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Spielhallendarlehen – Nichtigkeit

LG Leipzig, Az.: 6 S 430/11, Urteil vom 15.12.2011

1. Die Berufung der Klägerin vom 11.08.2011 gegen das Urteil des Amtsgerichts Oschatz vom 07.07.2011 (Az.: 2 C 437/10) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Oschatz Bezug genommen.

Das Urteil des Amtsgerichts Oschatz wurde der Klägerin am 11.07.2011 zugestellt. Mit beim LG Leipzig am 11.08.2011 eingegangenem Schriftsatz legte die Klägerin Berufung gegen dieses Urteil ein, die – nach Fristverlängerung bis 26.09.2011 – mit am 26.09.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet wurde.

Die Klägerin nimmt Bezug auf ihren Vortrag in 1. Instanz. Sie rügt u. a., das Amtsgericht Oschatz habe fehlerhaft darüber spekuliert, dass das Geld vom Betreiber der Spielhalle gegeben worden sei. Für die Aktivlegitimation der Klägerin spreche bereits die vom Beklagten unterzeichnete Urkunde vom 10.09.2010. Da dem Beklagten das Darlehen sukzessive in Höhe von insgesamt 2.700,00 EUR gewährt worden sei, er lediglich 1.700,00 € zurückgezahlt habe, habe er den streitgegenständlichen Betrag von 1.000,00 € zu zahlen. Der Spieleinwand greife nicht. Der Vertrag vom 10.09.2010 sei nicht sittenwidrig.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Oschatz vom 07.07.2011 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.09.2010 zu zahlen und den Beklagten darüber hinaus zu verurteilen, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 155,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 07.10.2010 zu zahlen.

Spielhallendarlehen – Nichtigkeit
Symbolfoto: Paha_L/Bigstock

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil des Amtsgerichts Oschatz. Der Klägerin stehe der streitgegenständliche Anspruch bereits deshalb nicht zu, weil der Anwendungsbereich von § 762 BGB eröffnet sei.

Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.09.2011 dem Streithelfer den Streit verkündet hatte, trat dieser mit Schriftsatz vom 13.10.2011 den Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin bei. Der Streithelfer macht geltend, es habe sich eindeutig um ein privates Darlehen der Klägerin gehandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht Oschatz festgestellt, dass der Klägerin gegenüber dem Beklagten kein Rückzahlungsanspruch i. H. v. 1000,00 EUR aus dem Darlehensvertrag vom 10.09.2010 zusteht. Es kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Beklagte am 10.09.2010 geschäftsunfähig war, weil er – wie er behauptet – 3 Flaschen Wein getrunken hat. Selbst wenn der Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages geschäftsfähig war und die Klägerin aktivlegitimiert wäre, schuldet der Beklagte der Klägerin nicht die Zahlung von 1.000,00 € zzgl. der Nebenforderungen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte von der Klägerin mehrmals am 10.09.2010 auf Zuruf 100,00 € (in zwei Eurostücken) erhalten hat. Erst gegen Ende seines Aufenthaltes in der Spielhalle wurde der Schuldschein (Bl. 44 d. A.) vom Beklagten unterzeichnet. Es ist unstreitig, dass der Beklagte den gesamten von der Klägerin erhaltenen Betrag an diesem Tag verspielt hat. Bei dieser Sachlage scheidet ein Rückzahlungsanspruch aus der Vereinbarung vom 10.09.2010 aus.

Der Spieleinwand gemäß § 762 BGB greift nach teilweise vertretener Auffassung bereits dann ein, wenn im engen Zusammenhang mit dem Spiel, etwa durch den Wirt, in dessen Gaststätte der Darlehensnehmer am Spielautomaten spielt, ein Darlehen gegeben wird, um diesen das weitere Spielen zu ermöglichen (Staudinger 2008 § 762 Rn 41; AG Rendsburg NJW 1990, 916). Auch im vorliegenden Fall erhielt der Beklagte von der Mitarbeiterin der Spielhalle – der Klägerin – pö a pö Geld, das er dann an den Spielautomaten verspielte. Erst im Anschluss hieran wurde der Schuldschein unterzeichnet. Folgt man der zitierten Auffassung, scheidet ein Zahlungsanspruch der Klägerin bereits deshalb aus. Abschließend muss die Kammer die Frage jedoch nicht entscheiden, ob dieser Auffassung zu folgen ist und der Spieleinwand greift.

Selbst wenn der Auffassung zu folgen wäre, nach der der Spieleinwand auf die vorliegende Konstellation nicht anzuwenden ist (Münch/Komm. 5. Auflage § 762 Rn. 37), ist die Klage unbegründet. Die Voraussetzungen des von Amts wegen zu berücksichtigenden § 138 Abs. 1 BGB liegen vor. Bei der Darlehensgewährung von einem Dritten vor dem Spiel – wie im vorliegenden Fall – genügt die Förderung des Spielbetriebes, soweit der Geldgeber – hier die Klägerin – nur mittelbar beteiligt ist (Münch/Komm a. a. O.). Es kann dahinstehen, ob die Klägerin am Gewinn ihres Arbeitsgebers unmittelbar beteiligt war.

Die Klägerin war jedenfalls in der Spielhalle beschäftigt. Ihr Arbeitsplatz war – bei lebensnaher Betrachtung – u. a. auch davon abhängig, dass in der Spielhalle ausreichend Umsatz generiert wird. Hierfür sorgte der Beklage durch sein regelmäßiges Spielen seit 2007 im allgemeinen und am 10.09.2010 im besonderen. Nach Auffassung der Kammer reicht allein dieses offensichtliche Interesse für eine mittelbare Beteiligung i. S. der Literatur aus. Eine Mitarbeiterin einer Spielhalle – wie hier die Klägerin – zählt zu den sonstigen interessierten Personen, die durch eine Darlehensgabe die Spiellust anstacheln kann (Staudinger a. a. O. Rn. 42). Dies wiederum rechtfertigt es, auch ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 138 II BGB, den Darlehensvertrag als sittenwidrig i. S. v. § 138 I BGB einzustufen. Dass die Klägerin dem Beklagten die 2.700,00 EUR nur aus Gutmütigkeit bzw. aus neutralen Motiven überlassen hat, ist weder plausibel dargelegt, noch aufgrund der Höhe des Darlehens (2.700 EUR an einem Spieltag) ersichtlich. Hier wurde offensichtlich auf Kosten des Beklagten „Umsatz generiert“. Der Beklagte war im. Hinblick auf seinen erheblichen Finanzierungsbedarf (2700 EUR) für die Klägerin erkennbar nicht in der Lage, das Spielen ohne Darlehensgewährung fortzusetzen. Die sukzessive Darlehnsgewährung für das Spielen am 10.09.2010 war damit sittenwidrig.

Ist das Darlehensgeschäft nach § 138 BGB nichtig, kann die Darlehenssumme – selbst wenn bewiesen wäre, dass dem Beklagten am 10.09.2010 tatsächlich 2.700,00 EUR überlassen wurde – insoweit nicht nach § 812 BGB zurückgefordert werden, wenn auch dem Darlehensgeber ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt, was regelmäßig der Fall ist (Staudinger a. a. O. Rn 43). Konkrete Tatsachen, die eine Ausnahme von dieser Regel rechtfertigen, sind weder konkret vorgetragen noch ersichtlich.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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