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Sachverständigenablehnung bei Überschreitung des Gutachtenauftrags

Sachverständiger wegen Überschreitung des Auftrags abgelehnt

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. D gerechtfertigt ist, aufgrund der Besorgnis der Befangenheit. Diese Entscheidung basiert darauf, dass der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag überschritten hat und dadurch den Eindruck von Parteilichkeit erweckt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-15 U 83/19  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil

  1. Prof. Dr.-Ing. D wurde als Sachverständiger abgelehnt, da er die Grenzen seines Auftrags überschritten hat.
  2. Das Urteil begründet sich auf die Besorgnis der Befangenheit gemäß § 406 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO.
  3. Die Überschreitung des Gutachtenauftrags durch den Sachverständigen weckte Misstrauen gegenüber seiner Unparteilichkeit.
  4. Kritische Äußerungen des Sachverständigen gegenüber dem Klagepatent und den Parteien wurden als unsachlich und parteiisch gewertet.
  5. Es gab keine sofortige Stellungnahme des Sachverständigen zum Ablehnungsantrag.
  6. Der Ablehnungsantrag der Klägerin war form- und fristgerecht.
  7. Der Fall betraf eine Patentstreitigkeit, bei der die Unparteilichkeit des Sachverständigen entscheidend war.
  8. Das Urteil betont die Wichtigkeit der sachlichen und unparteiischen Gutachtenerstellung in gerichtlichen Verfahren.

Die Bedeutung der Unparteilichkeit in gerichtlichen Gutachten

In rechtlichen Auseinandersetzungen spielt die Objektivität und Unparteilichkeit von Sachverständigen eine zentrale Rolle. Die Ablehnung eines Sachverständigen kann dabei ein wesentlicher Wendepunkt in einem Prozess sein, insbesondere wenn der Vorwurf der Befangenheit im Raum steht. Gerade in Patentstreitigkeiten, wie sie häufig vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt werden, ist die neutrale Bewertung durch einen Sachverständigen oft ausschlaggebend für den Ausgang des Verfahrens.

Die Überprüfung, ob ein Sachverständiger seinen Gutachtenauftrag überschreitet, und die damit verbundene Frage der Befangenheit, sind daher von hoher Relevanz. Nicht nur die fachliche Kompetenz, sondern auch die Integrität des Sachverständigen stehen hierbei auf dem Prüfstand. Im Folgenden wird ein konkretes Urteil beleuchtet, das die feinen Linien zwischen Sachlichkeit, Gutachtenauftrag und der Wahrung der Unvoreingenommenheit in den Fokus rückt. Lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die entscheidenden Details und die Tragweite dieses Urteils werfen.

Der Weg zur Sachverständigenablehnung im Detail

Im Fokus des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf steht die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. D aufgrund von Befangenheit. Die Klägerin, Inhaberin des Klagepatents, beschuldigte den Sachverständigen, seinen Gutachtenauftrag überschritten und parteilich gehandelt zu haben. Ursprung des Streits war eine Patentverletzungsklage gegen die Beklagte, in der das Gutachten des Sachverständigen eine entscheidende Rolle spielen sollte.

Kontroverse um Gutachteräußerungen und -bewertungen

Zentraler Kritikpunkt der Klägerin war die Art und Weise, wie der Sachverständige sein Gutachten erstellte. Sie warf ihm vor, in seinem Gutachten böswillige und abwertende Formulierungen gegen sie und ihre Prozessbevollmächtigten verwendet zu haben. Darüber hinaus sei der Gutachter über seine Rolle hinausgegangen, indem er den Rechtsbestand des Klagepatents kritisierte und eine vorwegnehmende Bewertung des Gerichtsurteils vornahm. Dies wurde als eindeutige Überschreitung des Gutachtenauftrags und als mangelnde Sachlichkeit angesehen.

Reaktion der Beklagten und Einschätzung des Gerichts

Die Beklagte hingegen sah den Ablehnungsantrag als unbegründet an und argumentierte, dass weder die Auseinandersetzung mit der Schutzfähigkeit der Erfindung noch die deutliche Zurückweisung des klägerischen Sachvortrags Anlass zur Sorge um Befangenheit geben würden. Das Gericht jedoch befand, dass die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt sei. Es stellte fest, dass der Sachverständige tatsächlich seinen Auftrag überschritten und in einer Weise agiert hatte, die seine Unparteilichkeit infrage stellte.

Gründe für die Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das Gericht legte dar, dass die Äußerungen und das Verhalten des Sachverständigen – insbesondere seine unsachlichen Kommentare und die eigenmächtige Ausweitung seines Gutachtenauftrags – geeignet waren, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es betonte, dass ein Sachverständiger nicht nur fachlich korrekt, sondern auch neutral und ohne Anzeichen von Parteilichkeit agieren muss. Fehler im Gutachten allein hätten nicht ausgereicht, um die Ablehnung zu begründen, aber in Kombination mit der überschreitenden und parteilichen Haltung des Sachverständigen war die Ablehnung unumgänglich.

