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Ladenschluss – Ende der Tagesabschlussarbeiten vor Sonn- und Feiertagen um 24 Uhr


Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg

Az: 1 B 1.12

Urteil vom 03.04.2014


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Die Klägerin betreibt u.a. in Berlin Supermärkte, die teilweise bis 24.00 Uhr geöffnet sind; sie wendet sich dagegen, an Samstagen und vor Feiertagen so rechtzeitig schließen zu müssen, dass die Tagesabschlussarbeiten vor Anbruch des Sonn- oder Feiertages erledigt sind und ihre Arbeitnehmer nicht in diese Tage hinein beschäftigt werden müssen.

Mit Schreiben vom 29. April 2009 teilte das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin (LAGetSi) der Klägerin mit, dass das Berliner Ladenöffnungsgesetz (BerlLadÖffG) und das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) keinen Raum böten, Arbeitnehmer in Verkaufsstellen an Samstagen und an Tagen vor Wochenfeiertagen nach 24.00 Uhr zu beschäftigen; auch das Bedienen von anwesenden Kunden sei an diesen Tagen nach 24.00 Uhr nicht zulässig. Es gab der Klägerin auf, die Samstagsöffnungszeiten und die Öffnungszeiten vor Wochenfeiertagen in ihren Berliner Filialen so zu gestalten, dass Kundenbedienung und notwendige Tagesabschlussarbeiten rechtzeitig beendet seien. § 3 BerlLadÖffG regele die allgemeinen Ladenöffnungszeiten, Verkaufsstellen dürften danach an Werktagen von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr geöffnet sein. Eine Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern außerhalb der Öffnungszeiten für weitere 30 Minuten zur Erledigung von Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten sei nur für zulässige und zugelassene Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen vorgesehen. Jede Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern an Samstagen und an Tagen vor Wochenfeiertagen nach 24.00 Uhr sei ordnungswidrig und könne mit einer Geldbuße bis zu 15.000,00 Euro geahndet werden.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2009 teilte die Klägerin der Behörde mit, einstweilen durch geeignete Maßnahmen bis hin zu entsprechenden Änderungen der Spätöffnungszeiten an Samstagen und Tagen vor gesetzlichen Feiertagen (Wochenfeiertagen) sichergestellt zu haben, dass die betreffenden Filialen spätestens um 24.00 Uhr geschlossen und somit danach auch keine Nacharbeiten mehr erforderlich seien. Diese Veränderungen beruhten allerdings weder auf ihrer eigenen Überzeugung noch würden sie von der Kundschaft getragen.

Am 1. September 2009 hat die Klägerin Feststellungklage erhoben, wonach sie nicht verpflichtet sei, die Samstagsöffnungszeiten und die Öffnungszeiten vor Wochenfeiertagen der Berliner Filialen bzw. Märkte so zu gestalten, dass Kundenbedienung und notwendige Tagesabschlussarbeiten bis 24.00 Uhr erledigt werden könnten.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Das BerlLadÖffG lasse die Erledigung von Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten für weitere 30 Minuten außerhalb der Öffnungszeiten nur im Rahmen zulässiger oder zugelassener Verkaufstätigkeiten an Sonn- und Feiertagen zu. Die Regelung sei damit auf diese besonderen Öffnungsmöglichkeiten beschränkt. Hierüber könnten sich auch die Tarifparteien nicht hinwegsetzen. Ebenso lasse das ArbZG Sonn- und Feiertagsarbeit nur in besonderen Fällen zu. Tätigkeiten im Einzelhandel fielen nicht darunter; diese dürften nur bis Sonnabend 24.00 Uhr ausgeübt werden. Es bestehe kein Zwang zur Öffnung bis Mitternacht. Ein Ladenschluss um eine halbe Stunde früher lasse ausreichend Spielraum für Kassenabschluss- und Aufräumarbeiten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. November 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte verlange von der Klägerin zu Recht, die Öffnungszeiten ihrer Verkaufsmärkte an Samstagen und vor (Wochen-) Feiertagen so zu gestalten, dass sämtliche Arbeiten bis 24.00 Uhr erledigt seien. Eine Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern zur Erledigung von Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten sei nach gegenwärtiger Rechtslage nicht zulässig. Ihr stehe das auch von Verfassungs wegen geforderte, in § 9 Abs. 1 ArbZG geregelte Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung entgegen. Ein gesetzlicher Ausnahmetatbestand sei vorliegend nicht gegeben.

