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Sachverständigenkosten – Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung außergewöhnlich hoch

Besondere Herausforderungen im Familienrecht: Ein Streitfall um Sachverständigenkosten

Der vorliegende Fall dreht sich um eine hochkomplexe familienrechtliche Auseinandersetzung. Zentraler Streitpunkt sind die Kosten, die im Zusammenhang mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens entstanden sind. Der Vater der zwei betroffenen Kinder vertritt die Ansicht, die entstandenen Kosten stünden in keinem angemessenen Verhältnis zur Leistung. Die Situation wird dadurch erschwert, dass die Familie durch verschiedene Wohnorte der Kinder gekennzeichnet ist, was eine umfassende und detailgenaue Exploration des Falls erfordert.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 WF 37/22 >>>

Auseinandersetzung um den Umgang mit den Kindern

Die Problematik im Kontext des Umgangs mit den Kindern steht im Zentrum des Streits. Beide Kinder zeigen Anzeichen eines tiefen Loyalitätskonflikts. Eine Einigung unter den Eltern konnte nicht erzielt werden, und so wurde ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten zur Klärung der Situation gefordert. Dieses Gutachten sollte dazu dienen, eine langfristig tragfähige Regelung zu finden, die eine sorgfältige und aufwändige Diagnostik sowie eine differenzierte Betrachtung der aktuellen Dynamik erforderlich macht.

Umfangreiche Sachverständigenkosten und Unverhältnismäßigkeit

Das eingeholte Gutachten verursachte erhebliche Kosten. Diese Sachverständigenkosten wurden als unverhältnismäßig hoch bezeichnet. Der Vater argumentiert, dass die Sachverständige hätte hinweisen müssen, dass die zu erwartenden Kosten erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes stehen. Dies stellt einen Verstoß gegen § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO dar. Die Sachverständigenkosten wurden letztendlich auf 9.520 Euro inklusive Mehrwertsteuer festgesetzt.

Streben nach einer einvernehmlichen Lösung

Eine interessante Wendung nimmt der Fall durch die Vermutung, dass bei Kenntnis der hohen Sachverständigenkosten die Eltern vermutlich weiter an einer einvernehmlichen Regelung gearbeitet hätten. Diese Annahme stützt sich auf die Existenz einer Zwischenvereinbarung, die von der Sachverständigen für die Hauptsacheregelung vorgeschlagen wurde. Im Kern der elterlichen Uneinigkeit stand lediglich der Umfang des Umgangs mit den Kindern, nicht jedoch ein Ausschluss des Umgangs.

Schlussbemerkung: Kostensenkung und Folgerungen

Das Gericht entschied, dass ein vollständiger Verlust des Vergütungsanspruchs der Sachverständigen nicht infrage kommt. Allerdings erfolgte eine Herabsetzung der Vergütung. Die Festsetzung wurde auf einen Betrag in Höhe des doppelten Regelwertes in Kindschaftssachen gelegt, dem noch die Steuerlast hinzugerechnet wurde. In dieser speziellen Fallkonstellation wurde also klar, dass nicht nur der Umgang mit den Kindern, sondern auch die damit verbundenen Kosten Gegenstand von Streitigkeiten sein können.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 1 WF 37/22 – Beschluss vom 03.08.2022