Der Fall am OLG Düsseldorf unterstreicht die Bedeutung der Unparteilichkeit von Sachverständigen in gerichtlichen Verfahren. Ihre Rolle ist es, fachlich fundierte und unabhängige Einschätzungen zu liefern, die frei von persönlichen Meinungen oder Vorurteilen sind. In diesem spezifischen Fall führte das Fehlverhalten des Sachverständigen letztlich zu seiner Ablehnung, was das gesamte Verfahren beeinflusste und die Wichtigkeit der Objektivität in der Rechtspflege hervorhob.

Wichtige Fragen zum Urteil kurz erklärt


Ist es zulässig, den Sachverständigen wegen Befangenheit abzulehnen, wenn er die Klagepatent auf eine grundlegend andere Konstruktion liest?

Die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit ist im deutschen Recht geregelt und kann erfolgen, wenn bei einer Partei der Eindruck entsteht, der Sachverständige sei nicht unvoreingenommen. Gemäß § 406 Absatz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen wie ein Richter abgelehnt werden. Die Besorgnis der Befangenheit ist ein subjektiver Tatbestand, der nicht das tatsächliche Vorliegen von Befangenheit erfordert, sondern lediglich den begründeten Anschein der Parteilichkeit.

Die Frage, ob ein Sachverständiger wegen einer grundlegend anderen Interpretation des Klagepatents abgelehnt werden kann, hängt davon ab, ob diese Interpretation als Indiz für eine mangelnde Unvoreingenommenheit gewertet werden kann. Eine Ablehnung des Sachverständigen ist nicht schon deshalb gerechtfertigt, weil das Gutachten Mängel aufweist oder die Sachkunde des Sachverständigen in Frage stellt. Vielmehr muss ein konkreter Grund vorliegen, der aus Sicht einer vernünftigen Partei die Befürchtung wecken kann, der Sachverständige stehe der Sache nicht unparteiisch gegenüber.

Wenn der Sachverständige sich nicht an die Anweisungen des Gerichts hält oder seine Vorgehensweise davon abweicht, kann dies einen möglichen Befangenheitsgrund darstellen. Sollte der Sachverständige das Klagepatent auf eine Weise interpretieren, die nicht den Vorgaben des Gerichts oder den anerkannten Auslegungsgrundsätzen entspricht, könnte dies als Befangenheitsgrund gesehen werden, insbesondere wenn dadurch der Eindruck entsteht, der Sachverständige favorisiere eine Partei.

Die Ablehnungsgründe müssen vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden, und das Gericht entscheidet dann über das Ablehnungsgesuch. Ein schematisches Vorgehen ist dabei ausgeschlossen, und jeder Fall muss individuell betrachtet werden.

In Bezug auf die konkrete Fragestellung, ob die Interpretation des Klagepatents auf eine grundlegend andere Konstruktion ein Ablehnungsgrund sein kann, ist zu prüfen, ob diese Interpretation als Anzeichen für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen angesehen werden kann. Hierfür wäre eine detaillierte Betrachtung des Einzelfalls erforderlich, um zu beurteilen, ob die Interpretation des Sachverständigen den Eindruck der Parteilichkeit erweckt.

Kann der Sachverständige das Klagepatent nach seinen Angaben als fehlerhaft bewerten, obwohl es vom Bundespatentgericht nur eingeschränkt aufrechterhalten wurde?

Ja, ein Sachverständiger kann das Klagepatent als fehlerhaft bewerten, auch wenn es vom Bundespatentgericht nur eingeschränkt aufrechterhalten wurde. Die Rolle des Sachverständigen besteht darin, eine technische Beurteilung des Patents vorzunehmen und zu prüfen, ob die technischen Angaben und Ansprüche im Patent korrekt und zutreffend sind.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Bewertung des Sachverständigen nicht bindend ist. Das Bundespatentgericht trifft die endgültige Entscheidung über die Gültigkeit eines Patents. Es kann vorkommen, dass das Gericht ein Patent aufrechterhält, obwohl ein Sachverständiger es als fehlerhaft bewertet hat. Dies kann auf unterschiedliche Interpretationen der technischen Details oder auf rechtliche Überlegungen zurückzuführen sein.

Es ist auch möglich, dass ein Sachverständiger ein Patent als fehlerhaft bewertet, weil er glaubt, dass es eine unzulässige Erweiterung des ursprünglichen Patents darstellt. In solchen Fällen kann das Gericht entscheiden, das Patent in einer eingeschränkten Form aufrechtzuerhalten, die die unzulässigen Erweiterungen entfernt.

