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Treuwidrigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts

Vorkaufsrecht: Klare Grenzen laut OLG Frankfurt

Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts ist maßgeblich, ob der Berechtigte bei Ausübung Kenntnis von allen relevanten Umständen hatte; die Nichteinhaltung einer Frist für eine Anzahlung nach der Ausübung des Rechts begründet keine Treuwidrigkeit. Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass der Vorkaufsberechtigte durch die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts hinreichend über schuldrechtliche Ansprüche geschützt ist und keinen Missbrauch des Rechts darstellt, wenn die Frist zur Anzahlung nicht eingehalten wird.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wirksamkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts hängt vom Kenntnisstand des Berechtigten zum Zeitpunkt der Ausübung ab.
  • Eine nachträglich gesetzte Frist für eine Anzahlung, die nach der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht eingehalten wird, führt nicht zur Treuwidrigkeit der Ausübung.
  • Der Vorkaufsberechtigte bleibt durch allgemeine schuldrechtliche Ansprüche geschützt, selbst wenn es nach der Ausübung des Vorkaufsrechts zu Pflichtverletzungen kommt.
  • Im konkreten Fall wurde die Beklagte zu 1 verurteilt, die Zustimmung zur Auflassung zweier Grundstücke zu erteilen, wobei die Klägerin einen Teil der Prozesskosten tragen muss.
  • Die Revision wurde nicht zugelassen, und das Urteil ist damit vorläufig vollstreckbar.

Der Rechtliche Konflikt um Vorkaufsrechte

Bei Vorkaufsrechten handelt es sich um ein vertraglich vereinbartes Recht, welches dem Berechtigten die Möglichkeit einräumt, ein Grundstück zum gleichen Preis wie ein Dritter zu erwerben. Dieses Recht soll dem Vorkaufsberechtigten Schutz vor einer nachteiligen Veräußerung des Grundstücks bieten.

Konflikte entstehen häufig, wenn die Ausübung des Vorkaufsrechts als treuwidrig angesehen wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Berechtigte nicht über alle relevanten Umstände informiert war oder bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt wurden. In solchen Fällen stellt sich die rechtliche Frage, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts wirksam war oder nicht.

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➜ Der Fall im Detail


Treuwidrigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts: Ein entscheidendes Urteil

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand die Frage, ob die Ausübung eines Vorkaufsrechts unter bestimmten Umständen als treuwidrig anzusehen ist. Die Klägerin, eine Betreiberin von Bowlingbahnen, beanspruchte das Vorkaufsrecht für ein Gelände in Stadt1/Stadtteil1, auf dem sie bereits geschäftlich aktiv war. Dieses Recht wurde im Zuge eines Kaufvertrags zwischen den Eigentümern des Geländes und einem Dritten ausgelöst. Die Klägerin meldete daraufhin ihr Interesse an, das Vorkaufsrecht zu nutzen, und leitete die entsprechenden juristischen Schritte ein.

Entscheidung des Gerichts: Ausübung des Vorkaufsrechts zulässig

Das OLG Frankfurt am Main entschied zugunsten der Klägerin. Es stellte klar, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts an sich nicht treuwidrig war. Maßgeblich für die Beurteilung der Treuwidrigkeit sei der Zeitpunkt und der Kenntnisstand des Vorkaufsberechtigten bei Ausübung des Rechts. Eine nachträglich gesetzte Frist zur Leistung einer Anzahlung durch den Vorkaufsverpflichteten sei nicht ausschlaggebend für die Bewertung der Rechtsausübung als treuwidrig. Die Interessen des Vorkaufsverpflichteten seien durch allgemeine schuldrechtliche Ansprüche, wie Schadensersatz oder Rücktritt, hinreichend geschützt.

Bedeutung des Urteils für die Rechtspraxis

Das Urteil betont die Wichtigkeit des Zeitpunkts und des Kenntnisstands des Vorkaufsberechtigten bei der Ausübung des Vorkaufsrechts. Es unterstreicht zudem, dass die allgemeinen schuldrechtlichen Mechanismen ausreichend Schutz bieten und eine nachträgliche Fristsetzung für Anzahlungen nicht automatisch zur Treuwidrigkeit der Ausübung führt. Dieser Fall verdeutlicht die Notwendigkeit, die Rechte und Pflichten beim Vorkaufsrecht genau zu prüfen und gibt wichtige Orientierung für ähnlich gelagerte Fälle.

Konsequenzen der Gerichtsentscheidung

Durch das Urteil wurde der Klägerin das Recht zugesprochen, die Grundstücke zu den Bedingungen des ursprünglichen Kaufvertrags zu erwerben, wodurch die Ausübung ihres Vorkaufsrechts bestätigt wurde. Die Entscheidung stärkt die Position von Vorkaufsberechtigten, indem sie klare Leitlinien für die Beurteilung der Treuwidrigkeit der Ausübung solcher Rechte aufzeigt. Sie macht deutlich, dass die Interessen beider Parteien – sowohl des Vorkaufsberechtigten als auch des Vorkaufsverpflichteten – angemessen berücksichtigt werden müssen.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Urteil des OLG Frankfurt am Main im Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin setzt ein bedeutendes Zeichen in der Rechtsprechung zu Vorkaufsrechten. Es verdeutlicht, dass bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit einer solchen Ausübung der Fokus auf den Zeitpunkt und den Kenntnisstand des Berechtigten zu legen ist. Die Entscheidung bietet somit eine wichtige Orientierung für die Auslegung und Anwendung von Vorkaufsrechten in der Praxis und unterstreicht die Relevanz schuldrechtlicher Schutzmechanismen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Vorkaufsrecht und wie wird es ausgeübt?

Ein Vorkaufsrecht ist das Recht, bevorzugt eine Sache oder Immobilie zu erwerben, sobald diese zum Verkauf steht. Der Inhaber des Vorkaufsrechts kann dann in einen bestehenden Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer und einem Dritten eintreten und die Sache zu den gleichen Konditionen erwerben. Es gibt verschiedene Arten von Vorkaufsrechten:

  1. Das dingliche Vorkaufsrecht bezieht sich auf Grundstücke und muss im Grundbuch eingetragen werden. Es wirkt auch gegenüber Dritten.
  2. Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht wird nur zwischen den Parteien vereinbart und nicht im Grundbuch vermerkt. Wird es missachtet, hat der Berechtigte nur einen Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer.
  3. Das gesetzliche bzw. öffentlich-rechtliche Vorkaufsrecht steht insbesondere Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen zu, z.B. in Sanierungsgebieten. Es ist in §§ 24-28 BauGB geregelt.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch eine Erklärung des Berechtigten gegenüber dem Verkäufer. Damit kommt der Kaufvertrag zwischen diesen zustande. Der Verkäufer muss den Berechtigten über den Inhalt des Kaufvertrags mit dem Dritten informieren. Das Vorkaufsrecht kann dann innerhalb bestimmter Fristen (1-2 Monate) ausgeübt werden.

Wichtig ist: Das Vorkaufsrecht greift nur bei einem Verkauf, nicht bei Schenkung, Tausch, Erbschaft oder Zwangsvollstreckung. Es ist auch an weitere Voraussetzungen geknüpft und kann unter Umständen ausgeschlossen sein oder vom Käufer abgewendet werden.

Unter welchen Umständen kann die Ausübung eines Vorkaufsrechts als treuwidrig angesehen werden?

Die Ausübung eines Vorkaufsrechts kann unter bestimmten Umständen als treuwidrig angesehen werden. Dabei sind insbesondere folgende Faktoren relevant:

  1. Finanzielle Leistungsfähigkeit des Vorkaufsberechtigten: Ist der Vorkaufsberechtigte offensichtlich nicht in der Lage, den Kaufpreis aufzubringen und die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, kann die Ausübung als rechtsmissbräuchlich gelten. Der Vorkaufsberechtigte muss bei Ausübung des Rechts finanziell dazu in der Lage sein, unverzüglich die vereinbarte Anzahlung zu leisten – entweder aus eigenen Mitteln oder durch eine gesicherte Finanzierung.
  2. Umgehungsabsicht: Wird das Vorkaufsrecht nur ausgeübt, um den Verkauf an einen Dritten zu vereiteln, ohne dass ein ernsthaftes Erwerbsinteresse besteht, kann dies als treuwidrig bewertet werden. Entscheidend sind dabei die Umstände des Einzelfalls.
  3. Erstreckung des Vorkaufsrechts: Erstreckt sich das Vorkaufsrecht bei Bestellung nur auf einen Teil der verkauften Sache, kann ein Verlangen des Berechtigten auf Erstreckung auf die gesamte Sache treuwidrig sein. Dies ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls.
  4. Zeitpunkt der Ausübung: Die verspätete Ausübung eines Vorkaufsrechts, insbesondere in Kenntnis eines bereits abgeschlossenen Verkaufs an einen Dritten, kann je nach Konstellation als treuwidrig eingestuft werden.
  5. Interessenabwägung: Bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit ist stets eine umfassende Abwägung der Interessen von Verkäufer, Erstkäufer und Vorkaufsberechtigtem geboten. Insbesondere die Umstände des Einzelfalls sind dabei maßgeblich.

Zusammenfassend hängt die Einstufung der Ausübung eines Vorkaufsrechts als treuwidrig von einer Gesamtbetrachtung verschiedener Faktoren ab. Neben der finanziellen Leistungsfähigkeit und einer etwaigen Umgehungsabsicht sind vor allem die konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidend für die rechtliche Bewertung.

