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Überschreitung des Gutachtenauftrags durch Sachverständigen – Befangenheit

Architektenstreit vor OLG Karlsruhe: Sachverständiger überschreitet Auftrag, aber nicht befangen

Im Zentrum des Urteils steht die Ablehnung eines Sachverständigen wegen befürchteter Befangenheit durch einen Kläger. Der Kläger hatte argumentiert, der Sachverständige habe sowohl den Gutachtenauftrag überschritten als auch inhaltliche Fehlleistungen erbracht, was Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertige. Das OLG Karlsruhe entschied jedoch, dass keine ausreichenden Gründe für die Annahme einer Befangenheit vorlagen. Die Argumente des Klägers bezüglich der Überschreitung des Gutachtenauftrags und der qualitativen Mängel der Begutachtung wurden nicht als geeignet angesehen, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erwecken. Folglich wurde die sofortige Beschwerde des Klägers abgelehnt und die Entscheidung des Landgerichts bestätigt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 19 W 64/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Karlsruhe wies die sofortige Beschwerde des Klägers ab, der einen Sachverständigen wegen Befangenheit ablehnen wollte.
  • Die Vorwürfe bezogen sich auf die angebliche Überschreitung des Gutachtenauftrags und inhaltliche Fehlleistungen.
  • Das Gericht fand keine ausreichenden Gründe, die die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen rechtfertigen würden.
  • Die Beurteilung basierte auf einer sorgfältigen Prüfung der Argumente des Klägers und der Stellungnahmen des Sachverständigen.
  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem Kläger auferlegt, und der Streitwert des Beschwerderechtszugs wurde festgesetzt.

Wenn ein Sachverständiger beauftragt wird, ein Gutachten zu erstellen, muss er sich an bestimmte Vorgaben halten. Doch was passiert, wenn der Sachverständige seinen Auftrag überschreitet und dadurch die Besorgnis der Befangenheit entsteht? Diese Frage beschäftigt nicht nur Fachleute, sondern auch durchschnittliche Bürger, die in Kontakt mit der Justiz kommen. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, was es mit der Überschreitung eines Gutachtenauftrags auf sich hat und welche Folgen dies haben kann, insbesondere in Bezug auf die Befangenheit eines Sachverständigen. Dabei wird auch die Rolle des Oberlandesgerichts Karlsruhe in derartigen Fällen beleuchtet.

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Gutachten-GAU: Sachverständiger befangen? OLG Karlsruhe klärt auf
Wenn Gutachten aus dem Ruder laufen: OLG Karlsruhe zu Befangenheit bei Überschreitung des Auftrags (Symbolfoto: Chaosamran_Studio /Shutterstock.com)

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe, Aktenzeichen 19 W 64/22, stand die Frage der Befangenheit eines Sachverständigen im Mittelpunkt einer juristischen Auseinandersetzung, die weitreichende Implikationen für das Verhältnis zwischen Gerichten, Sachverständigen und den Parteien eines Rechtsstreits hat.

Der Streit um Architektenhonorare führt zum Gericht

Der Ausgangspunkt des Falles lag in einem gekündigten Architektenvertrag und der darauffolgenden Forderung nach Rückzahlung des Architektenhonorars. Ein Sachverständigengutachten sollte Klarheit über die strittigen Honorarparameter schaffen. Doch was als Routineverfahren begann, entwickelte sich schnell zu einem juristischen Streit über die Grenzen des Gutachtenauftrags und die Unparteilichkeit des beauftragten Sachverständigen.

Der Vorwurf der Befangenheit

Der Kern der Kontroverse drehte sich um die Befangenheit des Sachverständigen. Der Kläger warf ihm vor, den ihm erteilten Gutachtenauftrag mehrfach überschritten und sich somit parteilich verhalten zu haben. Besonders brisant waren die Vorwürfe, der Sachverständige habe eigenmächtig den Gutachtenauftrag überschritten, indem er sich zu Aspekten äußerte, die nicht Gegenstand des Auftrags waren, und eigene Rechtsansichten formulierte, die als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung unzulässig waren.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe

Das Oberlandesgericht Karlsruhe wies die sofortige Beschwerde des Klägers zurück und bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe. Die Richter des OLG argumentierten, dass weder die angebliche Überschreitung des Gutachtenauftrags noch die inhaltlichen Fehlleistungen des Sachverständigen ausreichende Gründe darstellten, um eine Befangenheit anzunehmen. Vielmehr sah das Gericht in den Handlungen des Sachverständigen den Versuch, innerhalb seines Verständnisses des Beweisbeschlusses zur Klärung des Falls beizutragen.

