Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken
Az: 4 U 941/99 – 289, 4 U 941/99
Urteil vom 19.12.2000
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Oktober 1999 — 14 O 288/98 — wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der vollstreckende Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Beklagte erlitt bei einem Unfall am 20. November 1995 gegen 5.50 Uhr Verletzungen, als er auf dem Parkplatz der Firma … (im folgenden: Firma ….) in … von einem bei der klagenden Haftpflichtversicherung versicherten Fahrzeug erfasst wurde, dessen Halterin die Drittwiderbeklagte zu 2) und dessen Fahrerin zum Unfallzeitpunkt die Drittwiderbeklagte zu 1) war. Der Beklagte, der damals ebenso wie die Drittwiderbeklagte zu 1) bei der Firma … beschäftigt war, befand sich auf dem Weg zur Frühschicht und lief, nachdem er sein Fahrzeug auf dem eingezäunten und mit einem Eisenrolltor verschließbaren Parkplatz abgestellt hatte, zu einer an den Parkplatz anschließenden Treppe, die Teil des Werksgeländes ist und zu den Produktionsstätten führt (vgl. Skizze Bl. 95 d.A.). Die Drittwiderbeklagte zu 1) befand sich ebenfalls auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Der genaue Unfallhergang ist streitig.
Eine polizeiliche Unfallaufnahme erfolgte ausweislich eines Vermerks der Polizeiinspektion Saarbrücken-West vom 24. Dezember 1995 (Bl. 92 d.A.) deshalb nicht, weil der firmeneigene Parkplatz dem öffentlichen, allgemeinen Straßenverkehr nicht zur Verfügung stehe und daher keinen öffentlichen Verkehrsraum darstelle.
Der Kläger zahlte an den Beklagten unter anderem 5.500,– DM als Vorschuss auf Schmerzensgeldforderungen. Die Rückzahlung dieses Betrages, die der Beklagte mit Schreiben vom 28. November 1997 verweigert hat, macht der Kläger unter Hinweis auf den nach seiner Ansicht einschlägigen Haftungsausschluss gemäß §§ 636, 637 RVO mit der vorliegenden Klage geltend.
Der Kläger hat behauptet, das heute vorhandene Schild mit der Aufschrift „Werksgelände — Befahren und Betreten für Unbefugte verboten“ sei bereits zum Unfallzeitpunkts über der Einfahrt zum Parkplatz befestigt gewesen. Zutritt zu dem Parkplatz hätten nur Betriebsangehörige.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.500 DM nebst 4% Zinsen seit dem 29. November 1997 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Nach teilweiser Rücknahme seiner Widerklage hat er widerklagend beantragt,
1. den Kläger und die Drittwiderbeklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 29.189,37 DM nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagten verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 20.11.1995 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist,
3. den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 1) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
4. festzustellen, daß der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 1) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 20.11.1995 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, ein Arbeitsunfall im Sinne der §§ 636, 637 RVO liege nicht vor. Keine der Parteien sei seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit nachgegangen, so dass ein innerer Zusammenhang zwischen betrieblicher Tätigkeit und dem Unfall nicht bestehe. Der Parkplatz gehöre im Übrigen zwar zum Betriebs-, nicht aber zum Werksgelände. Der Parkplatz sei, so hat der Beklagte behauptet, anders als das eigentliche Werksgelände, das mehrere 100 Meter entfernt sei und durch einen Pförtner bewacht werde, für jedermann frei zugänglich, wovon auch reger Gebrauch gemacht werde.