§ 7 Abs. 1 BerlLadÖffG sei schon tatbestandlich nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift dürften Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen nur mit Verkaufstätigkeiten während der jeweils zulässigen oder zugelassenen Öffnungszeiten und, soweit dies zur Erledigung von Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten unerlässlich ist, während weiterer 30 Minuten beschäftigt werden. Dies umfasse eine regelmäßige Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern im vorliegenden Zusammenhang nicht. Der Anwendungsbereich der Norm sei nur dann eröffnet, wenn die Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ausnahmsweise zulässig oder zugelassen sei. Die Regelung ziehe insofern die beschäftigungsrechtliche Konsequenz aus der ausnahmsweise erlaubten Ladenöffnung. Es handele sich damit gewissermaßen um eine „Annexregelung“ zu den gesetzlichen Ausnahmen vom Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen. Aus dem Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel (vom 6. Juli 1994, in der Fassung des Ergänzungstarifvertrags vom 20. Juli 2011; im Folgenden: MTV) ergäbe sich insoweit entgegen dem Vorbringen der Klägerin nichts Anderes, und zwar schon deshalb nicht, weil es angesichts des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes einer ausdrücklichen Ermächtigung der Tarifparteien bedürfte, abweichende Regelungen zu treffen, die im BerlLadÖffG fehlten.

Eine entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 1 BerlLadÖffG scheide aus. Dabei könne offen bleiben, ob eine planwidrige Regelungslücke bestehe. Denn jedenfalls fehle es an einer vergleichbaren Interessenlage als weiterer Voraussetzung für eine Gesetzesanalogie. Denn anders als in dem unmittelbar von § 7 Abs. 1 BerlLadÖffG erfassten Fall würde eine Gesetzesanalogie eine Sonn- bzw. Feiertagsbeschäftigung in den Filialen der Klägerin hier zur Regel werden lassen. Dies bedürfe – so es verfassungsrechtlich überhaupt zulässig sei – einer Regelung durch den Gesetzgeber.

Auch Ausnahmen nach dem allgemeinen Arbeitszeitrecht griffen nicht. Zwar könne gem. § 9 Abs. 2 ArbZG in mehrschichtigen Betrieben mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht Beginn oder Ende der Sonn- und Feiertagsruhe um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden, wenn für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden der Betrieb ruhe. Die Verkaufsmärkte der Klägerin seien jedoch keine mehrschichtigen Betriebe mit regelmäßiger Tag- und Nachtschicht. Es fehle dafür schon an der Nachtarbeit, die nach der Legaldefinition voraussetze, dass in der Nachtschicht länger als bis 1.00 Uhr gearbeitet werden müsse. Die Regelung ziele nach der Gesetzesbegründung nur auf bestimmte Betriebe des produzierenden Gewerbes, u.a. Bergwerke, Fabriken, Werkstätten, Bauhöfe, da ihr Anwendungsbereich § 105b Abs. 1 Satz 4 GewO a.F. habe entsprechen sollen. Soweit § 8 Ziff. 1 Satz 1 MTV Nachtarbeit als Arbeit definiere, die in der Zeit von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr geleistet werde, habe dies lediglich vergütungsrechtliche Bedeutung. Selbst wenn aufgrund von § 8 Ziff. 1 Satz 1 MTV davon auszugehen wäre, dass in den Verkaufsmärkten der Klägerin Nachtarbeit im Sinne des ArbZG geleistet würde, so handelte es sich allein deshalb noch nicht um Betriebe mit regelmäßiger Nachtschicht, denn eine Nachtschicht sei nur bei einer vollen Schicht innerhalb der Nachtzeit gegeben.

Auch die weiteren Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung rechtfertigten das Verständnis der Klägerin nicht. Das gelte insbesondere für § 10 Abs. 1 Nr. 14 ArbZG. Danach dürften Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden bei der Reinigung und Instandhaltung von Betriebseinrichtungen, soweit hierdurch der regelmäßige Fortgang des eigenen oder eines fremden Betriebs bedingt sei, bei der Vorbereitung der Wiederaufnahme des vollen werktätigen Betriebs sowie bei der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit von Datennetzen und Rechnersystemen. Nach dem Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 ArbZG seien sämtliche der von der Regelung umfassten Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsbeschäftigung an die Voraussetzung geknüpft, dass die betreffenden Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden könnten. Eine Notwendigkeit der Arbeit an Sonn- und Feiertagen in diesem Sinne sei indes nicht gegeben. Die Weiterbeschäftigung sei offenbar allein darauf gerichtet, die nach § 3 Abs. 1 BerlLadÖffG erlaubten Ladenöffnungszeiten auch an Samstagen und vor Feiertagen voll auszuschöpfen. Sie diene damit lediglich der Umsatzsteigerung bzw. werbe- und marketingtechnischen Interessen der Klägerin, aber nicht zwingenden betrieblichen Erfordernissen. Wie die Maßnahmen verdeutlichten, die die Klägerin in Reaktion auf das Schreiben des Beklagten vom 29. April 2009 ergriffen habe, sei es der Klägerin ohne Weiteres möglich, den Betrieb in ihren Verkaufsmärkten so zu organisieren, dass eine regelmäßige Beschäftigung in den Sonn- und Feiertag hinein vermieden werde.