Rechtsgrundlagen und ihre Auslegung

Die juristische Bewertung der Befangenheit eines Sachverständigen basiert auf komplexen rechtlichen Erwägungen. Dabei spielen nicht nur die persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen eine Rolle, sondern auch das Verhalten des Sachverständigen während der Begutachtung. Das OLG Karlsruhe legte dar, dass ein Sachverständiger nur dann als befangen gilt, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die bei einer vernünftigen Partei Zweifel an seiner Unparteilichkeit wecken könnten. Diese Gründe sah das Gericht im vorliegenden Fall als nicht gegeben an.

In einem kurzen und prägnanten Resümee lässt sich festhalten, dass das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinem Beschluss vom 23.01.2023 eine klare Linie verfolgte: Die bloße Überschreitung eines Gutachtenauftrags oder inhaltliche Mängel in der Begutachtung stellen für sich genommen keine hinreichenden Gründe für die Annahme einer Befangenheit dar. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung der Rolle und der Grenzen von Sachverständigen in gerichtlichen Verfahren.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bedeutet die Befangenheit eines Sachverständigen im rechtlichen Sinne?

Die Befangenheit eines Sachverständigen im rechtlichen Sinne bezieht sich auf die Sorge, dass ein Sachverständiger nicht neutral und unparteiisch agiert, was seine Einschätzung und damit das Verfahren beeinflussen könnte. Ein Sachverständiger muss sich stets neutral verhalten und darf keine Partei bevorzugen oder benachteiligen. Die Befangenheit kann auf verschiedenen Gründen basieren, wie persönlichen Beziehungen zu einer Partei, abfälligen Äußerungen über eine Partei in einem Gutachten, oder wenn ein Sachverständiger sich nicht an die Anweisungen des Gerichts hält.

Ein Befangenheitsantrag gemäß § 406 Abs. 1 ZPO ermöglicht es den Prozessparteien, die Ablehnung eines Sachverständigen zu erreichen, wenn berechtigte Zweifel an dessen Neutralität bestehen. Die Parteien müssen Tatsachen oder Umstände vortragen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige sei nicht unvoreingenommen.

Die Besorgnis der Befangenheit muss auf geeigneten Gründen basieren, die ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen. Es muss sich um Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber.

Die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen. Dies gilt auch für den Sachverständigen und kann gegenüber dem Einzelsachverständigen geltend gemacht werden.

Ein Sachverständiger kann wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn er seine Pflichten verletzt, wie beispielsweise durch verzögerte Bearbeitung des Gutachtenauftrags, was Zweifel an seiner Unparteilichkeit aufkommen lassen kann.

Die Frage der Befangenheit eines Sachverständigen ist eine Frage der Würdigung der Tatsachen im Einzelfall und hat in den meisten Fällen keine grundsätzliche Bedeutung. Befangenheitsanträge sind rechtlich schwierig und beeinflussen das Verfahren meist nicht positiv.

Insgesamt ist die Befangenheit eines Sachverständigen ein ernstzunehmendes Thema in Gerichtsverfahren, da die Neutralität und Unparteilichkeit von Sachverständigen für ein faires Verfahren essentiell sind.

Inwiefern können die Handlungen eines Sachverständigen als Überschreitung des Gutachtenauftrags interpretiert werden?

Die Handlungen eines Sachverständigen können als Überschreitung des Gutachtenauftrags interpretiert werden, wenn er über die ihm durch den Beweisbeschluss und den Gutachtenauftrag gezogenen Grenzen hinausgeht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Sachverständige sich mit Aspekten beschäftigt, die nicht Teil der Beweisfrage sind oder wenn er eigene Meinungen und Bewertungen einfließen lässt, die über den Auftrag hinausgehen.

Eine Überschreitung des Gutachtenauftrags kann dann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sich aus dem Verhalten des Sachverständigen eine parteiliche Tendenz zu Gunsten oder zu Lasten einer Partei ergibt. Nicht jede Überschreitung führt jedoch automatisch zur Befangenheit. Es muss im Einzelfall entschieden werden, ob die Überschreitung des Gutachtenauftrags geeignet ist, bei einer Partei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu wecken.

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Fehler oder Mängel im Gutachten selbst rechtfertigen nicht zwangsläufig die Besorgnis der Befangenheit, da sie nicht direkt die Unparteilichkeit des Sachverständigen betreffen. Beide Parteien sind grundsätzlich gleichermaßen von einer mangelnden Sorgfalt des Sachverständigen betroffen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Überschreitung des Gutachtenauftrags nicht mit einer fehlerhaften Gutachtenerstattung gleichzusetzen ist. Während eine fehlerhafte Gutachtenerstattung die Qualität des Gutachtens betrifft, bezieht sich die Überschreitung des Gutachtenauftrags auf das Verhalten des Sachverständigen und kann auf eine unsachliche Grundhaltung gegenüber einer Partei hindeuten.

