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Reisevertrag: Kostenersatz für Urlaubsvertretung nach Reiseabsage

AG Rostock, Az.: 47 C 142/16, Urteil vom 12.10.2016

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger fordert Ersatz der Kosten für eine Urlaubsvertretung nach Absage der Reise.

Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau im Jahr 2013 eine Kreuzfahrt bei der Beklagten auf der XYZ von Dubai nach Hamburg gebucht. Da die das vorgenannte Schiff herstellende Werft in Japan den vorgegebenen Zeitplan zum Bau des Schiffes nicht einhielt musste die Reise abgesagt werden. Die Beklagte bot dem Kläger eine andere Reise im Zeitraum vom 18.03.2016 bis 25.04.2016 an. Der Kläger war hiermit einverstanden; die Buchung wurde am 08.05.2014 bestätigt. Auch diese Reise musste aus dem o. g. Grund abgesagt werden. Eine erneute Umbuchung war dem Kläger und seiner Ehefrau nicht möglich.

Der Kläger ist Gesellschafter des Unternehmens ABC GmbH (im Folgenden Fa. ABC). Als Gesellschafter übt er Tätigkeiten aus, die die Leitung und Überwachung der Immobilienvermietung und der Bauprojekte der Fa. ABC zum Inhalt haben. Eine Arbeitsvergütung erhält er nicht. Die Fa. ABC hatte mit einem Herrn Wolfgang R. am 10.03.2015 einen Anstellungsvertrag für die Zeit vom 07.03.2016 bis 29.04.2016 geschlossen. Der vorgenannte Arbeitnehmer sollte als Urlaubsvertretung für den Kläger tätig sein und dessen Aufgaben wahrnehmen. Als Vergütung war ein wöchentliches Gehalt von 1.500,00 € brutto vereinbart worden. Die Fa. ABC löste den Vertrag mit dem Arbeitnehmer R. aufgrund des Ausfalls der Reise für den Kläger auf und vereinbarte mit dem Arbeitnehmer R. eine Abfindung in Höhe von 5.000,00 € netto. Eine Auszahlung der Abfindung erfolgte bisher nicht. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klage.

Reisevertrag: Kostenersatz für Urlaubsvertretung nach Reiseabsage
Symbolfoto: Dmytro Sidelnikov/Bigstock

Der Kläger behauptet, er habe in der Zeit, in der ursprünglich die Urlaubsreise geplant gewesen sei, gearbeitet. Weiter trägt die Klägerin vor, eine Vertretung des Klägers durch Mitarbeiter der Fa. ABC sei nicht möglich gewesen. Ein Urlaubsentgelt hätte der Kläger für die Zeit seines Urlaubs nicht erhalten.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie erklärt, sie habe den Ausfall der Reise nicht zu vertreten. Weiterhin ist sie der Meinung, die Fa. ABC habe gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie keine Kündigungsmöglichkeit in dem Anstellungsvertrag vereinbart habe.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf eine Schadensersatzzahlung in Höhe der Vergütung, die das Unternehmen ABC GmbH an den als Urlaubsvertretung vorgesehenen Arbeitnehmer R. zahlen muss.

Deliktische Ansprüche spielen bei dem vorliegenden Sachverhalt keine Rolle.

Auch unmittelbare vertragliche Ansprüche sind ausgeschlossen. Zwischen der Fa. ABC als Geschädigte und der Beklagten bestanden keine vertraglichen Bindungen.

Einzig in Betracht zu ziehen ist vorliegend ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der sogenannten Drittschadensliquidation. Deren Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.