Welche Rolle spielt der Kenntnisstand des Vorkaufsberechtigten bei der Ausübung des Vorkaufsrechts?

Der Kenntnisstand des Vorkaufsberechtigten zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung, ob die Ausübung rechtsmissbräuchlich bzw. treuwidrig ist. Folgende Aspekte sind dabei relevant:

  1. Maßgeblicher Zeitpunkt: Für die Prüfung der Treuwidrigkeit ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Vorkaufsberechtigte sein Recht ausübt. Spätere Entwicklungen bleiben grundsätzlich außer Betracht.
  2. Informationsstand: Entscheidend sind die Informationen und Kenntnisse, die der Vorkaufsberechtigte bei Ausübung des Vorkaufsrechts hatte oder haben musste. Kannte er beispielsweise die Zahlungsunfähigkeit des Erstkäufers, kann dies gegen eine treuwidrige Ausübung sprechen.
  3. Umgehungsabsicht: Wusste der Vorkaufsberechtigte, dass der Verkauf an den Dritten nur zur Umgehung des Vorkaufsrechts erfolgte, ohne dass ein ernsthaftes Erwerbsinteresse bestand, kann dies für eine Treuwidrigkeit sprechen.
  4. Finanzielle Leistungsfähigkeit: War dem Vorkaufsberechtigten bewusst, dass er den Kaufpreis nicht aufbringen kann, deutet dies auf eine rechtsmissbräuchliche Ausübung hin. Er muss bei Ausübung dazu in der Lage sein, die Anzahlung unverzüglich zu leisten.
  5. Interessenabwägung: Letztlich ist stets eine Abwägung der Interessen von Verkäufer, Erstkäufer und Vorkaufsberechtigtem unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei ist der Kenntnisstand des Vorkaufsberechtigten ein wichtiges Kriterium.

Zusammenfassend kommt es für die Beurteilung einer etwaigen Treuwidrigkeit maßgeblich darauf an, was der Vorkaufsberechtigte zum Zeitpunkt der Ausübung wusste oder hätte wissen müssen. Sein Kenntnisstand über die tatsächlichen Umstände ist ein zentrales Element bei der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall.

Welche schuldrechtlichen Ansprüche kommen bei einer möglichen Treuwidrigkeit zum Tragen?

Bei einer treuwidrigen Ausübung des Vorkaufsrechts kommen für den Vorkaufsverpflichteten insbesondere folgende schuldrechtlichen Ansprüche in Betracht:

  1. Schadensersatzanspruch: Dem Vorkaufsverpflichteten kann ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Vorkaufsberechtigten zustehen, wenn dieser das Vorkaufsrecht rechtsmissbräuchlich ausübt und dem Verpflichteten dadurch ein Schaden entsteht. Denkbar ist etwa der Ersatz eines entgangenen Gewinns, wenn der Verpflichtete die Sache zu einem höheren Preis an den Dritten hätte verkaufen können. Auch Mehraufwendungen, die durch die treuwidrige Ausübung verursacht wurden, können ersatzfähig sein.
  2. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung: Hat der Vorkaufsberechtigte den Verpflichteten über Umstände getäuscht, die für die Ausübung des Vorkaufsrechts relevant waren (z.B. über seine Leistungsfähigkeit), kann der Verpflichtete seine auf Ausübung des Vorkaufsrechts gerichtete Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 BGB). Die Anfechtung führt zur Nichtigkeit des durch Ausübung entstandenen Kaufvertrags.
  3. Rücktritt vom Kaufvertrag: Unter Umständen kann dem Vorkaufsverpflichteten auch ein Rücktrittsrecht vom Kaufvertrag mit dem Vorkaufsberechtigten zustehen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn der Berechtigte eine ihm obliegende Pflicht aus dem Kaufvertrag verletzt, etwa die Pflicht zur unverzüglichen Zahlung des Kaufpreises. Die Voraussetzungen richten sich nach den §§ 323 ff. BGB.
  4. Einrede des Rechtsmissbrauchs: Stützt sich der Vorkaufsberechtigte zur Durchsetzung von Ansprüchen aus dem Kaufvertrag auf die Ausübung des Vorkaufsrechts, kann der Verpflichtete dem die Einrede des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegenhalten. Dies führt zur Abweisung der Klage des Berechtigten.

Ob und inwieweit diese Ansprüche im Einzelfall tatsächlich bestehen, hängt stets von den konkreten Umständen ab. Insbesondere muss die Treuwidrigkeit der Ausübung anhand einer umfassenden Interessenabwägung festgestellt werden. Die aufgezeigten Instrumente dienen aber dem Schutz des Vorkaufsverpflichteten vor einer rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Vorkaufsrechts.

Wie wirkt sich eine nachträglich gesetzte Frist für eine Anzahlung auf die Treuwidrigkeit der Ausübung aus?

Eine nachträglich gesetzte Frist für eine Anzahlung durch den Vorkaufsverpflichteten hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die Beurteilung der Treuwidrigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts. Dafür sprechen folgende Gründe:

  1. Maßgeblicher Zeitpunkt: Für die Prüfung, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts treuwidrig ist, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem der Vorkaufsberechtigte sein Recht ausübt. Spätere Entwicklungen, wie eine nachträglich gesetzte Anzahlungsfrist, bleiben dabei außer Betracht.
  2. Keine Pflicht zur Fristsetzung: Der Vorkaufsverpflichtete ist nicht verpflichtet, dem Vorkaufsberechtigten eine Frist für die Anzahlung zu setzen. Vielmehr muss der Berechtigte bei Ausübung des Vorkaufsrechts dazu in der Lage sein, unverzüglich die vereinbarte Anzahlung zu leisten. Setzt der Verpflichtete dennoch eine Frist, ist dies eine Kulanzentscheidung, die die ursprüngliche Treuwidrigkeit nicht heilt.
  3. Finanzielle Leistungsfähigkeit: War der Vorkaufsberechtigte zum Zeitpunkt der Ausübung nicht in der Lage, den Kaufpreis aufzubringen, deutet dies auf eine rechtsmissbräuchliche Ausübung hin. Daran ändert auch eine nachträgliche Fristsetzung nichts, da es auf die Verhältnisse bei Ausübung ankommt.
  4. Interessenabwägung: Bei der Prüfung der Treuwidrigkeit ist stets eine umfassende Abwägung der Interessen von Verkäufer, Erstkäufer und Vorkaufsberechtigtem geboten. Eine nachträgliche Fristsetzung durch den Verpflichteten ist dabei nur ein Aspekt, der die anfängliche Interessenlage nicht entscheidend verändert.

Zusammenfassend hat eine nachträglich gesetzte Frist für eine Anzahlung keinen Einfluss auf die Beurteilung der Treuwidrigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts. Es kommt auf die Umstände zum Zeitpunkt der Ausübung an, insbesondere auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Berechtigten. Eine spätere Fristsetzung durch den Verpflichteten ändert an der ursprünglichen Interessenlage und Bewertung nichts.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 1093 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Dingliches Vorkaufsrecht Das dingliche Vorkaufsrecht ermöglicht dem Berechtigten, bei einem Verkauf des belasteten Grundstücks dieses unter den Bedingungen des Drittvertrags zu erwerben. Im Kontext des Falles spielt es eine zentrale Rolle, da es die rechtliche Grundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Klägerin bildet.
  • § 242 BGB – Treu und Glauben Die Norm des Treu und Glaubens regelt die Ausübung von Rechten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien. Die Frage der Treuwidrigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts wird unter diesem Gesichtspunkt beurteilt, insbesondere ob die Ausübung unter den gegebenen Umständen als missbräuchlich anzusehen ist.
  • § 311b BGB – Formvorschrift für Grundstückskaufverträge Diese Vorschrift schreibt die notarielle Beurkundung von Grundstückskaufverträgen vor. Im Fall war relevant, ob die Einigung über eine Anzahlung der Formvorschrift unterliegt und welche Konsequenzen sich daraus für die Wirksamkeit der Verpflichtung ergeben.
  • § 888 Abs. 1 BGB – Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung Bei wirksamer Ausübung des Vorkaufsrechts kann der Vorkaufsberechtigte die Zustimmung zur Auflassung und zur Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch verlangen. Dieser Paragraph wurde herangezogen, um den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Grundbuchänderung zu begründen.
  • § 45 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) – Mehrfachvertretungsverbot Diese Vorschrift verbietet einem Rechtsanwalt, in derselben Rechtssache in unterschiedlichen Funktionen tätig zu werden. Die Frage, ob der Prozessbevollmächtigte der Beklagten wegen seiner vorherigen notariellen Tätigkeit ausgeschlossen werden muss, wurde unter Bezugnahme auf diese Norm diskutiert.
  • § 533 ZPO (Zivilprozessordnung) – Klageänderung Regelungen zur Zulässigkeit einer Klageänderung im Berufungsverfahren, insbesondere die Voraussetzungen, unter denen eine Klageänderung sachdienlich und zulässig ist. Im Kontext wurde die Erweiterung der Klageparteien in der Berufungsinstanz thematisiert und geprüft.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 11 U 160/21 – Urteil vom 12.12.2023

Leitsatz

Für die Prüfung der Treuwidrigkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts ist auf den Zeitpunkt und den Kenntnisstand des Vorkaufsberechtigten bei Ausübung des Vorkaufsrechts abzustellen. Das Nichteinhalten einer nach der Ausübung des Vorkaufsrechts seitens des Vorkaufsverpflichteten gesetzten Frist zur Leistung einer Anzahlung führt nicht zur Treuwidrigkeit der Ausübung. Nach der wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts ist der Verpflichtete im Fall von schuldrechtlichen Pflichtverletzungen des Vorkaufsberechtigten hinreichend über die allgemeinen schuldrechtlichen Ansprüche auf u.a. Schadensersatz oder Rücktritt geschützt.