Zusammenfassend ist die Überschreitung des Gutachtenauftrags ein komplexes Thema, das im Kontext des jeweiligen Falles und der spezifischen Handlungen des Sachverständigen bewertet werden muss. Die Gerichte müssen dabei sorgfältig prüfen, ob die Handlungen des Sachverständigen tatsächlich eine Überschreitung darstellen und ob diese geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelungen zur Zulässigkeit und Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde. Erlauben es einem Beschwerdeführer, gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen vorzugehen, um eine Überprüfung und mögliche Korrektur zu erreichen.
  • § 569 ZPO: Bestimmt die Fristen und formellen Anforderungen für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde. Sichert das Recht auf ein faires Verfahren durch Einhaltung prozessualer Regeln.
  • § 411 Abs. 4 ZPO: Legt fest, dass das Gericht den Parteien eine Frist zur Stellungnahme zum Gutachten des Sachverständigen setzen kann. Dient der Gewährleistung, dass alle Parteien ihre Sichtweise zum Gutachten äußern können.
  • §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 ZPO: Betreffen die Ablehnung von Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit. Ziel ist es, die Objektivität und Unparteilichkeit im Gerichtsverfahren zu wahren.
  • § 97 Abs. 1 ZPO: Regelung zur Kostenentscheidung bei Rechtsmittelverfahren. Bestimmt, dass die unterlegene Partei die Kosten des Rechtsmittels zu tragen hat.
  • §§ 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO: Bestimmungen zur Festsetzung des Streitwerts im Beschwerdeverfahren. Der Streitwert beeinflusst die Höhe der Gerichtskosten und ggf. der Anwaltsgebühren.
  • § 572 Abs. 3 ZPO: Ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Aufhebung und Zurückverweisung einer Sache an das erstinstanzliche Gericht. Dient der Korrektur von Verfahrensfehlern und der Sicherstellung einer gerechten Entscheidung.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 19 W 64/22 – Beschluss vom 23.01.2023

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 01.06.2022 gegen den Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 16.05.2022 (Aktenzeichen 4 O 218/18) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerderechtszugs.

3. Der Streitwert des Beschwerderechtszugs wird auf bis zu 45.869,76 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückzahlung von Architektenhonorar geltend, nachdem ein das Bauvorhaben in der M. Str., K. betreffender Architektenvertrag gekündigt worden ist.

Das Landgericht erließ am 25.01.2019 einen Beweisbeschluss, mit welchem die Begutachtung näherbezeichneter Honorarparameter im Wege eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet wurde. Daraufhin legte der Sachverständige R. (künftig: der Sachverständige) mit Datum vom 04.12.2019 eine schriftliche Begutachtung vor. Hierzu nahm der Kläger mit Schriftsatz vom 21.04.2020 Stellung. Das Landgericht ordnete daraufhin mit Beweisbeschluss vom 02.06.2020 eine ergänzende Begutachtung. Der Sachverständige legte sodann am 18.01.2021 ein erstes Ergänzungsgutachten vor. Im Vorfeld eines anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung nebst Gutachtenerläuterung nahmen die Parteien zu dem Ergänzungsgutachten Stellung. Infolge der landgerichtlichen Verfügung vom 11.10.2021 legte der Sachverständige am 15.11.2021 ein zweites Ergänzungsgutachten vor. Mit Verfügung vom 23.11.2021 wurde den Parteien insoweit eine Stellungnahmefrist bis 10.01.2022 eingeräumt worden, die auf Antrag des Klägers mit Verfügung vom 28.12.2021 bis 28.01.2022 verlängert wurde.

Im Rahmen des hierauf eingereichten Schriftsatzes des Klägers vom 28.01.2022 lehnte dieser den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Zu dem Ablehnungsgesuch nahm der Sachverständige mit Datum vom 28.02.2022 Stellung. Hierzu führte der Kläger wiederum mit Schriftsatz vom 12.04.2022 aus.

Mit Beschluss vom 16.05.2022 wies das Landgericht Karlsruhe das Gesuch des Klägers vom 28.01.2022, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, zurück. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger mit Schreiben vom 01.06.2022 sofortige Beschwerde ein.

Der Kläger führte zur Begründung nachfolgend im Besonderen aus, dass in mehrfacher Hinsicht sowohl eine Überschreitung des Gutachtenauftrags als auch inhaltliche Fehlleistungen des Sachverständigen vorlägen. Damit bestehe die Besorgnis der Befangenheit.

