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Unternehmenskaufvertrag –  Voraussetzungen eines verbindlichen Kaufangebots

LG Köln – Az.: 23 O 113/11 – Urteil vom 07.03.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist Teil der X, eines privaten Equity Investment Unternehmens, das hauptsächlich in mittelständische Unternehmen mit einer Umsatzgröße von 10-200 Mio. Euro investiert. Sie ist ein Fonds, der als Käufergesellschaft fungiert. Der Beklagte hält 100 % der Geschäftsanteile an der 1 B2 GmbH mit Sitz in Köln. Gegenstand dieses Unternehmens ist die Veranstaltung und Vermittlung von Reisen, insbesondere von Hochsee- und Flusskreuzfahrten sowie von Kulturreisen.

Im Jahre 2010 kam es zu Verkaufverhandlungen zwischen den Parteien, deren Gegenstand das Unternehmen des Beklagten war. Nach diversen Vorgesprächen und einem „Indikativen Angebot“ vom 12.07.2010, das von dem Beklagten abgelehnt worden war, unterbreitete die Klägerin dem Beklagten unter dem 19.07.2010 ein „Indikatives Angebot“ zum Erwerb von 100 % der Anteile an dem von dem Beklagten gehaltenen Unternehmen. In dem „Indikativen Angebot“ wurden gewisse Eckpunkte der beabsichtigten Transaktion festgehalten und ergänzend Regelungen u.a. zu Exklusivität, Kosten und Vertraulichkeit getroffen.  Der Kaufpreis wurde mit 3,0 Millionen EUR beziffert, wobei dieser Betrag nach Ziffer I die Ablösung des bestehenden Gesellschafterdarlehens inklusive Zinsen (Stand Ende 2009: 1.270.200 EUR) beinhaltete. Unter Ziffer J des „Indikativen Angebots“ heißt es unter anderem:

„Dieses indikative Angebot ist befristet bis zum 1. August 2010 und  gilt als angenommen, wenn Sie uns bis zu diesem Datum ein gegengezeichnetes Exemplar dieses Schreibens zurücksenden. Die Kaufprüfung wird ab dem 15. August 2010 durchgeführt. Die Einigung über alle der Transaktion zugrunde liegenden Verträge und Vereinbarungen soll bis zum 30. September 2010 abgeschlossen werden. … Sollte X nach Kaufprüfung einen verbindlichen Kaufvertrag vorlegen, der im Wesentlichen mit den in diesem indikativen Angebot genannten Konditionen übereinstimmt, und der Verkäufer diesen ablehnen, so wird sich der Verkäufer an den durch die Transaktionsanbahnung entstandenen und mittels Rechnung nachgewiesenen Kosten bis maximal EUR 100.000,- beteiligen. Weitere im Zusammenhang mit dieser Transaktion entstehende Kosten (z.B. interne Kosten und aufgewendete Zeit der Beteiligten) sind von den Parteien selbst zu tragen.“

Das „Indikative Angebot“ wurde seitens des Beklagten am 27.07.2010 gegengezeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in den Akten befindliche „Indikative Angebot“ vom 19.07.2010 Bezug genommen. Im Geschäftsjahr 2010 wurde unstreitig das im „Indikativen Angebot“ in Bezug genommene Gesellschafterdarlehen in einer Höhe von 800.000 EUR an den Beklagten zurückgeführt.

In der Folge führte die Klägerin mit ihren Beratern die im „Indikativen Angebot“ vorgesehene Due Diligence, d.h. die rechtliche, wirtschaftliche und steuerrechtliche Prüfung des Unternehmens des Beklagten durch. Seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde im Anschluss daran ein Entwurf eines Kaufvertrages gefertigt und dem Beklagten unter dem 30.08.2010 übersandt. In diesem ersten Kaufvertragsentwurf waren die Ergebnisse der finanziellen Due Diligence noch nicht abschließend berücksichtigt; daher fehlten in der Kaufpreisklausel noch konkrete Zahlen. Wegen der Einzelheiten dieses ersten Kaufvertragsentwurfes wird auf den in der Akte befindlichen Entwurf Bezug genommen. In der Folge gab es weitere Korrespondenz zwischen den Parteien. Am 16.09.2010 fand eine persönliche Besprechung der Parteien statt, anlässlich derer die Ergebnisse der finanziellen Due Diligence vorgestellt wurden. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der finanziellen Due Diligence legte die Klägerin in diesem Gespräch einen fortgeschriebenen Entwurf des Kaufvertrages mit Datum vom 15.09.2010 vor und erläuterte diesen gegenüber dem Beklagten. Vorgesehen war in diesem Kaufvertragsentwurf, dass unter Berücksichtigung der erfolgten Darlehensrückführung in Höhe von 800.000 EUR ein garantierter Mindestkaufpreis in Höhe von 2.200.000 EUR gezahlt würde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kaufvertragsentwurf vom 15.09.2010 Bezug genommen. Der Beklagte lehnte dieses Angebot ab und drohte mit dem Abbruch der Gespräche. Die Klägerin erhöhte in der Folge mündlich ihr Kaufangebot zunächst auf 2.600.000 EUR und danach auf 3.000.000 EUR. Der Beklagte teilte jedoch unter dem 28.09.2010 mit, er sehe die Verhandlungen als endgültig gescheitert an, da er durch das Verhalten der Klägerin das Vertrauen in diese verloren habe.

