AG Düsseldorf – Az.: 37 C 414/20 – Urteil vom 26.02.2021
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 942,40 EUR (in Worten: neunhundertzweiundvierzig Euro und vierzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.08.2020 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger buchte für sich und seine Familie im Dezember 2019 bei der Beklagten eine Flugreise in das Viersternehotel Dunamar Monte Gordo in Portugal nach einer Umbuchung letztlich für den Zeitraum vom 15.07.2020 bis zum 29.07.2020. Der Reisepreis betrug 4712 EUR, den der Kläger vollständig vor Antritt der Reise bezahlte. Der Kläger reiste zusammen mit seiner Ehefrau sowie einer 9 Jahre alten und einer 5 Jahre alten Tochter. Laut der Beschreibung weist das Hotel einen Swimmingpool mit separatem Kinderpool, ein Hallenbad, einen Whirlpool, einen Fitnessraum und einen Spielplatz auf. Im Hinblick auf behördlich angeordnete Hygienemaßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie kam es zu Einschränkungen in der Nutzung von Hoteleinrichtungen. Der Spielplatz durfte nicht benutzt werden, das gleiche galt für den Fitnessraum. Ferner konnte das Essen nicht in Form eines Buffets serviert werden, sondern es durfte sich im Raum der 2-mal täglichen Essensausgabe jeweils nur eine Familie aufhalten. Hierdurch kam es zu Wartezeiten bei der Essensausgabe von durchschnittlich 45 Minuten. Ferner waren das Hallenbad und der Whirlpool geschlossen, der Außenpool war nur nach Reservierung jeweils für einen halben Tag benutzbar. Darüber hinaus war auch innerhalb der Benutzungszeiten der Pool nur für 15 Personen und im Kinderpool ein Kind nutzbar, im Anschluss wurde der Pool jeweils desinfiziert.
Nach Reiserückkehr forderte der Kläger die Beklagte mit E-Mail vom 03.08.2020 auf, wegen der pandemiebedingten Einschränkungen im Hotel ihm eine Reisepreisminderung i.H.v. 20 % des Reisepreises, also 942,40 EUR, bis zum 17.08.2020 zu zahlen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen des Hotelbetriebs eine Reisepreisminderung i.H.v. 20 % zustehe.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen an ihn 942,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.08.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, die Beschränkungen wären nicht erheblich genug, um einen Anspruch auf Minderung zu begründen, zumal die Ursache hierfür behördliche Einschränkungen seien, auf die der Reiseveranstalter sowie das Hotel keinen Einfluss hätten.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Reisepreisminderung nach § 651m BGB zu. Der Kläger kann dabei den Minderungsanspruch für alle Reiseteilnehmer nach Maßgabe des § 328 Abs. 2 BGB geltend machen, weil es sich um eine Familienreise handelt und demnach der Kläger als Buchender Vertragspartner geworden ist und seine Familienmitglieder in den Vertrag zugunsten Dritter einbezogen worden sind.
Für die Frage der Minderung kommt es nicht darauf an, ob der Reiseveranstalter für die Einschränkungen des Hotelbetriebs verantwortlich ist oder nicht. Voraussetzung ist lediglich das Vorhandensein eines Mangels, selbst höhere Gewalt steht der Minderung nicht entgegen (BGH NJW 1983, 33). Die im Einzelnen beanstandeten Punkte gehen dabei über das Ausmaß typischer Alltagsbeeinträchtigungen, die ohne Minderung hinzunehmen sind, hinaus. Sie stellen auch keine Realisierung eines allgemeinen Lebensrisikos dar. Vielmehr ist die Höhe der Minderung zu bemessen nach der Relation zwischen dem vorgesehenen Nutzen der Reise als Erholungsurlaub und der Beeinträchtigung dieses Nutzens. Dabei ergibt sich eine Beeinträchtigung ohne weiteres selbst ohne Beschränkungen des Hotelbetriebs allein aus den Abstandsgeboten und Hygienemaßnahmen. Es ist typischerweise Inhalt des Urlaubs, frei mit anderen Gästen in Kontakt treten zu können und nicht andere Menschen meiden zu müssen. Bereits die Notwendigkeit, andere Menschen im Urlaub vorrangig nicht mehr als mögliche Kommunikationspartner anzusehen zu haben, sondern sie auf die Möglichkeit ihrer Infektiosität reduzieren zu müssen und daher unter