Im Einzelnen liege eine bewusste Überschreitung des Gutachtenauftrags vor allem darin, dass der Sachverständige auf S. 11 seines Gutachtens vom 15.11.2021 ausgeführt habe, dass „nahezu bei keinem Bauvorhaben alle Leistungen zu erbringen“ seien. Zudem liege eine Überschreitung des Gutachtenauftrages darin, dass der Sachverständige das Vorbringen der Parteien eigenständig auf Richtigkeit hin untersucht habe. Im Widerspruch zu dem unstreitigen Prozessstoff habe der Sachverständige im Hinblick auf die Planindizes A-E ausgeführt, dass der Beklagte die Kostenberechnung aus der Perspektive und auf Grundlage des Erkenntnisstands der abgeschlossenen Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) erstellt habe.

Weiterhin habe der Sachverständige die Einwände des Klägers bezüglich einer angemessenen Bewertung der Grundleistung Nr. 1 c) erstmals auf das Ablehnungsgesuch des Klägers hin als zutreffend bestätigt. Dies zeige, dass er zuvor nicht dazu bereit gewesen sei, sich mit dem Vortrag und den Einwendungen des Klägers in der gebotenen Weise umfassend auseinanderzusetzen.

Des Weiteren ergebe sich ein Befangenheitsgrund daraus, dass der Sachverständige aufgrund des Vortrags des Klägers im Schriftsatz vom 21.04.2020 hätte berücksichtigen müssen, dass in der Ausführungsphase lediglich die Pläne des Beklagten zum Planungsstand 05.09.2016 – Index C, nicht hingegen jene mit Index D vom 05.10.2017, vorgelegen hätten. Der Sachverständige habe sich auf S. 16 des zweiten Ergänzungsgutachtens angemaßt, den Tatsachenvortrag des Klägers als unzutreffend zu werten und im Rahmen seiner Honorarermittlung einen hiervon abweichenden Sachverhalt zugrunde zu legen; er habe dort ausgeführt, „dass dieser hier angesprochene Schnitt A-A während der Bauausführung gefertigt worden ist und dem Rohbauer zur Verfügung gestellt worden ist, also zu einem Zeitpunkt, als das Bauvorhaben entgegen der Behauptung des Klägers sich im Rohbau befand“. Dadurch habe der Sachverständige eine dem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung vorgenommen.

Insbesondere im zweiten Ergänzungsgutachten vom 15.11.2021 habe der Sachverständige eigene Rechtsausführungen dazu gemacht, dass mit dem GU im Rahmen der Nachtragsvereinbarung vom 29.07.2016 angeblich keine Regelung zur Vergütung getroffen worden sei und die Parteien offengelassen hätten, welchen Werklohn der GU für die Errichtung des Neubaus nach Maßgabe der vereinbarten Baubeschreibung erhalten sollte.

Die Argumentation, mit der der Sachverständige an der Bewertung der anrechenbaren Kosten für den Neubau mit 507.394,92 € festhalte, entbehre jeder Logik.

Schließlich liege eine Fehlleistung des Sachverständigen darin, dass sich in der vorgelegten Begutachtung keinerlei Hinweise auf Umfang und Wert der mitzuverarbeitenden Bausubstanz gemäß § 4 Abs. 3 HOAI fänden.

Hiernach ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen. In einer Gesamtschau aller Umstände ändere hieran nichts, dass das Gericht an die rechtlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen nicht gebunden sei. Im Übrigen sei die Entscheidung des Landgerichts vom 16.05.2022 äußerst knapp ausgefallen.

Wegen des Beschwerdevorbringens im Übrigen wird auf die klägerseitigen Schriftsätze vom 01.06.2022 und 06.07.2022 sowie ergänzend auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 13.07.2022 nicht ab.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß § 569 ZPO frist- und formgerecht eingelegt worden.

1.

Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Das Befangenheitsgesuch war zulässig, aber unbegründet.

a) Das Befangenheitsgesuch war zwar zulässig und wurde im Besonderen – entgegen dem beklagtenseitigen Vorbringen – fristgerecht eingereicht.

Ergibt sich der Grund zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, läuft im Allgemeinen die Frist zur Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss (BGH, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005 S. 1869, beck-online; MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 406 Rn. 10 jeweils m.w.N.).

So liegt der Fall hier, nachdem das Befangenheitsgesuch maßgebend auf dem zweiten Ergänzungsgutachten fußt. Das Ablehnungsgesuch wurde in Anbetracht der landgerichtlichen Verfügungen vom 23.11./28.12.2021 zudem binnen der dem Kläger gewährten Stellungnahmefrist angebracht. Bei dieser Sachlage kann nicht auf den allgemeinen Grundsatz, wonach der Ablehnungsantrag unverzüglich nach der Erlangung der Kenntnis vom Ablehnungsgrund gestellt werden muss, abgestellt werden (vgl. dazu bspw. Celle NJW-RR 1995 S. 128, beck-online). Auch wenn durch die zeitliche Begrenzung des Ablehnungsrechts gemäß § 406 Abs. 2 ZPO, der Verzögerung von Prozessen durch verspätete Ablehnungsanträge entgegengewirkt werden soll, ist im Interesse der Rechtssicherheit hier der noch offenen Stellungnahmefrist maßgebende Bedeutung zuzumessen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, Beschluss vom 15.3.2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005 S. 1869, beck-online).

b) Das Ablehnungsgesuch wurde indes in der Sache zu Recht zurückgewiesen.

Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen, §§ 406 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 2 ZPO.

aa) Ein Sachverständiger kann hiernach abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe dafür vorliegen, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Unerheblich ist es, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder ob das Gericht Zweifel an der Unparteilichkeit hegt; entscheidend ist allein, ob für die das Ablehnungsgesuch stellende Partei der Anschein einer nicht vollständigen Unvoreingenommenheit und Objektivität besteht. Als Gründe für eine Ablehnung kommen demnach insbesondere persönliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu einer Partei, die frühere Tätigkeit des Sachverständigen in derselben oder einer gleich- bzw. ähnlich gelagerten Angelegenheit und schließlich das eigene Verhalten bei der Durchführung der Begutachtung in Frage. Mehrere Gründe, die für sich gesehen nicht genügen, um die Annahme einer Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO zu rechtfertigen, können bei einer Gesamtschau ausreichen (vgl. i.A. BeckOK ZPO/Scheuch, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 406 Rn. 19 m.w.N.).

Überdies kann die Befürchtung fehlender Unparteilichkeit berechtigt sein, wenn der Sachverständige den Gutachtenauftrag in einer Weise erledigt, die als Ausdruck einer unsachlichen Grundhaltung gegenüber einer Partei gedeutet werden kann. Eine solche unsachliche Grundhaltung kann sich daraus ergeben, dass der Gutachter Maßnahmen ergreift, die von seinem Gutachtenauftrag nicht gedeckt sind. Demnach können Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen dort entstehen, wo der Sachverständige bei der Gutachtenerstellung eigenmächtig über die ihm durch den Beweisbeschluss und den Gutachtenauftrag gezogenen Grenzen hinausgeht und den Prozessbeteiligten in unzulässiger Weise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist. Ein solches Misstrauen kann sich anerkanntermaßen weiterhin aus dem Umgang des Sachverständigen mit dem Prozessstoff und dem daraus vom Gericht abgeleiteten Gutachtensauftrag ergeben; dies kann dort der Fall sein, wo der Sachverständige gegen richterliche Weisungen verstößt, seine Befugnisse überschreitet, vom Beweisbeschluss abweicht oder Beweisthemen umformuliert und substantiierten Vortrag einer Partei gänzlich unberücksichtigt lässt. Nicht jede Überschreitung dieser Grenzen durch den Sachverständigen rechtfertigt jedoch bereits die Besorgnis der Befangenheit; verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Sachverständigen ist nicht notwendigerweise mit der Besorgnis der Befangenheit gleichzusetzen. Eine Entscheidung hierüber ist vielmehr nach Lage des Einzelfalles zu treffen. Ob die Überschreitung eines Gutachterauftrags geeignet ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich (BGH, Beschluss vom 11.04.2013 – VII ZB 32/12, NJW-RR 2013 S. 851 Rn. 12f; OLG München, Beschluss vom 19.9.2011 – 1 W 1532/11, BeckRS 2011, 23261; OLG Celle, Beschluss vom 25.05.2010 – 13 Verg 7/10, BeckRS 2010, 16079; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.02.2014 – 7 W 10/14, BeckRS 2014, 8315 Rn. 9, beck-online).

Mangel an Sachkunde, Unzulänglichkeiten oder Fehler des Gutachtens mögen im Übrigen dieses entwerten, rechtfertigen aber für sich allein nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit. Im Besonderen betrifft der Vorwurf einer fehlerhaften Gutachtenerstattung auf Grund mangelnder Sorgfalt nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen. Der mangelnden Sorgfalt eines Sachverständigen sehen sich beide Parteien in gleicher Weise ausgesetzt. Das Prozessrecht gibt v.a. in den §§ 411, 412 ZPO dem Gericht und den Parteien ausreichende Mittel an die Hand, solche Mängel zu beseitigen und auf ein Gutachten hinzuwirken, das als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung geeignet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005 S. 1870 m.w.N.).

