Landgericht Kassel
Az: 1 S 795/96
Urteil vom 12.06.1996
Vorinstanz: AG Kassel 452 C 1665/96
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 11. Oktober 1996 -452 C 1665/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß das zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehende Mietverhältnis hinsichtlich der Wohnung …straße 16 in Kassel durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 25.12.1995 zum 31.03.1996 sein Ende gefunden hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war eine ordentliche Kündigung nicht wegen der in § 2 Nr. 1 des Mietvertrages vorgesehenen Befristung auf 10 Jahre ausgeschlossen. Diese Regelung enthält im Zusammenhang mit der unter Nr. 2 des § 2 des Mietvertrages enthaltenen Aufzählung der Kündigungsfristen für den Erklärungsempfänger eine Unklarheit darüber, ob er das Vertragsverhältnis unter Berücksichtigung der genannten Fristen unabhängig von der Festschreibung auf 10 Jahre kündigen kann oder nicht. Diese Unklarheit führt gemäß § 5 AGB-Gesetz dazu, daß die Klägerin sich auf die in Nr. 1 zum Ausdruck gebrachte Befristung des Mietverhältnisses nicht berufen kann.
Die Auslegung von Willenserklärungen hat nach den §§ 133, 157 BGB danach zu erfolgen, wie der verständige Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben verstehen konnte und durfte. Dies führt vorliegend dazu, daß ein Widerspruch in den in § 2 des Mietvertrages enthaltenen Regelungen festzustellen ist. Denn durch die Aufzählung der Kündigungsfristen in Nr. 2 wird der Eindruck hervorgerufen, eine Kündigung sei unter Einhaltung dieser Fristen möglich, was aber nach Nr. 1 wiederum ausgeschlossen sein soll. Die Aufzählung von Kündigungsfristen macht aber nur Sinn, wenn eine Kündigung überhaupt möglich ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch nicht angenommen werden, daß sich die Aufzählung der Kündigungsfristen wegen der Staffelmietvereinbarung im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz (§ 10 Abs. 2 Satz 2 MHG) ergebende Beschränkung des Ausschlusses des Kündigungsrechts für den Erklärungsempfänger erkläre und dieser somit nicht den Schluß ziehen dürfe, daß generell eine Kündigung möglich sei. Soweit die auf einem gesonderten Blatt als Zusatzmietvertrag überschriebene Staffelmietvereinbarung in der letzten Zeile einen Hinweis darauf enthält, daß eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Mieters unwirksam sei, soweit sie sich durch diese Staffelmietvereinbarung auf einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren seit Beginn des Mietverhältnisses erstrecke, ist dieser Hinweis nicht ausreichend, um dem Empfänger der vom Vermieter formularmäßig abgegebenen Erklärung in dem Mietvertrag die Aufzählung der Kündigungsfristen in Nr. 2 des § 2 des Mietvertrages im Hinblick auf § 10 MHG zu erklären. Denn dieser Hinweis steht nicht in einem direkten Zusammenhang mit § 2, der die Regelung über die Mietzeit enthält, sondern im Zusammenhang mit den unter S 4 des Vertrages geregelten Mietzinszahlungen, indem auf die anliegende Staffelmietvereinbarung verwiesen wird. Außerdem ist der Hinweis in sich insoweit nicht schlüssig, als es darin heißt, daß eine Beschränkung des Kündigungsrechts unwirksam sei, soweit sie sich durch diese Staffelmietvereinbarung auf einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren erstreckt. Die Beschränkung des Kündigungsrechts wird nicht durch die Staffelmietvereinbarung auf einen bestimmten Zeitraum, eventuell auf mehr als 4 Jahre, erstreckt, sondern ergibt sich vielmehr aus § 2 Nr. 1 des Mietvertrages. Ein ordnungsgemäßer Hinweis auf § 10 Abs. 2 Satz 2 MHG hätte vielmehr lauten müssen, daß eine Beschränkung des Kündigungsrechts über einen Zeitraum von mehr als 4 Jahren unwirksam ist, soweit eine Staffelmiete vereinbart ist.
Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, daß über den schriftlichen Vertrag hinaus jedenfalls mündlich individualvertraglich zwischen ihr und der Beklagten vereinbart worden sei, daß jedenfalls ein befristetes Mietverhältnis auf den Zeitraum von 10 Jahren abgeschlossen werden sollte. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang als Indiz für eine entsprechende mündliche Abrede behauptet, die Mutter der Beklagten habe diesbezüglich nochmal nachgefragt, ob bei Stellung eines Nachmieters eine vorzeitige Beendigung möglich sei, ist dieses Vorbringen unerheblich. Denn mit der Wahl des Begriffes “vorzeitig“ ist nicht zwangsläufig verbunden, daß eine Beendigung vor Ablauf der 10-jährigen Frist gemeint war. Es ist durchaus möglich, daß mit diesem Begriff lediglich eine Entlassung aus dem Mietverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfristen gemeint war.
Nach alledem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.