Landgericht Coburg
Az.: 22 O 709/00
Verkündet am 19.12.2000
IM NAMEN DES VOLKES!
Endurteil
In dem Rechtsstreit wegen Forderung hat der Einzelrichter der 2. Zivilkammer des Landgerichts Coburg, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2000 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 2.700,-DM abwenden, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Zahlung -von Schadensersatz i.H.v. 20.420,– DM, weil der Beklagte mit einem von ihr gemieteten Fahrzeug einen Unfall mit Sachschaden verursachte.
Die Klägerin betreibt einen Mietwagenhandel. Sie ist Selbstversicherer.
Am 28.8.1999 mietete der Beklagte bei der Klägerin einen Renault Megane, amtliches Kennzeichen XX-XX-XXX. Im Mietvertrag wurde unter Ziff. J Nr. 3 eine Haftungsfreistellung des Beklagten vereinbart, die sich am Leitbild einer Vollkaskoversicherung orientierte. Die Klägerin hatte als Vermieterin eine Haftungsfreistellung für alle Unfallschäden zu gewähren, die nicht auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Fehlverhalten zurückzuführen sind.
Am 24.9.1999 verursachte der Beklagte gegen 20.45 Uhr bei X auf der L xx in C einen Verkehrsunfall. Der Beklagte verriss das Lenkrad nach links, als plötzlich vor ihm ein Hase oder Fuchs auftauchte und prallte rechts gegen die Leitplanke, da er die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor.
Ob der Beklagte dem Tier bewusst ausgewichen ist, oder ob es sich dabei um einen Reflex handelte, blieb bis zuletzt streitig. Der Beklagte kam in der Folgezeit nach links von der Fahrbahn ab und zwischen den am Fahrbahnrand befindlichen Büschen zum Stehen.
Am Fahrzeug der Klägerin entstand ein Sachschaden. Der Gesamtschaden der Klägerin beträgt 20.420,– DM. Insoweit wird Bezug genommen auf die Klageschrift (B1. 12 und 13 d.A.) nebst Anlagen.
Die Klägerin beanspruchte bei der hinter ihr stehenden Teil-Kaskoversicherung die Regulierung dieses Wildschadens. Diese wurde mit Schreiben vom 25.4.2000 (Anlage K 4) abgelehnt.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe den entstandenen Schaden zu ersetzen, weil er sich nicht auf eine Haftungsfreistellung berufen könne. Der Beklagte habe durch sein Ausweichmanöver grob fahrlässig gehandelt, so dass er gem. Ziff. J Nr. 3 S. 2 1. Spgstr. der Mietvertragsbedingungen den Schaden selbst zu tragen habe.
Die Klägerin beantragt zuletzt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.420,– DM oder wahlweise EURO 10.440,58 nebst 6,5 % Zinsen hieraus seit dem 23.10.1999 sowie 46,40 DM an vorgerichtlichen Mahnauslagen zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, Klageabweisung. Der Beklagte behauptet, er sei dem Wild, das unmittelbar und völlig überraschend vor ihm aufgetaucht sei, nicht bewusst ausgewichen, sondern habe das Lenkrad erschrocken und reflexartig ohne nachzudenken scharf nach links gezogen. Dabei handle es sich um ein typisches Augenblicksversagen, bei welchem grobe Fahrlässigkeit ausscheide. Nachdem er über die Mietvertragsbedingungen so zu stellen sei, als ob er vollkaskoversichert sei, könne er sich auch auf seine Haftungsfreistellung berufen.
Das Gericht hat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung am 19.12.2000 die Sach- und Rechtslage erörtert. Insoweit wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Coburg gem. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gem. § 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO aufgrund des bindenden Verweisungsbeschlusses des Landgerichts Meiningen vom 24.10.2000 örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus pVV oder § 823 Abs. 1 BGB, weil sich der Beklagte auf seine Haftungsfreistellung aus J Nr. 3 Satz 1 des Mietvertrags berufen kann.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auf Seiten des Beklagten keine grobe Fahrlässigkeit vor, so dass er den Schaden nicht gem. J Nr. 3 S.2 1. Spgstr. des Mietvertrags zu tragen hat.
Der Klägerin gelingt kein Nachweis der groben Fahrlässigkeit entsprechend § 61 VVG, der im Falle einer vertraglichen Haftungsfreistellung des Mieters entsprechend anwendbar ist (vgl. BGH VersR 1978, S. 407 ff).
Es kann offen bleiben, ob auf Beklagtenseite ein grob fehlerhaftes oder grob verkehrswidriges Verhalten vorliegt, jedenfalls scheitert die grobe Fahrlässigkeit hier an einem fehlenden subjektiv erheblich gesteigerten Verhalten.
Der Beklagte schildert, er habe das Lenkrad reflexartig scharf nach links gezogen. Er sei mit ca. 100 km/h gefahren. In einer solchen Situation liegt kein erheblich gesteigertes Verschulden des Beklagten vor, weil eine solche Reaktion auch jedem sorgfältigen Fahrer eines Kraftfahrzeugs unterlaufen kann. Eine erhebliche Schreckreaktion darf nicht zu grober Fahrlässigkeit führen, wenn nachts urplötzlich ein Tier vor dem Auto auftaucht. Insoweit reicht der Vortrag des Beklagten für eine schlüssige Darlegung der subjektiven Momente aus. Auch wenn ein Augenblicksversagen nicht geeignet ist, den Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu entkräften, ist im konkreten Fall der Vortrag des Beklagten ausreichend. Es ist absolut nachvollziehbar, dass in der konkreten Situation das plötzliche Auftauchen eines Wildtiers zu einer Schreckreaktion führen kann. Weitere Ausführungen hierzu sind dem Beklagten nicht zumutbar, weil sie sich aufgrund des geschilderten Geschehens erübrigen. Nachdem die Klägerin für die grobe Fahrlässigkeit beweispflichtig ist und die schlüssige Darlegung zu widerlegen hat, reicht ihr Bestreiten, dass es sich um einen Reflex gehandelt hat, nicht für die Widerlegung der schlüssigen Darlegung aus. Vielmehr bleibt die Klägerin beweislastig.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
https://www.ra-kotz.de/wildschaden.htm