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass selbst bei einem Verhalten eines Sachverständigen, das die Besorgnis der Befangenheit begründet, dieser durch eine Klarstellung ein ursprünglich entstandenes Misstrauen ausräumen kann (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18.01.2018 – 8 W 28/17, BeckRS 2018, 4102 Rn. 38, beck-online; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.10.2020 – 4 W 338/20, BeckRS 2020, 42432 Rn. 7, beck-online).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger keine ausreichenden Gründe vorgetragen, um – in Ansehung aller Umstände – die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen im vorstehenden Sinne bejahen zu können. Im Kern beruft sich der Kläger auf ein Überschreiten des Gutachtenauftrags sowie qualitative Mängel der Begutachtung. Die fraglichen Ausführungen des Sachverständigen sind vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus nicht geeignet, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu erregen. Der Sachverständige hat keine unsachliche Grundhaltung oder gar Belastungstendenzen zu Lasten des Klägers erkennen lassen, die geeignet wären, bei einer vernünftigen Partei die Besorgnis der Befangenheit hervorzurufen.

Der Sachverständige hat sich unter Berücksichtigung des Inhalts des Beweisbeschlusses, anders als die sofortige Beschwerde meint, nicht einseitig zulasten des Klägers zum Richter aufgeschwungen, so dass die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt wäre. Die Stellungnahme des Sachverständigen vom 28.02.2022 fügt sich in die Annahme einer bloßen Fehlinterpretation des Beweisbeschlusses ein. Die Rüge, der Sachverständige sei eigenmächtig über die Grenzen des Gutachtenauftrags hinausgegangen, bleibt in Ansehung aller Umstände erfolglos. Ähnliches gilt im Hinblick auf die von Seiten des Beschwerdevorbringens aufgezeigten qualitativen Mängel der Begutachtung. Einem bloßen inhaltlichen Mangel ist dabei das Vorbringen, der Sachverständige habe sich über unstreitigen Sachverhalt hinweggesetzt, zuzuordnen. Eine Gesamtschau aller Umstände, die auch der Komplexität des Beweisthemas und der Fülle der Prozessstoffes Rechnung trägt, ändert schließlich nichts daran, dass der Sachverständige aus der Perspektive einer vernünftigen Partei seine neutrale Position nicht verlassen hat. Im Einzelnen ist hierzu wie folgt auszuführen:

aa) Auf Grund aller Umstände des Einzelfalls ist hier eine Überschreitung des Gutachterauftrags, auf welche die sofortige Beschwerde abstellt, nicht geeignet, aus Sicht einer vernünftigen Partei die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen. Die von Seiten der sofortigen Beschwerde monierten Ausführungen des Sachverständigen stellen eine bloße Fehlinterpretation des Gutachtenauftrags dar, welche nicht geeignet ist nach den eingangs genannten Grundsätzen, die Besorgnis der Befangenheit hervorzurufen.

Im Rahmen seiner Stellungnahme vom 28.02.2022 – dort v.a. S. 2, 11 – erläuterte der Sachverständige plausibel, dass er seine Bemühungen danach ausgerichtet habe, wie er die Beweisfrage verstanden habe. Demnach war im vorliegenden Fall auch zu berücksichtigten, dass die Ausführungen des Sachverständigen ersichtlich von dessen Bestreben nach Aufklärung des Beweisthemas getragen waren. Der Gutachter agierte offensichtlich in dem – an sich billigenswerten – Bestreben, zu einer zügigen und gerechten Entscheidung des Rechtsstreits beizutragen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 18.1.2002 – 14 W 45/01, NJW-RR 2003 S. 135, beck-online). Dies dokumentiert bei vernünftiger Betrachtung neben dessen ausgewogener Stellungnahme vom 28.02.2022 die vorgelegte Begutachtung als Ganzes. In der Stellungnahme machte der Sachverständige ausdrücklich deutlich, dass es ihm allein darum gegangen sei, die Beweisfrage, so wie er sie verstanden habe, abzuarbeiten und in diesem Sinne zu einer Klärung der Angelegenheit beizutragen. Somit wurde der Sachverständige im vorliegenden Fall nach den aus der Akte ersichtlichen Umständen – und insbesondere im Blick auf vorerwähnte Stellungnahme – in der subjektiven Annahme tätig, dem Gericht eine Entscheidung in der Sache seinem Auftrag entsprechend zu erleichtern. Damit allein ist ein einseitiges Vorgehen zulasten einer der Parteien nicht verbunden. Dass überschießende Feststellungen des Sachverständigen zu Ungunsten einer der beiden Parteien gehen, ist mit jeder – auch von einem Beweisbeschluss gedeckten – Beweisaufnahme verbunden und rechtfertigt nicht den Schluss auf ein ungerechtfertigtes einseitiges Vorgehen zulasten einer der Parteien und damit die Besorgnis der Befangenheit; dies gilt solange – wie hier – nicht erkennbar ist, dass die Überschreitung des Gutachtenauftrags von vornherein aus einer einseitigen Belastungsabsicht des Sachverständigen heraus erfolgt ist; objektive Gründe hierfür, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen, sind hier nicht festzustellen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.06.2012 – 10 W 19/12, DS 2012 S. 397, beck-online)