Es ist wichtig zu beachten, dass Sachverständige ein Haftungsrisiko tragen. Wenn sie ein fehlerhaftes Gutachten erstellen, können sie zur Verantwortung gezogen werden. Daher ist es in ihrem Interesse, ihre Bewertungen sorgfältig und gründlich durchzuführen.


Das vorliegende Urteil

OLG Düsseldorf – Az.: I-15 U 83/19 – Beschluss vom 29.08.2022

Die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. – Ing. D wird für begründet erklärt.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP XXXX XXX (nachfolgend Klagepatent) in Anspruch. Das Klagepatent steht in Kraft. Mit Urteil vom 19.01.2021 hat das Bundespatentgericht den im hiesigen Verfahren geltend gemachten Klagepatentanspruch 1 eingeschränkt aufrechterhalten. Über die hiergegen eingelegte Berufung ist seitens des Bundesgerichtshofs bislang nicht entschieden.

Der Senat ernannte mit Beschluss vom 18.01.2021 (Bl. 746 f. GA) Herrn Prof. Dr.-Ing. D zum Sachverständigen gemäß Beweisbeschluss vom 18.06.2020 (Bl. 597 ff. GA), wobei der Beweisbeschluss mit Beschluss des Senats vom 16.12.2021 (Bl. 929 ff. GA) auf die vom Bundespatentgericht aufrechterhaltene Fassung des Klagepatentanspruchs 1 angepasst wurde.

Das schriftliche Sachverständigengutachten von Herrn Prof. Dr.-Ing. D (Bl. 732 ff. GA) wurde den Parteien zur Stellungnahme binnen vier Wochen am 19.05.2022 zugestellt. Auf die Fristverlängerungsanträge der Parteien hin wurde die Frist zur Stellungnahme für beide Parteien bis zum 29.07.2022 verlängert.

Die Stellungnahme der Klägerin vom 22.07.2022 (Bl. 772 ff. GA) enthält neben der Auseinandersetzung mit dem Gutachten einen gegen den Sachverständigen gerichteten Befangenheitsantrag. Diesen begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt: Der Sachverständige verwende in seinem Gutachten bei der Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Klägerin und der Prozessbevollmächtigten der Klägerin Formulierungen, die böswillig, unterstellend sowie abwertend und abfällig seien. Zudem überschreite der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag, indem er eine Würdigung des Ergebnisses seines Gutachtens durch den Senat vorwegnehme. Ferner habe es der Sachverständige offenbar bewusst versäumt, sich mit der gebotenen Sachlichkeit mit den von beiden Seiten erbrachten Privatgutachten auch nur ansatzweise auseinander zu setzen. Stattdessen kritisiere er den Rechtsbestand des Klagepatents über mehrere Absätze hinweg, ohne dass er hierzu überhaupt befragt worden sei. Hiermit bringe er eine negative Einstellung gegenüber dem Klagepatent und letztlich auch gegenüber der Klägerin zum Ausdruck. Das Sachverständigengutachten weise darüber hinaus erhebliche inhaltliche Mängel auf und könne nicht dazu dienen, die Beweisfrage des Beweisbeschlusses befriedigend zu beantworten.

Die Klägerin beantragt, den Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. D wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 406 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO abzulehnen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß, den Antrag der Klägerin abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Ablehnungsantrag sei unbegründet. Dass die Klägerin selbst erst zwei Monate nach Vorlage des Gutachtens den Eindruck bekommen habe, der Sachverständige sei angeblich befangen, spreche für sich. Weder die Befassung mit und kritische Bewertung der Schutzfähigkeit der vermeintlichen Erfindung noch die deutliche und mit klaren Worten ausgedrückte Zurückweisung des klägerischen Sachvortrages seien geeignet, eine ernsthafte Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Selbst wenn sich der Sachverständige durch seine Ausführungen zum Rechtsbestand zu einer Frage geäußert habe, die außerhalb des Gutachtenauftrages liege, lasse dies noch nicht den Schluss zu, dass der Sachverständige einseitig zu Lasten der Klägerin vorgehe. Das Klagepatent sei vom Bundespatentgericht nur eingeschränkt aufrechterhalten worden. Sie, die Beklagte, gehe davon aus, dass das Klagepatent in der Berufung vollständig vernichtet werde. Dass der Sachverständige diese Einschätzung der fehlenden Schutzfähigkeit des Klagepatents teile, lasse keine unsachliche und einseitige Vorgehensweise erkennen. Der Sachverständige habe die technischen Argumente der Klägerin und der von ihr beauftragten Privatgutachten sehr klar bewertet. In zulässiger Weise habe er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Versuch der Klägerin, das Klagepatent auf eine grundlegend andere Konstruktion zu lesen, technisch neben der Sache liege. Aus der Tätigkeitsübersicht des Sachverständigen ergebe sich eine intensive Befassung mit dem gesamten Akteninhalt. Die Behauptungen der Klägerin zur vermeintlich fehlenden ausreichenden Befassung entbehrten jeglicher Grundlage und seien ihrerseits unsachlich und polemisch.

