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Unrichtigkeiten (offenbare) i.S.d. § 129 AO – Softwarefehler

Finanzgericht Düsseldorf

Az: 18 V 3281/03 A (E)

Beschluss vom 14.11.2003


Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

 

G r ü n d e :

I.

Die Antragsteller werden für das Streitjahr 2001 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung machten sie u. a. einen Ausbildungsfreibetrag für die Tochter L geltend, die nach dem Abitur ab Oktober 2001 in G studierte. Der Antragsgegner -das Finanzamt- veranlagte die Antragsteller antragsgemäß zur Einkommensteuer. Dabei ermittelte die Sachbearbeiterin den Ausbildungsfreibetrag mittels einer besonderen Berechnung, weil die Tochter einen Teil des Jahres zu Hause, den anderen Teil auswärts untergebracht war. Sie rechnete: „1.800 + 1.050 = 2.850“ und trug den Betrag von „2.850“ in den Eingabewertbogen im Sachbereich 99/ 53 unter Kennziffer 65 („Ausbildungsfreibetrag“) ein. Im Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 22. Januar 2003 wurde die Einkommensteuer auf 19.768,59 EUR festgesetzt; hierbei war unter „Ausbildungsfreibetrag/ -freibeträge“ ein Abzugsbetrag in Höhe von 14.250 DM berücksichtigt.

Durch eine EDV-Kontroll-Liste erfuhr das Finanzamt umgehend davon, dass im Falle der Antragsteller und anderer Steuerpflichtiger durch einen EDV-Fehler Ausbildungsfreibeträge in unzutreffender Höhe in Steuerbescheiden angesetzt worden sind. Das Finanzamt erließ daraufhin am 18. Februar 2003 gegenüber den Antragstellern einen Einkommensteuer-Änderungsbescheid und setzte -unter Berücksichtigung eines Ausbildungsfreibetrags von 2.850 DM- die Einkommensteuer 2001 auf 21.835,23 EUR fest. Zur Begründung führte das Finanzamt an, infolge eines Programmfehlers sei der Ausbildungsfreibetrag falsch ermittelt worden; der Bescheid sei deshalb gemäß § 129 AO berichtigt worden.

Hiergegen erhoben die Antragsteller Einspruch. Sie trugen vor, Programmfehler seien keine offenbaren Unrichtigkeiten i.S.d. § 129 AO. Zwar stellten Eingabefehler (die fehlerhafte Übernahme von Daten aus der Steuererklärung in das DV System) offenbare Unrichtigkeiten dar, nicht jedoch Fehler der Programmierung, weil sich diese nicht in der mechanischen Übernahme von Daten erschöpfe, sondern ein Nachdenken erfordere. Dieses Nachdenken schließe das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit aus, weil nicht nachvollziehbar sei, welche Gedankengänge der jeweilige Programmierer gehabt habe. Hier sei von einem Denkfehler, also einem Rechtsfehler auszugehen.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt führte zur Begründung aus, auch bei Fehlern im Rahmen der EDV sei nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen, ob ein mechanisches Versehen (Irrtum über den Programmablauf) vorliege, das eine Änderung nach § 129 AO eröffne, oder ob die Möglichkeit eines Rechtsirrtums oder einer unrichtigen Tatsachenwürdigung bestehe, die eine solche Änderung ausschließe. Im Streitfall sei im Rahmen der Programmierung ein Rechtsfehler ausgeschlossen, der Fehler liege darin, dass zu dem eingegebenen Wert zusätzlich Beträge hinzuaddiert worden seien, die zu Beginn der jeweiligen Berechnung hätten gelöscht sein müssen. Wie das Automationsreferat mitgeteilt habe, sei im Rahmen verschiedener Günstigerprüfungen das Ergebnisfeld nicht immer wieder gelöscht, sondern mehrfach bedient worden.

Hiergegen haben die Antragsteller Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen 18 K 3281/03 A (E) anhängig ist. Nachdem das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, beantragen sie die Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht. Sie sind der Auffassung, der vorliegende Fehler sei nicht leicht und einwandfrei zu identifizieren, sondern liege in den Tiefen des Computerprogramms der Finanzverwaltung verborgen und könne nur durch intensive Ursachenforschung eruiert werden. Wenn der Programmierer den Ausbildungsfreibetrag summiere, müsse er sich Gedanken gemacht haben. Eine planlose Kumulation des Ausbildungsfreibetrags auf Grund der mehrfachen Günstigerprüfung scheine widersinnig. Hier müsse ein Denkfehler vorliegen.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Einkommensteuer-Änderungsbescheids vom 18. Februar 2003 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2003 auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vom Gericht beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

An der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuer-Änderungsbescheides für 2001 bestehen keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Absatz 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-. Das Finanzamt hat vielmehr eine offenbare Unrichtigkeit, die beim Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids vom 22. Januar 2003 unterlaufen ist, zu Recht gemäß § 129 AO berichtigt.