Ebenso wenig könne das Begehren auf § 14 ArbZG gestützt werden. Diese Regelung erlaube Abweichungen lediglich bei vorübergehenden Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen einträten und deren Folgen nicht auf andere Weise zu beseitigen seien, besonders wenn Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben oder Arbeitsergebnisse zu misslingen drohten. Ein solcher „Notfall“ oder „außergewöhnlicher Fall“ liege hier nicht vor.

Die Zulässigkeit der in Rede stehenden Weiterbeschäftigung ergebe sich auch nicht aus § 17 LadSchlG des Bundes. Nach dessen Abs. 1 der Vorschrift dürften Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen nur während der ausnahmsweise zugelassenen Öffnungszeiten (§§ 4 bis 15 LadSchlG und die hierauf gestützten Vorschriften) und, falls dies zur Erledigung von Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten unerlässlich sei, während insgesamt weiterer 30 Minuten beschäftigt werden. Damit gewähre sie ersichtlich keine weitergehenden Beschäftigungsmöglichkeiten als § 7 Abs. 1 BerlLadÖffG, der dieser Regelung nachempfunden sei. Ob die bundesrechtliche Regelung überhaupt noch Geltung beanspruchen könne, sei kompetenzrechtlich zu beantworten, letztlich aber ohne Bedeutung.

