LG Frankfurt – Az.: 2-05 O 248/16 – Urteil vom 05.03.2018
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.600 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.07.2016 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW …, Fahrgestellnummer …, an die Beklagte.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 03.08.2016 mit der Annahme des Fahrzeugs PKW …, Fahrgestellnummer …, in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 546,07 € und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 650,34 € jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.08.2016 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6. Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 5.600 € vorläufig vollstreckbar, wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüche nach einem Autokauf.
Sämtliche rechtlich erhebliche Einzelheiten im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Autokauf betreffend einen PKW …, Fahrgestellnummer …, einschließlich des Abschlusses eines Kaufvertrages zwischen den Parteien selbst, sind zwischen Klägerin und Beklagter streitig.
Unstreitig ist zwischen den Parteien jedoch, dass die Klägerin die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 27.05.2016 (Bl. 18 ff. der Akte) im Hinblick auf den streitgegenständlichen … zur Nacherfüllung aufforderte, namentlich zur „Beseitigung der Mängel des Fahrzeuges, insbesondere Herstellung der Verkehrssicherheit durch sach- und fachgerechte Instandsetzung des Unfallschadens […] und zwar bis zum 14. Juni 2016“. Konkret rügte die Klägerin in dem Schreiben vom 27.05.2016, dass bei dem Fahrzeug bei beiden Sicherheitsgurten die Gurtstraffer defekt gewesen und manipuliert worden seien und sich in dem Fahrzeug keine funktionsfähigen Airbags befänden, vielmehr durch eingebaute Widerstände dem Steuergerät das Vorhandensein des Airbags und die Funktionsfähigkeit der Gurtstraffer vorgespiegelt werde. Ausweislich eines Beweissicherungsgutachtens vom 13.05.2016 sei festgestellt worden, dass die durchgeführte Instandsetzung eines Unfallschadens nicht sach- und fachgerecht gewesen sei und das Fahrzeug nicht verkehrssicher sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 27.05.2016 wird auf Bl. 18 ff. der Akte Bezug genommen.
Die Beklagte wies das Nacherfüllungsersuchen der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 08.06.2016 (Bl. 20 f. der Akte) zurück.
Unter Bezugnahme auf die durch anwaltliches Schreiben der Beklagten vom 08.06.2016 mitgeteilte Verweigerung der Nacherfüllung erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15.06.2016 (Bl. 22 ff. der Akte), sie trete vom am 29.03.2016 zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen … zurück. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte auf, den … Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von 5.600 € zurückzunehmen. Überdies machte die Klägerin gegenüber der Beklagten in dem Schreiben vom 15.06.2016 Schadensersatzansprüche geltend, namentlich 350 € für die Einholung eines Gutachtens des Ingenieurbüros … vom 20.05.2016, Kfz-Steuer i.H.v. 50 €, die Prämie der Kfz-Haftpflichtversicherung i.H.v. 101,27 € und die Kosten für die Umschreibung der Kfz-Zulassung i.H.v. 44,80 €, insgesamt einen Betrag i.H.v. 546,07 €. Für die Rückabwicklung des Kaufvertrages und Zahlung auf den geltend gemachten Schadensersatzanspruch setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist bis zum 30.06.2016. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens vom 15.06.2016 wird auf Bl. 22 ff. der Akte vollumfänglich Bezug genommen.
Zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages und auch zur Begleichung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche durch die Beklagte kam es in der Folge nicht.
Die Klägerin behauptet, sie habe als Käuferin mit der Beklagten als Verkäuferin am 29.03.2016 einen schriftlichen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen … zu einem Kaufpreis von 5.600 € geschlossen. Das Fahrzeug sei mit einem Gewährleistungsausschluss und mit der Vereinbarung „Unfall, Frontschaden (repariert)“ verkauft worden. Die Klägerin legt insoweit eine Vertragsurkunde vom 29.03.2016 vor (Bl. 4 ff. der Akte), auf die wegen der weiteren Einzelheiten vollumfänglich Bezug genommen wird. Der Kaufpreis sei bezahlt und das Auto an sie übereignet worden.