Auf die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Homburg v.d.H. vom 25.1.2022 wird die angefochtene Entscheidung abgeändert und die in der Gerichtskostenrechnung vom 10.9.2021, Kassenzeichen: ###, angesetzten Kosten werden nur in Höhe von 5.085,75 Euro erhoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Vater wendet sich gegen den Kostenansatz des Amtsgerichts in dem zuletzt beim Amtsgericht Bad Homburg v.d.H. geführten Umgangsverfahren. Mit Schriftsatz vom 5.3.2020 begehrte die Mutter, das Umgangsrecht des Vaters mit der gemeinsamen Tochter V, geb. am ##.##.2016, familiengerichtlich so zu regeln, wie es dem Wohl des Kindes entspricht. Die zunächst geschlossene Vereinbarung, wonach der Umgang des Vaters mit der Tochter aufgrund der zahlreichen Konflikte der Eltern durch Freunde der Eltern begleitet werden sollte, sei gescheitert. Eine professionelle Umgangsbegleitung sei erforderlich. Das zunächst angerufene Amtsgericht – Familiengericht – Bad Homburg v.d.H. hat das Verfahren an das Amtsgericht Stadt1 abgegeben. Dort war bereits ein Verfahren betreffend den Bruder von V, W, geb. am ##.##.2011, anhängig. Das Amtsgericht Stadt1 hat die beiden Umgangsverfahren verbunden und den Kindern eine Verfahrensbeiständin bestellt. Im Anhörungstermin vom 15.5.2020 wies der Beistand des Vaters darauf hin, dass die Einholung eines psychologischen Gutachtens erforderlich erscheine. Die Frage der Einholung eines solchen Gutachtens wurde der sodann für den 16.6.2020 anberaumten Sitzung vorbehalten. In diesem Termin wurden die Beteiligten erneut angehört. Die Verfahrensbeiständin betonte, dass beide Kinder Verhaltensweisen aufzeigten, die auf einen tiefen Loyalitätskonflikt schließen ließen. Das Gericht wies sodann darauf hin, dass im Falle einer streitigen Fortsetzung ein Sachverständigengutachten einzuholen sein werde. Im Anschluss wurde laut Protokoll über mehrere Stunden hinweg versucht, eine einvernehmliche Regelung zu finden. Dies scheiterte. Der Vater teilte seine Auffassung mit, dass er weiterhin die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens anstrebe. Die Beteiligten schlossen sodann einen „Zwischenvergleich“, und das Gericht erließ am 16.6.2020 einen Beweisbeschluss. Im Kern sollte das Gutachten zur Frage der Beziehung der Eltern zu beiden Kindern, den Wünschen der Kinder an die Umgänge, der konkreten Ausgestaltung des Umgangs und zu etwaig belastendem Verhalten der Eltern Stellung nehmen. Die bestellte Sachverständige, Frau X, vom Y in Stadt2, wurde im Beweisbeschluss darum gebeten, für den Fall, dass sich Ansatzpunkte für die Möglichkeit der Herstellung eines Einvernehmens zwischen den Beteiligten ergeben sollten, sie hierauf hinwirken solle.

Am 8.12.2020 und nach Abschluss der Exploration, der Interaktionsbeobachtungen und der Diagnostik teilte die Sachverständige mit:

„dass im oben genannten Gutachten voraussichtlich Kosten entstehen werden, die die durchschnittlichen Gutachterkosten (vgl. OLG Nürnberg, 11 WF 900/19) deutlich übersteigen werden. Um dem Anspruch eines Gutachtens mit einer langfristig tragfähigen Lösung gerecht zu werden, bei dem eine sensible und aufwändige Diagnostik sowie ein differenzierter Blick auf die Entwicklung der gegenwärtigen Dynamik notwendig ist, kann durch die besondere Familiensituation (verschiedene Lebensmittelpunkte der zwei Kinder), längere Anfahrtszeiten und damit einhergehend ein zeitlich eingeschränkter zeitlicher Rahmen für Explorationstermine von einem höheren zeitlichen und damit auch finanziellen Aufwand ausgegangen werden“.

Durch Beschluss vom 21.12.2020 wurde das Verfahren im Hinblick auf das beim Amtsgericht – Familiengericht – Bad Homburg v.d.H. anhängige Scheidungsverfahren nach dort abgegeben.

Für ihr 221 Seiten umfassendes Gutachten vom 26.4.2021 stellte die Sachverständige 22.988,02 Euro in Rechnung. Das Gutachten empfahl eine mentalisierungsbasierte Elternberatung und die Aufrechterhaltung der aktuell vereinbarten Umgangsregelung.