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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 04.11.2021 teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Auflassung der Grundstücke, eingetragen im Grundbuch von Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Bl. …, laufende Nr. 1: Flur 3, Flurstück …, bebauter Hofraum, Straße1 mit 2068 m², und laufende Nr. 2: Flur 3, Flurstück …, Hof-und Gebäudefläche, Straße1 mit 9073 m², zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2-5 und zur anschließenden Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch zu erteilen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die zweitinstanzlich erhobene Klage gegen die Beklagten zu 2-7 wird als unzulässig zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klägerin zu tragen.

Von den Gerichtskosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin 82% und die Beklagte zu 18% zu tragen.

Die außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Beklagten zu 2 -7 hat die Klägerin zu tragen.

Die außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Beklagten zu 1 trägt diese selbst.

Von den außergerichtlichen zweitinstanzlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 1 18% zu tragen; im Übrigen trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil sowie das erstinstanzliche Urteil, soweit es bestätigt wurde, sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten zu 1 wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 1.000.000,00 € leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die wirksame Ausübung eines Vorkaufsrechts.

Die Klägerin betreibt bundesweit Bowlingbahnen, u.a. auf dem hier streitgegenständlichen Gelände in Stadt1/Stadtteil1, Straße1. Zu ihren Gunsten wurde im Grundbuch des Amtsgerichts Stadt1 von Stadtteil1, Bl. …, Abteilung II laufende Nr. 4 ein Erbbaurecht eingetragen sowie ein dingliches Vorkaufsrecht. Ein Tochterunternehmen der Klägerin wollte im April 2016 die Grundstücke kaufen. Mangels rechtzeitiger Kaufpreiszahlung kam es nicht zum Vollzug.

Die Liegenschaft stand im gemeinsamen Eigentum der Beklagten zu 2-5. Diese schlossen mit der Beklagten zu 1 am 05.08.2019 einen notariellen Kaufvertrag zum Preis von 3,3 Millionen € (Anl. K2.). Vor der Beurkundung war eine Kaufpreisanzahlung in Höhe von 300.000 € auf das Notaranderkonto des beurkundenden Notars E geleistet worden. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 06.08.2019 über den Kaufvertrag informiert und um Mitteilung gebeten, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen möchte. Die Frist betrug zwei Monate ab Erhalt des Schreibens. Die Ausübung sollte durch formloses Schreiben an den Verkäufer erfolgen (Anl. K3). Die Klägerin teilte mit an den amtierenden Notar gerichtetem Schreiben vom 04.10.2019 mit, dass sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch „machen werde“. Unterzeichnet war das Schreiben von ihrem CEO, Herrn A. Mit Schreiben vom gleichen Tag informierte die Klägerin die Eigentümer des Grundstücks, dass sie vom Vorkaufsrecht Gebrauch mache gemäß dem in Kopie beigefügten Schreiben an den Notar und eine Verzichtserklärung verneine. Dieses Schreiben erfolgte „i.A.“ durch die Mitarbeiterin der Klägerin, Frau B.

Der amtierende Notar erstellte eine Abwicklungsurkunde, die er am 17.10.2019 der Klägerin und der Beklagten zu 1 zur Verfügung stellte. Der Beklagte zu 2 forderte zugleich mit Mail vom selben Tag die Klägerin zur Zahlung der Anzahlung auf und schlug Beurkundungstermine für die nächste Woche bis Ende Oktober vor (Anl. B2). Mit Schreiben vom 24.10.2019 setzten die Beklagten zu 2-5 eine Frist zur Einzahlung der Anzahlung bis zum 07.11.2019 (Anl. B3). Die Klägerin zahlte nicht innerhalb dieser Frist die Anzahlung ein. Mit Schreiben vom 07.11.2019 kündigte der Notar im Rahmen eines Vorbescheides an, ab dem 27.11.2019 mangels wirksamer Ausübung des Vorkaufsrechtes den Erstkaufvertrag vollziehen zu wollen. Die gegen diesen Vorbescheid gerichtete Notarbeschwerde (Landgericht Frankfurt, Beschluss vom 15.01.2020 – …) und anschließende Rechtsbeschwerde zum BGH (Beschluss vom 5.2.2020 – …) hatten keinen Erfolg. Auch ein beim Landgericht Frankfurt am Main eingereichter Eilantrag der Klägerin zur Verhinderung der Umschreibung des Eigentums auf die Beklagte zu 1 blieb erfolglos (Urteil vom 26.2.2020 – …).

Mit Mail vom 12.11.2019 hatte die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, den amtierenden Notar um Zusendung einer Verwahrungsanweisung für die Anzahlung auf das Notaranderkonto gebeten (Anl. K7). Diese Bitte wurde mit Schreiben vom 14.11.2019 wiederholt.

Im Oktober 2021 wurde die Beklagte zu 1 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Im November 2021 und im Januar 2022 beurkundete der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1, Rechtsanwalt und Notar C jeweils auf dem Grundstück lastende Grundschulden für die Beklagten zu 6 und 7.

Das Landgericht hat die in der Hauptsache auf Löschung der zugunsten der Beklagten zu 1 eingetragenen Vormerkung gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es wie folgt ausgeführt:

Die Klägerin habe das Vorkaufsrecht nicht wirksam ausgeübt.

Mit ihrem an den Verkäufer gerichteten Schreiben vom 04.10.2019 habe sie die zweimonatige Frist nicht gewahrt. Dieses Schreiben habe lediglich die Mitteilung enthalten, dass eine Erklärung gegenüber dem Notar erfolgt sei und das Recht in der Zukunft ausgeübt werde, nicht aber die rechtsverbindliche Ausübung des Vorkaufsrechts selbst. Darüber hinaus fehle es an der Unterschrift einer vertretungsberechtigten Person. Ob das an den Notar gerichtete Schreiben korrekt unterzeichnet gewesen sei, könne offenbleiben. Der Notar sei lediglich zur Entgegennahme der Verzichtserklärung bevollmächtigt gewesen.

Es fehle auch an der Voraussetzung einer rechtzeitigen Anzahlung i.H.v. 300.000 €. Die Parteien des ursprünglichen Kaufvertrages hätten eine Verwahrungsvereinbarung beim amtierenden Notar getroffen, deren Annahme der Klägerin zumutbar gewesen sei.

Zudem sei die Ausübung des Vorkaufsrechts missbräuchlich, da die Klägerin im Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts in der 1. Oktoberhälfte finanziell nicht in der Lage gewesen sei, unverzüglich die vereinbarte Anzahlung zu leisten. Erst für einen Zeitpunkt ab Mitte November 2019 haben sie ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nachvollziehbar vorgetragen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie zunächst ihren zuletzt erstinstanzlich gestellten Antrag auf Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung weiterverfolgte, hilfsweise die Zustimmung zur Löschung ihres Eigentums und Überschreibung desselben auf sie.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2023 hat sie ihre Klage gegenüber der Beklagten (zu1) dahingehend geändert, dass sie die Zustimmung zur Löschung ihrer Eintragung als Eigentümerin begehrt und im Übrigen im Wege der Parteierweiterung die Klage auf die Verkäufer (Beklagte zu 2-5) und Grundschuldgläubiger (Beklagte zu 6 und 7) erweitert.

Die Klägerin meint, die vorgenommene Klage/Parteierweiterung sei zulässig. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn die neuen Beklagten ihre Einwilligung versagten. Erstinstanzlich habe keine umfangreiche Beweisaufnahme stattgefunden. Der maßgebliche Sachverhalt sei unstreitig. Ihr stehe auch ein Rechtsschutzinteresse zur Seite, da gerade die von den Beklagten zu 2-5 aufgestellten Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung streitig seien. Es werde von den Beklagten zu 2-5 auch nichts Unmögliches verlangt, da die Eintragung der Beklagten zu 1 ihr gegenüber relativ unwirksam sei.

Der Prozessvollmächtigte der Beklagte zu 1, Rechtsanwalt und Notar C, sowie dessen Kanzlei seien wegen Verstoß gegen das sog. Mehrfachvertretungsverbot gemäß § 45 BRAO wegen der Beurkundung der hier streitgegenständlichen Grundschulden (Anträge zu II.2 und II.3) von einer weiteren anwaltlichen Vertretung im Berufungsverfahren auszuschließen.

Der Sache nach sei das Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt worden. Insoweit müssten die Schreiben vom 04.10.2019 unter Berücksichtigung des Parteiwillens und objektiven Erklärungsgehalts ausgelegt werden. Demnach habe es sich bei dem an die Verkäufer gerichteten Schreiben nicht lediglich um eine Mitteilung ohne Rechtsbindungswillen gehandelt. Bei der gebotenen Gesamtschau hätten die Verkäufer davon ausgehen müssen, dass sie, die Klägerin, das Vorkaufsrecht ausübe. Die Unterzeichnung mit dem Kürzel „i. A.“ stehe der Wirksamkeit nicht entgegen. Es habe deutlich eine Erklärung für die Klägerin erfolgen sollen. Das an den Notar gerichtete Schreiben sei zudem vom Geschäftsführer der Klägerin persönlich unterzeichnet worden.

