Landgericht Berlin
Az: 67 S 290/14
Urteil vom 16.09.2014
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Juni 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wedding – 8a C 265/13 – abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin das Reihenhaus, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Bad, einem Kellerraum sowie einer Terrasse nebst dazugehörigem umzäunten Garten mit einer Größe von ca. geräumt herauszugeben.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31. Mai 2015 bewilligt.
Gründe
Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht der aus dem Tenor ersichtliche Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu, da das Mietverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 8. Oktober 2013 mit Wirkung zum 31. Juli 2014 beendet wurde.
Der Klägerin stand gemäß den §§ 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses zu, da der Beklagte seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Befindet sich der Mieter in einem Zahlungsverzug, der gemäß § 543 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB sogar zur fristlosen Kündigung berechtigen würde, begründet dies auch ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 25. Oktober 2006 – VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428 Tz. 9; Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 573 Rz. 26).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn der Beklagte befand sich bei Ausspruch und Zugang der streitgegenständlichen Kündigung in einem die – gleichfalls ausgesprochene – fristlose Kündigung rechtfertigenden Zahlungsverzug hinsichtlich der vollständigen Mieten September und Oktober 2013. Der eingetretenen Zahlungsrückstand war auch von dem Beklagten zu vertreten, § 286 Abs. 4 BGB. Danach scheidet Verzug nur dann aus, wenn die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den der Schuldner nicht zu vertreten hat. Daran fehlte es. Der Beklagte hat in seiner im zweiten Rechtszug vorgenommenen persönlichen Anhörung nach § 141 ZPO erklärt, durch seine erstinstanzlich behauptete Erkrankung nach Entlassung aus dem Krankenhaus am 31. August 2013 geistig in keinerlei Weise beeinträchtigt gewesen zu sein. Damit aber war ihm die rechtzeitige Zahlung der zum Gegenstand der Kündigung erhobenen Mieten, wie er in der Berufungsverhandlung einräumen musste, seinem erstinstanzlichen Vortrag zuwider tatsächlich möglich. Die gleichwohl unterlassene Zahlung gereicht ihm zum Verschulden.
Die innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geleistete Zahlung des Beklagten führte nicht zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung, da § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nur auf eine außerordentliche, nicht hingegen auf die hier zu beurteilende ordentliche Kündigung anwendbar ist (BGH, Urt. v. 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12, NJW 2013, 159 Tz. 26 ff.). Davon ausgehend bedurfte es keiner Entscheidung der Kammer, ob der Beklagte innerhalb der Schonfrist tatsächlich sämtliche Rückstände beglichen hat oder weiterhin den von der Klägerin monierten Restbetrag von 37,60 EUR schuldet.
Das Festhalten an der ordentlichen Kündigung ist trotz erfolgter Schonfristzahlung auch nicht rechtsmissbräuchlich (vgl. dazu BGH, a.a.O. Tz. 31). Hält der Vermieter im streitgegenständlichen Kontext an einer bei Ausspruch und Zugang wirksamen ordentlichen Zahlungsverzugskündigung fest, ist dies nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbar, da andernfalls eine – analoge und de lege lata unzulässige – Anwendung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf ordentliche Zahlungsverzugskündigungen vorgenommen würde. § 242 BGB kann bei nachträglicher Zahlung des Kündigungsrückstandes die Durchsetzung eines auf eine ordentliche Kündigung gestützten Räumungsanspruchs deshalb nur ganz ausnahmsweise hindern, etwa dann, wenn die nachträgliche Zahlung ganz kurz nach dem Ausspruch der Kündigung erfolgt und der Mieter nachvollziehbare Gründe für seine Säumnis angeben kann (Milger, NZM 2013, 553, 555).
An diesen Ausnahmevoraussetzungen fehlte es: Zwar hat der Beklagte den Kündigungsrückstand nach seinem streitigen Vorbringen vollständig und – insoweit unstreitig – zeitnah nach Kündigungszugang beglichen. Er hat jedoch in offenkundigem Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen, ausweislich dessen er wegen seines Gesundheitszustandes zur Bewältigung von Bankgeschäften nicht in der Lage gewesen sei, im zweiten Rechtszug auf Befragen der Kammer keine stichhaltigen und durch die Anwendung des § 242 BGB schützenswerte Gründe mehr darzutun vermocht, wieso er trotz Entlassung aus dem Krankenhaus am 31. August 2013 und uneingeschränkter intellektueller Handlungsfähigkeit im gesamten September sowie bis zum 8. Oktober 2013 weder Zahlungen auf die Mieten September und Oktober 2013 vorgenommen hat. Bereits ausgehend davon hat sich die Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich verhalten, indem sie trotz des zeitlich unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung erfolgten Zahlungsausgleichs an ihrer ordentlichen Kündigung festgehalten hat. Dies gilt erst recht angesichts des in die Gesamtabwägung einzubeziehenden sonstigen vertragswidrigen Verhaltens des Beklagten. Denn der Beklagte hat vor Kündigungsausspruch nicht nur eine von der Klägerin zu Recht beanspruchte Zustimmung zur Mietzinserhöhung verweigert, sondern die sich daraus ergebenden Erhöhungsbeträge selbst noch nach Eintritt der Rechtskraft des am 6. Juni 2013 verkündeten Berufungsurteils im Zustimmungsprozess sowie Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung am 8. Oktober 2013 über einen Zeitraum vom mehreren Monaten nicht beglichen.
Die von dem Beklagten im Termin beantragte Schriftsatzfrist war gemäß § 283 Satz 1 ZPO nicht zu gewähren, da der Schriftsatz der Klägerin vom 9. September 2014 neues entscheidungserhebliches Vorbringen nicht enthielt (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 283 Rz. 2a).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung betreffenden Feststellungsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten insoweit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen dem Beklagten aufzuerlegen. Denn der Feststellungsantrag war bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses – dem Ablauf der Frist für den Ausspruch der ordentlichen Kündigung – zulässig und aus obigen Erwägungen begründet. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht, da die Entscheidung die Beurteilung des Zahlungsverzugs sowie der Voraussetzungen von Treu und Glauben in einem Einzelfall betrifft, die eine höchstrichterliche Klärung jeweils nicht erfordert.
Die Gewährung der tenorierten – und weiträumig bemessenen – Räumungsfrist war gemäß § 721 Abs. 1 ZPO angesichts der Größe der Mietsache, der langjährigen Dauer des Mietverhältnisses und der in der mündlichen Verhandlung zu Tage getretenen fortbestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Beklagten zur Beschaffung von Ersatzwohnraum hinreichend, aber auch erforderlich.