Im Termin am 9.6.2021 schlossen die Beteiligten einen umfassenden Vergleich zur Regelung des Umgangs des Vaters mit V und des Umgangs der Mutter mit W. Danach soll jeder Elternteil das nicht im Haushalt lebende Kind jeweils alle 14 Tage von Freitagnachmittag bis Sonntagnachmittag zu sich nehmen, ab September 2021 auch jeweils am Mittwochnachmittag; darüber hinaus wurden die Ferien geregelt und eine Beratung vereinbart. Durch Beschluss vom 9.6.2021 setzte das Amtsgericht den Verfahrenswert auf 8.000,- Euro fest und entschied vor dem Hintergrund der Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern, dass die Gerichtskosten von den Eltern je zur Hälfte zu tragen seien und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht stattfinde. Rechtsmittel wurden gegen diese Entscheidungen nicht eingelegt.

Gegen die Kostenrechnung vom 10.9.2021, Kassenzeichen ###, an den Vater in Höhe von 11.819,76 Euro, die die Verfahrensgebühr, die Sachverständigenkosten und die Kosten des Verfahrensbeistandes zur Hälfte berücksichtigte, legte dieser mit Schreiben vom 29.9.2021 Erinnerung ein, die er am 14.12.2021 begründete. Insbesondere wendet er ein, dass die Kosten der Sachverständigen überhöht und deutlich höher als Gutachten mit vergleichbarer Aufgabenstellung seien. Ihrer Hinweispflicht nach § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO sei die Sachverständige nicht nachgekommen.

Mit Beschluss vom 25.1.2022 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bad Homburg v.d.H. die Erinnerung des Vaters gegen die Kostenrechnung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, eine Hinweispflicht der Sachverständigen sei nicht zu erkennen. Unbeschadet dessen sei die Rechtmäßigkeit der Kostenrechnung auch im Übrigen nicht in Frage zu stellen.

Gegen den ihm am 29.1.2022 zugestellten Beschluss hat der Vater zunächst per E-Mail Beschwerde eingelegt und nach einem Hinweis des Senats seine Beschwerde durch unterschriebenen und per Telefax übersandten Schriftsatz vom 29.3.2021 wiederholt. Seine Beschwerde hat der Vater mit Schreiben vom 20.6.2022 ausführlich begründet und hier erneut auf die Verpflichtung nach § 407a ZPO hingewiesen. Ferner macht er geltend, dass das das Gutachten in Auftrag gebende Gericht Kosten für das Gutachten zwischen 5.000,– und 7.000,– Euro in Aussicht gestellt habe. Hätte er um die Höhe der Kosten gewusst, hätte er sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet. Schließlich sei die Gutachterin zum Zeitpunkt ihres Hinweises vom 8.12.2020, den er im Übrigen nie erhalten hätte, bereits tief in die Materie eingearbeitet gewesen. Gegen die Kosten der Verfahrensbeiständin wendete er mit „Anhörungsrüge und Beschwerde gegen die Kosten Verfahrensbeiständin Frau Z“ vom 13.7.2022 ein, diese habe kein einziges Mal Kontakt mit ihm aufgenommen und in keiner Weise auf eine „einvernehmliche Regelung“ hingearbeitet. Ohnehin habe er aus prozessökonomischen Gründe auf eine Entpflichtung der Verfahrensbeiständin hingewirkt mit dem Ziel, eine Verfahrensbeiständin aus dem hiesigen Einzugsgebiet zu bestellen.

Auf Anregung des Senats hatte die Staatskasse eine Festsetzung nach § 4 JVEG begehrt. Mit dem amtsgerichtlichen Beschluss vom 10.5.2022 wurden die Kosten der Sachverständigen – wie von ihr in Rechnung gestellt – in Höhe von 22.988,02 Euro festgesetzt.

Mit Beschluss vom 14.7.2022 hat die Einzelrichterin das Verfahren gem. § 57 Abs. 5 S. 2 FamGKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auf den Senat übertragen.

