LG Wiesbaden, Az.: 1 O 193/08, Urteil vom 26.01.2011
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der klagende Versicherungsnehmer begehrt von der beklagten Versicherung Zahlung aus einer Wohngebäudeversicherung aufgrund eines Wasserschadens.
Der im Hause … wohnende Kläger ist auch Eigentümer des Nachbarhauses … . Die Parteien schlossen für das Haus … mit Vertragsbeginn am 06.07.2005 gemäß Versicherungsschein vom 29.09.2005, Bl. 17 – 20 d. A., eine Wohngebäudeversicherung. Dem Vertrag liegen die allgemeinen Bedingungen für die SV Einfamilienhauspolice (SVEP 2005) zugrunde (vgl. Bl. 21 – 46 d. A.). In der Zeit von 2005 – 2008 war das Haus … unbewohnt. Der Kläger führte Renovierungsmaßnahmen in dem Hause durch und lagerte dort dafür benötigte Materialien. Am 05.04.2008 entdeckte der Kläger bei einem Besuch im Hause einen Wasserschaden. Am Auslass eines Boilers im ersten Obergeschoss war eine Undichtigkeit aufgetreten, aufgrund derer Leitungswasser ausgetreten und der Fußboden des Raumes, in dem sich der Boiler befand, sowie die Decke über dem Erdgeschoss und des darunter liegenden Raumes durchfeuchtet und beschädigt worden waren. Der Kläger meldete den Schaden mit schriftlicher Schadensanzeige vom 11.04.2008 der Beklagten. In der Anzeige gab er u. a. an, dass der Schaden zwischen dem 22.03.2008 und dem 05.04.2008 entstanden sein müsse. Des Weiteren heißt es, dass der Schaden nach dem 28.03., voraussichtlich am 02.04. entstanden sein müsse, da er vorher im Gebäude gewesen sei. Weiter heißt es in der Anzeige, dass das Gebäude seit 2005 nicht bewohnt sei und mit Gasöfen beheizt sei. Der Erdgeschoss-Ofen sei vor ca. 5 Wochen demontiert worden. Das Rohrsystem sei nicht entleert worden. Kontrollen des Objekts seien in Zeitabständen „zwischen einer Woche und 3 Wochen“ erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Schadensanzeige wird auf Bl 50 – 57 d. A. verwiesen. Mit Schreiben vom 24.04.2008 lehnte die Beklagte einen Eintritt für den Schaden wegen § 8 Nr. 2.2 SVEP 2005 ab und kündigte den Versicherungsvertrag wegen Obliegenheitsverletzung nach § 8 Nr. 4 SVEP 2005, Bl. 58 f d. A.. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 30.04.2008 an die Beklagte dagegen Widerspruch und bat um Überprüfung, Bl. 60 f d. A.. Mit Schreiben vom 19.05.2008 an den Kläger kündigte die Beklagte nochmals den Versicherungsvertrag, Bl. 62 d. A.. Mit Schreiben vom 04.06.2008 an die Beklagte widersprach der Kläger nochmals der Kündigung, vgl. Bl. 63 d. A.. Mit Schriftsatz vom 17.06.2008 forderten die Klägervertreter die Beklagte zur Überprüfung auf, vgl. Bl. 64 – 66 d. A.. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 18.06.2008, dass an der Ablehnung der Regulierung festgehalten werde, vgl. Bl. 67 d. A..