Unmittelbar nach Gebrauch des Fahrzeuges habe sie festgestellt, dass sich die beiden vorderen Sicherheitsgurte schwer aufrollen ließen. Bei einer Untersuchung in der …Werkstatt seien erhebliche Mängel festgestellt worden. Bei beiden vorderen Sicherheitsgurten seien die Gurtstraffer defekt gewesen und manipuliert worden; in dem Fahrzeug befänden sich keine funktionsfähigen Airbags, vielmehr werde durch eingebaute Widerstände dem Steuergerät das Vorhandensein des Airbags und die Funktionsfähigkeit der Gurtstraffer vorgespiegelt. Eine Nachfrage bei dem Vorhalter des Fahrzeuges habe ergeben, dass das Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall, bei dem alle Airbags und Gurtstraffer ausgelöst worden seien, einen wirtschaftlichen Totalschaden erlitten habe und auch als solcher veräußert worden sei. Ausweislich eines Beweissicherungsgutachtens vom 13.05.2016 sei festgestellt worden, dass die durchgeführte Instandsetzung des Unfallschadens nicht sach- und fachgerecht gewesen und das Fahrzeug nicht verkehrssicher sei. Die Mängel hätten bereits im Zeitpunkt der Übergabe des PKW durch die Beklagte an die Klägerin vorgelegen.
Im Rahmen des Verkaufsgespräches habe der Zeuge … erklärt, seine Ehefrau, die Beklagte, habe das streitgegenständliche Fahrzeug benutzt, sei jedoch wenig mit ihm gefahren; in der Tiefgarage habe sie einen Schaden verursacht, weshalb der vordere Stoßfänger ausgetauscht und repariert worden sei.
Die Klägerin ist der Ansicht, auf den in dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 vereinbarten umfassenden Gewährleistungsausschluss könne sich die Beklagte nicht berufen, da die betreffende Vertragsklausel gegen § 309 Nr. 7a und b BGB verstoße und damit nicht wirksam sei.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.600 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 08.06.2016 Zug um Zug gegen Übergabe des PKW …Fahrgestellnummer …, zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 03.08.2016 mit der Annahme des Fahrzeugs PKW …, Fahrgestellnummer …, in Verzug befindet,
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 546,07 € und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 650,34 € jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 03.08.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt, nachdem sie den Abschluss des Kaufvertrages am 29.03.2016 zwischen ihr und der Klägerin, wie auch dessen Durchführung, sowohl in der Klageerwiderung vom 26.08.2016 (Bl. 39 ff. der Akte) als auch im Schriftsatz vom 25.11.2016 ausdrücklich unstreitig gestellt hat, im Schriftsatz vom 05.07.2017 (Bl. 159 ff. der Akte) nunmehr vor, nicht sie habe den streitgegenständlichen Pkw an die Klägerin veräußert, sondern das Fahrzeug sei von ihrem Ehemann, Herrn …, an den Schwiegersohn der Klägerin, Herrn …, veräußert worden. Die Beklagte stehe nur deshalb im Kaufvertrag, weil mehrere Käufer angerufen hätten, die tagsüber hätten kommen wollen, und ihr Ehemann tagsüber gearbeitet habe. Mit weiterem Schriftsatz vom 24.07.2017 (Bl. 172 der Akte) trägt sie – erneut abweichend – vor, sie habe über den streitgegenständlichen Pkw einen mündlichen Kaufvertrag mit Herrn … geschlossen. Dieser habe mit eigener Hand den Namen seiner Schwiegermutter, der Klägerin, im Kaufvertrag eingetragen. Mit weiterem Schriftsatz vom 07.11.2017 (Bl. 236 ff. der Akte) trägt sie sodann vor, der Zeuge … habe mit dem … einen mündlichen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen.
Die Beklagte behauptet weiter, bei dem Verkaufsgespräch sei der Klägerin, ihrer Tochter und dem Schwiegersohn erklärt worden, dass das Fahrzeug von der Beklagten am 29.02.2016, also erst einen Monat vorher gekauft und noch nicht genutzt worden sei. Der Zeuge … habe auch erklärt, dass das Fahrzeug, wie ihm von dem Verkäufer berichtet worden sei, in einer kleinen Werkstatt in Rumänien repariert worden sei. Das Fahrzeug habe wenige Kilometer auf dem Tacho und keinen Rahmenschaden gehabt. Auch habe der Zeuge … erklärt, dass der Vorbesitzer nur den linken Scheinwerfer und die Stoßstange ersetzt habe und, dass der Kühler und alles andere noch im Original geblieben seien.