Die Voraussetzungen der Rechtsmissbräuchlichkeit lägen nicht vor. Sie sei zur Leistung der Anzahlung stets aus eigener Kraft im Stande und bereit gewesen und habe dafür auch Beweis angeboten durch ihren Geschäftsführer. Zudem seien Saldenbestätigungen vorgelegt worden und würden weitere mit der Berufung nachgereicht.

Es habe in Hinblick auf den durch die Ausübung des Vorkaufsrechts bedingten neuen Kaufvertrag auch einer separaten notariellen Verwahranweisung bedurft. Sie, die Klägerin, habe einen Antrag auf Verwahrung gestellt und um eine entsprechende Verwahranweisung gebeten mit Schreiben vom 12.11.2019, 14.11.2019 sowie 18.11.2019. Mangels Annahme durch den Notar sei es nicht zu einem Abschluss gekommen. Die im Erstvertrag enthaltene Verwahranweisung habe allein zwischen den Beklagten zu 2-5 als Verkäufer und der Beklagten zu 1 gegolten.

Sie beantragt nunmehr noch:

I. Herrn Rechtsanwalt und Notar C und die Kanzlei D als Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1 zurückzuweisen.

II. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. November 2021, Az., abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, ihre Zustimmung zur Auflassung der Grundstücke, eingetragen im Grundbuch von Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, lfd. Nr. 1 Flur 3, Flurstück …, bebauter Hofraum, Straße1 mit 2068 qm, und lfd. Nr. 2 Flur 3, Flurstück …, Hof- und Gebäudefläche, Straße1 mit 9073 qm, zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2 bis 5 und zur anschließenden Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch zu erteilen.

2. Die Beklagte zu 6 wird verurteilt, der Löschung der Grundschuld ohne Brief zu zwei Millionen Euro gemäß Bewilligung vom 25. November 2021 (Ur-Nr. …, des Notars C, Stadt1), eingetragen am 02.12.2021 im Grundbuch von Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, Abteilung III, lfd. Nr. 6, zuzustimmen und diese zu bewilligen.

3. Der Beklagte zu 7 wird verurteilt, die Löschung der Grundschuld ohne Brief zu einer Million Euro gemäß der Bewilligung vom 17. Dezember 2021 (Ur-Nr. …, Notar C, Stadt1), eingetragen am 28.12.2021, und der Löschung der Grundschuld ohne Brief zu achthundertfünfzigtausend Euro gemäß der Bewilligung vom 31. Januar 2022 (Ur-Nr. …, Notar C, Stadt1), im Grundbuch Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, Abteilung III, lfd. Nr. 7 und Nr. 8, zuzustimmen und jeweils zu bewilligen.

4. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, der Löschung der Grundschulden im Grundbuch Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, Abteilung III, lfd. Nr. 6 bis 8, zuzustimmen, zu bewilligen und zu beantragen.

5. Die Beklagten zu 2 bis 5 werden verurteilt,

a) die Verzichtserklärungen oder Negativatteste der Stadt1 hinsichtlich aller gesetzlichen Vorkaufsrechte bezüglich der Grundstücke eingetragen im Grundbuch von Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, lfd. Nr. 1, Flur 3, Flurstück …, bebauter Hofraum, Straße1mit 2068 qm, und lfd. Nr. 2, Flur 3, Flurstück …, Hof- und Gebäudefläche, Straße1 mit 9073 qm zu beschaffen und der Klägerin vorzulegen;

b) Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von EUR 3.300.000,00

i. die Auflassung der Grundstücke eingetragen im Grundbuch von Stadtteil1 des Amtsgerichts Stadt1, Blatt …, lfd. Nr. 1, Flur 3, Flurstück …, bebauter Hofraum, Straße1 mit 2068 qm, und lfd. Nr. 2, Flur 3, Flurstück …, Hof- und Gebäudefläche, Straße1 mit 9073 qm zu erklären,

ii. sowie die Eigentumsumschreibung zu bewilligen und zu beantragen.

III. Hilfsweise wird beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.11.2021, Az., wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankfurt zurückverwiesen.

Die Beklagte zu 1 beantragt, die Berufungsanträge zu I., II.1 und II.4 zurückzuweisen.

Sie hält die Klageänderung für unzulässig. Sie sei weder sachdienlich noch würde sie in sie einwilligen. Ihr lägen zudem neue Tatsachen zugrunde.

Der neue Antrag zu I. sei zudem unbegründet. Ihr Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt und Notar C, habe nicht gegen das Verbot der Vertretung wegen Vorbefassung verstoßen. § 45 BRAO führe zudem gar nicht zu einer Zurückweisungsberechtigung. Eine entsprechende Anwendung von § 156 Abs. 2 BRAO verbiete sich. Die hier streitgegenständliche Frage der Wirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts beziehe sich auf einen Vertrag, den er nicht beurkundet habe. Soweit er die Buchgrundschulden beurkundet habe, wiesen diese keinen unmittelbaren Bezug zum streitgegenständlichen Grundstückskaufvertrag auf. Die Grundschulden dienten auch nicht der Finanzierung des Kaufpreises. Er sei damit nicht in derselben Angelegenheit tätig geworden.

Es bestehe auch kein Anspruch auf Löschung der Eintragung der Beklagten zu 1 als Grundstückseigentümerin, wie bis zur Antragsänderung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von der Klägerin geltend gemacht. Das Vorkaufsrecht sei nicht fristgerecht ausgeübt worden. Das Schreiben an die Verkäufer teile lediglich eine Ankündigung der Ausübung mit, es fehle am Rechtsbindungswillen. Unterzeichnet sei es zudem von der nicht vertretungsberechtigten Mitarbeiterin B. Es werde bestritten, dass die beigefügte Kopie des Schreibens an den Notar unterzeichnet gewesen sei.

Die seitens des Geschäftsführers der Klägerin bereits Anfang Oktober 2019 telefonisch in Aussicht gestellten Unterlagen zur Finanzierung seien tatsächlich nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Klägerin sei bis zum Ablauf der Frist zum 07.11.2019 vielmehr nicht erreichbar gewesen und habe sich erst nach Übersendung des rechtsmittelfähigen Bescheides des Notars gemeldet.

Im Hinblick auf diese schuldhaften Verzögerungen des Vollzugs des Vorkaufs sei es die Klägerin gemäß § 242 BGB verwehrt, nunmehr die Abwicklung des Vorkaufs zu verlangen.

Mit dem Verweis auf den notwendigen Abschluss einer eigenständigen Verwahranweisung habe die Klägerin auf Zeit gespielt. Mit der Ausübung ihres Vorkaufsrechts habe die Klägerin bereits einen Verwahrungsantrag mit Verwahrungsanweisung gestellt, da die Ausübung zu den Bedingungen des Kaufvertrages zwischen den Verkäufern und den Erstkäufer geschehe. Im dortigen Kaufvertrag sei eine präzise und alle Anforderungen des § 47 Abs. 2 BeurkG wahrende Verwahrungsanweisung enthalten gewesen. Aus welchen Gründen der Klägerin der Eintritt in diese bestehende vertragliche Konstellation nicht zuzumuten gewesen sein solle, trage die Klägerin nicht vor.

Aus dem eigenen Darlehensabkommen zwischen der Klägerin und der F vom 18./21.11.2019 ergebe sich, dass die Klägerin vorher nicht zur Zahlung der Anzahlung in Höhe von 300.000 € in der Lage gewesen sei. Vielmehr habe sich die F in dem Darlehensvertrag verpflichtet, einen Teilbetrag von 300.000 € (die Anzahlung) vorab an das Notariat zu zahlen. Es sei unglaubwürdig, dass es diese Bedingung im Darlehensvertrag gegeben hätte, wenn die Klägerin zur eigenen Zahlung in der Lage gewesen wäre.

Zu berücksichtigen sei auch, dass der Klägerin bereits seit dem 06.08.2019 der Inhalt des Vertrages bekannt gewesen sei und sie damit zwei Monate Zeit zur Prüfung gehabt habe. Der Abschluss der Finanzierungszusage mit der Brauerei am 18.11.2019, gut anderthalb Monate nach dem Tag der angeblichen Ausübung des Vorkaufsrechtes, sei nicht mehr unverzüglich.

Vor dem Hintergrund des mangels Finanzierung gescheiterten ersten Grundstückskaufvertrages aus dem Jahr 2016 mit einer Tochter der Klägerin hätten die Beklagten zu 2-5 ein verständliches Interesse an einem zügigen Nachweis über die finanzielle Leistungsfähigkeit gehabt und eingefordert.

Soweit die Klägerin unter Verweis auf eine Saldenbestätigung versuche nachzuweisen, dass sie in der Lage gewesen wäre, die Anzahlung i.H.v. 300.000 € rechtzeitig zu leisten, sei dieser Vortrag verspätet und plausibel. Im Übrigen sei dies auch irrelevant, da die Klägerin tatsächlich die Anzahlung nicht innerhalb der gesetzten Frist geleistet habe.

Das Vorkaufsrecht sei nach § 469 Abs. 2 BGB fristgebunden auszuüben. Dies diene der Rechtssicherheit aller Beteiligten. Es könne nicht im Belieben der Klägerin stehen, wann die erforderliche Abwicklungsurkunde mit den Beklagten zu 2-5 als Verkäufer abgeschlossen werden.