Der Kläger ist der Auffassung, dass keine Obliegenheitsverletzung vorliege. Aufgrund der Renovierungsarbeiten habe es sich nicht um ein nichtgenutztes Gebäude gehandelt. Aufgrund der durchgeführten Arbeiten sei ihm ein ständiges Absperren, Entleeren und Entleerthalten der Wasserleitungen nicht zumutbar gewesen. Im Übrigen hätte ein ständiges Absperren, Entleeren und Entleerthalten der Leitungen zu einem größeren Schaden geführt. Der Kläger behauptet, dass ein Schaden in Höhe von ca. 10.000,00 € entstanden sei. Gemäß der von ihm vorgelegten Kostenschätzung Bl. 68 d. A. betrage der Schaden mindestens ca. 7.520,00 € nebst Mehrwertsteuer.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € mit 5 % über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger im Rahmen des bestehenden Versicherungsvertrages Nr. … jeden weiteren Schaden zu ersetzen, der aufgrund des Schadensereignisses vom 05.04.2008 entstanden ist und noch entstehen wird,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 837,52 € Nebenforderung zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass kein Leistungsanspruch bestehe, weil der Kläger seine Obliegenheiten aus § 8 Ziffer 2.2 und Ziffer 2.3 SVEP 2005 verletzt habe. Der Kläger habe die wasserführenden Leitungen in dem leer stehenden Haus stets absperren, entleeren und entleert halten müssen. Aufgrund der Entfernung des Gasofens im Erdgeschoss stehe auch fest, dass das Gebäude nicht hinreichend beheizt worden sei. Im Übrigen sei sie leistungsfrei, weil der Kläger den Schaden grob fahrlässig verursacht habe.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 27.11.2008, Bl. 128 d. A., und 07.05.2009, Bl. 235 d. A., sowie gemäß Beschluss vom 16.03.2010, Bl. 329 d. A., durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst Ergänzungsgutachten des Sachverständigen für Schäden an Gebäuden Dipl.-Ing. … sowie dessen mündliche Anhörung im Termin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 20.01.2009, Bl. 163 – 192 d. A., das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 06.10.2009, Bl. 266 – 291 d. A., sowie das Sitzungsprotokoll des Landgerichts Wiesbaden vom 29.09.2010, Bl. 370 – 373 d. A., Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung in der begehrten Höhe und auf Feststellung, dass die Beklagte eintrittspflichtig für weitere Schäden aus dem Schadensereignis vom 05.04.2008 sei, aus § 1 VVG i. V. m. den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen SVEP 2005.
Denn die Beklagte ist gem. § 6 Abs. 1 VVG a. F. leistungsfrei, weil der Kläger gegen seine Obliegenheit nach § 8 Ziffer 2.2 SVEP 2005 verstoßen hat.
Das versicherte Gebäude in der … war seit Abschluss der Versicherung im Jahre 2005 – bis zur Entdeckung des Schadens am 05.04.2008 „nicht genutzt“ im Sinne von § 8 Ziffer 2.2 SVEP 2005. Ein Gebäude ist dann nicht genutzt, wenn es nicht zu seinem bestimmungsgemäßen Zweck verwendet wird. Ein Wohngebäude wird nicht genutzt, wenn es leer steht und in ihm nicht gewohnt wird (vgl. Spielmann, Sicherheitsvorschriften in der Leitungswasser-/Rohrbruchversicherung, VersR 2006, 317). Die Durchführung der Renovierungsmaßnahmen durch den Kläger änderte nichts daran, dass es sich um ein „nicht genutztes“ Gebäude handelte. Dies ergibt die Auslegung der entsprechenden Versicherungsbedingung. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (vgl. Prölss/Martin-Prölss, VVG, 27. Aufl. 2004, Vorbem. III, Rdnr. 2). Bereits der Wortlaut der Klausel spricht dafür, dass es sich bei einem leer stehenden, nicht zu Wohnzwecken genutzten Wohngebäude um ein „nicht genutztes“ Gebäude handelt. Des Weiteren sprechen auch Sinn und Zweck der Sicherheitsvorschrift für eine entsprechende Auslegung, weil in leer stehenden Gebäuden ein erhöhtes Risiko dafür besteht, dass z. B. durch Materialermüdung, Vandalismus o. ä. Leitungswasser über einen längeren Zeitraum unbemerkt austritt. Auch regelmäßig, mehrfach in der Woche durchgeführte Renovierungsarbeiten können daher den Status eines „nicht genutzten“ Gebäudes nicht verändern (vgl. OLG München, 27.01.2004, Az. 25 U 4931/03; LG Bonn, 28.10.2003, Az. 10 O 394/03; LG Kiel VersR 1990, 785; Spielmann a. a. O.). Soweit der Kläger einwendet, dass es ihm nicht zumutbar gewesen sei, während der Durchführung der Renovierungsarbeiten die Wasser führenden Anlagen immer wieder abzusperren, zu entleeren und entleert zu halten, kann dem nicht gefolgt werden. Ein entsprechender zusätzlicher Aufwand kann die Obliegenheit nicht entfallen lassen (vgl. Spielmann, a. a. O.). Der Versicherungsnehmer hat es vielmehr in der Hand, entweder seiner Obliegenheit nachzukommen oder bei Nichteinhaltung der Obliegenheit sein Risiko durch erhöhte Kontrollen o. ä. zu reduzieren. Demgegenüber hat der Versicherer keine Möglichkeit, dem erhöhten Risiko entgegenzutreten. Im Übrigen hat der Sachverständige … überzeugend ausgeführt, dass ein Absperren und Entleeren der Leitungen mit geringem Aufwand in ein paar Minuten möglich war. Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger verstoßen. Unstreitig hat er die Wasser führenden Leitungen nicht ständig abgesperrt, entleert und entleert gehalten. Dementsprechend hat auf die Frage in der Schadensanzeige, ob das Rohrsystem entleert gewesen sei, mit „Nein“ geantwortet. Im Übrigen folgt aus dem hier erfolgten Austritt von Leitungswasser, dass nicht alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abgesperrt, entleert und entleert gehalten wurden.
Aufgrund der erfolgten Obliegenheitsverletzung ist die Beklagte gem. § 6 Abs. 1 VVG a. F., der gem. Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG anwendbar ist, i. V. m. § 8 Ziffer 4. der SVEP 2005 von der Verpflichtung zur Leistung frei. Der Kläger hat keinerlei Umstände dargelegt, die geeignet wären, die Verschuldensvermutung zu widerlegen. Soweit er angeführt hat, dass ihm ein wiederholtes Absperren, Entleeren und Entleerthalten während der Durchführung der Renovierungsmaßnahmen nicht zumutbar gewesen sei, kann dem wie ausgeführt nicht gefolgt werden, zumal die entsprechenden Maßnahmen nach den Feststellungen des Sachverständigen in wenigen Minuten erfolgen konnten.
Einem Berufen der Beklagten auf die Obliegenheitsverletzung steht auch nicht § 6 Abs. 2 VVG a. F. entgegen, weil die Obliegenheit kausal für den Eintritt des Schadens war. Wenn der Kläger alle Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen abgesperrt, entleert und entleert gehalten hätte, hätte es nicht zu dem Leitungswasserschaden kommen können. Dies hat auch der Sachverständige … unter Ziffer 5.4 seines Gutachtens vom 20.01.2009 ausdrücklich bestätigt. Soweit der Kläger behauptet, dass es zu einem noch größeren Schaden gekommen wäre, wenn er die Wasser führenden Anlagen und Einrichtungen zwischendurch immer wieder abgesperrt, entleert und entleert gehalten hätte, ist dieser Vortrag bereits nicht hinreichend nachvollziehbar. Im Übrigen hat der Sachverständige … in seinem Ergänzungsgutachten vom 06.10.2009 ausgeführt, dass bei häufigerem Abstellen und Entleeren der Leitungen weniger Wasser ausgetreten wäre.
Die Beklagte hat auch wirksam gekündigt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG a. F. muss die Versicherung den Versicherungsvertrag kündigen, wenn sie sich auf Leistungsfreiheit berufen will. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 24.04.2008, das dem Kläger ausweislich seiner Antwort vom 30.04.2008 noch im April 2008 zugegangen ist, binnen eines Monats, nachdem sie von der Obliegenheitsverletzung Kenntnis erlangt hat, und damit rechtzeitig im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 und 3 VVG a. F. gekündigt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Streitwert: 13.000,00 €.