II.

Die nach § 57 Abs. 2 Satz 1 FamGKG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

1. Die Festsetzung nach § 4 JVEG durch Beschluss vom 10.5.2022 hindert den betroffenen Elternteil nicht, die Höhe der Vergütung des Sachverständigen im Rahmen eines Rechtsbehelfs nach § 57 FamGKG gegen den Kostenansatz zu rügen (vgl. OLG Düsseldorf BeckRS 2019, 21815).

2. Die Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

Der Kostenansatz des Amtsgerichts vom 10.9.2021, aufgrund dessen sich die vom Vater hälftig zu tragenden Kosten auf insgesamt 11.819,76 Euro belaufen, ist hinsichtlich der Höhe der Sachverständigenkosten zu beanstanden (hier zu a). Hinsichtlich der hälftig zu erstattenden Kosten des Verfahrensbeistandes ist der Kostenansatz hingegen nicht zu beanstanden (hier zu b); gegen die hälftig in Ansatz gebrachte Verfahrensgebühr wendet sich der Vater nicht.

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a.) Die zu erstattenden Kosten der beauftragten Sachverständigen sind auf die Beschwerde des Vaters nicht in Höhe von 22.988,02 Euro zu berücksichtigen, sondern auf 9.520,– Euro herabzusetzen. Denn die Höhe der abgerechneten Kosten der Sachverständigen, die zur Hälfte Eingang in die vom Vater angegriffene Kostenrechnung gefunden haben, ist nach Ansicht des Senats zu beanstanden; zudem hätte die Sachverständige vorab auf die erhöhten Kosten hinweisen müssen.

aa.) Die Entschädigung der Sachverständigen umfasst das Honorar für ihre Leistungen. Dieses ist nach der erforderlichen Zeit zu bemessen, § 8 Abs. 1, 2 Satz 1 JVEG. Darüber hinaus können Fahrtkosten und sonstige notwendige Auslagen, wie Kopie-, Porto- und Telefonkosten geltend gemacht werden. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Angaben der Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit richtig sind und die zur Vergütung geltend gemachten Stunden zur Erstellung des Gutachtens notwendig waren (vgl. Lack/Hammesfahr, Psychologische Gutachten im Familienrecht, Rn. 193). Anlass zur Nachprüfung besteht dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung außergewöhnlich hoch erscheint (vgl. OLG Frankfurt FuR 2022, 102; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.6.2017, 1 WF 69/15). Insoweit hat eine Plausibilitätsprüfung zu erfolgen (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2020, 368). Diese findet anhand allgemeiner Erfahrungswerte statt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 6.10.2016, 2 W 62/15), die hier entgegen der Erwägungen des Amtsgerichts in seinem Beschluss zu § 4 JVEG vom 10.5.2022 zu dem Ergebnis führt, dass die von der Sachverständigen geltend gemachten Kosten selbst vor dem Hintergrund der langandauernden hochkonflikthaften Elternbeziehung einerseits und der gerichtlichen Fragestellung nach der konkreten Ausgestaltung des Umgangs andererseits der Höhe nach nicht mehr nachvollziehbar sind. Dies gilt auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs vor dem Hintergrund, dass mit der Reform des § 163 FamFG auch eine Verbesserung der Qualität von Gutachten intendiert war und die Sachverständigen einen großen Aufwand betreiben müssen, um den Anforderungen des Gerichts an ein Gutachten in Kindschaftssachen gerecht zu werden (vgl. hierzu Arbeitsgruppe Familienrechtliche Gutachten, Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht, 2.Auflage, ZKJ 2019, 409 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.6.2017, 1 WF 69/15). Entgegen der Auffassung des Vaters ist es hingegen unerheblich, dass ihm das Ergebnis der Begutachtung missfällt, die Gutachterin erst 28 Jahre alt war und ihre Exploration nicht durch strukturierte Interviews erfolgte. Denn es obliegt innerhalb des genannten Rahmens grundsätzlich der beauftragten Sachverständigen, welche Methodik sie für die Erstattung des Gutachtens wählt.