Der Antrag zu II.4 sei bereits unzulässig, da die Voraussetzungen nach § 533 ZPO nicht vorlägen. Zudem sei er unbegründet. Die Beklagte zu 1 könne mangels Stellung als Gläubigerin der Grundschuld nicht deren Löschung bewilligen. Dies könnten nur die Beklagten zu 6 und 7.

Die Beklagten zu 2-5 beantragen, die gegen sie gerichtete Klage als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.

Sie stimmen der Parteierweiterung nicht zu. Ihre Verweigerung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Dagegen spreche bereits der Umstand, dass sie eine Tatsacheninstanz verlieren würden. Ihnen sei der Prozessstoff auch nicht bereits bekannt; aus dem Vortrag der Klägerin ergebe sich auch nicht, wie ihnen der Streitstoff hätte bekannt sein sollen. Am Notarbeschwerdeverfahren hätten sie sich nicht beteiligt.

Die Klage sei zudem unzulässig, da es am Rechtsschutzinteresse fehle. Für die Klägerin habe ein einfacherer Weg bestanden, da sie, die Verkäufer, immer bereit gewesen seien, das Grundstück bei voller Zahlung und rechtzeitiger Anzahlung an die Klägerin zu übertragen. Sollte der Senat von einer wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts ausgehen, wären sie, die Beklagten zu 2-5 auch ohne Klage bereit, das Grundstück entsprechend auf die Klägerin zu übertragen. Eines gesonderten Prozessurteils zur Parteiänderung bedürfe es nicht.

Jedenfalls sei die Klage unbegründet, da das Grundstück wirksam an die Beklagte zu 1 veräußert und aufgelassen worden sei. Die Klage sei damit auf eine unmögliche Leistung gerichtet.

Die Beklagten zu 6 und 7 beantragen, die jeweils gegen sie gerichteten Klagen abzuweisen.

Sie halten die gegen sie gerichteten Klageanträge ebenfalls für unzulässig. Ihre Verweigerung der Zustimmung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Verlust einer Tatsacheninstanz sei unabhängig von der Frage einer Beweisaufnahme relevant. Sie seien auch durch den Prozessbevollmächtigten der Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt und Notar C über den Prozessverlauf informiert worden.

Zudem sei die Klage unbegründet. Das Vorkaufsrecht sei nicht wirksam ausgeübt worden.

II.

Ohne Erfolg begehrt die Klägerin die Zurückweisung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1 und der Kanzlei (unter A.). Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise begründet (unter B.). Die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung gegenüber den Beklagten zu 2-7 ist unzulässig (unter C.).

A. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf ein Tätigkeitsverbot des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1, Herrn Rechtsanwalt C, sowie der gesamten Kanzlei wegen Verstoßes gegen das sog. Mehrfachvertretungsverbot. Herr Rechtsanwalt C hat nicht gegen § 45 BRAO verstoßen (unter 1.), die Kanzlei selbst unterliegt nicht den Vorgaben des § 45 BRAO (unter 2.).

1. Der Umstand, dass Rechtsanwalt C vor seiner weiteren Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter der Beklagten zu 1 in der Berufungsinstanz zwei auf dem hier streitgegenständlichen Grundstück lastende Grundschulden als Notar beurkundet hat, deren Löschung Gegenstand der Partei- und Klageerweiterung gemäß den Anträgen zu Ziff. II. 2 und 3 gegen die Beklagten zu 6 und 7 ist, begründet keinen Verstoß gegen § 45 Abs. 1 Nr. 1 c BRAO.

Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 c BRAO darf ein Rechtsanwalt nicht tätig werden, wenn er in derselben Rechtssache bereits als Notar tätig war. Die Beurkundung der Grundschulden ist nicht „dieselbe Rechtssache“ wie der hier vorliegende Rechtsstreit. Dieselbe Rechtssache i.Sd. § 45 Abs. 1 Nr. 1 BRAO liegt vor, wenn der historische Vorgang, der dem notariellen Amtsgeschäft einerseits und dem anwaltlichen Auftrag andererseits zugrunde liegt, zumindest teilweise identisch ist. Maßgeblich ist, ob eine Identität der Lebenssachverhalte vorliegt (Sandkühler in: Becksches Notarhandbuch, 2019, § 33 Rn. 129). Nach der Rechtsprechung des BGH ist dafür erforderlich, „dass die vorangegangene notarielle Tätigkeit und der insoweit anvertraute Verfahrensstoff in dem neuen Auftragsverhältnis eine rechtliche Bedeutung erlangen kann” (BGH, Urteil vom 4.3.2013 – Not (StBrfg) 1/12).

Hier kann nicht erkannt werden, dass die notarielle Tätigkeit und das damit erlangte Wissen für den hiesigen Rechtsstreit Bedeutung erlangen. Die notarielle Tätigkeit bezog sich allein auf die Beurkundung von Grundschulden, offensichtlich von Gläubigern der Beklagten zu 1. Sie haben zum hiesigen Rechtsstreit allein deshalb einen Bezug, da sie auf dem Grundstück lasten, welches die Klägerin lastenfrei erlangen will. Zu Recht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Grundschulden noch nicht einmal der Finanzierung des Kaufpreises durch die Beklagte zu 1 dienten.

2. Eine rechtliche Basis für die Zurückweisung der gesamten Kanzlei ist dem Gesetz bereits nicht zu entnehmen. Die in § 45 Abs. 1 BRAO aufgeführten Tätigkeitsverbote sind personenbezogen. § 45 BRAO bezieht sich entsprechend im Wortlaut auch ausdrücklich auf einen – personifizierten – Rechtsanwalt.

A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig (unter I.). In der Sache hat die Berufung teilweise Erfolg (unter II.).

I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Der in der Berufung gegenüber der Beklagten zu 1 zuletzt noch gestellte Antrag zu II.1 ist zulässig und begründet (unter 1.); Antrag zu II.4 ist unzulässig (unter 2.).

1. Der erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag zu II.1 ist zulässig (unter a.) und begründet (unter b.).

a. Die Änderung des Antrags zu II.1. ist gem. § 533 Abs. 2 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist und auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Mit der Antragsänderung reagiert die Klägerin auf den Hinweis des Senats vom 13.11.2023. Demnach hat die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts zur Folge, dass die Vorkaufsberechtigte – hier die Klägerin – gegenüber dem Dritten – hier der Beklagten zu 1 – ein Anspruch auf Zustimmung zur Auflassung (zwischen dem Vorkaufsverpflichteten, hier den Beklagten zu 2-5, und dem Vorkaufsberechtigten, hier der Klägerin) und zur anschließenden Übertragung der Rechte erlangt (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.05.1982 – RReg 1 Z 166/81 – juris Rn. 55). Das Recht auf Vorkauf wandelt sich in ein Recht aus dem Vorkauf (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10.2.1971 – Breg 2 Z 10/71), wobei die dazu erforderliche Auflassung nicht vom Dritten, sondern nur vom Vorkaufsverpflichteten verlangt werden kann. Der zunächst in der Berufung zulässigerweise allein verfolgte Hilfsanspruch auf Löschung der Beklagten als – zwischen den Instanzen eingetragener neuer – Eigentümerin wurde entsprechend der rechtlichen Situation sachdienlich angepasst. Die Entscheidung über diesen Antrag erfolgt auch auf Basis des nach § 529 ZPO dem Berufungsverfahren zugrunde zulegenden Tatsachenmaterials.

a. Der Antrag ist auch begründet. Die Klägerin kann gem. § 888 Abs. 1 BGB die Zustimmung zur Auflassung der Grundstücke und zur anschließenden Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch von der Beklagten zu 1 verlangen. Der Erwerb der Beklagten ist ihr gegenüber relativ unwirksam, da sie das zu ihren Gunsten eingetragene dingliche Vorkaufsrecht wirksam und fristgerecht ausgeübt hat (unter aa.). Der Ausübung des Vorkaufsrechts steht auch nicht die Einrede der Treuwidrigkeit entgegen (unter bb). Mit der wirksamen Ausübung hat die Klägerin gegenüber den Vorkaufsverpflichteten Ansprüche auf Auflassung und Übertragung der Rechte an dem Grundstück erlangt. Die Beklagte zu 1 als ihr gegenüber relativ unwirksame neue Eigentümerin ist verpflichtet, dieser Auflassung und Rechteübertragung zuzustimmen (vgl. BayObLG, Urteil vom 28.5.1982 – RReg 1 Z 166/81; Weimar, MDR 1977, 903 (904); Staudinger/Schermaier, BGB, 2021, § 1098 Rn. 17).

aa. Die Klägerin hat wirksam und fristgerecht das zu ihren Gunsten eingetragene dingliche Vorkaufsrecht im Sinne von § 1093 BGB, eingetragen im Grundbuch, Abteilung II laufende Nr. 4 ausgeübt.

Mit dem notariellen Kaufvertrag vom 5.8.2019 war der Vorkaufsfall hinsichtlich des Vorkaufsrechts der Klägerin eingetreten. Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung (Westermann in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. § 464 Rn. 2). Die Klägerin hat mit dem Schreiben vom 04.10.2019 die Verkäufer, vertreten durch den Beklagten zu 2, als korrekte Empfänger angeschrieben und über die Ausübung des Vorkaufsrechts informiert sowie am selben Tag gegenüber dem Notar erklärt, dass sie vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen werde (Anlage K 4). Dieses Schreiben hatte sie dem Schreiben an die Vorkaufsverpflichteten beigefügt.