Der Sachverständige Herr Prof. Dr.-Ing. D hat sich innerhalb der ihm gesetzten Frist zur Stellungnahme nicht zum Ablehnungsantrag geäußert.

II.

Der zulässige Ablehnungsantrag ist in der Sache begründet. Es besteht gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. D die Besorgnis der Befangenheit gem. § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO.

1.

Der Ablehnungsantrag ist zulässig.

Nach § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag grundsätzlich spätestens binnen zwei Wochen nach der Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen anzubringen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO maßgebend. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 BGB) nach Kenntnis des Gutachtens geltend zu machen (BGH, NJW 2005, 1869). Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist, anzubringen ist (BGH, NJW 2005, 1869). Hat das Gericht eine Frist zur Stellungnahme zu dem Gutachten nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzt, läuft die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen in der Regel gleichzeitig mit dieser Frist ab (BGH, NJW 2005, 1869; OLG Stuttgart, NJW-RR 2012, 1109; OLG Köln, Beschl. v. 03.12.2012, Az.: 17 W 141/12, BeckRS 2013, 52; Senat, Beschl. v. 25.11.2015, Az.: 15 W 27/15, BeckRS 2016, 6352; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.05.2021, Az.: 12 W 14/21, BeckRS 2021, 12895).

Auch wenn der Ablehnungsantrag vom 22.07.2022, worauf die Beklagte hinweist, ca. zwei Monate nach Zustellung des Sachverständigengutachtens am 19.05.2022 gestellt worden ist, ist der Antrag nach dem zuvor Gesagten fristgerecht. Er wurde eine Woche vor Ablauf der (auf Antrag beider Parteien) verlängerten Frist zur Stellungnahme auf das Sachverständigengutachten gem. § 411 Abs. 4 ZPO eingereicht. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in Abweichung von den dargestellten Grundsätzen ausnahmsweise eine kürzere Frist zu gelten hätte, sind weder dargetan noch sonst wie ersichtlich. Auch die Beklagte moniert den Zeitablauf allein im Rahmen der Begründetheit.

2.

Der Ablehnungsantrag ist begründet.

a)

Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH, GRUR 2002, 369 – Sachverständigenablehnung; Beschl. v. 05.11.2002, Az.: X ZR 178/01, BeckRS 2003, 94; NJW 2005, 1869; GRUR-RR 2008, 365 – Sachverständigenablehnung III; NJW-RR 2013, 851; Beschl. v. 03.11.2014, Az.: X ZR 148/11, BeckRS 2014, 22293; NJW-RR 2017, 569; NJW 2020, 691). Entscheidend ist demnach, ob objektive Gründe vorliegen, die einer besonnenen und vernünftig denkenden Partei Anlass geben können, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln. Darauf, ob der gerichtliche Sachverständige tatsächlich befangen ist oder sich befangen fühlt, kommt es nicht an (BGH, Beschl. v. 21.02.2006, Az.: X ZR 103/04, BeckRS 2006, 3433).

Die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit kann berechtigt sein, wenn der Sachverständige den Gutachterauftrag in einer Weise erledigt, dass sie als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden kann (BGH, NJW-RR 2013, 851; NJW 2020, 691).

Eine unsachliche Grundhaltung kann sich beispielsweise in überflüssigen und unangemessenen, tendenziell ehrverletzenden, herabwürdigenden und abfälligen Äußerungen (OLG Hamm MDR 2010, 653; OLG Celle, Beschl. v. 11.09.2012, Az.: 11 W 43/12, BeckRS 2012, 10287; OLG Köln, Beschl. v. 03.12.2012, Az.: 17 W 141/12, BeckRS 2013, 52; Senat, Beschl. v. 25.11.2015, Az.: 15 W 27/15, BeckRS 2016, 6352; OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.5.2022, Az.: 11 W 12/22, BeckRS 2022, 12997), bei unsachlichen Äußerungen zum Sachvortrag einer Partei (KG Berlin, NVZ 2008, 359), bei wertenden Formulierungen, die den Eindruck erwecken oder verstärken, der Sachverständige empfinde sich als Gegner einer Partei (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.03.2013, Az.: 21 W 57/12, BeckRS 2013, 7447) oder bei sprachlichen Entgleisungen des Sachverständigen (OLG Dresden, Beschl. v. 25.01.2010, Az.: 9 U 2258/05, BeckRS 2011, 2487; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 26.02.2015, Az.: 2 WF 409/14, BeckRS 2015, 14285; OLG Hamm, Beschl. v. 28.07.2015, Az.: 9 U 160/13, BeckRS 2015, 16052) offenbaren. Ob Äußerungen eines Sachverständigen als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung verstanden werden können, ist nicht nur anhand einer (isolierten) Betrachtung der einzelnen Äußerungen zu eruieren. Geboten ist vielmehr stets eine die Umstände des Einzelfalls berücksichtigende Gesamtbetrachtung (OLG Köln, Beschl. v. 03.12.2012, Az.: 17 W 141/12, BeckRS 2013, 52; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.03.2013, Az.: 21 W 57/12, BeckRS 2013, 7447).

