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Schenkungswiderruf wegen groben Undanks bei Beleidigungen

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 175/11 – Urteil vom 15.08.2012


Anmerkungen:

Eine Schenkung kann aufgrund groben Undanks laut § 530 BGB widerrufen werden. Für einen Schenkungswiderruf muss objektiv eine schwerwiegende Verfehlung des Beschenkten vorliegen und subjektiv eine Gesinnung hervortreten, welche in einem erheblichen Maße die zu erwartende Dankbarkeit gegenüber dem Schenker vermissen lässt. Jedoch sind die Hürden hierfür recht hoch und und so kann entsprechend nicht jede Verfehlung oder Meinungsverschiedenheit zwischem Schendenden und Beschenkten zu einem Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks führen. Tatsächlich liegt nur in seltenen Fällen die gesetzliche Voraussetzung vor. Es ist zudem auch immer eine Einzelfallentscheidung des jeweiligen Richter, ob grober Undank in der konkreten Situation  tatsächlich vorliegt.

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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 12.10.2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagten nach Schenkungswiderruf kein Rückauflassungsanspruch zusteht.

Die Beklagte ist die Mutter der Klägerin. Sie war Eigentümerin des Grundstücks …straße … in … Sch…, Ortsteil G…. Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus, einem größeren und einem kleineren Werkstattgebäude, einer Garage und einer Gartenlaube bebaut. Die Beklagte und ihr Ehemann, der Zeuge H… B…, bewohnten dieses Grundstück und betrieben dort gemeinsam mit ihrem Schwiegersohn, also dem Ehemann der Klägerin, ein Unternehmen, das sich mit der Fertigung von Jalousien beschäftigte.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 02.11.1994 übertrug die Beklagte der Klägerin das Grundstück zu Alleineigentum (UR.-Nr. … der Notarin … in B…). In § 4 des Vertrages behielt sich die Beklagte ein unentgeltliches Nießbrauchsrecht auf Lebenszeit vor. Danach war sie berechtigt, sämtliche Nutzungen aus dem Vertragsgegenstand zu ziehen; im Übrigen sollten für den Nießbrauch die gesetzlichen Bestimmungen gelten. Nach dem Ableben der Beklagten sollte das Recht mit demselben Inhalt ihrem Ehemann auf dessen Lebenszeit zustehen.

Im Jahr 1997 zog die Klägerin mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen zwei Kindern in das Haus mit ein – ob die Beklagte und ihr Ehemann das Haus noch im selben Jahr verließen, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls arbeitete auch die Klägerin seither im auf dem Grundstück ansässigen Familienbetrieb mit, indem sie halbtags Büroarbeiten erledigte. Hierfür wurde sie zunächst mit einem Stundenlohn von 6,50 € und ab dem Jahr 2006 mit einem solchen von 7,00 € entlohnt – ob hierin ein üblicher Lohn liegt oder die Beklagte mit Rücksicht auf die eingeräumte Wohnmöglichkeit einen reduzierten Arbeitslohn erhielt, ist ebenfalls zwischen den Parteien streitig.

Nachdem die Ehe im Jahr 2003 geschieden worden war, verließ der Ehemann der Klägerin mit den Kindern den Wohnsitz. Auch seine Tätigkeit für das Familienunternehmen gab er auf. Die Klägerin blieb im Haus ihrer Eltern wohnen und arbeitete noch bis zum Jahresende 2006 für ihre Eltern, bis diese den Betrieb einstellten.

Seit dem Jahr 2008 war ein friedliches Zusammenleben der Parteien nicht mehr möglich. Die Klägerin zerstritt sich mit ihren Eltern und den Mitarbeitern der T…, an die die Beklagte das Werkstattgebäude mittlerweile vermietet hatte. Außerdem verschloss sie zu Öffnungszeiten des Gewerbebetriebs die Grundstückszufahrt, sodass Kunden annehmen mussten, die T… sei geschlossen. Später brachte sie ein Vorhängeschloss an einem der beiden Grundstückstore an. Spätestens am 11.08.2009 wechselte sie die Schlösser an allen Hauseingängen aus, übergab aber weder der Beklagten noch deren Ehemann einen passenden Schlüssel, sodass beiden der Zutritt zum Haus verwehrt war. Angesichts der Gesamtsituation wichen die Beklagte und ihr Ehemann zumindest ab dem Jahr 2008 mehr und mehr auf ihre Wochenendhäuser in Gl… und P… aus.