Nach dieser Vorschrift kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Sinne dieser Vorschrift müssen Schreib- oder Rechenfehlern ähnlich und ebenso wie mechanische Fehler ohne weitere Prüfung erkennbar sein, um die Berichtigung eines Verwaltungsakts zu rechtfertigen (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, vom 30. Oktober 1997 III R 27/93, BFH/NV 1998, 942, vom 13. November 1997 V R 138/92, BFH/NV 1998, 419 und vom 15. März 1994 XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937). Das mechanische Versehen braucht sich dabei nicht aus dem Bescheid selbst zu ergeben (Urteil vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638). Ein mechanisches Versehen liegt allerdings nicht vor und eine Berichtigung nach § 129 AO scheidet aus, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsaufklärung besteht (Urteil vom 14. Juni 1991 III R 64/89, BFHE 165, 438, BStBl II 1992, 52). Bei der Beurteilung, ob ein mechanisches Versehen vorliegt, kommt es auf die näheren Umstände des Einzelfalles an.

Diese Grundsätze gelten auch für Fehler in der Programmierung (BFH-Urteile vom 28. September 1984 III R 10/81, BFHE 142, 202, BStBl II 1985, 32 und vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 4. Dezember 1997 6 K 113/96, EFG 1998, 522; FG München, Urteil vom 21. Oktober 1997 1 K 2026/94, EFG 1998, 707; FG Münster Urteil vom 21. September 1991 6 K 1362/91 E, EFG 1992, 109). Ein Fehler im EDV-Programm ist ein Fehler „beim Erlass eines Verwaltungsakts“ (BFH-Urteil III R 10/81, a.a.O.); auch beim Erstellen eines EDV-Programms aufgetretene „mechanische“ Fehler rechtfertigen eine Berichtigung gemäß § 129 AO (BFH-Urteil I R 83/94, a.a.O.)

Im Streitfall hat die Sachbearbeiterin im Finanzamt den richtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt und ihn rechtlich zutreffend gewürdigt. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass die über 18-jährige in Ausbildung befindliche Tochter der Antragsteller während ihrer Schulausbildung bis September 2001 (9 Monate des Jahres) zu Hause gewohnt hat und während des anschließenden Studiums ab Oktober 2001 (3 Monate) auswärtig untergebracht war. Die Sachbearbeiterin hat den Ausbildungsfreibetrag gemäß § 33 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 EStG 2001 berechnet, indem sie für die ersten 9 Monate einen Betrag von 1.800 DM (9/12 * 2.400 DM) und für die letzten 3 Monate einen Betrag von 1.050 DM (4.200 DM * 3/12), insgesamt also 2.850 DM angesetzt hat; beide Einzelbeträge hat sie auf dem Steuerformular addiert und die errechnete Summe von 2.850 DM zutreffend in den Eingabewertbogen im Sachbereich 99/ 53 unter Kennziffer 65 („Ausbildungsfreibetrag“) eingetragen. Das EDV-Programm hatte bezüglich dieses personell errechneten Betrags keine besonderen Berechnungen mehr anzustellen, es musste lediglich den angegebenen Zahlenwert in den Steuerbescheid einzufügen. Hierzu kam es jedoch nicht, weil das EDV-Programm irrtümlich auf diesen Zahlenwert weitere Zahlen hinzuaddiert hat, sodass sich schließlich der 5-fache Betrag ergab. Es handelt sich hier um einen unbewussten Fehler in der Programmierung. Für die Annahme, die Falschberechnung sei vom Programmierer infolge eines Rechtsfehlers bewusst vorgenommen worden, ist kein Raum; denn wenn der Sachbearbeiter eine Bemessungsgrundlage betragsmäßig bestimmt eingibt, sind im Rahmen der Programmierung keine rechtlichen Erwägungen mehr vorzunehmen; der vorgegebene Wert ist lediglich zu übernehmen. Dies ist im Streitfall gescheitert; insofern liegt ein bloßes mechanisches Versehen vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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