Die Besorgnis einer Befangenheit eines Sachverständigen kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag überschreitet (BGH, NJW-RR 2013, 851; NJW 2020, 691), beispielsweise indem er eine dem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung vorgenommen und seiner Beurteilung nicht die vorgegebenen Anknüpfungstatsachen zu Grunde gelegt hat (OLG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1087) oder wenn er das Vorbringen der Parteien auf Schlüssigkeit und Erheblichkeit untersucht hat, statt die ihm abstrakt gestellte Beweisfrage zu beantworten (OLG Köln, NJW-RR 1987, 1198).

Die Frage, ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, kann allerdings ebenfalls nicht schematisch beantwortet werden. Maßgeblich sind vielmehr auch insoweit die Umstände des jeweiligen Einzelfalls (BGH NJW-RR 2013, 851; OLG Stuttgart DS 2012, 397; OLG Karlsruhe Beschl. v. 04.09.2013, Az.: 9 W 28/13, BeckRS 2013, 22397; OLG Bremen DS 2014, 255; OLG Frankfurt a. M. NJW-RR 2022, 863), wobei die Überschreitung des Gutachtenauftrages für sich genommen in der Regel nicht ausreicht, sondern zudem das sonstige Verhalten des Sachverständigen eine parteiliche Tendenz zugunsten oder zulasten einer Partei erkennen lassen muss (OLG Karlsruhe Beschl. v. 04.09.2013, Az.: 9 W 28/13, BeckRS 2013, 22397; OLG Bamberg, Beschl. v. 07.03.2017, Az.: 4 W 16/17, BeckRS 2017, 104968; OLG Köln, Beschl. v. 05.02.2018, Az.: 9 W 4/18, BeckRS 2018, 2180; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.06.2019, Az.: 12 W 15/18, BeckRS 2019, 14223; OLG Dresden, Beschl. v. 26.05.2020, Az.: 4 W 335/20; OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.05.2021, Az.: 12 W 14/21, BeckRS 2021, 12895). Die Besorgnis der Befangenheit ist deshalb beispielsweise zu verneinen, wenn die Überschreitung des Gutachtenauftrags lediglich auf einem Missverständnis beruht (OLG Karlsruhe Beschl. v. 04.09.2013, Az.: 9 W 28/13, BeckRS 2013, 22397) oder mit der Beantwortung der Beweisfragen aus Sicht einer verständigen Partei bereits eine offensichtliche und damit ohne Weiteres erkennbare Überschreitung des Beweisthemas durch den Sachverständigen einhergeht (OLG Frankfurt, NJW-RR 2022, 863).

Ein Mangel an Sachkunde und Unzulänglichkeiten oder Fehlerhaftigkeiten mögen zwar das Gutachten entwerten, rechtfertigen für sich allein aber nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit (BGH, Beschl. v. 05.11.2002, Az.: X ZR 178/01, BeckRS 2003, 94; NJW 2005, 1869; GRUR 2008, 191 – Sachverständigenablehnung II; GRUR 2012, 92 – Sachverständigenablehnung IV).

b)

Ausgehend hiervon rechtfertigen die von der Klägerin vorgebrachten Gründe letztlich die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen.

aa)

Ohne Erfolg bleibt allerdings die Behauptung der Klägerin, das Sachverständigengutachten weise (vermeintlich) inhaltliche Fehler und Mängel auf. Selbst wenn dem so wäre, würde dies, wie ausgeführt, nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen.