Mit der Widerklage hat der Beklagte neben den Feststellungsanträgen Zahlung von Verdienstausfall und Schmerzensgeld verlangt. Er hat die Ansicht vertreten, die Drittwiderbeklagte habe den Unfall allein zu verantworten, weil sie nach seiner Darstellung mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Demgegenüber haben Kläger und Drittwiderbeklagte behauptet, der Beklagte sei gegen das von der Drittwiderbeklagten zu 1) gesteuerte Fahrzeug gelaufen, weshalb er nach ihrer Ansicht einen Mithaftungsanteil von mindestens 50% zu tragen habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger und den Drittwiderbeklagten komme die Haftungsbefreiung gemäß §§ 636 Abs. 1, 637 Abs. 1 RVO zugute, weil der Unfall als Arbeitsunfall im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sei. Der Unfall habe sich im Gefahrenbereich der Arbeitsstätte des Beklagten ereignet, da es sich bei dem Parkplatz nach erfolgter Beweisaufnahme um Werksgelände handele. Es sei davon auszugehen, dass allein die Eigentümerin des Parkplatzes darüber habe entscheiden können, wer zu dem Gelände Zutritt hatte. Die Eigentümerin habe auch die Bedingungen des Fahrzeugverkehrs auf dem Gelände bestimmen können, so dass jeder, der auf den Parkplatz und damit in das Werksgelände hineinfahre, in den Bereich der Organisationsmacht der Eigentümerin gelangt sei. Es bestehe daher ein betriebliche Zusammenhang des Unfall mit dem betrieblichen Gefahrenbereich. Der Beklagte habe den Unfall nicht als „normaler Verkehrsteilnehmer“ und nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr erlitten, vielmehr sei der Unfall Ausdruck auch der betrieblichen Verbindung zwischen ihm und dem Unternehmer.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen. Er rügt die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts zu der Frage, ob der Parkplatz Werks- bzw. Betriebsgelände sei, und meint, das Gericht habe rechtsfehlerhaft ein Beweisangebot zu der Behauptung, der Parkplatz sei zum Unfallzeitpunkt auch Nichtbetriebsangehörigen ohne weiteres zugänglich gewesen, übergangen.
Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung einen Teilvergleich über die Zahlung von ebenfalls in der Begründung zur Widerklage aufgeführten, restlichen Sachschäden (Kleiderschaden und Unkostenpauschale) geschlossen haben, beantragt der Beklagte, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
1. die Klage abzuweisen,
2. den Kläger und die Drittwiderbeklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 29.189,37 DM zu zahlen,
3. festzustellen, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagten verpflichtet sind, ihm sämtlichen materiellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 20.11.1995 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist,
4. den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 1) gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,
5. festzustellen, daß der Kläger und die Drittwiderbeklagte zu 1) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, sämtlichen zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Unfallereignis vom 20.11.1995 zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.
Der Kläger und die Drittwiderbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß Ansprüche des Beklagten aus dem Unfall vom 20. November 1995 gegen die Drittwiderbeklagte zu 1) der Haftungsbegrenzung der §§ 636, 637 RVO a.F. unterfallen. Im Ergebnis entfallen damit auch Ansprüche gegen die Klägerin sowie gegen die Drittwiderbeklagte zu 2).
1. Nach der zum Unfallzeitpunkt geltenden (vgl. Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Auflage, Anh. II Rdnr. 6 m.w.N.) Vorschrift des § 636 Abs. 1 RVO a.F. ist der Unternehmer den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten zum Ersatz des Personenschadens, den ein Arbeitsunfall verursacht hat, nur dann verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Hat den Arbeitsunfall ein in demselben Betrieb tätiger Betriebsangehöriger verursacht, so gilt die Haftungsbegrenzung entsprechend, wenn er den Arbeitsunfall durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht (§ 637 Abs. 1 RVO a.F.).
2. Dass der Beklagte am 20. November 1995 einen Arbeitsunfall im Sinne von § 636 Abs. 1 i.V.m. §§ 548 Abs. 1, 550 Abs. 1 RVO a.F. erlitten hat, ist nicht zweifelhaft. Nach § 550 Abs. 1 RVO a.F. fallen darunter auch solche Unfälle, die — wie hier — auf dem Weg nach und von dem Tätigkeitsort erfolgen; auf die Unterscheidung zwischen Arbeits- und Wegeunfall, wie sie etwa in den von dem Beklagten wiederholt zitierten Urteilen verschiedener Sozialgerichte (Bl. 123 f. d.A.) erörtert wird, kommt es deshalb nicht an. Anhaltspunkte dafür, dass der Unfall ausnahmsweise nicht als Arbeitsunfall anzusehen ist, weil der eingehaltene Weg nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Unternehmen steht (vgl. Geigel/Kolb, Haftpflichtprozeß, 20. Auflage, Kap. 31 Rdnr. 56 f.), sind nicht ersichtlich. Die Feststellung über das Vorliegen eines Arbeitsunfalles wird von den Parteien letztlich auch nicht in Zweifel gezogen, weil sich ihre Einwände allein auf die Frage beziehen, ob der Wegeunfall bei der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ eingetreten und damit von der Haftungssperre des § 636 RVO a.F. ausgenommen ist. Unter diesen Umständen ist es nicht geboten, das Verfahren bis zur Feststellung über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls durch die insoweit primär zuständigen Versicherungsträger und Sozialgerichte (§ 638 RVO a.F.) auszusetzen (vgl. Greger, aaO Rdnr. 32 m.w.N.).