Die Sachverständige hat mit Rechnung vom 11.5.2021 zunächst einen Zeitaufwand von 184 Stunden in Rechnung gestellt; ferner Fahrt-, Porto- und Telefon-, Kopier- und Gutachtenerstellungskosten.

Nachvollziehbar (und unbeanstandet geblieben) sind zunächst die geltend gemachten Fahrpreise, die Kosten für die schriftliche Erstellung des Gutachtens, die Kosten für die Kopien vom Gutachten und die Porto- und Telefonkosten.

Nicht plausibel ist hingegen der geltend gemachte Zeitaufwand für das Aktenstudium mit vier Stunden für einen Aktenumfang von 279 Blatt. Hier können allenfalls zwei Stunden angesetzt werden (150 bis 200 Blatt pro Stunde, vgl. OLG Nürnberg FamRZ 2019, 130). Nicht nachvollziehbar ist ferner der Ansatz von 56 Stunden für Explorationsgespräche. Bei 16 Gesprächen inklusive zwei Hausbesuchen müssten dies 3,5 Stunden pro Gespräch sein. Ebenso überhöht erscheinen 17,5 Stunden Interaktionsbeobachtung bei vier Beobachtungsterminen und 24,5 Stunden Diagnostik für drei Testverfahren u.a. mit den Kindern im Hinblick auf das junge Alter der Kinder. Auch vier Stunden für vier Telefonate mit Bezugspersonen/Ärzten sind vor dem Hintergrund der aus der Akte ersichtlichen Gesprächsinhalte nicht plausibel, ebenso wenig 11,5 Stunden Fahrt für die Strecken Stadt2-Stadt3-Stadt2 und Stadt2-Stadt1-Stadt2. Laut Googlemaps beträgt die Entfernung (einfach) zwischen Stadt2 und Stadt3 36 km (Fahrzeit 40 Minuten) und zwischen Stadt2 und Stadt1 176 km (Fahrtzeit 2 Stunden).

Dagegen ist der geltend gemachte Stundensatz in Höhe von 100,– € gem. §§ 9 JVEG a.R., 24 JVEG) nicht zu beanstanden.

bb.) Letztlich kann dahinstehen, welche Kosten konkret plausibel sind, denn jedenfalls sind die Kosten im konkret vorliegenden Fall zu begrenzen auf den 2-fachen Regelwert nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG zzgl. Mehrwertsteuer, mithin auf 9.520,– Euro. Denn mit Erfolg macht der Vater zudem geltend, die Sachverständige hätte vorab darauf hinweisen müssen, dass die zu erwartenden Kosten voraussichtlich erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes (zum Abschluss des Verfahrens auf 8.000,– Euro festgesetzt) stehen, weshalb ein Verstoß gegen § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO i.V.m. § 30 Abs. 1 FamFG vorliege und die Kosten deshalb zu erlassen oder herabzusetzen seien.

(1) Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts zur nicht bestehenden Hinweispflicht der Sachverständigen, nimmt der Senat im Einklang mit der wohl h.M. in der Rechtsprechung (so auch OLG Frankfurt, 18. Zivilsenat, Beschluss vom 15.6 2021 – 18 W 86/21 – BeckRS 2021, 20979; OLG Nürnberg FamRZ 2019, 130; OLG Brandenburg FamRZ 2020, 368; vgl. auch Dürbeck, NZFam 2022, 8) eine solche auch in Kindschaftssachen an. Denn gem. § 30 FamFG finden die Vorschriften der ZPO über die förmliche Beweisaufnahme entsprechende Anwendung, wenn die entscheidungserheblichen Tatsachen durch das Gericht im Wege einer förmlichen Beweisaufnahme festgestellt werden. Wird ein Sachverständigengutachten durch einen Beweisbeschluss angeordnet, wird eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt und § 407a ZPO findet dem Wortlaut nach Anwendung, auch in Kindschaftsverfahren. § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO dient dem Zweck, dass die Beteiligten Gelegenheit erhalten abzuschätzen, wie sich Kostenfolgen entwickeln können und ob sie das Kostenrisiko weitertragen wollen (vgl. OLG Nürnberg a.a.O.).