Das Fahrzeug sei der Beklagten und ihrem Mann von einem Nachbarn der Schwester des Zeugen … aus Rumänien angeboten worden und sodann spontan am 29.02.2016 gekauft worden. Das Fahrzeug sei mit einem Hänger nach Deutschland gebracht worden und habe dann in der Tiefgarage der Beklagten gestanden. Das Fahrzeug habe nach Vorstellung durch die Beklagte TÜV erhalten.
Die Beklagte und ihr Ehemann, der Zeuge …, hätten keinerlei Kenntnis von anderweitigen Mängeln des Fahrzeuges, als denjenigen, die in dem Kaufvertrag beschrieben worden seien, gehabt. Da die Beklagte das Fahrzeug auch nicht gefahren habe, seien auch keine Mängel festzustellen gewesen.
Im Rahmen des Besichtigungstermines sei das Fahrzeug von der Klägerin und ihren Begleitern ausgiebig über eine Stunde lang geprüft und vom Schwiegersohn Probe gefahren worden. Ob das Fahrzeug bei einem Vorbesitzer einen Totalschaden erlitten habe, entziehe sich der Kenntnis der Beklagten. Die im Fahrzeugbrief ersichtlichen Vorbesitzer hätten das Fahrzeug nicht an die Beklagte verkauft, sondern ein Herr ….
Die Beklagte trägt überdies erstmals mit Schriftsatz vom 05.07.2017 (Bl. 159 der Akte) vor, dass der Gurt durch den Zeugen … und seinen Freund, der Meister bei … sei, manipuliert worden sei, um ihr, der Beklagten, das Auto zurückgeben zu können. Erst nachdem der Zeuge … mit seinem Freund den Gurt manipuliert habe, sei das Auto am 13.05.2016 zu einem Gutachter nach O. gebracht worden, weshalb sie davon ausgehe, dass das Fahrzeug dort als verkehrsunsicher vorgestellt und dies vom Gutachter schließlich in dieser Form bescheinigt worden sei.
Die Kammer hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 01.06.2017 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 16.10.2017 (Bl. 204 ff. der Akte) vollumfänglich Bezug genommen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündliche Verhandlung vom 11.05.2017 (Bl. 137 ff. der Akte) und vom 12.02.2018 (Bl. 259 ff. der Akte) vollumfänglich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Klageantrag zu Ziffer 1. ist dahingehend auszulegen, dass die Klägerin Zahlung der 5.600 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen … an die Beklagte verlangt, da im Falle eines wirksamen Rücktritts nach § 346 Abs. 1 BGB nicht lediglich die bloße „Übergabe“ des PKW an die Beklagte geschuldet ist, sondern dessen Rückübereignung. Diese Auslegung entspricht auch dem nach dem gesamten Vorbringen erkennbaren Willen der Klägerin. Die insoweit missverständliche Formulierung ändert daran – auch unter Berücksichtigung von § 308 ZPO – nichts.
Die Klage ist ganz überwiegend begründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 5.600 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW …, Fahrgestellnummer …, an die Beklagte gemäß §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 346 ff. BGB, da sie wirksam von dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 zurückgetreten ist.
a) Zwischen den Parteien ist am 29.03.2016 ein schriftlicher Kaufvertrag über den streitgegenständlichen PKW zu einem Kaufpreis von 5.600 € zustande gekommen (vgl. Bl. 4 der Akte). Soweit die Beklagte dies, nachdem sie es zuvor ausdrücklich unstreitig gestellt hat, seit ihrem Schriftsatz vom 05.07.2017 (Bl. 159 ff. der Akte) bestreitet, ist ihr Bestreiten unerheblich, § 138 Abs. 3 ZPO.