Infolge dessen verfängt der klägerseitige Vorwurf, der Sachverständige habe das Vorbringen der Parteien eigenständig auf Richtigkeit hin untersucht, nicht. Konkret bezieht sich der Hinweis des Sachverständigen, dass „nahezu bei keinem Bauvorhaben alle Leistungen zu erbringen“ seien, auf ein profanes Charakteristikum der Baupraxis. Gerade im Hinblick auf die Planung Index C und D ist im Übrigen zu sehen, dass bei Beweisthemen, welche die HOAI betreffen, eine scharfe Trennlinie zwischen tatsächlichen und rechtlichen Fragestellungen naturgemäß oftmals schwerlich zu ziehen ist. Ähnliches trifft im Hinblick auf die monierten Ausführungen zu vertraglichen Grundlagen zu. Ohnedies hat der Sachverständige im Rahmen der schriftlichen Begutachtung darauf hingewiesen, dass er möglicherweise notwendige rechtliche Ausführungen nicht als Vorgriff auf die gerichtliche Entscheidung verstanden wissen will.

Die von Seiten des Klägers ins Feld geführten Ausführungen erfolgten schließlich nicht anlasslos, sondern waren in den Gesamtzusammenhang einer sachverständigen Würdigung eingebettet und wiesen einen inneren Zusammenhang mit dem Beweisthema auf. Es kann demnach nicht festgestellt werden, dass der Sachverständige von sich aus gänzlich neue Aspekte in das Verfahren eingeführt hat (vgl. dazu OLG München, Beschluss vom 19.09.2011 – 1 W 1532/11, BeckRS 2011, 23261, beck-online).

Bei dieser Sachlage ist infolge dessen nicht zu erkennen, dass der Sachverständige eigenmächtig in unzulässiger Weise den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weisen wollte. Mithin ist zugleich nicht zu erkennen, inwieweit aus Sicht einer vernünftigen Partei die Vorgehensweise des Sachverständigen zu einer Besorgnis der Befangenheit führen kann.

Soweit die Beschwerde ausdrücklich – v.a. in Bezug auf die Planindizes A-C – darauf abstellt, dass der Sachverständige sich über unstreitigen Sachverhalt hinweggesetzt habe, handelt es sich schließlich um keine Überschreitung des Gutachtenauftrags, sondern um einen Mangel des Gutachtens. Der Sachverständige mag in seiner Eigenschaft als juristischer Laie zwar die Grundsätze der juristischen Relation verkannt haben, dies rechtfertigt aber nicht die Besorgnis der Befangenheit; vielmehr begründet dies eine bloße Unzulänglichkeit des Gutachtens, die von der Frage nach der Befangenheit grundsätzlich zu trennen ist (OLG Celle, Beschluss vom 18.1.2002 – 14 W 45/01, NJW-RR 2003 S. 135, beck-online). Denn in Anbetracht seiner Stellungnahme vom 28.02.2022 ist vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus nicht im Ansatz erkennbar, dass die fraglichen Ausführungen von einer Schädigungsabsicht getragen waren. Hinzu kommt, dass eine vernünftige Partei die Fülle des Prozessstoffes in Rechnung stellt; auf Grund der Komplexität des Gutachtenauftrags erscheinen insoweit relationstechnische Unschärfen nachvollziehbar.

bbb) Auch im Übrigen wird die sofortige Beschwerde ausschließlich auf Umstände gestützt, die ihren Grund in einer Auseinandersetzung mit dem sachlichen Inhalt des schriftlichen Gutachtens finden. Der Sache nach erhebt die sofortige Beschwerde letztlich den Vorwurf einer fehlerhaften Gutachtenerstattung auf Grund mangelnder Sorgfalt. Dieser Vorwurf begründet aber regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil er nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft (BGH, Beschluss vom 15.03.2005 – VI ZB 74/04, NJW 2005 S. 1870). Dabei erscheint die Folgerung des Beschwerdeführers, dass sich der Sachverständige in Bezug auf die Grundleistung 1 c) einer Stellungnahme verschlossen habe, vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus als spekulativ. Nachvollziehbare Anhaltspunkte in diese Richtung bestehen nicht. Das Gegenteil trifft zu. Der Sachverständige hat zu dieser Frage – was auch der Kläger ausdrücklich einräumt – Stellung genommen und sich dabei zu dessen Gunsten positioniert. Bei dieser Sachlage kann keine Besorgnis der Befangenheit aus Sicht einer vernünftigen Partei bejaht werden.

