LG Dortmund – Az.: 9 T 112/21 – Beschluss vom 20.05.2021
Der Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 25.02.2021 wird abgeändert.
Die Sachverständigenvergütung für den Beteiligten zu 1) wird auf 1.500,00 Euro festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Sachverständigenvergütung für den Beteiligten zu 1) ist auf 1.500,00 Euro festzusetzen.
I.
Die Vergütung der Sachverständigen, die vom Gericht herangezogen werden, richtet sich nach den Vorschriften des JVEG, § 1 I 1 Nr. 1 JVEG. Maßgeblich sind gem. § 24 JVEG die Vorschriften des JVEG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung (im Folgenden JVEG a.F.), weil der Beteiligte zu 1) mit der Beweisanordnung vom 28.03.2019 mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens beauftragt worden ist, mithin vor Inkrafttreten der Neufassung des JVEG zum 01.01.2021.
II.
Nach § 8a Abs. 4 JVEG a.F. erhält der Sachverständige die Vergütung lediglich in Höhe des Auslagenvorschusses, wenn die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich überschreitet und der Sachverständige nicht rechtzeitig gemäß § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO auf diesen Umstand hingewiesen hat. Das gilt nach § 8a Abs. 5 JVEG a.F. nicht, wenn er die Verletzung der Hinweispflicht nicht zu vertreten hat.
Der Beteiligte zu 1) hat die ihm nach § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO obliegende Hinweispflicht objektiv verletzt. Er hat dem Amtsgericht Dortmund nicht rechtzeitig mitgeteilt, dass die Sachverständigenvergütung den angeforderten Auslagenvorschuss von 1.500,00 Euro erheblich übersteigen würde. Eine Hinweispflicht besteht auch dann, wenn sich erst im Laufe der Begutachtung herausstellt, dass die voraussichtlichen Kosten erheblich über dem angeforderten Auslagenvorschuss liegen werden (OLG Düsseldorf BauR 2017, 771; OLG Hamm IBR 2015, 46). Erheblich im Sinne des § 8a Abs. 4 JVEG a.F. ist die Überschreitung jedenfalls dann, wenn sie mehr als 25 % des Auslagenvorschusses beträgt (OLG Hamm MDR 2015, 1033). Die dem Beteiligten zu 1) ohne Berücksichtigung des § 8a Abs. 4 JVEG a.F. zustehende Sachverständigenvergütung beläuft sich auf 3.365,92 Euro und liegt damit mehr als 100 % über dem mit Beweisbeschluss vom 28.03.2019 angeforderten Auslagenvorschuss von 1.500,00 Euro.
Die Überschreitung des Kostenvorschusses hat der Beteiligte zu 1) nicht rechtzeitig angezeigt. Auf die unter dem 22.05.2020 erfolgte, am 26.05.2020 per Fax beim Amtsgericht eingegangene Mitteilung kann sich der Beteiligte zu 1) nicht mit Erfolg berufen. Diese erfolgte erst, nachdem die Kosten bereits nahezu vollständig angefallen waren. Dies ergibt sich bereits aus der in der Liquidation vom 02.06.2020 enthaltenen Aufschlüsselung des abgerechneten Zeitablaufs. Danach war bis zum 18.05.2020 der gesamte abgerechnete Zeitaufwand angefallen mit Ausnahme von 45 Minuten, die der Beteiligte zu 1) am 02.06.2020 nach seinem eigenen Vorbringen für die Schlussbearbeitung des Gutachtens aufgewandt hat.
Die Verletzung der Hinweispflicht ist vom Beteiligten zu 1) zu vertreten. Zu vertreten hat der Sachverständige jedes schuldhafte Verhalten, also Vorsatz und Fahrlässigkeit (OLG Hamm MDR 2015, 300; OLG Hamm BauR 2014, 1819). Das Vertretenmüssen wird nach der Systematik des § 8a JVEG a.F. vermutet, so dass es dem Sachverständigen obliegt, entlastende Umstände darzutun (OLG Hamm MDR 2015, 1033; OLG Hamm BauR 2014, 1819). Ob sich der Sachverständige auch der vergütungsrechtlichen Folgen aus § 8a Abs. 4 JVEG a.F. bewusst war oder bewusst gewesen sein musste, kann dahinstehen, denn Bezugspunkt für ein fehlendes Vertretenmüssen ist allein die Verletzung der aus § 407a Abs. 4 S. 2 ZPO folgenden Hinweispflicht (OLG Hamm MDR 2015, 1033; OLG Hamm IBR 2015, 46). Der Beteiligte zu 1) hat keine Umstände dargelegt, aus denen sich ein fehlendes Verschulden ergibt.
Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 8a Abs. 4 JVEG a.F. ist die Sachverständigenvergütung auf den Betrag des Auslagenvorschusses zu kappen (OLG Düsseldorf BauR 2017, 771; OLG Düsseldorf Beschluss vom 20. Oktober 2015 – 10 W 137/15 -; OLG Hamm MDR 2015, 300; OLG Düsseldorf – 10 W 14/18 – Beschluss vom 25.01.2018). Insoweit enthält § 8a Abs. 4 JVEG a.F. bewusst auch ein pönales Element (OLG Düsseldorf Beschluss vom 20. Oktober 2015 – 10 W 137/15 -; LG Heidelberg Beschluss vom 5. Februar 2016 – 3 T 4/15 -). Die frühere Rechtsprechung, nach der die Kürzung der Vergütung des Sachverständigen unterblieb, wenn davon auszugehen war, dass es auch bei pflichtgemäßer Anzeige zu einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gekommen wäre, ist durch die gesetzliche Regelung des § 8a Abs. 4 JVEG a.F. überholt (OLG Düsseldorf BauR 2017, 771; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. Oktober 2015 – 10 W 137/15 -; OLG Hamm MDR 2015, 1033; OLG Hamm IBR 2015, 46). Zwar mag es unbillig erscheinen, dem Sachverständigen einen Teil seiner Vergütung auch dann zu versagen, wenn sich seine Hinweispflichtverletzung auf die letztlich entstandenen Kosten nicht kausal ausgewirkt hat. Jedoch lässt der klare und eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung insoweit keinen Spielraum für eine einschränkende Auslegung (OLG Düsseldorf BauR 2017, 771; OLG Düsseldorf Beschluss vom 20. Oktober 2015 – 10 W 137/15 -; OLG Hamm MDR 2015, 1033; OLG Hamm IBR 2015, 46). Dass nach der Entstehung der Mehrkosten ein weiterer Auslagenvorschuss in Höhe von 1.800,00 Euro unter dem 28.05.2020 angefordert und eingezahlt worden ist, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Der Gesetzgeber hat die Rechtsfolge der Kappung der Vergütung gerade an die nicht rechtzeitige Mitteilung der erheblichen Überschreitung des Auslagenvorschusses und nicht daran geknüpft, dass es nicht später zu einer Nachzahlung des noch fehlenden Auslagenvorschusses gekommen ist (OLG Düsseldorf Beschluss vom 20. Oktober 2015 – 10 W 137/15 -; BayLSG NZS 2015, 679). Für das Amtsgericht Dortmund bestand rechtlich auch nicht die Möglichkeit, einen die bereits entstandenen Mehrkosten deckenden Auslagenvorschuss nachzufordern (OLG Hamm MDR 2015, 1033).
Auf die Frage, ob die entstandenen Sachverständigenkosten außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen und auch insoweit eine Hinweispflicht des Beteiligten zu 1) bestanden hat, kommt es nach dem vorstehend Gesagten nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG a.F.