Mit ihrem widersprüchlichen Vortrag zum Zustandekommen des Kaufvertrages zwischen ihr und der Klägerin, verletzt die Beklagte ihre prozessuale Wahrheitspflicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Zwar ist es nicht von vorneherein unzulässig, einen bestimmten Tatsachenvortrag nachträglich zu ändern, selbst in sein Gegenteil. Die Verpflichtung zum vollständigen und der Wahrheit entsprechenden Tatsachenvortrag beinhaltet in diesem Fall jedoch auch, darzulegen, warum an dem ursprünglichen, dem neuerlichen Vortrag diametral entgegenstehenden Tatsachenvortrag nicht mehr festgehalten werden kann. Eine Veränderung des Tatsachenvortrages ohne jeglichen erkennbaren sachlichen Grund – wie vorliegend – genügt nicht. Nicht zuletzt aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte das Zustandekommen des Kaufvertrages mit der Klägerin und ihre Verkäufereigenschaft auch mit anwaltlichem vorgerichtlichen Schreiben vom 08.06.2016 (Bl. 20 ff. der Akte) ausdrücklich einräumt, und dies mit substantiiertem Vortrag in dem Klageerwiderungsschriftsatz vom 26.08.2016 (Bl. 39 ff. der Akte) noch einmal untermauert, geht die Kammer davon aus, dass die Beklagte – soweit sie das Zustandekommen eines Kaufvertrages zwischen ihr und der Klägerin seit dem Schriftsatz vom 05.07.2017 (Bl. 159 ff. der Akte) wiederholt und hartnäckig bestreitet – schlichtweg lügt.
b) Der veräußerte PKW wies auch einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB auf, da er sich nicht für die von den Parteien nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, das Benutzen des streitgegenständlichen PKW im Straßenverkehr, eignete. Dies war deshalb nicht der Fall, da der PKW aufgrund einer unsachgemäßen Reparatur eines Unfallschadens nicht verkehrssicher war.
Die Kammer folgt insoweit den überzeugenden, in sich widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen … in seinem Gutachten vom 16.10.2017, Bl. 204 ff. der Akte, an dessen Sachkunde und Qualifikation zu zweifeln es keinen Anlass gibt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Überprüfung der Sicherheitsgurte und der Airbags ergeben habe, dass insoweit ein Defekt vorliege bzw. die Funktion im Bereich der Sicherheitsgurte und der Airbags eingeschränkt sei. Die Inaugenscheinnahme der Sicherheitsgurte habe als Ergebnis erbracht, dass infolge eines Schadenereignisses die Gaspatronen der Sicherheitsgurte offensichtlich ausgelöst hätten und anschließend abgetrennt worden seien; des Weiteren sei ein Widerstand in die Steckverbindung des Sicherheitsgurtes angebracht worden, um dem Steuergerät einen funktionsfähigen Sicherheitsgurt zu vermitteln. Somit könne hier keine Funktion des Sicherheitsgurtes bzw. der Gurtstraffer mehr stattfinden. Überdies habe nach Ausbau des Airbag-Gasgenerators auf der Beifahrerseite festgestellt werden können, dass hier ein 2-stufiger Gasgenerator verbaut worden sei. Laut Verkabelung im Fahrzeug sei in dem Fahrzeug jedoch regulär ein einstufiger Gasgenerator verbaut. Nach Rücksprache mit dem Hersteller des Gasgenerators sei hier nicht mit einer ordnungsgemäßen Auslösung des Airbags zu rechnen bzw. von einer Fehlfunktion oder gar keiner Funktion auszugehen. Als Ergebnis könne festgehalten werden, dass das Fahrzeug über keine funktionsfähigen Gurtstraffer und keine funktionsfähigen Airbags verfüge und somit nicht verkehrssicher sei.
Zweifel an der Richtigkeit der sachverständigen Ausführungen hat die Kammer nicht. Die defekten bzw. nicht mehr ordnungsgemäß funktionierenden Sicherheitsgurte und Airbags mit der Folge, dass das Fahrzeug nicht mehr in einem verkehrssicheren Zustand ist, stellen einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB dar.
c) Der vorgenannte Sachmangel lag auch bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB) bei Übergabe des PKW an die Klägerin am 29.03.2016 vor. Grundsätzlich trägt die Klägerin die Beweislast, dass der Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat (BGH NJW 2004, 2299 ff. ). Für Mängel der streitgegenständlichen Art, unsachgemäße Reparaturen der vorgenannten Art nach einem Unfallschaden, die bereits kurze Zeit nach Gefahrübergang auftreten bzw. erkannt werden und bei denen es sich gerade nicht um solche Mängel handelt, die typischerweise jederzeit nach Gefahrübergang auftreten können, kann jedoch regelmäßig vermutet werden, dass diese Mängel bereits bei Gefahrübergang vorgelegen haben. Dies gilt in Konstellationen wie den vorliegenden insbesondere deshalb, weil solche Mängel gewöhnlich durch eine Reparatur behoben werden können. Eine Manipulation durch den Käufer zu dem Zweck, den geschlossenen Autokaufvertrag in Rückabwicklung zu bringen oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen zu können, ist angesichts des Vorrangs der Nacherfüllung durch den Autoverkäufer nach der allgemeinen Lebenserfahrung außerordentlich fern liegend. Entsprechend hat die Klägerin vorliegend auch nicht direkt den Rücktritt erklärt oder Schadensersatz verlangt, sondern die Beklagte zur Nacherfüllung aufgefordert. Hierdurch hat sie gezeigt, dass sie grundsätzlich an den Vertrag festhalten wollte und es ihr gerade nicht darauf ankam, lediglich den Kaufvertrag in Rückabwicklung zu bringen.