(2) Die Gegenauffassung (vgl. OLG Frankfurt, 8. Familiensenat, FuR 2022, 102; OLG Celle FF 2022, 121; Dörnhöfer NZFam 2021, 842), wonach § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO in Kindeswohlgefährdungs- und Umgangsverfahren deshalb keine Anwendung finden könne, weil hier die eine Disposition der Beteiligten über den Verfahrensgegenstand nicht gegeben sei, (vgl. OLG Frankfurt FuR 2022, 102) überzeugt nicht. Denn jedenfalls in Umgangsverfahren haben die Beteiligten im Rahmen der Elternautonomie die Möglichkeit, selbständig eine einvernehmliche, vom Gericht nach § 156 FamFG zu billigende Regelung zu finden oder den Streit so zu beenden, dass eine familiengerichtliche Reglung überflüssig wird. Im vorliegenden Verfahren ist aufgrund der Gesamtumstände und des Verfahrensverlaufs sogar sicher davon auszugehen, dass die Eltern bei Kenntnis der erhobenen Sachverständigenkosten eine vergleichsweise Regelung weiterverfolgt hätten, zumal es eine Zwischenvereinbarung gab, die von der Sachverständigen für die Hauptsacheregelung vorgeschlagen wurde. Gegenstand der elterlichen Uneinigkeit war lediglich der Umfang des Umgangs, insbesondere stand ein Umgangsausschluss nicht im Raum. Und auch in Kindeswohlgefährdungsverfahren haben die Beteiligten zumindest das Recht, vorab von sehr hohen Gutachterkosten zu erfahren und das Gericht zudem die Pflicht, diese Kosten bereits vor deren Entstehen durch leitende Maßnahmen ggfs. zu reduzieren. Darüber hinaus besteht auch in diesen Verfahren mitunter die Möglichkeit, durch ein Einlenken der Eltern die Beweisaufnahme zu beenden (vgl. Dürbeck NZFam 2022, 8, 11).

(3) Der hiernach durch die Sachverständige zwingend zu erteilende Hinweis gem. § 30 FamFG i.V.m. § 407a ZPO ist nicht in der gebotenen Weise erfolgt. Zwar hat die Sachverständige mitgeteilt, dass voraussichtlich Kosten entstehen würden, die die durchschnittlichen Gutachterkosten deutlich überstiegen, und eine Reaktion der Beteiligten hierauf erfolgte nicht. Allerdings konnten die Beteiligten dem Schreiben in keiner Weise entnehmen, in welcher Höhe die Kosten anfallen werden. Die Hinweispflicht aus § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO läuft jedoch ins Leere, wenn die Beteiligten dem bloß floskelhaften Hinweis, es entstünden voraussichtlich höhere Kosten als angenommen, dem Zweck der Vorschrift entsprechend nicht entnehmen können, welche finanziellen Belastungen konkret auf sie zukommen werden.

Auch erfolgte das Schreiben der Sachverständigen verspätet, nämlich zu einem Zeitpunkt, als die gesamte Datenerhebung abgeschlossen, mithin ein Großteil der Kosten bereits entstanden war, weil die Datenerhebung maßgeblich für die Höhe der sich nun anschließenden Befunderhebung waren.