Der Vorwurf, dass die Bestimmung der anrechenbaren Kosten mit 507.394,92 € jeder Logik entbehre, wird von Seiten der sofortigen Beschwerde zwar spezifiziert; die Beschwerde macht aber nicht nachvollziehbar, warum sich hieraus die Besorgnis der Befangenheit ergeben soll. Der Sachverständige weist in seiner Stellungnahme, dort S. 12, zu Recht darauf hin, dass der klägerseits konsultierte Privatsachverständige die Höhe der anrechenbaren Kosten mit 449.000 € bemessen habe. Nachdem der Sachverständige diesen Wert gerade einmal um gut über 10% überschreitet, kann eine verständige Partei hieran nicht die Besorgnis der Befangenheit knüpfen. Vielmehr handelt es sich dabei um eine durchaus übliche „Bandbreite“, welche gegebenenfalls in einem – vom Landgericht offenbar auch zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs nach §§ 397, 402 ZPO initial angestrebten – Erörterungstermin zu klären gewesen wäre. Entsprechendes gilt im Hinblick auf den Themenkomplex „mitzuverarbeitenden Bausubstanz gemäß § 4 Abs. 3 HOAI“.

ccc) Eine Gesamtschau aller Umstände rechtfertigt keine andere Bewertung. Eine vernünftig abwägende Partei kann hier der Stellungnahme des Sachverständigen vom 28.02.2022 entnehmen, dass dieser – sofern in der Sache nach seiner Expertise erforderlich – zur Korrektur seiner Begutachtung bereit und fähig ist. Insoweit ist zuvorderst auf seine Ausführungen unter e) auf S. 4 der besagten Stellungnahme bezüglich der Bewertung der Grundleistung 1 c) zu verweisen. Bei der Beurteilung von Unschärfen und Defiziten der Leistung des Sachverständigen ist überdies die Komplexität der Angelegenheit und der beträchtlich angewachsene Prozessstoff zu sehen. Dass infolge dessen unter dem ein oder anderen Aspekt Verbesserungsbedarf und die Notwendigkeit von Nachjustierungen bestehen, liegt aus der Sicht einer verständigen Partei bei einer ausgewogenen und vernünftigen Betrachtung tatsächlich in der Natur der Sache. Diese können nach der Konzeption des Gesetztes im Rahmen einer mündlichen Gutachtenerläuterung vorgenommen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.2019 – VI ZR 257/17, DS 2019 S. 295, beck-online). Im Ergebnis kann nicht angenommen werden, dass der Sachverständige in Bezug auf die monierten Unzulänglichkeiten planmäßig zum Nachteil des Klägers zu agieren beabsichtigte. Nachdem nicht jedes verfahrensfehlerhafte Vorgehen die Besorgnis der Befangenheit begründet, kann somit vorliegend keine Besorgnis der Befangenheit bejaht werden. Schließlich sind wirtschaftliche oder persönliche Verflechtungen zwischen dem Sachverständigen und dem Beklagten weder dargetan noch ersichtlich. Für die Annahme einer unsachlichen Grundhaltung bleibt damit bei vernünftiger Betrachtung kein Raum.

2.

Zu bemerken bleibt schließlich, dass die Nichtabhilfeentscheidung des Landgerichts nicht an wesentlichen Verfahrensfehlern leidet, welche eine Aufhebung und eine Zurückverweisung nach § 572 Abs. 3 ZPO analog gebieten (vgl. dazu OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 28.08.2009 – 11 W 55/09, BeckRS 2009, 26377, beck-online; OLG München, Beschluss vom 31.07.2015 – 13 W 1221/15, NJW 2015, 3728 Rn. 19, beck-online jeweils m.w.N.).

Zwar ist die Nichtabhilfeentscheidung denkbar knapp gestaltet. Ebendies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Landgericht im Wege der Bezugnahme dem Kern der sofortigen Beschwerde zuwandte und damit die Frage prüfte, ob hier Befangenheitsgründe vorliegen. Eine nur floskelhafte Begründung liegt insofern ebensowenig wie eine nur formelhafte Wiedergabe des Gesetzes vor. Diese eher großzügigere Sicht der Dinge entspricht auch dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung (vgl. OLG München, Beschluss vom 31.07.2015 – 13 W 1221/15, NJW 2015, 3728 Rn. 21).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert für den Beschwerderechtszug ist gemäß §§ 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO mit einem Drittel des Wertes der Hauptsache zu bemessen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.05.2010 – 5 W 1403/10, BeckRS 2010, 13788; Musielak/Voit/Huber, 19. Aufl. 2022, ZPO § 406 Rn. 23).

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