Ebenso wenig kann die Besorgnis der Befangenheit auf eine vermeintliche Überschreitung des Gutachtenauftrages gestützt werden, die sich daraus ergeben soll, dass der Sachverständige unter der Überschrift „Zusammenfassung und Empfehlung“ in Rz. 71 des Gutachtens ausgeführt hat: „Ich empfehle eine vollständige Abweisung der Klage von E“ Auch wenn es nicht die Aufgabe eines Sachverständigen ist, die erhobenen Beweise zu würdigen und eine „Empfehlung“ zur Sachentscheidung des Gerichts abzugeben, erweist sich die gewählte Formulierung bei objektiver Betrachtung lediglich als sprachlich ungeschickt. Der mit der juristischen Terminologie nicht vertraute Sachverständige hat mit der „Empfehlung“ zusammenfassend nur das Ergebnis seiner technischen Einschätzung zum Ausdruck gebracht.

bb)

Der Sachverständige hat jedoch durch die Überschreitung seines Gutachtenauftrags im Hinblick auf die Prüfung des Rechtsbestandes des Klagepatents und mit verschiedenen Äußerungen über die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigte bei vernünftiger Betrachtung in der Gesamtschau die Befürchtung geweckt, er trete der Klägerin nicht unparteilich und neutral gegenüber.

aaa)

Unter Rz. 17 seines Gutachtens führt der Sachverständige als “ Vorbemerkung zu der gesamten Fragestellung“ aus:

„Ich werde zuerst den Sinngehalt des Neuigkeitswerts des Klagepatents herausarbeiten und dann die Fragestellung beleuchten, ob dieser Neuigkeitswert überhaupt gegeben ist. Ich komme zu dem Schluss, dass nur in Verbindung mit der Zeichnung überhaupt ein Neuigkeit zu erkennen ist. Dann werde ich diesen Neuigkeitswert der Lagerungsidee von E mit der Lagerung der F Bremse vergleichen.“

In Umsetzung dieser Fragestellung bewertet der Sachverständige sodann in den Rz. 31 – 37 die Merkmale 1, 2 a) und 2b) des Klagepatentanspruchs jeweils mit den Worten, diese seien „kein Patentanspruch“ bzw. er fasse diese nicht als Patentanspruch auf, weil sie lediglich Stand der Technik wiedergäben. Merkmal 2b) ist für den Sachverständigen überdies „trivial und verwirrend formuliert“. In Rz. 47 heißt es sodann „Ein Neuigkeitswert ergibt sich mit gutem Willen nur aus der erklärenden Zeichnung (Abbildung 2) in dem Klagepatent.“. Rz. 50 lautet: „…Für mich ergibt sich der Neuigkeitswert des Klagepatents (wenn überhaupt eine Neuigkeit vorhanden ist) aus …, wodurch ich an dem Anspruch des verbleibenden minimalen Restes des Klagepatents zweifele.“.

Mit der Vorbemerkung und den Ausführungen in den Rz. 31 – 50 seines Gutachtens bringt der in der juristischen und patentrechtlichen Fachsprache nicht versierte Sachverständige zum Ausdruck, dass er – wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen – zunächst den Rechtsbestand bzw. die Schutzfähigkeit des Klagepatents untersucht und sodann, soweit er den Anspruch als schutzfähig ansieht, einen Vergleich der angegriffenen Ausführungsform mit diesem Anspruch vornimmt.

Die Frage, ob der geltend gemachte Klagepatentanspruch neu und/oder erfinderisch ist, ist allerdings nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses vom 18.06.2020 in der Fassung des Beschlusses vom 16.12.2021. Gegenstand dieser Beschlüsse sind vielmehr konkrete Fragen zur technischen Ausgestaltung und technischen Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform, wobei der Senat in den Beschlüssen sein vorläufiges Verständnis zur Auslegung des geltend gemachten Klagepatentanspruchs dargelegt und den Sachverständigen gebeten hat, bei einem etwaig abweichenden Verständnis dieses näher zu begründen.

Anhaltspunkte, die den Sachverständigen dazu hätten veranlassen können, sich nicht nur den gestellten Beweisfragen im Hinblick auf die Verwirklichung der technischen Lehre des geltend gemachten Klagepatentanspruchs zu widmen, sondern darüber hinaus gehend auch die Schutzfähigkeit bzw. den Rechtsbestand des Klagepatents zu beleuchten, finden sich weder in dem Beweisbeschluss vom 18.06.2020 noch in dem Beschluss vom 16.12.2021. Ein Missverständnis kann insoweit nicht vorliegen. Der Sachverständige erläutert auch nicht, weshalb er die in der Vorbemerkung angeführte Frage gestellt und über mehrere Randziffern erörtert hat, obgleich sein Gutachtenauftrag mit den nur für die Benutzung des Klagepatents erheblichen konkreten Fragen, die als solche für ihn ggf. zum Teil erläuterungsbedürftig gewesen sein mögen, umrissen gewesen ist und er nicht nach seiner Einschätzung zum Rechtsbestand gefragt worden ist. Mit der von ihm aufgeworfenen Fragestellung hat der Sachverständige – wovon beide Parteien übereinstimmend ausgehen – mithin seinen Gutachtenauftrag überschritten.