Mit Schreiben vom 04.11.2010 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die vereinbarte Kostenerstattung in Höhe von 100.000 EUR bis zum 19.11.2010 vorzunehmen. Eine Zahlung erfolgte jedoch nicht.

Die Klägerin ist der Auffassung, einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten zu haben. Die Kostenerstattungsklausel im „Indikativen Angebot“ vom 19.07.2011 sei wirksam und bedürfe insbesondere nicht der Form des § 15 GmbHG. Auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Kostenerstattungsklausel lägen vor. Der Kaufvertragsentwurf vom 15.09.2010 stelle ein verbindliches Kaufangebot im Sinne des „Indikativen Angebots“ dar, das auch mit den Bestimmungen des „Indikativen Angebots“ im Wesentlichen übereinstimme. Jede der Regelungen im Kaufvertragsentwurf vom 15.09.2011 beziehe sich auf eine der im „Indikativen Angebot“ formulierten Annahmen und Voraussetzungen. Als verbindlicher Kaufvertrag im Sinne des „Indikativen Angebots“ sei ein Kaufvertragsentwurf zu verstehen, der so konkret gefasst sei, wie er nach Abschluss der Due Diligence von der Klägerin gefasst werden könne. Dies beinhalte aber auch Auslassungen und Unvollständigkeiten, da bei der konkreten Ausarbeitung einzelner Klauseln die Mitwirkung des Beklagten zwingend erforderlich sei. Eine notarielle Beurkundung bereits des Kaufvertragsangebotes sei wegen der damit verbundenen Kosten unüblich und im Indikativen Angebot auch nicht vorgesehen. Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sich nach Übersendung des ersten Kaufvertragsentwurfes ihr gegenüber dahingehend geäußert, er habe den Kaufvertrag anwaltlich prüfen lassen und keine wesentlichen Änderungswünsche.

Die Klägerin ist der Ansicht, neben dem Anspruch aus Ziffer J 4 des Indikativen Angebots bestehe auch ein Anspruch aus culpa in contrahendo wegen grundlosen Abbruchs der Vertragsverhandlungen durch den Beklagten. Hierzu behauptet sie, der Beklagte habe die Verhandlungen ohne triftigen Grund abgebrochen, nachdem er zuvor in zurechenbarer Weise das Vertrauen der Klägerin auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt habe.

Die Klägerin behauptet, durch die Beratung der E & U GmbH und die anwaltliche Beratung durch ihre Prozessbevollmächtigten seien Kosten in Höhe von insgesamt 113.403,42 EUR entstanden. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Rechnungen und Auflistungen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 100.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2011 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,  die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Klägerin zur Kostenerstattung nicht verpflichtet zu sein. Er ist der Auffassung, das „Indikative Angebot“ und die in diesem enthaltene Klausel hinsichtlich der Kostenerstattung seien insgesamt unwirksam, da sie der Form des § 15 GmbHG bedürften. Denn das „Indikative Angebot“ stelle einen für die Klägerin verbindlichen Vorvertrag dar, der insgesamt formbedürftig sei. Darüber hinaus ist der Beklagte der Auffassung,  die formulierten tatbestandlichen Voraussetzungen der Kostenerstattungsklausel seien nicht gegeben. Hierzu behauptet der Beklagte, es handele sich bei der Kostenerstattungsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin, die diese bereits in anderen „Indikativen Angeboten“ verwendet habe. Er ist daher der Auffassung, diese sei im Zweifel zu Lasten des Verwenders auszulegen. Der Beklagte ist weiter der Auffassung, es handele sich bei dem vorgelegten Kaufvertragsentwurf vom 15.09.2010 bereits nicht um einen verbindlichen Kaufvertrag im Sinne des „Indikativen Angebotes“. Denn dieser sei nicht notariell beurkundet und damit als Kaufangebot nicht rechtsverbindlich. Er sei des weiteren auch nicht beurkundungsreif, sondern weise noch wesentliche Unvollständigkeiten und Auslassungen auf, die einer Beurkundungsreife und damit einer Verbindlichkeit entgegenstünden.  Darüber hinaus stimme der vorgelegte Kaufvertragsentwurf auch nicht im Wesentlichen mit den Bestimmungen des „Indikativen Angebotes“ überein, sondern weise erhebliche Abweichungen zu seinen Ungunsten auf. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 08.07.2011, vom 02.11.2011 und vom 31.01.2012 Bezug genommen. Der Beklagte ist der Auffassung, auch ein Anspruch der Klägerin wegen  Verschuldens bei Vertragsverhandlungen sei nicht gegeben.

