Bundesarbeitsgericht
Az.:10 AZR 575/98
Urteil vom 7. Juli 1999
Kurz:
An einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung fehlt es, wenn der Revisionskläger lediglich rügt, das angefochtene Urteil „berücksichtige nicht die allgemeinen Regelungen des Europäischen Arbeitsrechts“.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte Verpflichtungen aus den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes unterworfen ist.
Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (im folgenden: ZVK). Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Die Beklagte, die einen Betrieb unterhält, der Rohrleitungs-, Erd-, Tief- und Straßenbauarbeiten sowie Horizontalbohrungen und Durchörterungen durchführt, ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband. Sie hatte der ZVK mit Schreiben vom 17.10.1995 mitgeteilt, sie kündige ihre Mitgliedschaft in der ZVK zum 31.12.1995. Die ZVK nimmt die Beklagte auf Zahlung restlicher Sozialkassenbeiträge für April und Mai 1996 in Höhe von 64.398,18 DM sowie auf Auskunftserteilung für den Zeitraum Juni 1996 bis Januar 1997 in Anspruch.
Die ZVK hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsverscherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (bis 31.12.1991) bzw. ab dem 01.01.1992 nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches VI. Buch (SGB VI) über die gesetzliche Rentenversicherung arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juni 1996 bis Januar 1997 in ihrem Betrieb beschäftigt worden seien sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den jeweils genannten Monaten angefallen seien;
2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt werde, an sie eine Entschädigungssumme in Höhe von 248.000,- DM zu zahlen;
3. an sie 64.398,18 DM zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Aus den Gründen:
Die Revision der Beklagten ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte sei aufgrund des für allgemeinverbindlich erklärten VTV verpflichtet, die restlichen Sozialkassenbeiträge für April und Mai 1996 zu entrichten und die begehrten Auskünfte zu erteilen. Sie unterhalte einen Betrieb des Baugewerbes und werde daher vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfaßt, der kraft Allgemeinverbindlichkeit für die Beklagte anwendbar sei. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung sei rechtswirksam. Sie verstoße nicht gegen Art. 11 der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 9. Dezember 1989. Auch ein Verstoß gegen Art. 3, 5, 48, 59, 60 EG-Vertrag (i.d.F. des Vertrages von Maastricht vom 7. Februar 1992) liege nicht vor. Der Tatbestand des Art. 85 Abs. 1 EG-Vertrag sei bereits deshalb nicht verletzt, weil die Allgemeinverbindlichkeitserklärung weder eine Vereinbarung zwischen Unternehmen noch eine aufeinander abgestimmte Verhaltensweise von Unternehmensvereinigungen sei. Selbst wenn eine Wettbewerbsbeschränkung vorliege, könnte diese als zulässige Maßnahme zum verstärkten Schutz der Arbeitsbedingungen nach Art. 118 a Abs. 3 EG-Vertrag angesehen werden.
II. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision der Beklagten ist nicht ordnungsgemäß nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO begründet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muß sich die Revisionsbegründung mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzen. Andernfalls fehlt es an einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung i.S.d. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO.
Dadurch soll u.a. sichergestellt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdenkt. Deshalb ist die Revision – auch bei materiell-rechtlichen Rügen – sorgfältig zu begründen. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich – wie im Streitfalle – der Revisionskläger auf die Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts beruft und damit eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG-Vertrag i.d.F. vom 1. Mai 1999 wegen der Auslegung des EG-Vertrages in Betracht zu ziehen ist.
Die Revisionsbegründung der Beklagten läßt eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des Landesarbeitsgerichts im oben dargestellten Sinne vermissen.
Zwar macht die Beklagte geltend, das Landesarbeitsgericht habe „nicht die allgemeinen Regelungen des Europäischen Arbeitsrechts“ berücksichtigt. Was sie unter diesen „Regelungen“ versteht und gegen welche das Landesarbeitsgericht konkret verstoßen haben soll, wird aus ihrer Revisionsbegründung nicht deutlich.
Soweit die Beklagte des weiteren rügt, die auf der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV resultierende Zwangsmitgliedschaft in der ZVK verstoße gegen die Art. 3, 5, 48, 59, 60 und 85 des EG-Vertrages, läßt dieses Vorbringen ebenfalls keine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils erkennen. Die Beklagte wiederholt damit lediglich ihre bereits in den Vorinstanzen vorgetragenen Rechtsansichten. Es hätte ihr oblegen, im einzelnen darzutun, warum die vom Landesarbeitsgericht angestellten Erwägungen über die Vereinbarkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des VTV mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht unzutreffend sein sollen.
Die nicht ordnungsgemäß begründete Revision war demnach nach § 554 a Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.