Am 13.08.2009 strengte die Beklagte vor dem Amtsgericht Potsdam gegen die Klägerin sowohl ein Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen Verfügung als auch ein dazu gehöriges Hauptsacheverfahren an (Az.: 20 C 391/09 und 392/09). Beide Rechtsstreitigkeiten waren zunächst im Wesentlichen auf Gewährung des Zutritts zum Grundstück und zur Wohnung sowie auf Unterlassung der Beeinträchtigung des Nießbrauchsrechts durch verbale Gewalt und Versperren der Grundstücks- und Hauszuwegungen gerichtet. Mit Beschluss vom 19.08.2009 erließ das Amtsgericht die begehrte einstweilige Verfügung, mit Urteil vom 21.10.2009 wies es – nach Beweisaufnahme – den Widerspruch der Klägerin im Wesentlichen zurück.

Nachdem die Klägerin ihren aus diesem Urteil folgenden Verpflichtungen nachgekommen war, änderte die Beklagte die Zielsetzung des Hauptsacheverfahrens, indem sie nunmehr Räumung und Herausgabe des Grundbesitzes sowie Zahlung von Nutzungsentgelt verlangte. Die Klägerin räumte die Immobilie daraufhin und zog nach Po… um, woraufhin die Beklagte den Rechtsstreit teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärte. Wegen des verbliebenen Teils des Rechtsstreits erhob das Amtsgericht am 12.10.2010 Beweis durch Vernehmung des Zeugen H… B…, des Ehemanns der Beklagten.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2011 widerrief die Beklagte die am 02.11.1994 vorgenommene Grundstücksübertragung. In dem Schreiben heißt es unter anderem wie folgt:

„Als Grund hierfür führt unsere Mandantin groben Undank an. Dieser ist sowohl in Ihrem teilweise ehrverletzenden Verhalten, zuletzt anlässlich des letzten Termins vor dem Amtsgericht, als auch in dem Vorenthalten des Nießbrauchs an Grundstück und Haus zu sehen.“

Dieser Widerruf führte zu einer Widerklage der Klägerin in dem amtsgerichtlichen Rechtsstreit, gerichtet auf Feststellung, dass die Beklagte aufgrund des Widerrufs keinen Anspruch auf Rückauflassung des Grundstücks hat.

Mit Beschluss vom 28.06.2011 hat das Amtsgericht das Verfahren betreffend diese Widerklage abgetrennt und den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Potsdam verwiesen.

Schenkung grober Undank
Eine Schenkung wegen groben Undanks rückgängig zu machen ist zwar möglich, aber die Beweislast liegt beim Schenkenden und ist an gewisse Voraussetzungen gebunden. (Symbolfoto: BearFotos/Shutterstock.com)

Das Landgericht hat die Klage nach informatorischer Anhörung der Beklagten und Vernehmung des Zeugen H… B… abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beklagten stehe gegen die Klägerin ein Anspruch auf Herausgabe des Geschenks und damit auf Rückauflassung des übertragenen Grundstücks zu. Sowohl der gesamte Inhalt der Verhandlung als auch das Ergebnis der Beweisaufnahme führten zu der Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin ihre Eltern am 11.02.2010 auf das Gröbste beleidigt habe. Die Klägerin sei der glaubhaften schriftsätzlichen Darstellung der Beklagten hierzu nicht hinreichend entgegen getreten, sondern habe sie nur als „nicht einlassungsfähig“ bezeichnet. Zudem sei die schriftsätzliche Darstellung sowohl durch die persönliche Anhörung der Beklagten als auch durch die Vernehmung des Zeugen B… bestätigt worden. So habe der Zeuge nachvollziehbar geschildert, warum er noch das Datum des 22.02.2010 wisse, nämlich, weil die Klägerin an diesem Tag einige Sachen abgeholt habe und ihre Vorwürfe so schlimm gewesen seien, dass seine Erinnerung daran für immer bleiben werde und sich die Beschimpfungen in ihm festgesetzt hätten. Sie habe gesagt, sie gehörten in ein Heim, seien „senil, bekloppt“, das seien ihre Standardbeschimpfungen gewesen. Sie habe auch gesagt: „Tut irgendetwas, fahrt gegen einen Baum, damit ihr von dieser Erde verschwindet“. Das Schlimmste sei dann zum Schluss gewesen, als sie zu seiner Frau, der Beklagten, gesagt habe: „Heb doch mal den Rock, damit ich sehen kann, ob Du heute schon geleckt worden bist“, das habe sie wirklich so gesagt, sie habe es ziemlich laut herausgebrüllt. Warum die Klägerin diese Beleidigungen ausgesprochen habe, könne er nicht sagen, er sehe das so, dass sie das alles aus Hass gegen ihre Eltern gesagt habe.