Der Beklagte bestreitet des weiteren die Höhe der klägerseits behaupteten Transaktionskosten. Er ist der Meinung, jedenfalls sei die Vertragsstrafe herabzusetzen, da sie unangemessen hoch sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Ein Anspruch aus  Ziffer J 4 des „Indikativen Angebots“ vom 19.07.2010 besteht nicht. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich bei dieser Klausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches handelt bzw. ob diese oder aber das „Indikative Angebot“ im Ganzen der Form des § 15 GmbHG bedurft hätte. Denn jedenfalls sind die im Wege der Auslegung zu ermittelnden tatbestandlichen Voraussetzungen der Klausel nicht erfüllt.

Die Klausel sieht einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten für den Fall vor, dass die Klägerin nach Kaufprüfung einen verbindlichen Kaufvertrag vorlegen sollte, der im Wesentlichen mit dem in dem „Indikativen Angebot“ genannten Konditionen übereinstimmt, und der Beklagte diesen ablehnt.

Vorliegend fehlt es bereits am Vorliegen eines „verbindlichen Kaufvertrages“ im Sinne der vorgenannten Klausel. Der Kaufvertragsentwurf der Klägerin vom 15.09.2010 kann nicht als „verbindlicher Kaufvertrag“ angesehen werden. Was unter einem „verbindlichen Kaufvertrag“ zu verstehen ist, ist im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB aus dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln. Entgegen dem Wortlaut der Klausel kann insoweit nicht ein vollständiger Kaufvertrag gemeint sein, da ein solcher sich aus zwei Willenserklärungen zusammensetzt, die von der Klägerin allein bereits aus rechtlichen Gründen nicht abgegeben werden können. Gemeint sein kann vielmehr nur die Abgabe der  für einen Kaufvertrag erforderlichen Willenserklärung der Klägerin in Form eines verbindlichen Kaufangebotes. Ein solches setzt entgegen der beklagtenseits vertretenen Rechtsauffassung nicht voraus, dass es notariell beurkundet ist. Zwar bedarf das streitgegenständliche Kaufangebot wegen der mit dem Kauf verbundenen Verpflichtung zur Anteilsübertragung an der streitgegenständlichen GmbH auf die Klägerin ebenso wie der Unternehmenskaufvertrag selbst zu seiner Formwirksamkeit der notariellen Beurkundung, § 15 III, J GmbHG. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien dies bei der Formulierung des „Indikativen Angebots“ vor Augen hatten und übereinstimmend wollten. Ersichtlich ist das „Indikative Angebot“ anders als der Kaufvertragsentwurf nicht von Juristen formuliert worden, sondern von Kaufleuten. Dies erkennt man bereits an dem Umstand, dass nicht der juristische Fachbegriff des „Kaufangebotes“ verwendet wurde, sondern in der Klausel untechnisch von einem „Kaufvertrag“ die Rede ist. Daher ist der Begriff der Verbindlichkeit nicht am Maßstab von Formvorschriften zu messen, die nur Juristen bekannt sind, sondern an dem  im Verkehr zwischen Geschäftsleuten maßgeblichen Verständnis der Verbindlichkeit einer Erklärung. Insofern meint der Begriff der Verbindlichkeit ein Angebot, dass der Erklärende als für sich bindend ansieht und an dem er sich festhalten lassen will. Nur so kann der im „Indikativen Angebot“ verwendete Begriff auch aus dem für die Auslegung maßgeblichen Empfängerhorizont verstanden werden. Denn im Geschäftsverkehr ist es schon aufgrund der mit einer notariellen Beurkundung verbundenen erheblichen Kosten gänzlich unüblich, Vertragsangebote, die seitens der anderen Partei noch nicht angenommen  worden sind, notariell beurkunden zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt ist noch gänzlich unklar, ob das Angebot in dieser Form überhaupt angenommen bzw. ob bei grundsätzlicher Bereitschaft der anderen Partei zur Annahme des Angebotes in einzelnen Punkten noch Verhandlungsbedarf gesehen wird. Es kommt hinzu, dass selbst dann, wenn das Angebot tatsächlich ohne Änderungen von der anderen Partei angenommen wird, höhere Beurkundungskosten anfallen, da auch die Annahmeerklärung notariell beurkundet werden muss, während bei einer notariellen Beurkundung des gesamten Vertrages nur eine einzige Beurkundung erforderlich ist.

