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Verzicht auf Kündigungsschutz und sonstige Ansprüche durch Unterschrift unter Kündigungsschreiben

Thüringer Landesarbeitsgericht

Az: 7 Sa 654/99

Urteil vom 05.09.2000

Vorinstanz: ArbG Gera – Az.: 1 Ca 2018/98 – Urteil vom 02.03.1999


Normen: §§ 1, 4 KSchG

Leitsätze:

1. Zur Kündigung auf Verlangen.

2. Zur Auslegung der auf dem Kündigungsschreiben vermerkten und vom Arbeitnehmer unterschriebenen Klausel: „Kündigung anerkannt, keine Anforderungen mehr an die Firma“.


In dem Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht in Erfurt auf die mündliche Verhandlung vom 05.09.2000 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 02.03.1999, 1 Ca 2018/98, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger stand seit 1995 bei den Beklagten im bestandsgeschützten Arbeitsverhältnis, das auf jeden Fall aufgrund seiner Eigenkündigung vom 20.09.1999 zum 08.10.1999 beendet ist (Bl. 87 d.A.). Der Streit geht um die Wirksamkeit zweier unter dem 26.08.1998 ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen.

Am 25.08.1998 erhielt der Kläger ein auf den 26.08.1998 datiertes Kündigungsschreiben zum 31.10.1998 (B1, 5 d.A.), am 27.08,1998 ein ebenfalls auf den 26.08.1998 datiertes Kündigungsschreiben zum 23.09,1998 (B1. 4 d.A.). Die Kündigungserklärung zum 23.09.1998 enthält auf der beim Arbeitgeber verbliebenen Ausfertigung den von den Beklagten vorformulierten und vom Kläger unterschriebenen Zusatz: „Kündigung anerkannt, keine Anforderungen mehr an die Firma XY“ (Bl. 16 d. A.).

Gegen beide Kündigungen hat der Kläger am 10.09.1998 Kündigungsschutzklage erhoben und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 02.03.1999, auf dessen Tatbestand wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der dort gestellten Anträge nach § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei für ihre Behauptung, die Kündigung zum 23.09.1998 sei auf Wunsch des Klägers ausgesprochen worden, beweisfällig geblieben. Der Kläger habe mit seiner Unterschrift auch nicht auf den Kündigungsschutz verzichtet, sondern lediglich die Änderung der Kündigungsfrist bestätigen wollen. Die im Kündigungsschreiben genannten betriebsbedingten Gründe lägen nicht vor. Da nicht verhaltensbedingt gekündigt worden sei, komme es auf die behaupteten verhaltensbedingten Gründe nicht an.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 06.10.1999 zugestellte Urteil am 08.11 1999 – einem Montag – Berufung einlegen lassen und am 03.12.1999 begründet.

Die Berufung bleibt bei ihrer Behauptung, das gestörte Arbeitsverhältnis sei auf Wunsch des betriebsmüden Klägers gekündigt worden und zwar zunächst zum 31.10.1998. Der Kläger habe aber nicht mehr arbeiten wollen. Mit Blick auf Resturlaub und Überstunden sei deshalb auf seinen Wunsch zum 23.09.1998 gekündigt worden. Die wunschgemäße Kündigung – auch die zunächst zum 31.10.1998 – habe der Kläger unterschriftlich anerkannt. Die Berufung meint, in der Sache sei ein Aufhebungsvertrag zum 23.09.1998 abgeschlossen worden.

Die Berufung beantragt, die Klage unter Abänderung des am 02.03.1999 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Gera, 1 Ca 2018/98, abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er behauptet, die Kündigung zum 31.10.1998 sei die cholerische Reaktion des Geschäftsführers auf sein erstmaliges Verschlafen gewesen. So überrumpelt habe er das Kündigungsschreiben zum 31.10.1998 lediglich entgegengenommen. Wegen Irrtums über die Kündigungsfrist sei ihm später das zweite Kündigungsschreiben zum 23.09.1998 übergeben worden. Nur diese Kündigungsfrist habe er anerkennen und nicht auf den Kündigungsschutz verzichten wollen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat darauf verzichtet, die Unwirksamkeit der zum 23.09.1998 ausgesprochenen Kündigung vom 26.08.1998 geltend zu machen. Er tut es dennoch und kann damit keinen Erfolg haben. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts überzeugt nicht.

1.