Im Schreiben an die Verkäufer, vertreten durch den Beklagten zu 2, hat die Klägerin ausdrücklich formuliert, von ihrem Vorkaufsrecht „Gebrauch“ zu „machen“. Soweit das Schreiben an die Verkäufer im Auftrag von Frau B gefertigt wurde, hat die Klägerin vorgetragen, dass diese als Botin fungierte. Dies ist von der Beklagten nicht substanziiert bestritten worden. Die Erklärung ist auch formfrei möglich (§ 464 Abs. 1 S. 2 BGB; vgl. auch Weidenkaff in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 464 Rn. 2); mangels Schriftformerfordernis kommt es damit auf die fehlende Unterschrift nicht an. Bei verständiger Auslegung des Schreibens vom 04.10.2019 am Maßstab des § 133 BGB ergibt sich aus dem Wortlaut deutlich, dass die Klägerin damit gegenüber den Verkäufern erklärt, vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und keine Verzichtserklärung abzugeben.

Ohne Erfolg meint die Beklagte unter Verweis auf das den Verkäufern gegenüber in Bezug genommene Schreiben an den Notar, dass die Klägerin lediglich angekündigt habe, dass sie ihr Vorkaufsrecht ausüben werde. Die Formulierung im Schreiben an den Notar, mit dem der Owner und CEO, Herr A, der Klägerin anzeigt, dass er von seinem Vorkaufsrecht „Gebrauch machen werde“, ist bei verständiger Auslegung in Zusammenschau mit dem direkt an die Verkäufer gerichteten Schreiben vom selben Tag nicht als bloße Ankündigung zu verstehen. Das Schreiben an die Verkäufer selbst ist vom Wortlaut her nicht auf ein zukünftiges Handeln gerichtet, sondern enthält die im Indikativ Präsens gehaltene Erklärung, „vom Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen“. Für das Verständnis einer mit Rechtsbindungswillen fristwahrend und verbindlich abgegebenen Ausübungserklärung spricht auch der Umstand, dass beide Schreiben seitens der Klägerin mit Einschreiben mit Rückschein versandt wurden. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen für die bloße Ankündigung einer zukünftigen Willenserklärung ein Zustellungsnachweis erlangt werden sollte. Schließlich haben auch die Empfänger der Schreiben, d.h. sowohl der Notar als auch die Vorkaufsverpflichteten, diese zunächst als wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts verstanden.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die nach dieser Erklärung zunächst eingetretene Kommunikationspause und die fehlende Anzahlung innerhalb der von ihr nachfolgend gesetzten Frist bei der Auslegung der Schreiben zu berücksichtigen seien, ergibt sich daraus keine abweichende Bewertung. Ohne Erfolg meint sie, diese Umstände sprächen dafür, dass sich die Klägerin mit den genannten Schreiben allein für den Fall einer zügig aufgestellten Finanzierung die Ausübung des Vorkaufsrechts habe vorbehalten wollen. Unabhängig davon, dass der Wortlaut – wie dargestellt – ein derartiges Verständnis nicht deckt, konnte die Klägerin bei Abfassung der Schreiben das spätere Verhalten der Beklagten zu 1 – insbesondere Umstand und Dauer der Fristsetzung für die Beurkundung und Anzahlung – nicht vorhersehen. Umstände, die erst nach der Abgabe einer Willenserklärung eintreten, können bei der Auslegung der Willenserklärung – rückwirkend – grundsätzlich keine Bedeutung erlangen. Hier ist auch weder ersichtlich, dass die Klägerin mit der erfolgten kurzfristigen Bestimmung eines Beurkundungstermins und der darauf bezogenen Frist zur Leistung der Anzahlung rechnen musste, noch, dass sie für den Fall der kurzfristigen Fristsetzung nicht dennoch eine bindende Erklärung zur Ausübung des Vorkaufsrechts zu den Konditionen des Erstkäufers tätigen wollte. Gleichermaßen führt damit auch die Einbindung der Umstände aus dem Jahr 2016 nicht zu einer abweichenden Bewertung. Der Kaufvertrag aus dem Jahr 2016 seitens eines Tochterunternehmens der Klägerin spricht zunächst nur für das andauernde Interesse an dem Grundstück. Soweit dieser Vertrag mangels rechtzeitiger Kaufpreiszahlung nicht zur Durchführung gelangte, spricht dies nicht dafür, dass die Klägerin mit den streitgegenständlichen Schreiben drei Jahre später nicht ihrerseits den verbindlichen Willen zum Erwerb des Grundstücks äußern wollte.

Die Ausübung erfolgte auch fristgerecht. Die Frist beträgt zwei Monate nach Erhalt des Schreibens, mit dem der Vorkaufsfall bekannt gemacht wurde. Der Klägerin wurde das Schreiben des Notars E vom 6.8.2019 über den Eintritt des Vorkaufsfalls am 12.8.2019 durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt (Anlage K 3). Ihr Ausübungsschreiben vom 4.10.2023 ist den Verkäufern, zu Händen des Beklagten zu 2, am 9.10.2023 und damit fristgerecht gem. Rückschein (Anlage K 4 rück) zugestellt worden. Nach Einsicht in den Rückschein im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Beklagte zu 1 das Bestreiten der Fristeinhaltung nicht mehr aufrechterhalten.

bb.Der Ausübung des Vorkaufsrechts steht auch nicht das Verbot treuwidriger oder sonst unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Insbesondere ist hier weder eine die Treuwidrigkeit begründende fehlende Akzeptanz der mit dem Dritten ausgehandelten Vertragsbedingungen durch den Vorkaufsberechtigten festzustellen (unter (1)) noch ist von der fehlenden Leistungsfähigkeit des Vorkaufsberechtigten auszugehen (unter (2)).

(1) Vorliegend ist nicht festzustellen, dass die Klägerin die mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verbundenen Verpflichtungen nicht tragen wollte. Dies bezieht sich insbesondere auf die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung bis zum 31.12.2019 und zur Leistung einer Anzahlung in Höhe von 300.000 € vor der Beurkundung. Ob hinsichtlich der Anzahlungsverpflichtung überhaupt eine verpflichtende vertragliche Klausel im Erstvertrag vorlag, kann damit offenbleiben.

Treuwidrigkeit bei der Ausübung des Vorkaufsrechts kann anzunehmen sein, wenn der Vorkaufsberechtigte nicht Willens oder in der Lage ist, die vertraglichen Verpflichtungen aus dem Erstvertrag zu übernehmen (Westermann a.a.O. § 464 Rn. 3; Daum in: beck-online Großkommentar, BGB, § 464 Rn. 10). Der Vorkaufsberechtigte kann sein Vorkaufsrecht nicht ausüben, wenn er zugleich ablehnt, die mit der Erklärung verbundenen Verpflichtungen zu tragen (Daum a.a.O., § 464 Rn. 10). Einer solchen widersprüchlichen Willenserklärung ist die rechtliche Anerkennung zu versagen. Ob dies auch gilt, wenn der Vorkaufsberechtigte die Ansicht vertritt, bestimmte Klauseln würden ihm gegenüber nicht gelten, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. Westermann, a.a.O., § 464 Rn. 3; Daum a.a.O., § 464 Rn. 10).

Dies kann hier offenbleiben. Es ist nicht festzustellen, dass die Klägerin die vertraglichen Regelungen des Erstvertrages vom 5.8.2019 nicht gegen sich gelten lassen wollte. Auch die Anzahlungsverpflichtung hat sie nicht in Frage gestellt.

Maßstab für die Treuwidrigkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts ist dabei grundsätzlich der Kenntnisstand der Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts am 4.10.2019. Die Treuwidrigkeit ist darauf zu beziehen, ob der Vorkaufsberechtigte die ihm bei Ausübung des Rechts bekannten wirksamen vertraglichen Pflichten akzeptiert. Erst nach Ausübung des Rechts bekannt gewordene, d.h. nicht in den Erstvertrag integrierte, oder danach formulierte Forderungen können die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht – nachträglich – treuwidrig erscheinen lassen.

Die Beklagte zu 1 trägt nicht vor – und dies ist der Akte auch nicht zu entnehmen -, dass die Klägerin die Kaufvertragsverpflichtung hinsichtlich des Kaufpreises grundsätzlich nicht akzeptierte. Aus der nicht innerhalb der von den Beklagten zu 2-5 nach der Ausübung des Vorkaufsrechts gesetzten Frist zur Leistung der Anzahlung kann auch nicht geschlossen werden, dass die Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich die Anzahlungsverpflichtung in Frage gestellt hat.

Vielmehr hat die Klägerin sich ausweislich ihrer an den Notar gerichteten Schreiben vom 12.11., 14.11. und 18.11.2019 um den Abschluss einer entsprechenden Verwahranweisung zur Leistung der Anzahlung bemüht.