3. Der Arbeitsunfall ist nicht bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr im Sinne von § 636 Abs. 1 RVO a.F. eingetreten.
a) Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Unfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist, hebt der BGH in ständiger Rechtsprechung vornehmlich darauf ab, ob der Verletzte den Unfall als normaler Verkehrsteilnehmer oder als Betriebsangehöriger erlitten hat (vgl. BGHZ 116, 30, 33f.). Er hat dabei stets betont, der Begriff der Teilnahme am allgemeinen Verkehr sei in dem Sinne relativ zu verstehen, dass es darauf ankommt, ob der Unfall sich im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigten als innerbetrieblicher bzw. innerdienstlicher Vorgang darstellt. Ein Unfall ist bei der „Teilnahme am allgemeinen Verkehr“ eingetreten, wenn der Geschädigte nicht in seinem innerbetrieblichen oder innerdienstlichen Verhältnis zum Schädiger von dem Unfall betroffen worden ist (vgl. BGHZ 116, 30, 34). Entscheidend ist, ob in dem Unfall das betriebliche Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten sich manifestiert oder ob insoweit zur dienstlichen bzw. betrieblichen Beziehung zwischen beiden kein oder nur ein loser Zusammenhang bestanden hat (vgl. BGHZ 116, 30, 34). Eine Teilnahme am allgemeinen Verkehr ist deshalb insbesondere dann zu verneinen, wenn ein Vorgang durch die Organisation (Werkverkehr, Einsatz eines betriebseigenen Fahrzeugs, Fahrt oder Gang auf dem Werksgelände) als innerbetrieblicher bzw. innerdienstlicher gekennzeichnet ist oder wenn er durch Anordnung des Unternehmens oder Dienstherrn zur betrieblichen bzw. dienstlichen Aufgabe erklärt worden ist (BGH NJW 1995, 1558 unter I 1).
b) Danach hat der Beklagte den Unfall in seiner Eigenschaft als Betriebsangehöriger erlitten. Zwar ist der Hin- und Rückweg eines Betriebsangehörigen zu und von seiner Arbeitsstätte in der Regel als Teilnahme am allgemeinen Verkehr von der Haftungsfreistellung der §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen, weil normalerweise jeder Arbeitnehmer selbst dafür zu sorgen hat, daß er zu seiner Arbeitsstätte und von dort nach Hause kommt (BGHZ 116, 30, 34 m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch von dem Zeitpunkt an, in dem der Arbeitnehmer in den Organisationsbereich seines Arbeitgebers eintritt, weil er damit in einen Gefahrenkreis stößt, für den seine Zugehörigkeit zum Organisationsbereich seines Unternehmens im Vordergrund steht (vgl. BGH NJW 1995, 1558 unter I 2).
So liegt es hier. Der vom Beklagten erlittene Unfall ereignete sich auf dem firmeneigenen Parkplatz. Dieser war — unabhängig von der Frage, welche konkrete Beschilderung am Eingang des Parkplatzes zum Unfallzeitpunkt vorhanden war — unstreitig für Betriebsangehörige bestimmt. Er gehörte auch — unabhängig von der von den Parteien weiter aufgeworfenen Frage, ob der Parkplatz räumlich unmittelbar zu der eigentlichen Betriebsstätte zugeordnet werden kann oder nicht — unstreitig zum Organisationsbereich der Firma …. Der Umstand, daß der Parkplatz im Unfallzeitpunkt möglicherweise nicht gegen das Eindringen von Betriebsfremden gesichert war und der Parkplatz auch von solchen Personen genutzt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. in einem ähnlichen Fall BGH NJW 1995, 1558 unter I 3), so dass es insofern auch keiner (weiteren) Beweisaufnahme bedurfte. Entscheidend ist, dass der Parkplatz Organisationsbereich der Firma … ist, die allein darüber zu entscheiden hat, wer zu diesem Gelände Zutritt haben soll und wie die Bedingungen des Fahrzeugverkehrs auf dem Gelände gestaltet werden.
Einmal im Organisationsbereich der Firma … angelangt, stellte sich das Befahren des Parkplatzes und der Weg von dort zur Werksstätte für den Beklagten im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber als innerbetrieblicher Vorgang dar (vgl. BGH NJW 1995, 1558 unter I 3). Gleiches gilt auch im insofern maßgeblichen Verhältnis des Beklagten zur Schädigerin. Die Drittwiderbeklagte zu 1) hatte sich als Beschäftigte der Firma … mit dem Einfahren auf den Betriebsparkplatz ebenfalls in deren Organisationsbereich begeben. Sie unterlag daher ebenso wie der Beklagte den betrieblichen Notwendigkeiten und Weisungen des Arbeitgebers zur Aufrechterhaltung eines geordneten Verkehrs auf dem Firmenparkplatz. Für sie war daher das Fahren auf dem Parkplatz im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber und damit auch im Verhältnis zu dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter des Unternehmens ein innerdienstlicher Vorgang (vgl. BGH VersR 1988, 391 unter 2 a.E.).