Es obliegt daher vorliegend trotz des Umstandes, dass es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 BGB handelt, ausnahmsweise dem Verkäufer, hier der Beklagten, zu beweisen, dass der festgestellte Mangel erst nach Gefahrübergang (auf welchem Wege auch immer) entstanden ist. Dieser Beweis ist der Beklagten nicht gelungen. Sie ist insoweit beweisfällig geblieben. Einer Beweisaufnahme bedurfte es nicht, da die Beklagte für die von ihr aufgestellte Behauptung, der Gurt des Fahrzeuges sei nach der Übergabe vorsätzlich durch den … und dessen Freund manipuliert worden, keinen geeigneten Beweis angeboten hat. Die von der Beklagten angebotenen Beweise, namentlich die Bescheinigung über die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO vom 12.03.2016 (Bl. 170 der Akte) und das Gutachten vom 13.05.2016 liefern über diese Tatsache gerade keinen Aufschluss. Zeugenbeweis durch Herrn … hat die Beklagte insoweit nicht angeboten.
d) Die hiernach gemäß § 439 BGB grundsätzlich bestehende Verpflichtung der Beklagten zur Nacherfüllung im Hinblick auf die defekten Gurtstraffer und Airbags entfällt auch nicht wegen des in dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 vereinbarten umfassenden „Ausschlusses jeglicher Gewährleistung im Hinblick auf sichtbare und unsichtbare Mängel, insbesondere bezüglich des Kilometerstandes, früherer Unfälle und etwa auftretender Schäden infolge früherer Unfälle“ (Bl. 4 d. A.). Diese Klausel hält der AGB-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Bei der Gewährleistungsausschlussklausel in dem Kaufvertrag vom 29.03.2016 handelt es sich um AGB im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2010, 1131 ) liegen AGB auch dann vor, wenn sie von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Es handelt sich bei dem verwendeten Formular, das die Ausschlussklausel enthält, offensichtlich nach Inhalt und Gestaltung um ein für eine Vielzahl von Fällen vorformuliertes Vertragsformular. Dies ergibt sich schon daraus, dass sämtliche das Geschäft individualisierende Umstände durch den Nutzer des Formulars selbst in die dafür vorgesehenen Lücken und Felder einzutragen waren. Die Beklagte war auch Verwenderin im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Der vollständige Ausschluss jeglicher Gewährleistung durch AGB ist gemäß § 309 Nr. 7 a und b BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners vollumfänglich unwirksam (BGH, Urteil vom 04.02.2015, Az. VIII ZR 26/14, Rn. 16 juris). Es gilt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.
Ein wirksamer Gewährleistungsausschluss für die hier vorliegenden Mängel ergibt sich auch nicht daraus, dass die Parteien die Klausel „gekauft wie gesehen“ in den Vertrag aufgenommen haben. Denn durch diese Klausel wird im Ergebnis nur die Gewährleistung für solche Mängel ausgeschlossen, die bei einer Besichtigung ohne Zuziehung eines Sachverständigen wahrnehmbar, insbesondere sichtbar waren (vgl. BGH NJW 2016, 2495 ). Wird in der Klausel der Bezug zu einer Besichtigung des Käufers hergestellt, kommt es auf die Wahrnehmbarkeit des Mangels durch ihn und nicht darauf an, ob eine sachkundige Person den Mangel hätte entdecken oder zumindest auf dessen Vorliegen hätte schließen können und müssen. Aufgrund von einer unsachgemäßen Reparatur entstandene Funktionseinschränkungen eines Gurtstraffers oder Airbags sind regelmäßig für den Laien bei einer Besichtigung ohne Zuziehung eines Sachverständigen nicht wahrnehmbar. Eine Heranziehung der unwirksamen umfassenden Gewährleistungsausschlussklausel, zur Auslegung dahingehend, dass durch die Klausel „gekauft wie gesehen“ nach dem Parteiwillen auch nicht ohne Sachverständigen wahrnehmbare Mängel von der Gewährleistung ausgeschlossen sein sollten, ist nicht zulässig, da hierin eine Umgehung des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion liegen würde.