(4) Es kommt nicht darauf an, dass das Gericht bei ordnungsgemäßem Hinweis durch die Sachverständige hinsichtlich der Begutachtung anders verfahren wäre (vgl. OLG Frankfurt,18. Zivilsenat, Beschluss vom 15.6 2021 – 18 W 86/21 – BeckRS 2021, 20979; OLG Brandenburg a.a.O.), denn die Vorschrift des § 407 a Abs. 4 ZPO dient dem Zweck, potentiellen Kostenschuldnern im Rahmen ihrer Dispositonsbefugnis eine Erledigung ohne vorherige Begutachtung zu ermöglichen (Dürbeck a.a.O). Zudem soll sie dem Gericht die Erwägung alternativer Handlungsweisen ermöglichen (OLG Frankfurt 18. Zivilsenat, Beschluss vom 15.6 2021 – 18 W 86/21 – BeckRS 2021, 20979).

cc.) Ein vollständiger Verlust des Vergütungsanspruchs kommt nicht Betracht (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.), sondern vorliegend hat eine Herabsetzung zu erfolgen. Festzusetzen ist nach Auffassung des Senats in der vorliegenden besonderen Fallkonstellation, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es allein um den Umfang und die Ausgestaltung des Umgangs der beiden Elternteile mit ihrem jeweils beim anderen Elternteil lebenden Kind ging, ein Betrag in Höhe des zweifachen Regelwertes in Kindschaftssachen, welchen die Steuerlast noch hinzuzurechnen ist (4.000,– Euro gem. § 45 FamGKG x 2 zzgl. 19 % MwSt. = 8.000,– Euro + 1.520,– = 9.520,– Euro).

b.) Die tatsächlich angefallene Vergütung der bestellten Verfahrensbeiständin gehört zu den erstattungsfähigen Auslagen. Entgegen den Ausführungen des Vaters im Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.7.2022 war die Verfahrensbeiständin umfangreich tätig. Dies folgt aus den Protokollen der Termine am 10.3.2020, 18.5.2020, 16.6.2020 und 9.6.2021, ferner aus den zu den Akten gereichten schriftlichen Stellungnahmen. Da die Vergütung der Verfahrensbeistände pauschaliert erfolgt, hätte die Entpflichtung und Beauftragung einer ortsnäheren Verfahrensbeiständin zu keiner Ersparnis geführt.

c.) Damit sind folgende Kosten vom Vater zu tragen:

………….

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 57 Abs. 8 FamGKG).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Familienrecht: Das Familienrecht ist in Deutschland ein weitreichendes Rechtsgebiet, das die rechtlichen Beziehungen zwischen Personen regelt, die durch Ehe, Familie und Verwandtschaft miteinander verbunden sind. In dem vorgegebenen Text handelt es sich um eine familienrechtliche Angelegenheit, in der um den Umgang mit den gemeinsamen Kindern gestritten wird. Hierbei sind Normen wie der § 156 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) relevant, der die Billigung einer einvernehmlichen Regelung in Umgangsangelegenheiten regelt.
  2. Beweisrecht: Das Beweisrecht in Deutschland ist ein Teilbereich des Prozessrechts und regelt die Erhebung, Würdigung und Darlegung von Tatsachenbehauptungen und Beweismitteln im gerichtlichen Verfahren. In dem vorgegebenen Text werden mehrere Paragrafen der Zivilprozessordnung (ZPO) genannt, insbesondere § 407a ZPO, der die Vorabmitteilung von Kosten eines Sachverständigengutachtens an die Parteien betrifft.
  3. Kostenrecht: Das Kostenrecht regelt die Kosten eines Gerichtsverfahrens. In dem vorgegebenen Text wird dies deutlich durch die Diskussion über die Höhe der Kosten für das Sachverständigengutachten sowie durch die Erwähnung des § 45 des Familiengerichtskostengesetzes (FamGKG), welcher den Wert des Verfahrens festsetzt und somit Einfluss auf die Kosten des Verfahrens hat.
  4. Psychologie: Dies ist zwar kein klassisches Rechtsgebiet, spielt aber in diesem Kontext eine Rolle, da die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens thematisiert wird. Dabei geht es um die Einschätzung der familiären Situation und der Entwicklung der Kinder, was für das Familiengericht bei der Entscheidungsfindung wichtig ist.

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