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Schlüsselnotdienst – unredliches Verhalten vor dem Öffnen der Wohnungstür

AG Essen-Steele, Az.: 17 C 61/15, Urteil vom 11.11.2015

Das Versäumnisurteil vom 05.05.2015 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von einer Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Der Beklagte hat gegen das Versäumnisurteil vom 05.05.2015 rechtzeitig Einspruch eingelegt. Damit wurde das Verfahren gemäß § 342 ZPO in die Lage zurückversetzt, in die es sich vor Eintritt der Säumnis befunden hat.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 421,85 € gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 818 Abs. 2 BGB.

Die Klägerin zahlte an den Beklagten 421,85 € ohne Rechtsgrund, so dass der Beklagte der Klägerin einen solchen Betrag als Wertersatz zu zahlen hat.

1.

Der Beklagte hat durch die Leistung der Klägerin, nämlich vorliegend die Geldzahlung in Höhe von 421,85 €, einen Betrag in Höhe von 421,85 € und damit „etwas“ im Sinne der Vorschrift des § 812 BGB erlangt.

2.

Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund. Zwar ist zwischen den Parteien ein Vertrag über die Öffnung der streitgegenständlichen Tür zustande gekommen, der Beklagte hat jedoch gemäß § 242 BGB keinen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung.

Zwischen den Parteien ist spätestens durch Gewährenlassen des Aufbohrens des Schlosses der Tür seitens der Klägerin ein entsprechender Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen.

a.

Durch den Telefonanruf der Klägerin bei dem Beklagten, mit welchem sie mitteilte, dass sie einen Schlüsseldienst benötige, ist noch kein Vertrag zustandegekommen. In diesem Telefonat hat die Klägerin unstreitig erklärt, dass sie zunächst einen Kostenvoranschlag für das Öffnen der Tür benötige. Damit wollte sie zu dem Zeitpunkt dem Beklagten noch keinen Auftrag zum Öffnen der Tür erteilen.

b.

Schlüsselnotdienst - unredliches Verhalten vor dem Öffnen der Wohnungstür
Symbolfoto: kawin ounprasertsuk/Bigstock

Auch ist nach Ansicht des Gerichts noch kein Vertrag durch Unterschrift des mit 24H Schlüsselnotdienst überschriebenen Formulars, Anlage K 2, Blatt 16 der Akte, zustande gekommen, da die Klägerin etwas ganz anderes unterschreiben wollte, als sie dort tatsächlich unterschrieben hat. Die Klägerin erklärte im Hauptverhandlungstermin vom 29.07.2015, dass ihr die Mitarbeiter des Beklagten vor Ort erklärt hätten, dass sie mit ihrer Unterschrift bestätige solle, dass es ihre Wohnung sei. Dies ist unstreitig geblieben. Die Klägerin erklärte, dass sie tatsächlich davon ausgegangen sei, dass sie nur unterschreibe, dass es ihre Wohnung sei. Sie habe das Kleingedruckte gar nicht lesen können, da sie zum Lesen eine Brille benötige. Diese habe sie vor Ort nicht dabei gehabt. Das Gericht konnte sich im Hauptverhandlungstermin davon überzeugen, dass die Klägerin ohne Brille schlecht lesen konnte, da sie einen Schriftsatz in geringem Abstand unmittelbar vor ihre Augen gehalten und die Augen zusammen gekniffen hat, um den Schriftsatz lesen zu können. Zudem waren im Zeitpunkt der Unterschriften unstreitig die einzelnen Preise dort noch nicht eingetragen. Da die Klägerin etwas ganz anderes unterschreiben wollte, liegt ihrerseits keine Willenserklärung zum Abschluss eines Vertrages vor. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, da sie mit den 2 Mitarbeitern des Beklagten vor Ort kurz zuvor darüber gesprochen hatte, dass sie zunächst nur einen Kostenvoranschlag haben wolle.

c.

Nach Ansicht des Gerichts ist jedoch ein Vertrag spätestens durch Gewährenlassen des Aufbohrens des Schlosses durch die Mitarbeiter des Beklagten zustande gekommen. Zwar hat die Klägerin den Mitarbeitern des Beklagten kurz zuvor mitgeteilt, dass sie zunächst einen Kostenvoranschlag haben wolle. Insoweit haben die Männer jedoch erklärt, dass sie diesen erst abgeben könnten, nachdem die Tür geöffnet worden sei. Der Klägerin war damit bewusst, dass die Mitarbeiter des Beklagten die Tür öffnen wollten. Dadurch, dass sie die Mitarbeiter des Beklagten ohne sie davon abzuhalten, die Tür hat aufbohren lassen, war sie mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Hätte sie dies nicht gewollt, hätte sie an dieser Stelle den Mitarbeiter des Beklagten dies mitteilen können. In dem Verhalten der Klägerin ist damit konkludent eine Willenserklärung dahingehend zu sehen, dass die Mitarbeiter des Beklagten die streitgegenständliche Tür aufbohren sollten.

d.