Die Klägerin hat die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Das Verwaltungsgericht lasse die Regelung in § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG außer Acht, wonach die bei Ladenschluss anwesenden Kunden noch bedient werden dürften. Unter Berücksichtigung dessen, dass die Öffnungszeiten werktags völlig freigegeben seien, habe diese Bestimmung vor allem für den Ladenschluss am Samstag bzw. an Werktagen vor einem Feiertag Bedeutung. Das Zu-Ende-Bedienen und die Abschlussarbeiten liefen parallel bzw. stellten sich als Einheit dar, mit der ein absolutes Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen nicht vereinbar sei. Einschlägig sei insoweit die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 2. Fall BerlLadÖffG, der die Beschäftigung des Verkaufspersonals mit Abschlussarbeiten über die zugelassene Öffnungszeit hinaus für insgesamt 30 Minuten zulasse. Die Sichtweise des Beklagten konterkariere die gesetzgeberische Entscheidung, die Öffnungszeiten an Werktagen völlig freizugeben. Ein abweichendes Normverständnis sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Grundentscheidung, dass Sonn- und Feiertage Tage der Arbeitsruhe seien, würden durch die in der Öffentlichkeit kaum wahrnehmbaren und deshalb auch nicht den Charakter als arbeitsfreien Tag in Frage stellenden Abschlussarbeiten nicht berührt. Vielmehr werde dieser Charakter gerade dadurch gewahrt, dass ab 24.00 Uhr kein Kunde mehr die Läden betreten könne. Die Forderung des Beklagten nach minutenscharfer Beendigung der Beschäftigung um 24.00 Uhr stelle sich vielmehr als unverhältnismäßige Beeinträchtigung der betrieblichen Organisationsfreiheit dar, weil sie dem Schutz von Sonn- und Feiertagen kaum diene, die betrieblichen Abläufe aber erheblich einschränke. Arbeitszeitrechtlich sei die Beschäftigung in den Sonn- bzw. Feiertag hinein durch § 9 Abs. 2 ArbZG gedeckt, der in mehrschichtigen Betrieben das Hinausschieben der Ruhezeit zulasse, soweit der Betrieb für die auf den Beginn der Ruhezeit folgenden 24 Stunden ruhe. Das Verwaltungsgericht schließe die Anwendung dieser Norm mit unzutreffenden Erwägungen aus. Ein mehrschichtiger Betrieb liege vor, wenn in mehreren Schichten gearbeitet werde; Anknüpfungspunkt sei insoweit der Betrieb, nicht dagegen, ob die Arbeitnehmer in mehreren oder wechselnden Schichten arbeiteten. Sinn der Vorschrift sei es, den Schichtplan nicht im Hinblick auf die Sonn- und Feiertagsruhe verändern zu müssen. Insoweit könne es nicht erheblich sein, ob in einer Schicht Nachtarbeit verrichtet, d.h. über ein Uhr hinaus gearbeitet werde. Entscheidend sei, dass das Schichtsystem eines Betriebes regelmäßig dazu führe, dass die letzte Schicht nach Mitternacht zur Nachtzeit ende. Auf das Verhältnis der bundesrechtlichen Arbeitszeitregelungen und des landesrechtlichen Ladenschlussrechts komme es nicht entscheidungserheblich an, weil beide Regelwerke die Forderung des Beklagten nicht zu rechtfertigen vermöchten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 30. November 2011 zu ändern und festzustellen, dass der Beklagte von der Klägerin nicht verlangen kann, die Samstagsöffnungszeiten und die Zeiten vor Wochenfeiertagen ihrer Berliner Filialen so zu gestalten, dass Kundenbedienung und notwendige Tagesabschlussarbeiten bis 24.00 Uhr erledigt werden können.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere ist er der Auffassung, dass § 9 Abs. 2 ArbZG nicht auf Einzelhandelsbetriebe anzuwenden sei. Die Argumentation der Klägerin übersehe, dass die Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nicht die Regel sein dürfe, sondern nur ausnahmsweise gerechtfertigt werden könne. Eine Streichung des § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG sei unter dem Eindruck des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Dezember 2009 zur Ladenöffnung an den Adventssonntagen in Berlin als überflüssig angesehen worden, weil es – wie der Gesetzgeber gesehen habe – Sache der Ladenbesitzer sei, die Ladenöffnungszeiten innerhalb des gesetzlichen Rahmens so zu legen, dass sie nicht mit höherrangigem Recht in Konflikt gerieten. Verfassungsrechtlich komme es im Hinblick auf die Wahrnehmbarkeit nicht darauf an, ob die Tätigkeiten dem vergangenen Werktag zugeordnet würden; entscheidend sei, dass die Klägerin mit regelmäßigen Öffnungszeiten bis 24.00 Uhr werbe und damit die Erwartung bei den Kunden wecke, dass sie bis 24.00 Uhr das Geschäft betreten könnten und noch bedient würden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten (1 Hefter) ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Ihre negative Feststellungsklage bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte muss es nicht unterlassen, die Klägerin zu einem Ladenschluss ihrer Berliner Filialen vor Sonn- und Feiertagen anzuhalten, wonach sie am nachfolgenden Sonntag oder einem Wochenfeiertag (ab 0.00 Uhr) geschlossen sind, d.h. auch keine Kunden mehr bedient oder Abschlussarbeiten durchgeführt werden. Denn die Klägerin ist nach der Rechtslage dazu verpflichtet. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Nach § 3 Abs. 1 des Berliner Ladenöffnungsgesetzes – BerlLadÖffG – vom 14. November 2006 (GVBl. S. 1045) in der Fassung des Gesetzes vom 13. Oktober 2010 (GVBl. S. 467) dürfen Verkaufsstellen – das sind die Ladengeschäfte der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BerlLadÖffG – von 0.00 bis 24.00 Uhr geöffnet sein. An Sonn- und Feiertagen müssen Verkaufsstellen, soweit die §§ 4 bis 6 BerlLadÖffG nicht anderes bestimmen, hingegen geschlossen sein; dies entspricht dem von dem Verwaltungsgericht vornehmlich herangezogenen § 9 Abs. 1 ArbZG, wonach Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0.00 bis 24.00 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen. So liegt es auch hier, soweit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Klägerin an Sonn- und Feiertagen nach 0.00 Uhr noch mit Kundenbedienung oder Tagesabschlussarbeiten beschäftigt werden sollen. Ausnahmen hiervon ergeben sich weder aus den §§ 4 bis 6 BerlLadÖffG noch aus anderen Regelungen. Dazu im Einzelnen:

1. Die Klägerin kann sich gegenüber dem Gebot der regelmäßigen Schließung an Sonn- und Feiertagen nicht darauf berufen, dass § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG dahin ausgelegt werden könnte, dass Kunden auch noch nach 24.00 Uhr zu bedienen sind oder notwendige Abschlussarbeiten nach Anbruch des Sonn- und Feiertages abgewickelt werden dürften. Dies lässt sich schon dem Wortlaut dieser Bestimmung kaum entnehmen. Danach dürfen die bei Ladenschluss anwesenden Kundinnen und Kunden noch bedient werden. Das meint, dass bei Ladenschluss noch im Laden befindliche Kundinnen und Kunden ihren Einkauf noch sollen zu Ende tätigen dürfen; zu Tagesabschlussarbeiten wie etwa dem Wegschließen der Einnahmen etc. verhält sich diese Norm freilich nicht. Selbst wenn man sie im Sinne der Klägerin weit verstehen wollte, wäre eine solche Auslegung mit dem Schließungsgebot an Sonn- und Feiertagen nicht vereinbar; § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG entbindet nicht von der Einhaltung der sonst geregelten Schließungsgebote. Im Regelungszusammenhang von § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Nr. 1 BerlLadÖffG bedeutet dies, dass der Ladeninhaber die Verkaufsstelle so rechtzeitig zu schließen hat, dass die Schließung über den gesamten Sonn- und Feiertag – also beginnend ab 0.00 Uhr – sichergestellt ist, d.h. keine Kunden mehr zu Ende bedient oder vom Verkaufspersonal Abwicklungsarbeiten durchgeführt werden.