Allerdings kann aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Durchschnittsempfängers nicht schon jedes vorgelegte Kaufangebot in Form eines Kaufvertragsentwurfes, gleich wie konkret es ausformuliert ist, als verbindliches Angebot angesehen werden, §§ 133, 157 BGB.  Denn der Begriff der Verbindlichkeit erfordert eine hinreichend inhaltliche Konkretisierung dessen, an dem sich der Erklärende festhalten lassen will. Dies erfordert, dass Gegenstand und Inhalt des Vertrages im Antrag so bestimmt oder so bestimmbar angegeben werden, dass die Annahme durch ein einfaches „Ja“ erfolgen kann (vgl. Palandt, BGB, § 145  Rn. 1 m.w.N.). Der Antrag muss vom Empfängerhorizont aus beurteilt verständlich sein. Dabei ist es unschädlich, wenn der Antragende die Festlegung einzelner Vertragspunkte dem Antragsempfänger überlässt (Palandt, BGB, § 145 Rn. 1 m.w.N.). Dabei obliegt die Qualifizierung dessen, was vorgelegt wird, als „verbindlich“ auch nicht der Klägerin, sondern es kommt auf den objektiven Inhalt der Erklärung an.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann der von der Klägerin vorgelegte Kaufvertragsentwurf vom 15.09.2010 nicht als rechtsverbindliches Angebot angesehen werden. Denn er enthält zahlreiche Unvollständigkeiten und Auslassungen nicht nur formeller, sondern auch inhaltlicher Art. Entgegen den Behauptungen der Klägerin sollte die Schließung dieser Lücken auch keineswegs dem Beklagten im Wege eines einseitigen Bestimmungsrechtes überlassen werden, §§ 315 ff. BGB.