Der Umstand, dass die Klägerin im hiesigen Verfahren bestreitet, dass eine Verpflichtung zur Anzahlung wirksam begründet wurde, wirkt sich nicht rückwirkend dahingehend aus, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts treuwidrig erscheint. Vielmehr liegt insoweit allein ein prozessual zulässiges Verhalten im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits vor.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Vertrag vom 05.08.2019 selbst keine Regelung zur Begründung einer eigenständigen Verpflichtung zur Anzahlung enthält. Dies ist auch zeitlich zwingend, da die Anzahlung vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages geleistet werden sollte. Aus § 3.1 des notariellen Kaufvertrages folgt allein, dass sich die Parteien des Erstvertrages offensichtlich zuvor über die Leistung einer Anzahlung geeinigt hatten, deren Eingang mit dem Kaufvertrag bestätigt wird. Hinsichtlich der außerhalb der notariellen Urkunde erfolgten Einigung auf die Leistung einer Anzahlung fehlt es an der notariellen Beurkundung gem. § 311 b BGB. Ob mit der späteren Beurkundung insoweit eine wirksame Novation erfolgen sollte, bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung. Wie ausgeführt, hat die Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts und auch in den Wochen danach nicht in Frage gestellt, dass eine Anzahlung über 300.000 € zu leisten ist.

Soweit die Beklagte zu 1 meint, der klägerische Wunsch nach dem Abschluss eines eigenständigen Verwahrvertrages zeige, dass die Klägerin die Verpflichtung zur Anzahlung tatsächlich nicht akzeptieren wollte, überzeugt dies ebenfalls nicht. Selbst wenn die Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts bereits die Absicht hatte, die ihr bekannte Anzahlungsverpflichtung nur begleitet durch einen Verwahrvertrag zu leisten, würde dies die Ausübung nicht als treuwidrig erscheinen lassen.

Grundsätzlich darf ein Notar vielmehr gem. § 57 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BeurkG Gelder nur in Verwahrung nehmen, wenn ein entsprechender Verwahrvertrag zwischen dem Einzahlenden und ihm geschlossen wird. Ein solcher Antrag auf Verwahrung könnte in der in § 3 Nr. 1 des notariellen Kaufvertrages mit den Erstkäufern erfolgten Regelung liegen, wonach der Käufer eine Anzahlung auf das Notaranderkonto des amtierenden Notars gezahlt hat. Soweit der notarielle Kaufvertrag insoweit keine Annahmeerklärung des Notars enthält, könnte man von einer konkludenten Annahme des Angebots auf Abschluss des Verwahrvertrages ausgehen. Dieser – auch in der Abwicklungsurkunde vorgesehene – Verwahrvertrag würde aber in jedem Fall erst nach erfolgter Zahlung geschlossen. Dass die Klägerin dagegen forderte, vor Zahlung einen Verwahrvertrag mit dem Notar abzuschließen, ist angesichts der Gesamtumstände nicht geeignet, den Vorwurf der Treuwidrigkeit zu stützen. Etwas anders folgt im Hinblick auf die ablehnende Reaktion des Notars auch nicht daraus, dass sie grundsätzlich selbst ein Angebot zum Abschluss eines solchen Verwahrvertrages hätte abgeben können.

Soweit die Beklagte behauptet, dass die Verkäufer von ihr nicht nur eine Anzahlung, sondern die gesamte Finanzierungszusage vor Abschluss des Vertrags verlangt hatten, ist auch dieser Umstand nicht geeignet, die Ausübung des Vorkaufsrechts treuwidrig erscheinen zu lassen. Maßstab kann dafür – wie ausgeführt – nur sein, welche Verpflichtungen der Vorkaufsberechtigte dem Erstvertrag bei Ausübung des Vorkaufsrechts entnehmen konnte. Eine derartige Abrede findet sich dort nicht.

Soweit die Beklagte schließlich darauf verweist, dass die Klägerin nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist bis zum 7.11.2019 die Anzahlung geleistet hat, kann auch daraus keine Treuwidrigkeit hergeleitet werden. Der Klägerin war bei Ausübung des Vorkaufsrechts diese Frist nicht bekannt. Die Nichteinhaltung dieser Frist kann damit auch nicht die Ausübung treuwidrig machen. Da der Erstvertrag keine Angaben zur Frist für die Anzahlung enthielt und auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der Klägerin die Zeitabläufe im Rahmen des Erstvertrages bekannt waren, musste sie auch nicht damit rechnen, dass eine von ihr nicht einhaltbare kurze Frist gesetzt wird.

Gemäß § 3 Nr. 2 des Kaufvertrags mit den Erstkäufern war der Kaufpreis selbst am 31.12.2019 fällig bzw. mit Eintritt der näher genannten Fälligkeitsvoraussetzungen. An diese Fristen war auch die Klägerin als Vorkaufsberechtigte gebunden (Westermann a.a.O. § 464 Rn. 5). Sie konnte sie im Hinblick auf den Abschluss des Darlehensvertrages am 18.11.2019 jedoch auch unstreitig einhalten. Die der Klägerin bekannte Frist zur Zahlung des Kaufpreises am 31.12.2019 bedingte auch nicht mittelbar, dass die Anzahlung bereits zum 7.11.2019 zu leisten war. Notwendig war dafür nur, dass die Beurkundung mit einer gewissen Abwicklungszeit vor dem 31.12.2019 erfolgte und wiederum vor der Beurkundung die Anzahlung geleistet wurde. Dieser Ablauf hätte noch Ende November/Anfang Dezember 2019 eingehalten werden können.

bb. Die Klägerin übte auch nicht deshalb ihr Vorkaufsrecht treuwidrig aus, da sie – wie in einer Entscheidung des Reichsgerichts (Urteil vom 28.1.1932 – VI 434/31, zitiert nach BeckRS 1932, 100444) formuliert – „außerstande“ war, den zu zahlenden Kaufpreis zu entrichten (vgl. auch Westermann a.a.O. § 464 Rn. 3). Das Reichsgericht hat darauf abgestellt, ob die Vermögensverhältnisse des Vorkaufsberechtigten in einem Maße unzulänglich waren, dass an die Erfüllung des Vertrags „von vornherein überhaupt nicht“ gedacht werden kann. Eine vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor, so dass die Kritik an dieser Entscheidung (Daum a.a.O., § 464 Rn. 11.2) dahinstehen kann.

Es lag hier nicht „auf der Hand“, dass die Klägerin die sich aus dem Kaufvertrag ergebenden Verpflichtungen nicht erfüllen kann:

Unstreitig ist die Klägerin durch den Abschluss des Darlehensvertrages mit der F am 18.11.2019 in die Lage versetzt worden, sowohl die Anzahlung i.H.v. 300.000 € als auch den restlichen Kaufpreis i.H.v. 3.000.000 € zu finanzieren.

Soweit die Beklagte zu 1 unter Berufung auf die im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse der Klägerin hinsichtlich der Jahre 2018, 2019 behauptet, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechtes nicht in der Lage gewesen wäre, die eingegangenen finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, stützt dies nicht den Einwand der Treuwidrigkeit. Eine „auf der Hand“ liegende fehlende Möglichkeit, die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn für die Klägerin ersichtlich gewesen wäre, dass sie zum vertraglich vereinbarten Leistungszeitpunkt weder aus Eigen- noch aus Fremdmitteln leistungsfähig sein würde. Dies ergibt sich auch aus dem Vortrag der Beklagten zu 1 nicht. Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte vor, aus welchen Gründen die Klägerin nicht mit einer – tatsächlich auch realisierten – Fremdfinanzierung zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts hätte rechnen dürfen. Dabei kann offenbleiben, ob der Darlehensgeber die Darlehensgewährung davon abhängig gemacht hat, dass die Klägerin einen Abkäufer für das unbebaute Grundstück präsentiert. Eine derartige Bedingung würde nur dann zur Treuwidrigkeit führen, wenn für die Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts sicher absehbar gewesen wäre, dass sie diese Kondition für einen Darlehensgeber nicht erfüllen kann. Auch aus dem Vortrag der Beklagten zu 1 ergibt sich jedoch nicht, dass es für die Klägerin „auf der Hand“ lag, keinen Interessenten für das unbebaute Grundstück zu finden. Darüber hinaus spricht – bei Wahrunterstellung der Behauptung, dass die Darlehensgewährung an die Präsentation eines Abkäufers für das unbebaute Grundstück geknüpft war – der tatsächliche Ablauf der Darlehensgewährung gegen diesen Vortrag. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch der weitere Hinweis der Beklagten nicht, die F hätte bei Kenntnis der Jahresabschlüsse der Klägerin keine Kreditfinanzierung übernommen. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Verflechtung der Klägerin mit der F und die damit verbundenen Einsichts-, Auskunfts- und Informationsrechte der F die Annahme der Unkenntnis der Jahresabschlüsse fernliegend erscheint.

Auf die Annahme des Landgerichts, dass die Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zur Zahlung der im Erstvertrag vorgesehenen Anzahlung i.H.v. 300.000 € in der Lage war und dies auch bis zum Ablauf der ihr mit Schreiben vom 24.10.2019 (Anlage B 3) gesetzten Frist bis zum 07.11.2019 geworden ist, kommt es bei der Beurteilung der Treuwidrigkeit ihres Verhaltens nicht an. Die von der Klägerin selbst vorgelegten Salden-Aufstellungen sprechen allerdings – unabhängig von der Frage der Verspätung – nicht für eine hinreichende Kontodeckung über 300.000 €. Da der – der Klägerin am 18.11.2019 übermittelte – Darlehensvertrag mit der F gem. Ziff. 1 Abs. 2 letzter Satz ausdrücklich die Zurverfügungstellung auch des Anzahlungsbetrags umfasst, spricht auch dies dafür, dass die Klägerin nicht über ausreichende Eigenmittel verfügte. Wie ausgeführt wäre aber erst und nur dann von einer Treuwidrigkeit auszugehen, wenn es für die Klägerin „auf der Hand“ gelegen hätte, dass sie die mit der Ausübung des Vorkaufsrechts eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Fälligkeiten nicht erfüllen kann. Dies ist – wie dargestellt – nicht der Fall.