4. Aus den gleichen Gründen stellt sich der Unfall für die Drittwiderbeklagte zu 1) als „betriebliche Tätigkeit“ im Sinne von § 637 Abs. 1 RVO a.F. dar. Der Begriff der betrieblichen Tätigkeit umfasst auch solche betriebsbezogenen und dem Betriebsinteresse dienenden Tätigkeiten, zu denen der Beschäftigte zwar nicht beauftragt, aber befugt ist (BAG VersR 1974, 1077 unter 2 b). Das Einfahren auf den betriebseigenen Parkplatz stellt eine solche dem Betriebsinteresse dienende Tätigkeit dar, zu der die Drittwiderbeklagte in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmerin der Firma … befugt war. Der Firmenparkplatz ist Teil des betrieblichen Angebotes an die Mitarbeiter, ihre Fahrzeuge im Organisationsbereich des Arbeitgebers geordnet — nämlich unter Einhaltung der dort geltenden betrieblichen Ordnung — einzufahren und unterzustellen, um dadurch eine zügige Arbeitsaufnahme zu gewährleisten. Dient die Benutzung des Mitarbeiterparkplatzes damit auch betrieblichen Interessen, so ist sie für den hierfür berechtigten Mitarbeiter zugleich betriebliche Tätigkeit. Überdies ist die Einfahrt auf den Firmenparkplatz — wie gezeigt — im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine innerbetriebliche Angelegenheit. Auch dies spricht nachhaltig dafür, das Einfahren auf den Parkplatz als betriebliche Tätigkeit im Sinne von § 637 Abs. 1 RVO zu verstehen (ähnlich auch BAG VersR 1974, 1077 unter 2 b; OLG Hamm VersR 1995, 461, ArbG Köln ZfS 1989, 157; vgl. auch BGH NJW-RR 1993, 911; a.A. OLG Oldenburg VersR 1995, 239).
5. Nach alledem bestand für die Drittwiderbeklagte zu 1) die Haftungsbegrenzung der §§ 636 Abs. 1, 637 Abs. 1 RVO. Dass auch die Drittwiderbeklagte zu 2), die als Halterin des unfallbeteiligten Fahrzeuges nach § 7 Abs. 1 StVG Mitverursacherin und damit ebenfalls für die Unfallfolgen verantwortlich ist, zum Unfallzeitpunkt Arbeitnehmerin der Firma … gewesen ist und sich damit möglicherweise auf dieses Haftungsprivileg berufen kann, ist nicht dargetan. Darauf kommt es im gegebenen Fall allerdings auch nicht an. Auch dann, wenn die Drittwiderbeklagte zu 2) nicht haftungsprivilegiert ist, kann der Beklagte sie für Schäden, die unter das Haftungsprivileg der §§ 636, 637 RVO fallen, unter den gegebenen Umständen nicht in Anspruch nehmen.
a) Ist neben dem nach §§ 636, 637 RVO haftungsprivilegierten Schädiger ein weiterer, nicht privilegierter Schädiger für den Schaden verantwortlich, liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein gestörtes Gesamtschuldverhältnis zwischen dem sog. Erstschädiger und dem sog. außenstehenden Zweitschädiger vor. Um dem Erstschädiger die Vorteile seines Haftungsprivilegs zu erhalten und zu verhindern, dass er vom nicht privilegierten Zweitschädiger im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 BGB doch noch in Anspruch genommen wird, ist die Haftung des Zweitschädigers auf denjenigen Anteil begrenzt, der im Verhältnis zum Erstschädiger auf ihn entfiele, wenn der Ausgleich nach § 426 BGB nicht durch das Haftungsprivileg verhindert würde (BGHZ 61, 51, 53 f.; 110, 114, 117; NJW 1996, 2023 unter II 1a). So liegt es hier. Neben der privilegierten Drittwiderbeklagten zu 1) haftet die Drittwiderbeklagte zu 2) als nicht privilegierte Zweitschädigerin. Der Anspruch des Beklagten gegen die Drittwiderbeklagte zu 2) kürzt sich daher auf den Anteil, der auf diese im Innenverhältnis zur Drittwiderbeklagten zu 1) entfällt.