Dabei erscheint der Kammer unschädlich, dass kleinere formale Fragen, wie etwa, wo der Vollzug des Vertrages stattfinden soll, wann und vor welchem Notar die Beurkundung erfolgen soll, auf welche Bankverbindung der Kaufpreis gezahlt werden soll u.ä. seitens der Klägerin nicht entsprechend ausformuliert und vorgegeben worden sind. Denn insoweit handelt es sich um Einzelpunkte, die nicht den Inhalt des zu schließenden Vertrages betreffen und einer Annahmefähigkeit des in dem Kaufvertragsentwurf liegenden Kaufangebots der Klägerin nicht entgegenstehen. Insoweit kann auch davon ausgegangen werden, dass die Klägerin diese Punkte in der Tat dem Beklagten überlassen wollte. Neben diesen Unvollständigkeiten und Auslassungen weist der von der Klägerin vorgelegten Kaufvertragsentwurf jedoch auch weitere Auslassungen und Unvollständigkeiten inhaltlicher Art auf, die den Inhalt und Gegenstand des Vertrages betreffen und die auch mitnichten dem einseitigen Bestimmungsrecht des Beklagten überlassen werden sollten. So heißt es etwa in Ziffer 3.1.6. des Vertragsentwurfes: „Für die Fortführung bzw. Ablösung der Insolvenzversicherung der I AG (Vertrag Nr. #####/#### vom 14./18.08.2009 ist eine für die Erwerberin zufriedenstellende Lösung gefunden worden. (Anm CMS: Konkrete Formulierung dieser Klausel ist an die noch zu treffende Vereinbarung der Parteien anzupassen).“ Dies zeigt deutlich, dass über diesen Punkt eine abschließende Vereinbarung seitens der Parteien noch gar nicht geschlossen worden war und die Klägerin dem Beklagten eine solche auch weder „verbindlich“ anbieten noch seiner einseitigen Bestimmung überlassen wollte, sondern insoweit noch weiteren Verhandlungsbedarf sah.  Auch in Ziffer 7.2.6 heißt es beispielsweise: „Soweit nicht ausdrücklich in diesem Vertrag oder seinen Anlagen offengelegt hat die Gesellschaft nach dem Vollzugstag keine zinstragenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Veräußerer, mit dem Veräußerer verbundenen Personen und Unternehmen, Arbeitnehmern oder sonstigen Dritten (Anm. CMS: ggf. Ergänzung dieser Garantie entsprechend Ziffer 13 des Indikativen Angebots (abhängig von den Ergebnissen der Financial DD von Deloitte))“. Auch insoweit sollte die im Kaufvertragsentwurf enthaltene Klausel offensichtlich noch keine verbindliche abschließende Formulierung darstellen, sondern vielmehr wollte sich die Klägerin noch Veränderungen und Ergänzungen vorbehalten. Auch die Ziffer 7.7.1 sollte  nach der Vorstellung der Klägerin offenbar nicht abschließend und verbindlich zu verstehen sein, denn dort heißt es u.a.: „…(Anm. CMS: Regelung bzgl. des einen auch bei CAN-Reisen beschäftigten Mitarbeiters tbd)“. Auch diesbezüglich bestand offenbar noch Verhandlungsbedarf zwischen den Parteien, so dass ein verbindliches Angebot diesbezüglich gerade nicht unterbreitet worden ist. Es ist auch weder ersichtlich noch naheliegend, dass die Klägerin dem Beklagten insoweit bei der Formulierung der Klausel „freie Hand“ lassen und jedwede beklagtenseits gewünschte Formulierung akzeptieren wollte. Die Klägerin selbst trägt im Schriftsatz vom 01.02.2012 vor, die genaue Formulierung sei  noch zwischen den Parteien zu vereinbaren gewesen.  Nichts anderes gilt für Ziffer 11.1 des Kaufvertragsentwurfes, wo es heißt: „…(Anm. CMS: Ggf. Anpassung des Wettbewerbsverbots im Hinblick auf Tätigkeit von E-Reisen; Veräußerer sollte hierzu einen Vorschlag machen)“. Auch diese Formulierung zeigt, dass entgegen den Behauptungen der Klägerin im Schriftsatz vom 01.02.2012 ein einseitiges Bestimmungsrecht des Beklagten nicht gewollt war. Ihm wurde von der Klägerin lediglich ein Vorschlagsrecht eingeräumt, was impliziert, dass sich die Klägerin die Prüfung des Vorschlags vorbehalten wollte.

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Soweit sich die Klägerin darauf beruft, konkreter als geschehen habe der Vertragstext nach dem Ergebnis der Due Diligence nicht gefasst werden können, da es noch weiterer Informationen und Mitwirkungshandlungen des Beklagten sowie weiterer Verhandlungen in Randbereichen der vertraglichen Einigung bedurft habe, mag dies zutreffen. Dieser Einwand zeigt indes nur, dass die Vertragsverhandlungen vorliegend gerade noch nicht in ein so konkretes Stadium eingetreten waren, dass seitens der Klägerin ein verbindliches Kaufangebot abgegeben werden konnte. Dies kann aber nicht zu Lasten des Beklagten gehen und seine Haftung gemäß Ziffer J des „Indikativen Angebots“ begründen. Denn es kann  nicht im Belieben der Klägerin stehen, durch die Übersendung von Kaufvertragsentwürfen, die noch erhebliche, auch inhaltliche Auslassungen und Lücken aufweisen sowie Verhandlungen über Einzelpunkte erforderlich machen und daher nicht als verbindlich bezeichnet werden können, einseitig und willkürlich den Zeitpunkt vorzuverlegen, ab dem nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen an den Abbruch von Vertragsverhandlungen rechtliche Konsequenzen geknüpft werden können sollen. Wäre letzteres möglich, stünde dies im Widerspruch zu dem Umstand, dass im deutschen Recht  nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen an den Abbruch von Vertragsverhandlungen Kostenerstattungs- oder Schadensersatzansprüche der anderen Partei geknüpft werden. Vom Grundsatz her steht es den Verhandlungspartnern frei, die Verhandlungen in jeder Phase nach Belieben abzubrechen, ohne dass der andere Verhandlungspartner hieraus Ansprüche für sich herleiten könnte (vgl. Soergel, BGB, § 280 C 32; MünchKomm, GmbHG, § 15 Rn. 76; Palandt, BGB, § 311 Rn. 30). Rechnet sich einer der Vertragspartner aus, der Vertrag werde  zustande kommen, und macht er aus diesem Grund Aufwendungen, so ist dies grundsätzlich seine Sache. Erst wenn aufgrund besonderer Umstände der eine Verhandlungspartner in dem anderen ein berechtigtes Vertrauen auf das sichere Zustandekommen des Vertrages erweckt, kommt eine an den grundlosen Abbruch der Verhandlungen geknüpfte Ersatzpflicht des die Verhandlungen Abbrechenden in Betracht. Ein solcher Umstand wird von der Rechtsprechung etwa darin gesehen, dass Vertragsverhandlungen abgebrochen werden, nachdem sich die Verhandlungspartner bereits sehr konkret auf den zu schließenden Vertrag verständigt haben (vgl. Soergel, BGB, § 280 C 33 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund muss auch die Klausel in Ziffer J des  „Indikativen Angebotes“ gesehen werden. Denn nach dem Empfängerhorizont musste der Beklagte nicht damit rechnen, dass durch die Klausel eine deutlich weitere Haftung begründet werden sollte.