Rechtsprechung und Schrifttum billigen im Abweichung von dem Grundsatz dass Schadensersatz nur beanspruchen kann, wer Schaden erlitten hat, unter bestimmten Umständen einer Vertragspartei das Recht zu, den Schaden eines Dritten als eigenen Schaden geltend zu machen, sogenannte Schadensliquidation im Drittinteresse. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass der aus dem Vertrag Berechtigte und der Träge des durch den Vertrag geschützten Interesses verschiedene Personen sind. Der durch eine Vertragsverletzung verursachte Schaden tritt deshalb nicht bei dem Vertragsberechtigten, sondern bei dem Dritten ein. Hierbei handelt es sich einmal um Fälle der mittelbaren Stellvertretung. Eine weitere Fallgestaltung ist die Gefahrenentlastung. Schließlich gehören zum Gebiet der Schadensliquidation im Drittinteresse die Fälle der Obhut für eine fremde Sache.

Die Liquidation des Drittschadens setzt eine Sachlage voraus, die bewirkt, dass das schädigende Verhalten des Verpflichteten einen Schaden nicht in der Person des Anspruchsberechtigten, sondern nur in der eines Dritten hervorrufen kann. Es darf nur ein Schaden entstanden sein, der, wenn der Anspruchsberechtigte auch der Träger des geschützten Rechtsguts wäre, in dessen Person erwachsen wäre. Der Dritte tritt als Geschädigter statt des Anspruchsberechtigten auf. Es genügt daher zur Liquidation des Drittschadens nicht, dass außer dem Anspruchsberechtigten auch ein Dritter einen Schaden erlitten hat. Das Recht zur Liquidation des Drittschadens darf nicht zu einer Vermehrung der vom Verletzer zu befriedigenden Geschädigten und damit zu einer Erweiterung der nach dem Gesetz oder Vertrag begründeten Schadensersatzpflicht führen (BGHZ 40, 91).

Entscheidend bleibt, dass aus dem Vertrag Berechtigte und der Träge des durch den Vertrag geschützten Interesses verschiedene Personen sind. Die Liquidation eines Drittschadens setzt eine Sachlage voraus, die bewirkt, dass das schädigende Verhalten des Verpflichteten einen Schaden nicht in der Person des Anspruchsberechtigten, sondern nur in der eines Dritten hervorrufen kann. Es genügt in den vorgenannten Fallgruppen (mittelbare Stellvertretung, „Gefahrenentlastung“ bei Übereignungspflichten und Obhut fremder Sachen) nicht zur Liquidation des Drittschadens, dass außer dem Anspruchsberechtigten auch ein Dritter einen Schaden erlitten hat (BGH WM 1968, 1305). Der Ersatzpflichtige musste mit dem Schadenseintritt beim Ersatzberechtigten Gläubiger rechnen und sein Risiko daraufhin kalkulieren können (BGH NJW 1985, 2475).

Letztlich ist eine Liquidation des Drittinteresses auch möglich, wenn die Parteien dies ausdrücklich oder stillschweigend vereinbarten (BGH NJW 1974, 502; 1978 1576).

Hier liegen weder die o. g. von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannten Fallgestaltungen für eine sogenannte Drittschadensliquidation vor, noch ist dem Sachvortrag zu entnehmen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagte eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Die Fa. ABC war nicht in den Schutzbereich des Reisevertrages einbezogen worden. Geschützte Interessen der Fa. ABC waren nicht Gegenstand dieses Vertrages. Inhaber eines Schadenersatzanspruchs aus einem Reisevertrag ist der Reisende selbst und gegebenenfalls die in den Schutzbereich einbezogenen Personen (Palandt/Sprau BGB 75. Aufl., § 651 f. Rn. 2). Eine Ausweitung von Schadenersatzansprüchen auf Dritte sieht das Gesetz nicht vor. Anhaltspunkte, die eine solche Auswertung nach dem Grundsätzen von Treu und Glauben gebieten würden, bestehen ebenfalls nicht (vgl. BGHZ 40, 91). Wie bereits dargestellt, genügt es für die Anwendung der Grundsätze der Drittschadensliquidation nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht, das aufgrund einer Vertragsverletzung bei einem Dritten ein damit zusammenhängender Schaden entstanden ist.

Mangels berechtigter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachte Nebenforderung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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