Hintanstellung menschlicher Grundbedürfnisse Kontaktreduzierung zu betreiben, stellt eine erhebliche psychische Beeinträchtigung dar, die die Erholungswirkung eines Urlaubs regelmäßig beeinträchtigen wird. Dabei spielt es keine Rolle, dass entsprechende Beschränkungen in gewissem Umfang auch im Alltag im Heimatland zur selben Zeit bestanden haben, weil es sich hierbei nicht um eine Urlaubsituation gehandelt hätte. Ein Urlaub ist typischerweise ein Zeitraum der Unbeschwertheit, sowohl was den Ablauf des Alltags, als auch die ungezwungene Kontaktmöglichkeit mit anderen Gästen angeht. Wird man hingegen im Urlaub durch allgegenwärtige Hygienemaßnahmen praktisch vom Zeitpunkt des Aufstehens bis zum Zeitpunkt des Schlafengehens ständig daran erinnert, dass ein normaler Alltag den Menschen nicht einmal mehr im Urlaub gewährt ist, liegt hierin offensichtlich eine erhebliche Beeinträchtigung der Erholungsfunktion des Urlaubs, die bereits für sich genommen eine Minderung rechtfertigt. Wie hoch die Minderung im Einzelfall ausfällt, dürfte dabei davon abhängen, ob es sich für die Beklagte erkennbar um eine Familienreise oder um eine Reise einer Einzelperson gehandelt hat. Bei der Reise einer Einzelperson liegt es nahe, dass Kontaktbeeinträchtigungen zu anderen Gästen (wie z.B. die typische Möglichkeit, in einem Barbetrieb oder am Rande eines Pools ohne Abstandsgebote Kontakte zu anderen Reisenden knüpfen zu können) schon für sich genommen ganz erhebliche Minderungsquoten zur Folge haben können, weil eine derartige Situation die Erholungsfunktion des Urlaubs bereits im Keim erstickt. Bei einer Familienreise hingegen ist zu berücksichtigen, dass Kontakte zu anderen Gästen nicht von so wesentlicher Bedeutung sind wie bei einem Einzelreisenden, weil hier schon innerhalb der Familie soziale Kontakte stattfinden können und die Kontaktmöglichkeit zu anderen Gästen daher nicht so zentral ist. Dennoch rechtfertigen auch bei einem Familienurlaub allein schon Hygienemaßnahmen, die eine Isolierung bedeuten – wie die isolierte Nutzung des Speiseraums oder die auf Abstand ausgerichtete eingeschränkte Nutzung des Pools – schon ohne irgendwelche Wartezeiten oder sonstige zeitliche Beschränkungen eine Minderung im Bereich der klägerischen Forderung von 20%. Dies gilt demnach erst recht, wenn über die genannten Hygienemaßnahmen hinausgehend tatsächlich Bereiche des Hotels geschlossen waren. Bereits die Schließung des Fitnessraums rechtfertigt allein bereits eine Minderung von etwa 10 % (LG Frankfurt BeckRS 2008, 2799 geht bei einem geöffneten, aber wegen einzelnen mangelhaften Geräten ein geschränkt nutzbarem Fitnessraum, bereits von 5% aus), das geschlossene Hallenbad rechtfertigt im Winter eine Minderung von etwa 10 % (LG Düsseldorf BeckRS 2002, 12849), mithin lässt sich im Sommer eine Quote von 5 % ansetzen. Die erheblich eingeschränkte Nutzung des Außenpools, die es insbesondere den Geschwistern durch die Beschränkung auf ein Kind unmöglich gemacht hat, diesen so zu nutzen, wie es kindlichen Urlaubswünschen entspricht, nämlich entsprechend jahrzehntelanger Selbstverständlichkeit den Pool in sozialer Interaktion untereinander sowie mit anderen Urlauberkindern zu nutzen, rechtfertigt eine weitere Minderung für sich genommen bereits von mindestens 10 %. Es stellt unzweifelhaft eine erheblichste Beeinträchtigung kindlicher Urlaubsbedürfnisse dar, wenn diese einen Pool entgegen sozialer Entwicklungsanforderungen faktisch in sozialer Isolierung von anderen Kindern zu benutzen haben.
Insgesamt ergibt sich damit eine Minderungsquote, die jedenfalls dem klägerisch geltend gemachten Betrag entspricht. Wie bereits dargelegt, ist es unerheblich, dass die Ursache des Mangels nicht in einer Entscheidung des Hoteliers oder der Beklagten liegt, sondern an behördlich angeordneten Maßnahmen, weil bei der Minderung es allein auf objektive Mängel, nicht aber auf Verschulden ankommt. Schadenersatz macht der Kläger nicht geltend.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert wird auf 942,40 EUR festgesetzt.