Auch ein Anspruch der Klägerin aus culpa in contrahendo scheidet nach den vorstehenden Erwägungen aus, §§ 280, 241 II, 311 II BGB. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich jedem Vertragspartner frei steht, Verhandlungen in jeder Phase nach Belieben abzubrechen (Soergel, BGB, § 280 C 32; Palandt, BGB, § 311 Rn. 30). Erst wenn der eine Teil durch sein Verhalten in zurechenbarer Weise im anderen Teil das berechtigte Vertrauen weckt, es werde mit Sicherheit zum Abschluss des Vertrages kommen, und er dann ohne einen triftigen Grund (d.h. grundlos, aus sachfremden Erwägungen) vom Vertragsschluss Abstand nimmt, kommt ausnahmsweise eine Haftung in Betracht (vgl. Soergel, BGB, § 280 C 32; Palandt, BGB, § 311 Rn. 30 ff.; OLG Stuttgart WM 2007, 1743).

Einen solchen Haftungstatbestand hat der Beklagte nicht schon durch Gegenzeichnung des „Indikativen Angebots“ gesetzt. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Zustandekommen eines Vertrages für beide Parteien ersichtlich noch gänzlich ungewiss und hing u.a. von dem Ergebnis der Due Diligence, von der Unterbreitung eines verbindlichen Kaufangebotes durch die Klägerin und dem Übereinstimmen dieses Angebots mit dem im „Indikativen Angebot“ genannten Bedingungen sowie der Einigung der Parteien über sämtliche nicht in dem „Indikativen Angebot“ enthaltenen Randpunkte ab.

Einen solchen Haftungstatbestand hat der Beklagte auch im weiteren Verlauf der Verhandlungen nicht gesetzt; jedenfalls ist ein solcher seitens der Klägerin nicht hinreichend substantiiert behauptet worden. Etwaige mündliche Aussagen des Beklagten zum ersten Kaufvertragsentwurf wären – selbst wenn sie von dem Beklagten in der klägerseits behaupteten Weise getätigt worden sein sollten – nicht geeignet gewesen, einen Vertrauenstatbestand hervorzurufen. Denn die streitgegenständlichen Vertragsverhandlungen befanden sich weder zum Zeitpunkt der Übersendung des ersten Kaufvertragsentwurfes noch im Zeitpunkt der Übersendung des fortgeschriebenen zweiten Kaufvertragsentwurfes vom 15.09.2010 in einem Stadium, in dem von einem berechtigten Vertrauen der Klägerin auf das sichere Zustandekommen des Vertrages hätte gesprochen werden können. Vielmehr fehlte es – wie bereits ausgeführt –  auch zum Zeitpunkt der Übersendung des fortgeschriebenen zweiten Kaufvertragsentwurfes noch an der Einigung über diverse inhaltlichen Einzelfragen, die noch herbeigeführt werden musste, bevor sich bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen auf das sichere Zustandekommen des Kaufvertrages bilden konnte.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 100.000 EUR

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