Mit diesen Äußerungen habe die Klägerin in ungewöhnlich hohem Maße eine tadelnswerte Gesinnung gegenüber ihren Eltern offenbart, sodass die Voraussetzungen für einen Schenkungswiderruf wegen groben Undanks im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB vorlägen. Eine Rechtfertigung der Verfehlungen sei nicht ersichtlich, eine mögliche Verärgerung über den beim Amtsgericht verlorenen Rechtsstreit entschuldige nichts. Schließlich habe die Klägerin durch ihr Verhalten (Auswechseln der Schlösser, Aussperren der Eltern) Anlass für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegeben.

Konkrete Anhaltspunkte für einen Ausschluss oder eine Minderung der Verantwortlichkeit der Klägern (§ 827 BGB) bestünden nicht. Schließlich sei die Widerrufsfrist des § 532 S. 1 BGB eingehalten worden.

Gegen dieses ihr am 24.10.2011 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 03.11.2011 eingelegten und am 07.11.2011 begründeten Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter verfolgt.

Sie macht geltend, das Landgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 GG verletzt, weil über erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Behauptungen der Beklagten sofort Beweis erhoben worden sei, ohne ihr – trotz ihres Antrages auf Schriftsatznachlass – zunächst die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Entgegen der Argumentation in dem angefochtenen Urteil habe sie die ihr pauschal vorgeworfenen Beleidigungen vom 22.02.2010 zunächst auch pauschal bestreiten dürfen. Erst im Termin habe die Beklagte ihren Vortrag substantiiert und erstmals in ihrer Anhörung behauptet, der angebliche Vorfall vom 22.02.2010 habe sich in der Küche ereignet. Sie bestreite den Vortrag der Beklagten zu den Ereignissen vom 22.02.2010; an diesem Tag sei sie gar nicht auf dem Grundstück in G… gewesen.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts verstoße gegen die Vorschrift des § 286 ZPO. So habe das Erstgericht sämtliche maßgeblichen Indizien außer Acht gelassen, die gegen die Glaubwürdigkeit des am Ausgang des Rechtsstreits stark interessierten Zeugen H… B… sprächen. Dessen Aussage enthalte zahlreiche Ungereimtheiten. In der nach § 286 ZPO gebotenen Gesamtschau habe das Landgericht nicht beachtet, dass das Widerrufsschreiben keinen Hinweis auf einen Vorfall vom 22.02.2010 enthalte. Die Beklagte habe den Schenkungswiderruf nur auf angebliches cholerisches Verhalten in den Jahren 2007 und 2008 gestützt, nur solches sei nämlich Gegenstand der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht im Termin vom 20.08.2010 (nach Terminsverlegung: 09.12.2010) gewesen, und der Widerruf sei konkret nur mit dem Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten an diesem Tag begründet worden. Erstmals mit Schriftsatz vom 28.02.2011 habe die Beklagte den Widerruf mit dem angeblichen Wutausbruch vom 22.02.2010 begründet.

Schließlich habe das Landgericht verkannt, dass zur Beantwortung der Frage, ob sie, die Klägerin, sich am 22.02.2010 des groben Undanks schuldig gemacht habe, alle mit dem Vorfall zusammenhängenden Umstände zu berücksichtigen seien. So habe das Landgericht nicht beachtet, dass nach ihrer Sachdarstellung ihre Eltern ihr den Alleinbesitz an der Immobilie im Jahr 1997 überlassen hätten und in ihr Wochenendhaus gezogen seien. Dies habe dazu geführt, dass ihre Eltern nicht mehr berechtigt gewesen sein, das Grundstück eigenmächtig zu betreten.