Kein Arbeitnehmer muss Kündigungsschutzklage erheben. Er kann deshalb nach Ausspruch einer Kündigung und bereits vor Ablauf der Klagefrist nach § 4 KSchG auf den Kündigungsschutz verzichten. Dieser Verzicht ist stets ein rnateriell-rechtlicher Vertrag, auf den die Vorschriften von Willenserklärungen anwendbar sind Wegen der weitreichenden Folgen eines Verzichtes sind sowohl an die Ernsthaftigkeit wie an die Eindeutigkeit einer Verzichtserklärung des Arbeitnehmers strenge Anforderungen zu stellen (KR-Friedrich, 5. Aufl. 1998, § 4 KSchG Rz 296 ff). Soweit ist dem Arbeitsgericht zu folgen.

2.

Das Arbeitsgericht vermisst die für einen Verzicht auf den Kündigungsschutz verlangte Eindeutigkeit. Die nach Auslegung der vom Kläger unterschriebenen Klausel verbleibenden Unklarheiten werden aber nicht offengelegt. Immerhin hat der Kläger die Kündigung zum 23.09.1998 vor Erhebung der Kündigungsschutzklage „anerkannt“ und damit deutlich gemacht, dass er gegen die Kündigung keine Einwendungen erhebt (vgl. APS-Dörner, 1. Aufl. 2000, § 1 Rz 13). Das ist eindeutig. Anerkennung der Kündigung und Klage gegen die Kündigung schließen sich aus. Konsequenterweise wird ergänzend bestätigt, dass „Anforderungen“ an die Firma nicht mehr bestehen.

3.

Das Arbeitsgericht folgt der Einlassung des Klägers, er habe nur die veränderte Kündigungsfrist (23.09.1998 statt 31.10.1998) bestätigen wollen. Zunächst: Der Wortlaut der Erklärung ist klar. Anerkannt wurde nicht die Kündigungsfrist, sondern die Kündigung. Sodann. Die Einlassung ist unglaubhaft. Der Kläger wurde nach seiner Behauptung mit der Kündigung zum 31.10.1998 überrumpelt und will dann die ihm nachteilige Verkürzung der Frist auf den 23.09.1998 ausdrücklich anerkannt haben. Das müsste schon geklärt werden. Um so mehr deshalb, weil nach § 622 Abs. 2 Ziff 1 BGB erst zum 30.09.1998 hätte gekündigt werden können, worauf der Kläger selbst hinweisen lässt.

4.

Das Arbeitsgericht stellt sich die Frage, warum der Vermerk nicht bereits auf dem ersten Kündigungsschreiben (zum 31.10.1998) angebracht wurde. Ob es so war, kann offenbleiben. Auszulegen ist nämlich die auf dem zweiten Kündigungsschreiben (zum 23.09, 1998) angebrachte Anerkenntnisklausel.

5.

Das Arbeitsgericht zweifelt daran, ob sich der Kläger über die Tragweite seiner Erklärung im klaren war. Ein Irrtum ist angesichts des klaren Wortlautes kaum denkbar. Angefochten hat der Kläger jedenfalls nicht.

6.

Da der Kläger im Nachgang auf den Schutz gegen die Kündigung zum 23.09.1998 verzichtet hat, ist nicht mehr entscheidend, ob sie auf seinen Wunsch hin ausgesprochen wurde. Zwar wäre ein Vorausverzicht auf den Kündigungsschutz unwirksam Den Arbeitgeber um die Kündigung zu bitten und dann gegen die Kündigung zu klagen, verstößt aber gegen Treu und Glauben (APSDörner, a.a.O. Rz 18; KR-Etzel, a.a.O., § 1 KSchG R-7- 30).

7.

Ob die Kündigung sozial gerechtferigt gewesen wäre, spielt keine Rolle. Allerdings ist die Auffassung des Arbeitsgerichts nicht richtig, wonach der (offenbar mit Blick auf das Arbeitsamt gewählte) betriebsbedingte Kündigungsgrund nicht durch verhaltensbedingte Kündigungsgründe hätte ersetzt werden können. Es gab weder einen Schriftformzwang für die Kündigungsgründe noch einen Betriebsrat, dessen Anhörung das Streitprogramm im Kündigungsschutzprozess bestimmt. Maßgeblich ist allein, ob der nachgeschobene Grund schon bei Ausspruch der Kündigung vorlag.

8.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der unterlegene Kläger zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

Gründe für die Zulassung der Revision fehlen.

 

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