfür im Insovenzverfahren ein geordnetes rechtliches Verfahren zur Verfügung, in dem auf Antrag entweder der juristischen Person selbst oder eines ihrer Gläubiger geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen der Insolvenz vorliegen. Es ist kein Bedürfnis dafür erkennbar, neben diesem Verfahren im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren eine zusätzliche Prüfungsinstanz zu eröffnen und dem prozessentscheidenden Richter zusätzlich aufzugeben, sich vor der Entscheidung in der Sache durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von dem Fehlen der Insolvenzgründe zu überzeugen.

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Hinzu tritt, dass durch die Erhöhung der Anforderung an die Zulässigkeit der Prozeßstandschaft im Falle der Sicherungszession die Kostenerstattungsinteressen des Beklagten nur unvollkommen geschützt werden können. Auch in dem Fall, in dem die Befürchtungen des Beklagten begründet wären, er sich also im Rechtsstreit einer in der Sache unbegründeten Forderung ausgesetzt sieht, wird er durch die Abweisung der Klage als unzulässig nach einem bis in die Berufungsinstanz hindurch geführten Streit über deren Zulässigkeit mit Kosten des Rechtsstreits in etwa gleicher Höhe belastet, wie sie auch entstünden, wenn das Gericht nicht nur über die Zulässigkeit, sondern auch über die Begründetheit der Klage entschiede. Der Beklagte wäre dann aber nicht davor geschützt, mit einem zweiten Rechtsstreit überzogen zu werden, den dann der Zessionar gegen ihn fuhren mag. Einen greifbaren Vorteil erlangt er so nicht.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Prozessführung des Sicherungszedenten, auch wenn diese eine GmbH ist, solange zulässig bleibt, wie die Gesellschaft am Markt werbend tätig, also noch nicht in Liquidation befindlich ist.

Diese Voraussetzungen liegen bei der am Markt noch werbend tätigen Klägerin vor, mit der weiteren Folge, dass die Klage zulässig ist.

Die Sache war daher gemäß § 538 Abs. l Nr. 2 ZPO an das Landgericht zur Entscheidung zurückzugeben. Die Zurückverweisung wird dem Landgericht Gelegenheit geben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die zwischen den Parteien streitigen Mängel Beweis zu erheben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind Kosten des Rechtsstreits.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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