Der hiergegen von der Klägerin hauptsächlich erhobene Einwand, dass damit die gesetzliche Möglichkeit, ihre Ladengeschäfte am Sonnabend und vor Feiertagen bis 24.00 Uhr geöffnet zu halten, entwertet und damit in die ihr insoweit eröffnete betriebliche Organisationsfreiheit eingegriffen werde, verkennt, dass das Gesetz diese Freiheit tatsächlich nicht eröffnet und gemessen an den verfassungsrechtlichen Grenzen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit aus Art 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV auch gar nicht eröffnen darf. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Ladenöffnung an den Adventssonntagen u.a. grundsätzlich ausgeführt (Urteil vom 1. Dezember 2009 – 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07 – BVerfGE 125, 39 ff., Juris, Rn. 151 ff.):

„a) Charakter und Umfang der Schutzgarantie des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV haben durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon bisher eine Konkretisierung erfahren:

Art. 139 WRV enthält einen Schutzauftrag an den Gesetzgeber (vgl. BVerfGE 87, 363 <393>), der für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert (vgl. BVerfGE 87, 363 <393>; 111, 10 <53>). Grundsätzlich hat die typische „werktägliche Geschäftigkeit“ an Sonn- und Feiertagen zu ruhen. Der verfassungsrechtlich garantierte Sonn- und Feiertagsschutz ist nur begrenzt einschränkbar. Ausnahmen von der Sonn- und Feiertagsruhe sind zur Wahrung höher- oder gleichwertiger Rechtsgüter möglich; in jedem Falle muss der ausgestaltende Gesetzgeber aber ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes wahren (vgl. BVerfGE 111, 10 <50>).

Im Einzelnen gilt insoweit: Der Schutz der Sonn- und Feiertage wird in Art. 139 WRV als gesetzlicher Schutz beschrieben. Dies bedeutet, dass die Institution des Sonn- und Feiertags unmittelbar durch die Verfassung garantiert ist, die Art und das Ausmaß des Schutzes aber einer gesetzlichen Ausgestaltung bedürfen. Der Gesetzgeber darf in seinen Regelungen auch andere Belange als den Schutz der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zur Geltung bringen. Ihm ist deshalb ein Ausgleich zwischen Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV einerseits und Art. 12 Abs. 1, aber auch Art. 2 Abs. 1 GG anderseits aufgegeben (vgl. BVerfGE 111, 10 <50>).

Der Schutz des Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV ist nicht auf einen religiösen oder weltanschaulichen Sinngehalt der Sonn- und Feiertage beschränkt. Umfasst ist zwar die Möglichkeit der Religionsausübung an Sonn- und Feiertagen. Die Regelung zielt in der säkularisierten Gesellschafts- und Staatsordnung aber auch auf die Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung. An den Sonn- und Feiertagen soll grundsätzlich die Geschäftstätigkeit in Form der Erwerbsarbeit, insbesondere der Verrichtung abhängiger Arbeit, ruhen, damit der Einzelne diese Tage allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert von werktäglichen Verpflichtungen und Beanspruchungen nutzen kann. Geschützt ist damit der allgemein wahrnehmbare Charakter des Tages, dass es sich grundsätzlich um einen für alle verbindlichen Tag der Arbeitsruhe handelt. Die gemeinsame Gestaltung der Zeit der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung, die in der sozialen Wirklichkeit seit jeher insbesondere auch im Freundeskreis, einem aktiven Vereinsleben und in der Familie stattfindet, ist insoweit nur dann planbar und möglich, wenn ein zeitlicher Gleichklang und Rhythmus, also eine Synchronität, sichergestellt ist. Auch insoweit kommt gerade dem Sonntag im Sieben-Tage-Rhythmus und auch dem jedenfalls regelhaft landesweiten Feiertagsgleichklang besondere Bedeutung zu. Diese gründet darin, dass die Bürger sich an Sonn- und Feiertagen von der beruflichen Tätigkeit erholen und das tun können, was sie individuell für die Verwirklichung ihrer persönlichen Ziele und als Ausgleich für den Alltag als wichtig ansehen. Die von Art. 139 WRV ebenfalls erfasste Möglichkeit seelischer Erhebung soll allen Menschen unbeschadet einer religiösen Bindung zuteil werden (vgl. BVerfGE 111, 10 <51>).