b) Danach besteht hier kein Anspruch des Beklagten auf Ersatz seines Personenschadens gegen die Drittwiderbeklagte zu 2). Im Innenverhältnis zwischen ihr und der Drittwiderbeklagten zu 1) haftet letztere allein. Die Drittwiderbeklagte zu 1) hat in ihrer Schadensanzeige vom 27. November 1995 (Bl. 66 d.A.) sowie ergänzend in ihrer Klageerwiderung dargelegt, dass sie mit einer Geschwindigkeit von ca. 10 km/h auf dem Parkplatz fuhr und — nachdem sie die vor ihr liegende Strecke genauesten beobachtet und festgestellt hatte, dass keine Fußgänger den Weg überquerten — weiterhin geradeausfahrend „rechts nach einem Parkplatz“ gesehen hatte. Der Aufprall des Beklagten sei dann für sie plötzlich und überraschend erfolgt, weil der Beklagte offenkundig zwischen parkenden Fahrzeugen herausgetreten und in ihr Fahrzeug von links gegangen oder gelaufen sei (Bl. 88/89 d.A.). Die Richtigkeit dieses (bestrittenen) Vortrages unterstellt, trifft auch die Drittwiderbeklagte zu 1) ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalls. Indem sie beim Geradeausfahren den unmittelbar vor ihr liegenden Verkehrsraum — wenn auch offenbar nur für einen Moment — nicht beobachtet hat, hat sie das Gebot ständiger Vorsicht im Sinne von § 1 StVO, das auf dem (Privat) Parkplatz der Firma … zumindest in entsprechender Anwendung der unmittelbar nur für öffentlichen Verkehrsgrund geltenden Straßenverkehrsordnung zu beachten ist (vgl. Geigel/Haag aaO Kap. 27. Rdnr. 32 m.w.N.), nicht hinreichend eingehalten. Dass sie bei gebotener Beobachtung des vor ihr liegenden Verkehrsraumes ihr Fahrzeug nicht mehr rechtzeitig hätte abbremsen und den Unfall dadurch hätte vermeiden können, hat sie nicht vorgetragen und ist auch angesichts ihrer niedrigen Fahrgeschwindigkeit nahezu ausgeschlossen. Trifft sie damit an dem Unfall zumindest ein (Mit-)Verschulden, während sich der Mitverursachungsanteil der Drittwiderbeklagten zu 2) darauf beschränkt, der Drittwiderbeklagten zu 1) das Fahren mit ihrem Fahrzeug ermöglicht zu haben, haftet die Drittwiderbeklagte zu 1) im Innenverhältnis zur Drittwiderbeklagten zu 2) abweichend von der Vermutung des § 426 Abs. 1 BGB für den Unfall allein (vgl. für eine ähnliche Fallgestaltung: BGH NJW-RR 1993, 911, 912 unter II 3 b).
6. Waren somit weder die unfallbeteiligte Halterin noch die unfallbeteiligte Fahrerin dem Beklagten gegenüber zum Ersatz des Personenschadens verpflichtet, besteht insoweit auch keine Haftung des klagenden Haftpflichtversicherers, so dass der Klage auf Rückzahlung der auf den Personenschaden des Beklagten geleisteten Entschädigung stattzugeben und die auf Ersatz seines Personenschadens gerichtete Widerklage des Beklagten abzuweisen war. Dies gilt auch, soweit die Widerklage auf Feststellung der Ersatzpflicht der Klägerin und Drittwiderbeklagten für zukünftige materielle Schäden des Beklagten gerichtet ist. Da weitere Sachschäden, die nicht von dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Teilvergleich erfasst werden, für die Zukunft nicht zu erwarten sind, wäre ein entsprechender Feststellungsantrag mangels erforderlichen Feststellungsinteresses unzulässig, zumindest aber von vorneherein unbegründet (vgl. zur entsprechenden Abgrenzung und zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage BGH NJW 1991, 2707 unter I 2 m.w.N.). Der vom Beklagten gestellte Feststellungsantrag war daher im Interesse des Beklagten so auszulegen, dass er allein auf die Ersatzpflicht von zukünftigen materiellen Personenschäden gerichtet ist.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und — soweit sich die Parteien im Wege des Teilvergleichs über die Zahlung restlichen Sachschadens geeinigt haben — auf § 92 Abs. 2 ZPO, weil die Zuvielforderung der anderen Partei insofern verhältnismäßig geringfügig war und keine besonderen Kosten verursacht hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Verfahren beläuft sich auf bis zu 85.000 DM, die Beschwer des Beklagten übersteigt die Revisionssumme von 60.000 DM.