Soweit die Beklagte meint, die Nichteinhaltung der der Klägerin mit Schreiben vom 06.11.2019 gesetzten Frist zur Einzahlung zum 7.11.2019 sei ein Indiz für die fehlende Leistungsfähigkeit bei Ausübung des Vorkaufsrechts, überzeugt auch dies nicht. Der Vorwurf der Treuwidrigkeit knüpft an die fehlende Möglichkeit, die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, an. Wie bereits ausgeführt, musste die Klägerin die ihr bekannten vertraglichen Pflichten aus dem Erstvertrag übernehmen. Den ihr bei Ausübung des Vorkaufsrechts bekannten Regelungen des Erstvertrages konnte sie nicht entnehmen, dass die Anzahlung am 7.11.2019 geleistet werden sollte. Wie oben ausgeführt, musste die Klägerin lediglich davon ausgehen, dass ihre Leistungsfähigkeit für die Anzahlung vor der Beurkundung gegeben ist. Hinsichtlich des Beurkundungszeitraums wiederum war ein gewisser zeitlicher Vorlauf vor der vertraglich vereinbarten Fälligkeit des Kaufpreises am 31.12.2019 einzuhalten. Es ist weder von der Beklagten dargetan noch ersichtlich, dass die Klägerin bei Ausübung des Vorkaufsrechts – im Sinne des vom Reichsgericht aufgestellten Maßstabs – nicht im Stande war, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Dagegen sprechen auch die tatsächlichen geschilderten Abläufe.

cc. Die Umstände nach der Ausübung des Vorkaufsrechts führten auch nicht dazu, dass das nunmehrige Abwicklungsverlangen selbst als treuwidrig einzustufen ist, wie von der Beklagten zu 1 vorgetragen.

Weder der von der Beklagten zu 1 angeführte Umstand, dass die Klägerin nach der Ausübung einige Wochen nicht auf Anfragen der Beklagten zu 1 reagiert hat noch die fehlende Einhaltung der ihr nach Ausübung des Vorkaufsrechts für die Anzahlung gesetzten Frist stützen diese Annahme.

Der Beklagten zu 1 ist zuzugeben, dass nach Ausübung des Vorkaufsrechts im Hinblick auf die in jedem Rechtsverhältnis geltenden gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten der Vorkaufsberechtigte die erforderlichen Handlungen zur Realisierung der erlangten Rechtsposition zeitnah vornehmen sollte. Sofern der Schuldner wirksam gesetzte Fristen nicht wahrt oder Leistungen nicht in der vertraglich vereinbarten Form erbringt, werden die damit verbundenen negativen Folgen für den Gläubiger über die Regelungen des Verzugs, Schadensersatzes oder der Möglichkeit des Rücktritts vom Vertrag aufgefangen. Es ist nicht ersichtlich, welchen eigenständigen Anwendungsbereich der von der Beklagten zu 1 in diesem Zusammenhang erwähnte Grundsatz von Treu und Glauben daneben noch haben sollte und könnte. Die erwähnten gesetzlich geregelten Rechte sind hinreichend, um die berechtigten Interessen des Gläubigers zu wahren. Dies stellt sich hier auch nicht im Hinblick auf den gescheiterten Ankauf aus dem Jahre 2016 anders dar. Die Beklagten zu 2-5 hatten mit dem Erstkäufer eine Frist zur Kaufpreiszahlung bis zum 31.12.2019 vereinbart sowie die Leistung einer Anzahlung vor der Beurkundung. Diese Verpflichtungen hat die Klägerin anerkannt; im Fall der Nichteinhaltung hätten die Beklagten zu 2-5 damit Ansprüche wegen verspäteter oder ausbleibender Leistung geltend machen können.

Soweit die Beklagte zu 1 in der mündlichen Verhandlung ausführte, die Nichteinhaltung der für die Anzahlung gesetzten Frist zum 7.11.2019 habe sie jedenfalls zum Rücktritt berechtigt, fehlt es an einer entsprechenden Rücktrittserklärung im Sinne von § 349 BGB. Auf die bereits erörterten Fragen hinsichtlich der Formunwirksamkeit der Anzahlungsverpflichtung in Hinblick auf § 311 b BGB und den damit verbundenen fehlenden Fälligkeitseintritt kommt es mithin nicht zusätzlich an.

1. Der neue Antrag zu II. 4 ist dagegen unzulässig. Es fehlt an der Sachdienlichkeit gem. § 533 Abs. 2 ZPO. Auch nach dem Hinweis des Senats mit Schreiben vom 13.11.2023 hat die Klägerin nicht dargelegt, welche Bedeutung dieser Antrag für die Klärung der Rechtslage haben soll.

A. Die erst in der Berufungsinstanz – nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – erfolgte Parteierweiterung auf Beklagtenseite auf die Beklagten zu 2-5 als Verkäufer des Grundstücks sowie die Beklagten zu 6 und 7 als Inhaber der auf dem Grundstück lastenden neu eingetragenen Grundschulden ist unzulässig.

Voraussetzung für eine im Berufungsverfahren erhobene Klage/Widerklage gegen eine bisher am Prozess nicht beteiligte Partei ist grundsätzlich deren Zustimmung, es sei denn, diese wird rechtsmissbräuchlich verweigert (BGH, Urteil vom 26.07.2007 – VII ZR 5/06). Die Verweigerung der Zustimmung zu einer Parteierweiterung in der Berufungsinstanz ist im Allgemeinen rechtsmissbräuchlich, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Weigerung nicht zu erkennen und der Partei zuzumuten ist, in den Prozess einzutreten, obwohl er bereits in der Berufungsinstanz schwebt. Dabei sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Das Erfordernis der Zustimmung dient dem Schutz der Partei, die in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium in einen Prozess hineingezogen wird. Es soll Nachteile verhindern, die dadurch entstehen, dass der neue Beklagte den bisherigen Verlauf des Prozesses keinen Einfluss hatte und ihn in der Lage weiterführen müsst, dass ich nunmehr befindet (BGH a.a.O.).

a. Vorliegend haben alle neuen Beklagten der Parteierweiterung nicht zugestimmt.

b. Die Verweigerung der Zustimmung ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Soweit die Klägerin darauf verweist, dass die Beklagten zu 2-7 über Rechtsanwalt C ausreichend über den Sach- und Streitstand informiert worden seien, kann offenbleiben, ob dies zutrifft. Rechtsmissbrauch ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht bereits dann anzunehmen, wenn eine neue Partei ausreichende Informationen über den Streitstoff hat (BGH, a.a.O). Ebenso wenig kann Rechtsmissbrauch allein an der Frage festgemacht werden, ob erstinstanzlich eine Beweisaufnahme durchgeführt wurde. Maßstab ist vielmehr gemäß den dargestellten Grundsätzen, ob angesichts der Gesamtumstände den Beklagten zu 2-7 ein Eintritt in den Prozess im jetzigen Verfahrensstadium zugemutet werden kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Den Beklagten zu 2-7 geht eine Tatsacheninstanz verloren, ohne dass – wie von der Klägerin behauptet – die hier maßgeblichen Tatsachen zwischen den Parteien unstreitig wären. Uneinigkeit besteht beispielsweise, ob die Beklagten zu 2-5 vor Abschluss des Kaufvertrages von der Beklagten zu 1 eine Finanzierungszusage tatsächlich verlangt und erhalten hatten (die nach Ansicht der Beklagten dann auch von der Klägerin hätte erbracht werden müssen), ob der Kaufpreis von der Beklagten zu 1 tatsächlich vollständig ohne Fremdmittel geleistet wurde und ob die Klägerin vor Erhalt der Darlehenszusage im November 2019 aus eigenen Mitteln zur Aufbringung der Anzahlung über 300.000 € in der Lage gewesen ist.

Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob und welche der umstrittenen Tatsachen für die hiesige Entscheidung streitentscheidend sind. Ausreichend ist vielmehr, dass im Fall einer – auch ohne Revisionszulassung nicht ausgeschlossenen – Überprüfung dieser Entscheidung durch den BGH andere, streitige Umstände maßgeblich werden könnten, ohne dass den neuen Beklagten insoweit zwei Tatsacheninstanzen zur Verfügung standen.

III.

Die Kostenentscheidung erster Instanz beruht auf § 91 ZPO. Die Kostenentscheidung zweiter Instanz beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen i.S.d. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf der Anwendung anerkannten Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall und berücksichtigt im Rahmen der Prüfung des treuwidrigen Verhaltens allein die zugrundeliegenden Tatsachen. Dies umfasst auch der Beklagten zu 1 aufgeworfene Frage der Existenz und des Umfangs von Nebenpflichten nach der Ausübung eines Vorkaufsrechts. Soweit die Beklagte zu 1 die Zulassung unter Hinweis darauf beantragt, dass zu klären sei, ob bei Ausübung des Vorkaufsrechts Zahlungsfähigkeit für die Anzahlung vorliegen müsse, ist dies angesichts der zitierten Rechtsprechung keine noch klärungsbedürfte Fragestellung.

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