Es kann dahinstehen, ob der Vertrag wegen Wuchers sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB ist, da der Beklagte wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB jedenfalls keinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung hat.

Der Beklagte darf sein Recht auf Vergütung nicht ausüben, da das Verhalten seiner Mitarbeiter ein unredliches Vorverhalten darstellt, welches ihm zuzurechnen ist. Nach Ansicht des Gerichts ist der Vertrag auf missbilligenswerte Weise geschlossen worden. Der Klägerin wurde zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, dass es sich bei dem Beklagten um einen 24H Schlüsselnotdienst handele. In den Gelben Seiten war ein solcher Zusatz nicht vorhanden. Zudem hat die Klägerin am Telefon explizit darauf hingewiesen, dass sie keinen Schlüsselnotdienst benötige, da es nicht eilig sei, die Tür zu öffnen. Sie habe zunächst lediglich einen Kostenvoranschlag haben wollen. Noch vor Ort hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass Sie lediglich einen Kostenvoranschlag haben wolle. Die Mitarbeiter haben ihr mitgeteilt, dass dies erst möglich sei, wenn die Tür geöffnet worden sei. Nach Ansicht des Gerichts ist nicht nachzuvollziehen, warum vor dem Öffnen der Tür ein Kostenvoranschlag nicht möglich gewesen sein soll. Mit dieser Aussage haben die Mitarbeiter des Beklagten die Klägerin darüber getäuscht, dass vor dem Öffnen der Tür kein Kostenvoranschlag möglich gewesen sei. Sie haben die Klägerin quasi dazu gebracht, dass sie dem Öffnen der Tür nicht widersprochen hat. Zudem haben Sie die Preise für das Öffnen der Tür zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt. Die in der Anl. K2, Bl. 16 der Akte, vorhandenen Preise sind erst nach Unterschrift der Klägerin dort eingefügt worden. Zu diesem unredlichen Verhalten kommt noch hinzu, dass die Mitarbeiter des Beklagten der Klägerin suggeriert haben, sie unterschreibe lediglich, dass sie Eigentümerin der Wohnung sei, die dort geöffnet werde. Dies alles stellt nach Ansicht des Gerichts ein unredliches Vorverhalten da, welches schon allein gesehen dazu führt, dass der Beklagte nach § 242 BGB eine Vergütung für das Öffnen der Tür nicht verlangen kann.

Ferner kommt noch hinzu, dass die Klägerin nach dem Öffnen der Tür durch die Mitarbeiter des Beklagten dazu gedrängt worden ist, den Betrag von 421,85 € unmittelbar vor Ort zu bezahlen. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Mitarbeiter des Beklagten ihr gegenüber sehr aggressiv geworden seien. Sie haben ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht gehen würden, bevor sie nicht bezahle. Die Mitarbeiter des Beklagten haben sich gegenüber der Klägerin und der Zeugin bedrohlich aufbaut und sind Ihnen gegenüber aggressiv geworden. Sie sind derart nahe auf die Klägerin und die Zeugin zugekommen, dass diese Angst hatten und kein Schritt mehr ausweichen konnten. Die Klägerin hat erklärt, dass sie große Angst hatte, da sie zwei Frauen mit den Mitarbeitern des Beklagten alleine im Dunkeln waren. Die Zeugin S hat erklärt, dass sie das Gefühl gehabt habe, die Klägerin habe nicht freiwillig gezahlt. Die Mitarbeiter des Beklagten seien verbal aggressiv gewesen und auf sie zugekommen. Die gesamte Situation sei derart unangenehm gewesen, dass sie sich gewünscht hätten, es würde jemand vorbeikommen. Die Zeugin war glaubwürdig. Nach Ansicht des Gerichts zeigt das ganze Geschehen, dass sich die Klägerin in einer ausweglosen Situation befunden hat, in der sie nur gezahlt hat, um die Mitarbeiter des Beklagten loszuwerden.

Das gesamte Geschehen vor Abschluss des Vertrages sowie unmittelbar vor Bezahlung ist nach Ansicht des Gerichts derart unredlich, dass der Beklagte keinen Anspruch auf eine Vergütung hat.

Gemäß § 818 Abs. 2 BGB hat der Beklagte somit an die Klägerin einen Wertersatz für den gezahlten Betrag in Höhe von 421,85 € zu zahlen.

III.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat den Beklagten mit Schreiben vom 09.12.2014 zur Zahlung eines Betrages von 421,85 € unter Fristsetzung bis zum 22.12.2014 aufgefordert.

IV.

Vom Verzugsschaden umfasst sind auch die Kosten für eine Gewerbeauskunft bei der Stadt Essen in Höhe von 20,00 €.

V.

Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 € aus Verzugsgesichtspunkten gemäß den gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB. Die diesbezügliche Zinsforderung ergibt sich aus §§ 291, 218 Abs. 1 BGB i.V.m. § 696 Abs. 3 ZPO.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf 421,85 EUR festgesetzt.

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