b) Der Gesetzgeber kann bei dem Ausgleich gegenläufiger Schutzgüter im Rahmen seines Gestaltungsspielraums auf eine geänderte soziale Wirklichkeit, insbesondere auf Änderungen im Freizeitverhalten, Rücksicht nehmen. Allerdings führt der Schutz der Verwirklichung von Freizeitwünschen der Bürger insoweit zu einem Konflikt, als diese auf die Bereitstellung von Leistungen angewiesen sind, die den Arbeitseinsatz der Anbieter solcher Leistungen erfordern.

Einfachrechtlich werden schon seit jeher an Sonn- und Feiertagen Arbeiten gestattet, die aus gesellschaftlichen oder technischen Gründen notwendig sind. Diese Arbeiten „trotz des Sonn- und Feiertags“ sind in Grenzen durchaus zulässig. So ist anerkannt, dass etwa zum Schutz von Grundrechten und sonst gewichtigen Rechtsgütern der Bürger oder der Gemeinschaft in Rettungsdiensten, bei Feuerwehr, Polizei, in der gesamten medizinischen Versorgung, für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur – neben der Energieversorgung auch die Sicherung der Mobilität (Autostraßen, Bahnen, Busse, Luftverkehr) – an Sonn- und Feiertagen gearbeitet werden darf. In diesen Bereich fallen auch die vielfältigen Notdienste der unterschiedlichen Branchen und die Ausnahmen im industriellen Bereich aus produktionstechnischen Gründen. Für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich und damit aus beschäftigungspolitischen Erwägungen ist schließlich im Bereich der Industrie eine Ausnahme vom Sonntagsschutz seit langem akzeptiert, zumal diese der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend entzogen ist und ihr damit kein prägender Charakter für den äußeren Ruherahmen der Sonntage zukommt (vgl. nur die Ausnahmeregelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 14 bis 16 und Abs. 2 sowie insbesondere in § 13 Abs. 1, 4 und 5 Arbeitszeitgesetz – ArbZG). Dem entspricht, dass etwa der öffentlich wahrnehmbare Schwerlastverkehr aufgrund verkehrsrechtlicher Bestimmung als Ausdruck des Sonntagsschutzes grundsätzlich ruht, es aber auch hier Ausnahmen gibt (vgl. § 30 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung). Neben diesen Feldern der „Arbeit trotz des Sonntags“ ist auch die „Arbeit für den Sonntag“ anerkannt, die etwa in der Hotel- und Gastronomiebranche und im Bereich der Sicherstellung der Mobilität des Einzelnen dazu dient, den Bürgern eine individuelle Gestaltung ihres Tages der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung zu ermöglichen. Stets aber muss ein hinreichendes Niveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 111, 10 <51 f.>). Das gilt auch im Blick auf die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 111, 10 <50, 52>).

c) Auf dieser Grundlage ergibt sich, dass gesetzliche Schutzkonzepte für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe erkennbar diese Tage als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben müssen. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ladenöffnung bedeutet dies, dass die Ausnahme eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedarf. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse („Shopping-Interesse“) potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsunmittelbar verankerten Schutz der Arbeitsruhe und der Möglichkeit zu seelischer Erhebung an Sonn- und Feiertagen zu rechtfertigen. Darüber hinaus müssen Ausnahmen als solche für die Öffentlichkeit erkennbar bleiben und dürfen nicht auf eine weitgehende Gleichstellung der sonn- und feiertäglichen Verhältnisse mit den Werktagen und ihrer Betriebsamkeit hinauslaufen.

Dem Regel-Ausnahme-Gebot kommt generell umso mehr Bedeutung zu, je geringer das Gewicht derjenigen Gründe ist, zu denen der Sonn- und Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt wird und je weitergreifend die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ausgestaltet ist.“