Der Schenkungswiderruf der Beklagten laufe ferner deshalb ins Leere, weil ihr das Eigentum an dem Grundstück nicht schenkweise, sondern als Ausstattung im Sinne des § 1624 BGB übertragen worden sei. Außerdem habe sie das Flurstück 226 der Flur 1 der Gemarkung G… gar nicht unentgeltlich von der Beklagten erhalten, sondern von der Gemeinde Sch… gekauft.

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Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12.10.2011 (Az.: 1 O 225/11) aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin aufgrund der Schenkungswiderrufserklärung vom 27.01.2011 keinen Rechtsanspruch hat, von dieser die Rückauflassung des Grundstücks …straße …, … G…, eingetragen im Grundbuch von G… zu Blatt …, Flur 1, Flurstück 462 (Größe: 2.455 qm) verlangen zu können.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen,

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Landgericht habe die Aussage des Zeugen B… umfassend gewürdigt. Von der Widerrufsbegründung im Schreiben vom 27.01.2011 sei auch das Geschehen am 22.02.2010 umfasst, wenn es doch dort heiße, der Widerruf werde mit dem „teilweise ehrverletzenden Verhalten, zuletzt anlässlich des Termins vor dem Amtsgericht“ und mit dem Vorenthalten des Nießbrauchs an der Immobilie begründet. Die genauen Worte der Klägerin vom 22.02.2010 seien nur deshalb nicht wiedergegeben worden, weil es keine Freude bereite, derart Unaussprechliches zu formulieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagten steht aufgrund des Schenkungswiderrufs vom 27.01.2011 ein Anspruch aus §§ 531 Abs. 2, 812 ff. BGB gegen die Klägerin auf Rückauflassung des Grundstücks zu.

1.

Die Vorschrift des § 530 BGB über den Widerruf der Schenkung ist anwendbar. Dem notariell beurkundeten Überlassungsvertrag vom 02.11.1994 lag entgegen der Auffassung der Klägerin eine Schenkung im Sinne des § 516 BGB zugrunde.

a) Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich in § 4 des Vertrages ein umfassendes Nießbrauchsrecht im Sinne der §§ 1030, 1048 BGB einräumen ließ, denn der unentgeltliche Charakter der Zuwendung überwog (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 07.04.1989, V ZR 252/87, zitiert nach Juris). Das der Beklagten eingeräumte Nießbrauchsrecht beinhaltete keine Gegenleistung der Klägerin, sondern eine aus dem zugewendeten Vermögensgegenstand, dem Eigentum an dem Grundstück, zu leistende Auflage.

b) Die Grundstücksübertragung erfolgte nicht als Ausstattung der Beklagten gegenüber ihrer Tochter, der Klägerin, im Sinne des § 1624 Abs. 1 BGB. Ausstattung sind Vermögenswerte, die einem Kind von seinen Eltern anlässlich der Heirat als sogenannte Mitgift oder Aussteuer oder sonst zur Begründung oder Erhaltung der Selbständigkeit zugewendet werden (Diederichsen in: Palandt, BGB, 71. Auflage 2012, zu § 1624, Rz. 1). Erforderlich ist sonach ein Ausstattungszweck (Palandt-Diederichsen, a. a. O.). Für einen solchen sind vorliegend keine zureichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Der von der Klägerin insoweit herangezogene Umstand, dass sowohl sie selbst als auch ihr seinerzeitiger Ehemann im damaligen Familienunternehmen als Arbeitnehmer angestellt waren, genügt nicht für die Annahme, die Beklagte habe ihrer Tochter die den Firmensitz bildende Immobilie als Ausstattung übertragen. Auf eine Zweckbestimmung der Übertragung als zur Begründung oder Erhaltung der Selbständigkeit dienend kann auch nicht daraus geschlossen werden, dass die Klägerin auf dem nämlichen Grundstück in der Folgezeit eine St… betrieb. So ist bereits nicht ersichtlich, dass die Klägerin den Schritt in die berufliche Selbständigkeit bereits plante, als die Beklagte ihr das Grundstück übertrug. Gegen eine Zweckbestimmung als Ausstattung spricht ferner das der Beklagten verbliebene umfassende Nutzungsrecht an der Immobilie, durch das der der Klägerin zugeflossene wirtschaftliche Nutzungswert stark eingeschränkt wurde.