Soweit die Beklagte auf die Einschränkung des Klagepatents durch das Bundespatentgericht sowie ihre Einschätzung zum Rechtsbestand des Klagepatents verweist und meint, der Sachverständige teile diese Auffassung, mag dies (im Ergebnis) so sein. Eine dahingehende Einschätzung mag dem Sachverständigen auch nicht per se verwehrt sein. Es ändert jedoch nichts daran, dass der Sachverständige vom Senat nicht danach befragt worden ist. Die nicht im Beweisbeschluss angelegte Befassung mit der Schutzfähigkeit bzw. dem Rechtsbestand des geltend gemachten Klagepatentanspruchs erschließt sich umso weniger, als dass sich mit dieser Frage, wie der Akte ohne Weiteres zu entnehmen ist, das Bundespatentgericht bereits befasst hat und sich der Bundesgerichtshof nun im Nichtigkeitsberufungsverfahren befasst. Seitens des Bundespatentgerichts wurde diese Frage im aufrechterhaltenen Umfang des Klagepatents überdies zugunsten der Klägerin beantwortet.

Abgesehen hiervon bestand auch keine Veranlassung, den Ansatz des Beweisbeschlusses in gewisser Weise abzuändern, in dem nach den Worten des Sachverständigen (nur) der „Neuigkeitswert der Lagerungsidee“ der Klägerin mit der angegriffenen Ausführungsform verglichen werden soll. Dem Sachverständigen sind konkrete Fragen zur angegriffenen Ausführungsform auf Basis des geltend gemachten (eingeschränkten) Klagepatentanspruchs gestellt worden.

bbb)

Zu dieser Überschreitung des Gutachtenauftrags treten verschiedene Formulierungen im Sachverständigengutachten hinzu, die in der Gesamtschau den Anschein einer parteilichen Tendenz des Sachverständigen zu Lasten der Klägerin begründen.

(1)

Unter der Überschrift „Eindruck der vorliegenden Dokumente“ „A. Patentverletzungsklage“ setzt sich der Sachverständige in den Rz. 19 ff. des Gutachtens mit der Argumentation der Parteien auseinander. Hierbei äußert er sich u.a. wie folgt:

„Die Argumentation von […] erweckt den Eindruck, durch möglichst komplexe Formulierungen und Querverweise das Lesen absichtlich zu erschweren, statt einer sachlichen Argumentationsführung der technischen Zusammenhänge. Es wird zwischen einer sehr pingeligen und wortklauberischen Argumentation und sehr schwammiger Argumentation gewechselt. Das sieht man besonders gut an den vielfältigen Argumenten rund um …, ohne dass dies von Relevanz für die eigentliche technische Diskussion wäre.“ (Rz. 19)

„Andererseits wird dann, wo es gelegen kommt, die Auslegung von Begrifflichkeiten gern maximal schwammig zu Gunsten des Klägers ausgelegt. … Solche schwammigen Auslegungen werden dann meist dadurch bekräftigt, dass in den Raum gestellt wird, wird das ein „maßgeblicher Durchschnittsfachmann“ so sehen würde. Dies stellt nichts mehr als eine unbelegte Behauptung darstellt, die der eigenen Argumentation den Anschein von Richtigkeit geben soll.“ (Rz. 20)

„Generell findet man häufig ein Fokussieren auf Nebenthemen, auf eine Art und Weise, die Zweifel am technischen Grundverständnis aufkommen lassen. Eine Diskussion, ob …, ist nicht zielführend und zeugt nicht von kompetenter technischer Diskussionsführung. Ein ähnliches Beispiel ist …, ist für die Diskussion irrelevant und vom Inhalt ablenkend.“ (Rz. 21)

„Die Argumentation von F erfolgt in sachlich nüchterner Form und erläutert die technischen Zusammenhänge…. Wobei nicht widersprochen werden kann, dass F teilweise Formfehler, jedoch kein gravierenden sachlichen Fehler unterlaufen sind.“ (Rz. 22)

„Generell macht die Argumentation von E/[…] den Eindruck, durch möglichst komplexe Formulierung und dadurch möglich schwerer Nachvollziehbarkeit der Argumentation den Eindruck von fachlicher Kompetenz und Tiefe erwecken zu wollen, während auf Seiten F/[…] eine einfache, die technischen Zusammenhänge darstellende, Argumentation gut zu führen ist.“ (Rz. 23)

(2)

Unter „Zusammenfassung und Empfehlung“ heißt es in den Rz. 72 und 73:

„Mir ist zudem schleierhaft, warum in Angesicht der dünnen Patentlage solch ein aufwendiges Verfahren durch E angestrebt wurde. Möglicherweise sollte hier die Einführung des F Bremssattels verzögert und bewusst ein wirtschaftlicher Schaden herbeigeführt werden.