Nach dieser hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Senat bindenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die regelmäßigen Ladenöffnungszeiten nicht aus Gründen des wirtschaftlichen Umsatzinteresses der Verkaufsstelleninhaber oder eines allgemeinen Kaufinteresses der Bürger so ausgestaltet werden, dass sie regelmäßig zur Offenhaltung der Geschäfte während des Sonn- oder Feiertages führen, an dem sie ganztägig geschlossen sein müssen. So läge es freilich nach den Vorstellungen der Klägerin, ohne dass hier ein dem Sonn- und Feiertagsschutz gerecht werdender Sachgrund erkennbar wäre. Die Regelung in § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG unterliegt insoweit von Verfassungs wegen der immanenten Beschränkung, dass Verkaufsstellen von Sonn- und Feiertagen für Kunden so rechtzeitig geschlossen werden müssen, dass die Kunden sie um 24.00 Uhr verlassen haben und sie tatsächlich zu sind. Das Gesetz weist insoweit keinen Spielraum auf, der entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 1 BerlLadÖffG ein eingeschränktes Offenhalten von Verkaufsstellen nach der Öffnung an Samstagen oder an Werktagen von Wochenfeiertagen über 24.00 Uhr hinaus erlauben würde, um die Kunden zu bedienen, die bis 24.00 Uhr die Verkaufsstelle betreten haben, und – auch unerlässliche – Abschlussarbeiten durchzuführen.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG im Gesetzgebungsverfahren zunächst gestrichen werden sollte, der Gesetzgeber dann jedoch davon Abstand genommen habe, führt dies nicht zu einer für die Klägerin günstigen Auslegung im Verhältnis von § 3 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 Nr. 1 BerlLadÖffG. Ist deren Verhältnis nämlich verfassungsrechtlich determiniert, bleibt kein Raum für eine Auslegung anderer Bestimmungen des Gesetzes, die insoweit die Grenzen im Sinne einer regelmäßigen Einschränkung der Sonn- und Feiertagsruhe verschieben würde. Die Regelung des § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG wird bei diesem Verständnis, wonach sie an Sonnabenden und Werktagen vor Wochenfeiertagen nicht greift, auch nur vermeintlich eines ihrer letzten Anwendungsfälle beraubt. Diese Sichtweise beruht auf dem überkommenen Verständnis des Ladenschlusses, so wie es für die bisherige, einen früheren Ladenschluss anordnende Regelung im Ladenschlussgesetz anerkannt war. Es kann aber nicht mehr in gleicher Weise zur Anwendung kommen, wenn die Ladenöffnungszeiten werktags grundsätzlich freigegeben sind, wie dies § 3 Abs. 1 BerlLadÖffG vorsieht. Es ist jedoch nicht zu verkennen, dass das bisherige Verständnis in der Bevölkerung zur Ausbildung der Vorstellung geführt haben mag, dass man in einem Geschäft, das man vor Ladenschluss betreten hat, auch noch bedient wird. Die Beibehaltung der Regelung kann deshalb im Sinne einer Fortführung eingebürgerter Gepflogenheiten zugunsten der Verbraucher verstanden werden, nach der es auch dann, wenn der Ladenschluss in das Belieben des Verkaufsstelleninhabers gestellt ist, dabei bleiben soll, dass anwesende Kunden nach dem gewillkürten Ladenschluss noch bedient werden sollen. Überdies verbleiben für die Anwendung der Vorschrift für ein Offenhalten nach einem zeitlich fixierten Ladenschluss noch Anwendungsfälle übrig (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 sowie im Rahmen des Ausnahmen des § 6 BerlLadÖffG). Auch das mag die gesetzgeberische Entscheidung beeinflusst haben, die an sich überflüssige Regelung doch beizubehalten. Jedenfalls aber geht es zu weit, aus der Beibehaltung schließen zu wollen, mit dieser sei eine Einschränkung der allgemeinen Sonn- und Feiertagsruhe gewollt gewesen. Insoweit ist, wie der Beklagte mit der Berufungserwiderung zu Recht geltend macht, im Gesetzgebungsverfahren zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Berliner Ladenöffnungsgesetzes ausdrücklich hervorgehoben worden, dass – unbeschadet der Beibehaltung des § 3 Abs. 4 BerlLadÖffG – die Ladenbesitzer angehalten seien, die Ladenöffnungszeiten so zu regeln, dass sie nicht in Konflikt mit höherrangigem Recht gerieten; der regelmäßige Verkauf in der Sonntagnacht sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vom 1. Dezember 2009) weiterhin unzulässig (vgl. Plenarprotokoll 16/71 über die 71. Sitzung des Abgeordnetenhauses Berlin vom 7. Oktober 2010, S. 6761).

2. Auch die Betrachtung arbeitszeitrechtlicher Regelungen verhilft der Klägerin nicht zu einer günstigeren Rechtsposition. Folgt nämlich schon aus dem Verhältnis der ladenöffnungsrechtlichen Bestimmungen zueinander, dass eine Gestaltung des Ladenschlusses durch den Ladeninhaber, die zu einer regelmäßigen Beanspruchung der ersten halben Stunde des Sonn- und Feiertages führt, unzulässig ist, kann es darauf, ob einem Ladeninhaber die Beschäftigung von Arbeitnehmern in diesem Zeitraum gestattet wäre, nicht entscheidend ankommen. Allerdings bestätigen die überzeugenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Auslegung des Arbeitszeitgesetzes indessen einen Gleichklang zwischen dem Berliner Ladenöffnungsgesetz und dem Arbeitszeitgesetz, so dass auch dessen Bestimmungen dem Feststellungsbegehren der Klägerin, das zwingend die Inanspruchnahme abhängig beschäftigter Arbeitnehmer voraussetzt, entgegenstehen.