Die Gewährleistung ist auch nicht aufgrund von Kenntnis der Klägerin oder grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels im Sinne von § 442 Abs. 1 BGB ausgeschlossen. Für eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin bestehen keine Anhaltspunkte.
e) Die Klägerin hat die Beklagte auch unter Setzung einer angemessenen Frist durch anwaltliches Schreiben vom 27.05.2016 zur (der Beklagten auch nicht unmöglichen) Nacherfüllung aufgefordert, § 323 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat die Nacherfüllung durch anwaltliches Schreiben vom 08.06.2016 endgültig verweigert. Unter Berücksichtigung des vorstehenden lagen die Voraussetzungen des Rücktritts von dem Kaufvertrag im Zeitpunkt der Erklärung des Rücktritts am 15.06.2016 vor. Das Rücktrittsrecht ist auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die vorliegenden Mängel nicht lediglich unerheblich sind.
f) Da der Rücktritt wirksam war, sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben, § 346 Abs. 1 BGB. Hiernach hat die Beklagte an die Klägerin den Kaufpreis i.H.v. 5.600 € zurückzuzahlen, die Klägerin hat den streitgegenständlichen … an die Beklagte zurück zu übereignen. Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien sind Zug um Zug zu erfüllen, § 348 S. 1 BGB. Dass die Klägerin Nutzungen im Sinne von § 346 Abs. 1 BGB gezogen hätte, da sie den PKW genutzt hat, ist nicht dargetan und kann auch in Anbetracht des vorliegenden Mangels nicht angenommen werden.
2. Der hinsichtlich der Hauptforderung von 5.600 € unter Ziffer 1. tenorierte Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB, da sich die Beklagte jedenfalls seit dem 01.07.2016 in Verzug befand. Denn die Aufforderung gegenüber der Beklagten durch anwaltliches Schreiben vom 15.06.2016 (Bl. 22 ff. der Akte), den Kaufpreis i.H.v. 5.600 € Zug um Zug gegen Rücknahme des … bis zum 30.06.2016 zurückzuzahlen, ist fruchtlos verstrichen. Soweit der Kläger Verzugszinsen bereits ab dem 08.06.2016 und damit ab Verweigerung der Nacherfüllung verlangt, ist die Klage unbegründet. Denn hinsichtlich der Hauptforderung i.H.v. 5600 € trat Verzug erst am 01.07.2016 ein. Auf den Zeitpunkt der Verweigerung der Nacherfüllung durch die Beklagte kann insoweit nicht abgestellt werden.
3. Die Klage ist unter Berücksichtigung des Vorstehenden auch hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsanspruches nach Ziffer 2. der Klageanträge begründet, da die Klägerin der Beklagten die Rückübereignung des streitgegenständlichen PKW durch anwaltliches Schreiben vom 15.06.2016 in einer den Annahmeverzug begründeten Art und Weise, gemäß §§ 293, 294, 298 BGB angeboten hat.
4. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die Sachverständigenkosten i.H.v. 350 €, die entrichtete Kfz-Steuer von 50 €, die Versicherungsprämie von 101,27 € sowie hinsichtlich der Umschreibekosten von 44,80 €, insgesamt ein Betrag i.H.v. 546,07 €, rechtfertigt sich unter Berücksichtigung des Vorstehenden aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 S. 1, 249 BGB, da die Beklagte an die Klägerin eine mangelhafte Sache geliefert hat. Ihr Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Eine Entlastung ist ihr insoweit nicht gelungen. Die geltend gemachten Positionen sind kausale, ersatzfähige Schäden. Der insoweit geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.
5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 650,34 € aus einem Gegenstandswert von 6.146,07 € gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Der zugleich geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich wiederum aus §§ 288, 291 BGB.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.