c) Eine Anstandsschenkung im Sinne des § 534 BGB, die nicht widerrufen werden könnte, liegt entgegen der Auffassung der Klägerin ebenfalls nicht vor. Die Beklagte entsprach durch die Zuwendung nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass unter Berücksichtigung von Vermögen, Lebensstellung und persönlicher Beziehung der Beteiligten zueinander das Ausbleiben der Zuwendung als sittlich anstößig zu bewerten wäre. Vielmehr besteht keine sittliche Verpflichtung der Eltern, das von ihnen noch für eigene Wohnzwecke benötigte Wohneigentum zu Lebzeiten auf ihre Kinder zu übertragen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.09.2007, 20 W 69/07, Rz. 19. zitiert nach Juris).

d) Das in zweiter Instanz neu vorgebrachte Argument der Klägerin, sie habe das Flurstück 226 der Flur 1, Gemarkung G…, nicht schenkweise von ihrer Mutter erhalten, sondern von der Gemeinde Sch… gekauft, ist nicht geeignet, die Annahme der Voraussetzungen des § 516 BGB zu hindern. Gegenstand des notariell beurkundeten Vertrages vom 02.11.1994 ist das Grundstück, verzeichnet im Grundbuch des Amtsgerichts Potsdam von G… zu Blatt …, Flur 1, Flurstück 462.

2.

Die Beklagte war gemäß § 530 Abs. 1 BGB zum Widerruf der Schenkung berechtigt. Nach der genannten Norm kann eine Schenkung widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Die schwere Verfehlung muss eine tadelnswerte, auf Undankbarkeit hindeutende Gesinnung offenbaren (BGH, Urteil vom 19.01.1999, X ZR 60/97, zitiert nach Juris), die auch durch eine Mehrheit von Handlungen begangen werden kann (Palandt-Weidenkaff, a. a. O., zu § 530, Rz. 5 m. w. N.). Die Verfehlung muss vorsätzlich sein und eine gewisse Schwere erreicht haben, zu deren Feststellung alle mit ihr zusammenhängenden Umstände zu würdigen sind (BGH, a. a. O.). Schwere Beleidigungen können den Tatbestand erfüllen (OLG Köln, Beschluss vom 19.03.2002, 11 W 19/02, zitiert nach Juris).

Zu Recht ist das Landgericht auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts zu dem Ergebnis gelangt, aus der Gesamtschau der Ereignisse ergebe sich, dass sich die Beklagte durch die verbalen Äußerungen gegenüber ihren Eltern einer solchen schweren Verfehlung schuldig gemacht hat. Die von ihr ausgesprochenen Beleidigungen zeugen von einer derart abwertenden Einschätzung der Klägerin gegenüber ihren Eltern, dass sie eine tadelnswerte, auf Undankbarkeit hindeutende Gesinnung offenbaren. Dabei genügen schon die bewiesenen Beleidigungen der Klägerin gegenüber der Beklagten und deren Ehemann vom 22.02.2010, um groben Undank im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB zu bejahen, denn sie verlieren auch in der gebotenen Gesamtschau der Ereignisse nicht an Gewicht und Tragweite.

So könnten die schweren Beleidigungen nur dann durch das Anstrengen von Rechtsstreitigkeiten seitens der Beklagten gegen die Klägerin aufgewogen werden, wenn diese Gerichtsverfahren ohne jeden vernünftigen Hintergrund, quasi aus Schikane gegenüber der Klägerin, von der Beklagten angestrengt worden wären. So verhält es sich indes nicht. Die Beklagte bedurfte gerichtlichen, sogar vorläufigen Rechtsschutzes, weil die Klägerin sie durch Versperren der Grundstückszuwegungen und Auswechseln der Türschlösser an der Ausübung ihres Nießbrauchsrechts gehindert hatte. In diesem Zusammenhang gewinnt entgegen der Auffassung der Klägerin die Frage, ob die Beklagte den Besitz an der Immobilie bereits im Jahr 1997 aufgegeben hatte, keine Bedeutung. Das Nießbrauchsrecht einschließlich der Möglichkeit der Verpachtung des Werkstattgebäudes an eine T… stand ihr lebenslang zu, es konnte nicht dadurch verloren gehen, dass die Beklagte es zeitweise nicht ausübte. Deshalb war die Klägerin auch nicht berechtigt, gegebenenfalls entstandenen Alleinbesitz an der Immobilie gegenüber der Beklagten zu verteidigen.

a) Entgegen der Argumentation der Berufungsbegründung beruht die Tatsachenfeststellung des Landgerichts nicht auf einem Verstoß gegen Art. 103 GG, sondern ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerade nicht verletzt worden.