Der Senat teilt die Auffassung, nach der die allgemeine Ausnahmevorschrift von dem Beschäftigungsverbot für Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen in § 9 Abs. 2 ArbZG nicht auf Einzelhandelsbetriebe anwendbar ist. Sie zielt auf mehrschichtige Betriebe des produzierenden Gewerbes, denen ermöglicht werden soll, die normale Nachtschicht vor der 24stündigen Sonn- oder Feiertagsruhe zu Ende zu führen, wenn dies den Betriebsablauf erleichtert. Eine Anwendung dieser Vorschrift auf Einzelhandelsbetriebe, bei denen die regelmäßige Schließung an Sonn- und Feiertagen für die Betriebsabläufe in der Regel keine Schwierigkeiten bringt, sondern ein traditionelles Merkmal ist, ist weder von ihrem Sinn und Zweck gedeckt, noch besteht dafür ein Bedürfnis. Davon abgesehen würde eine Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 ArbZG auf Einzelhandelsbetriebe auch zu einer wettbewerbsrechtlichen Bevorzugung großer (Beschäftigten-)Unternehmen gegenüber inhaber- oder familiengeführten Geschäften führen, die vom Ladenschlussrecht nicht gewollt ist. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Juni 2004 (- 1 BvR 636/02 -, BVerfGE 111, 10 ff., Juris, Rdn. 118) das Folgende ausgeführt:

„Ein mit dem Arbeitszeitschutz zusammenhängender Zweck des Ladenschlussgesetzes ist die Sicherung der Wettbewerbsneutralität (vgl. BVerfGE 104, 357 <360> mit Hinweis auf BVerfGE 13, 237 <240>). (…) Die Begrenzung der Ladenöffnung am Abend dient ferner dem Ziel, Geschäfte ohne oder mit wenigen Beschäftigten in der Konkurrenz mit großen Unternehmen insoweit nicht zu benachteiligen, als es diesen leichter fallen kann, mit Hilfe von Schichtarbeit länger geöffnet zu haben. Der Schutz vor Konkurrenz ist zwar nicht als eigenständiges Ziel zur Beschränkung der Berufsfreiheit anzuerkennen (so insbesondere betreffend die Berufszulassung BVerfGE 7, 377 <408>; 11, 168 <188 f.>). Es ist dem Gesetzgeber aber nicht verwehrt, Konkurrenzvorteile zu unterbinden, die aus der Verfolgung eines anderweitigen legitimen Schutzziels abgeleitet werden können, wie hier aus den Schutzvorkehrungen für Ladenangestellte.“

3. Schließlich führt hier auch die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 1 BerlLadÖffG, nach der das Verkaufspersonal in Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen nur mit Verkaufstätigkeiten während der jeweils zulässigen oder zugelassenen Öffnungszeiten und, soweit dies zur Erledigung von Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten unerlässlich ist, während weiterer 30 Minuten beschäftigt werden darf, zu keinem anderen Ergebnis. Die Regelung ist tatbestandlich nur auf die Fälle der Sonn- und Feiertagsöffnung nach §§ 4 bis 6 BerlLadÖffG anwendbar und gestaltet ersichtlich nur diese Ausnahmetatbestände aus. Auch für eine analoge Anwendung ist kein Raum. Weder weist das Gesetz, das aus den erläuterten Gründen die regelmäßige Schließung der Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen anordnet, insoweit eine planwidrige Lücke auf, noch passt die vorliegend für die Ausnahmen getroffene Bestimmung auf die Situation der Schließung an Sonnabenden und vor Wochenfeiertagen. Denn es geht um die grundsätzlich nicht mehr beschränkte Ladenöffnungszeit, bei der es der Ladeninhaber durch die Freigabe der Öffnungszeiten an Werktagen in der Hand hat, den Ladenschluss so zu regeln, dass eine unerlässliche Inanspruchnahme von Arbeitszeit am Sonn- oder Feiertag nicht anfällt.

Auch sonstige Ausnahmebestimmungen, die das Begehren der Klägerin gestatten würden, sind vorliegend nicht erfüllt; insoweit wird ergänzend auf die zutreffenden erstinstanzlichen Ausführungen Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.


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