Die gesamt Argumentation der Klageschrift von […] sowie der Gutachten wirkten z. T. an den Haaren herbeigezogen. Hingegen überzeugten die sachliche und fundierte Darstellung der Beklagtenseite.“

(3)

Auch wenn der Sachverständige in dem Beweisbeschluss vom 18.06.2020 in der Fassung des Beschlusses vom 16.12.2021 explizit aufgefordert worden ist, sich mit dem Vortrag der Parteien auseinander zu setzen, und es ihm in diesem Rahmen auch gestattet ist, in deutlichen und klaren Worten in ggf. zugespitzter und pointierter Weise seine Einschätzung darzulegen, und ferner ein Sachverständiger bei einer umfangreichen, nicht leicht zugänglichen Akte, aus seiner Sicht unnötigen oder wiederholenden Sachvortrag als aufwendig und/oder nicht zielführend empfinden kann, werden die zitierten Äußerungen in der gebotenen Gesamtschau dem für einen Sachverständigen geltenden Neutralitäts- und Mäßigungsgebot nicht mehr gerecht.

Ob die vom Sachverständigen geübte Kritik inhaltlich „richtig“ ist, steht nicht zur Debatte. Maßgeblich ist im in Rede stehenden Zusammenhang allein, wie die Kritik formuliert ist und welcher Eindruck bzw. Anschein durch die gewählten Formulierungen und Äußerungen bei vernünftiger Betrachtungsweise hervorgerufen wird.

Der Sachverständige belässt es in seinem Gutachten nicht bei einer (deutlichen und klaren) sachbezogenen (inhaltlichen) Kritik. Seine Kritik drückt er vielmehr mehrfach in vorwurfsvoller und unangemessener Weise aus, so z. B. in den Rz. 19 – 23 des Gutachtens, wenn er dort die Formulierungen „sehr pingeligen und wortklauberischen Argumentation und sehr schwammiger Argumentation“, „der eigenen Argumentation den Anschein von Richtigkeit geben soll“, „Fokussieren auf Nebenthemen, auf eine Art und Weise, die Zweifel am technischen Grundverständnis aufkommen lassen“ und „den Eindruck von fachlicher Kompetenz und Tiefe erwecken zu wollen“ verwendet, oder wenn er in Rz. 73 des Gutachtens davon spricht, die Argumentation wirke „an den Haaren herbeigezogen“. Ein Anlass oder eine Notwendigkeit für derartige Formulierungen und Äußerungen ist nicht zu erkennen. Es gab insbesondere keine vorherige „Provokation“ oder Angriffe seitens der Klägerin, die eine möglicherweise (erklärbare) harsche Reaktion des Sachverständigen hervorgerufen hätte haben können.

Aber selbst wenn diese Formulierungen für sich genommen oder gemeinsam noch als deutliche oder ggf. pointierte Würdigung des klägerischen Vorbringens verstanden werden könnten, so führt die Zusammenschau mit den Ausführungen in Rz. 72 des Gutachtens zu gerechtfertigten Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Sachverständigen bei Beantwortung der Beweisfrage. Die Ausführungen in Rz. 72 sind überflüssig, unangemessen, unsachlich und abwertend. Der Sachverständige spekuliert über die Motivation der Klägerin, Klage gegen die Beklagte zu erheben, und unterstellt ihr hierbei eine Schädigungsabsicht zu Lasten der Beklagten. Abgesehen davon, dass der Sachverständige nicht mit der Abgabe einer Einschätzung zur vermeintlichen Motivation der Klägerin beauftragt worden ist, diese für die zu beantwortende Beweisfrage auch unerheblich ist, bringt er in Rz. 72 zum Ausdruck, dass die Klägerin seines Erachtens nach trotz vermeintlich erkennbar fehlender Erfolgsaussichten ihrer Klage, diese nur „benutzt“, um der Beklagten wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Der Sachverständige unterstellt der Klägerin mithin unlautere Motive. Dies ist in der Zusammenschau mit den übrigen Formulierungen abwertend.

(4)

Die Würdigung der unter bb) ausgeführten Ablehnungsgründe in ihrer Gesamtheit (BGH, Beschl. v. 25.02.1997 – X ZR 137/94; Beschl. v. 21.02.2006 – X ZR 103/04, BeckRS 2006, 3433) rechtfertigt die Besorgnis, dass der Sachverständige der Klägerin bei Beantwortung der Beweisfrage nicht mit der erforderlichen Neutralität und Objektivität gegenüber steht. Der Sachverständige hat nicht nur anlasslos seinen Gutachtenauftrag überschritten. Das Gutachten enthält zudem mehrere Formulierungen und Äußerungen, die bezogen auf die Klägerin bzw. deren Prozessbevollmächtigten bei einer Gesamtbetrachtung unsachlich, überflüssig, unangemessen und abwertend erscheinen.

 

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