So hatte die Beklagte nicht erst anlässlich ihrer persönlichen Anhörung im Termin vom 12.10.2011, sondern bereits mit Schriftsatz vom 28.02.2011 vorgetragen, anlässlich eines Treffens am 22.02.2010 auf dem streitgegenständlichen Grundstück, als die Klägerin erneut einige ihrer persönlichen Gegenstände abgeholt habe, habe sie die Beklagte erneut „auf das Übelste“ beleidigt und bedroht. Wortwörtlich habe sie die Beklagte und deren Ehemann als „bekloppt“ bezeichnet und geäußert, beide würden unter Alzheimer leiden. Sie habe die Beklagte aufgefordert: „Verschwindet aus meinem Haus. Ihr seid auf der Welt im Wege, tut was und fahrt von mir aus gegen einen Baum!“ Darüber hinaus habe sie zu der Beklagten gesagt: „Heb mal Deinen Rock hoch, ich will sehen, ob Du heute schon geleckt worden bist.“

Diesen schriftsätzlichen Vortrag hat die Beklagte anlässlich ihrer im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgenommenen persönlichen Anhörung wiederholt und um zwei Einzelheiten ergänzt: Die Klägerin habe sie und ihren Ehemann aus der Küche „herausgeschmissen“. Sie habe die Arme so gehoben, als ob sie sie, die Beklagte, schlagen wolle, und gesagt, beide sollten nicht so blöd herumstehen.

Allein über die bereits im Schriftsatz der Beklagten vom 28.02.2011 aufgestellten Behauptungen, nicht aber über dessen mündlichen Ergänzungen hat das Landgericht im Termin vom 12.10.2011 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H… B…. Folgerichtig sind die mündlichen Ergänzungen der Beklagten persönlich nicht zur tragenden Begründung des die Klage abweisenden Urteils herangezogen worden.

Soweit die Klägerin erstmals in ihrer Berufungsbegründung vorträgt, sie sei am 22.02.2010 überhaupt nicht auf dem streitgegenständlichen Anwesen in G… gewesen, fehlt es nach alldem an einem Zulassungsgrund im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 ZPO liegen nicht vor, weil das Landgericht Beweis über den von der Beklagten behaupteten Hergang der Ereignisse dieses Tages erhoben hat. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 531 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 ZPO liegt nicht vor, weil der Sachvortrag der Beklagten entgegen der Annahme der Klägerin nicht erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgt ist. Dazu, dass die Geltendmachung im ersten Rechtszug ohne Nachlässigkeit ausblieb (§ 531 Abs. 2 S. 1 Ziff. 3 ZPO), hat die Klägerin nichts vorgetragen.

b) Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Nach dieser Vorschrift ist das Berufungsgericht an die erstinstanzlich getroffenen Feststellungen gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine neue Feststellung gebieten. Solche konkreten Anhaltspunkte für Zweifel liegen nicht vor.

Nachvollziehbar und folgerichtig ist das Landgericht in Würdigung des erhobenen Beweises zu dem Ergebnis gelangt, die Darstellung der Beklagten zu den Ereignissen vom 22.02.2010 treffe zu. Beweiserhebung und -würdigung waren erschöpfend. Die protokollierte Zeugenaussage deckt sich mit den Urteilsgründen. Warum sie den Angaben des Zeugen B… gefolgt ist, hat die Kammer ebenfalls nachvollziehbar und überzeugend dargelegt. Dabei ergab sich entgegen der Argumentation der Berufungsbegründung kein Widerspruch zwischen der Aussage des Zeugen und dem Inhalt des Widerrufsschreibens vom 27.01.2011. Zwar nimmt letzteres nicht ausdrücklich Ereignisse vom 22.02.2010 zur Begründung groben Undanks in Bezug, mit der Formulierung, solcher sei im teilweise ehrverletzenden Verhalten der Klägerin, zuletzt anlässlich des Termins vor dem Amtsgericht, zu sehen, sind aber gerade nicht nur Äußerungen in diesem Termin, sondern auch vorangegangene gemeint. Davon sind auch die Ereignisse vom 20.02.2010 umfasst.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 153.387,56 € festgesetzt, § 6 ZPO analog.

 

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